Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungsaufsicht. Übertragung eines Versicherungsbestandes. Genehmigung. Wahrung der Versichertenbelange. Beteiligung der Versicherungsnehmer am Vermögen des Versicherungsunternehmens. Stille Reserven. Beitragsrückerstattung. Überschußbeteiligung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Genehmigung der Übertragung eines Versicherungsbestandes nach § 14 VAG beschränkt sich die Prüfung, ob die Belange der Versicherten gewahrt sind, auf die von der Bestandsübertragung ausgehenden Wirkungen. Das Bundesaufsicht samt für das Versicherungswesen hat die Belange der Versicherten in der Weise zu wahren, daß es eine unangemessene Verschlechterung der rechtlichen und wirtschaftlichen Lage der betroffenen Versicherten verhindert.

2. Behält die übertragende Gesellschaft einen Teil ihres Vermögens zurück, so folgt daraus nicht zwangsläufig eine unangemessene Schlechterstellung der Versicherten, denen ein Anspruch auf Überschußbeteiligung zusteht.

 

Normenkette

VwGO § 42 Abs. 2; VAG § 8 Abs. 1 Nr. 2, § 14 Abs. 1

 

Nachgehend

BVerfG (Urteil vom 26.07.2005; Aktenzeichen 1 BvR 782/94, 1 BvR 957/96)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

 

Tatbestand

I.

Durch Vertrag vom 13. Juni 1988 übertrug die Beigeladene zu 1 den Versicherungsbestand des von ihr betriebenen Lebensversicherungsunternehmens auf die Beigeladene zu 2, eine von ihr zu diesem Zweck gegründete 100 %-ige Tochtergesellschaft. Die Übertragung umfaßte den gesamten Versicherungsbestand nebst den dazugehörigen technischen Passiva und den zur Bedeckung dienenden Aktiva. Die mitübertragenen Aktiva machten 98,88 % des Buchwertes aller vor der Bestandsübertragung vorhandenen Aktiva der Beigeladenen zu 1 aus. Unter den zurückgebliebenen Aktiva mit einem Buchwert von insgesamt ca. 90,67 Mio DM befinden sich mehrere Unternehmensbeteiligungen, nämlich die Beteiligung an der Beigeladenen zu 2 und einer weiteren Tochtergesellschaft sowie 0,2 % der Anteile an einer Datenverarbeitungsgesellschaft und eine Beteiligung an einer Bausparkasse. Der Buchwert dieser Beteiligungen belief sich auf ca. 26 Mio DM. Das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) genehmigte diese Bestandsübertragung durch Verfügung vom 15. Juni 1988.

Der Kläger, der 1970 bei der Beigeladenen zu 1 eine bis zum Jahre 2006 laufende Vermögensbildungsversicherung mit Anspruch auf Überschußbeteiligung abgeschlossen hat, erhob gegen diese Genehmigung Widerspruch. Zur Begründung machte er u.a. geltend, die genehmigte Bestandsübertragung bringe den gewinnberechtigten Versicherten erhebliche finanzielle Nachteile, da in den nicht übertragenen Vermögenswerten stille Reserven von mehr als 300 Mio DM enthalten seien, die bei einer späteren Veräußerung der Vermögenswerte nicht an die Versicherungsnehmer ausgekehrt würden. Die zurückbleibenden Vermögenswerte ständen aber zum größten Teil den betroffenen Versicherten zu.

In der Beschlußkammersitzung vom 11. Mai 1989 verpflichteten sich die Beigeladenen, mit dem BAV einen Vertrag zur Ergänzung des Einbringungs- und Bestandsübertragungsvertrages vom 13. Juni 1988 abzuschließen. Darin sollten sich die Beigeladenen gegenüber dem BAV verpflichten, bei einer Veräußerung der zurückbehaltenen Anteile an verbundenen Unternehmen und Beteiligungen die gewinnberechtigten Versicherten zu mindestens 90 % anteilig an dem erzielten Veräußerungsgewinn zu beteiligen, sofern der betreffende Versicherungsvertrag im Zeitpunkt der Veräußerung noch besteht. Die Verpflichtung der Beigeladenen und der Inhalt des abzuschließenden Vertrages wurden in dem Protokoll der Beschlußkammersitzung vom 11. Mai 1989 festgehalten.

Durch die am 11. Mai 1989 verkündete Beschlußkammerentscheidung (VerBAV 1989, 235) – dem Kläger zugestellt am 1. August 1989 – wies das BAV den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte es u.a. aus: Der Widerspruch sei zulässig, da die Genehmigung der Bestandsübertragung einen unmittelbaren Eingriff in die vertraglichen Rechte des Klägers auf Überschußbeteiligung bedeute. Die zurückbleibenden Aktiva mit den in ihnen möglicherweise enthaltenen stillen Reserven ständen nämlich nicht mehr als Ertragsquelle für zu verteilende Überschüsse zur Verfügung. Der Widerspruch sei jedoch unbegründet, da im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verhandlung der Beschlußkammer Rechte des Klägers nicht verletzt seien. Insbesondere seien die Belange der Versicherten ausreichend gewahrt. Eigentumsrechte oder vergleichbare dingliche Rechte der Versicherten könnten nicht verletzt sein, da den Versicherten an dem Vermögen des Versicherungsunternehmens derartige Rechte nicht zuständen. Die vertraglichen Rechte des Klägers und der übrigen Versicherten seien ausreichend gesichert, und zwar auch der Anspruch auf Beteiligung an den erwirtschafteten Überschüssen. Das Versicherungsunternehmen habe mindestens 90 % der Unternehmensüberschüsse durch Direktgutschrift und Zuweisung zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung zum Zwecke der Überschußbeteiligung zu verwenden, so daß die gewinnberechtigten Versicherten an den stillen Reserven dann partizipieren könnten, wenn das Unternehmen sie durch Veräußerung realisieren sollte. Durch die Verpflichtungserklärung der Beigeladenen vom 11. Mai 1989 sei sichergestellt, daß die in den zurückbleibenden Aktivwerten enthaltenen stillen Reserven den gewinnberechtigten Versicherten als mögliche Überschußquelle erhalten blieben.

Der in der Beschlußkammersitzung vom 11. Mai 1989 in Aussicht genommene Vertrag ist anschließend abgeschlossen worden. Die Vertragsparteien haben ihn am 17. Mai 1989 bzw. am 2. Juni 1989 unterzeichnet. In der Folgezeit hat die Beigeladene zu 1 die zurückbehaltene Beteiligung an einer Bausparkasse veräußert und entsprechend der abgegebenen Verpflichtung den Veräußerungserlös an die gewinnberechtigten Versicherten ausgeschüttet; dem Kläger sind dabei 16,77 DM gutgebracht worden.

Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen die Genehmigung der Bestandsübertragung. Zur Begründung trägt er unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens u.a. vor: Verträge über Kapitallebensversicherungen seien nur unvollkommen gegenseitige Verträge mit der Folge, daß die Versicherungsprämie nur hinsichtlich des in ihr enthaltenen Verwaltungskostenanteils, nicht aber in bezug auf Risiko- und Sparanteil ein im Synallagma mit der Leistung des Versicherungsunternehmens stehender Preis sei. Die Prämie könne deshalb auch nur unter den Einschränkungen und Bedingungen der entgeltlichen Geschäftsbesorgung, der unregelmäßigen Verwahrung und eines damit verbundenen Treuhandverhältnisses in die Verfügungsmacht des Versicherungsunternehmens übergehen. Lebensversicherungsunternehmen dürften also nicht über die mit Versichertengeld angeschafften Vermögenswerte uneingeschränkt verfügen. Das BAV hätte dies anläßlich der Genehmigung der Bestandsübertragung klarstellen und allen Lebensversicherten vor und nach der Bestandsübertragung zu den Erträgen und Überschüssen verhelfen müssen, die bei sparsamer Verwaltung und gewinnbringender Anlage aus ihrem den Lebensversicherungsunternehmen anvertrauten Geld entstanden seien oder hätten entstehen können. Statt der gebotenen Wahrung dieser Rechte werde der Kläger durch die Genehmigung der Bestandsübertragung schlechter gestellt; denn er erhalte einen ärmeren und damit nicht mehr so sicheren Vertragspartner, verliere jegliche Ansprüche auf eine eventuelle Beteiligung an den in den zurückbleibenden Vermögenswerten enthaltenen stillen Reserven und werde nach der Bestandsübertragung nicht mehr an den Erträgen aus den zurückbehaltenen Vermögenswerten beteiligt.

Der Kläger beantragt,

die Verfügung des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen vom 15. Juni 1988 und die Entscheidung der Beschlußkammer des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen vom 11. Mai 1989 aufzuheben.

Die Beklagte und die Beigeladenen beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie machen im wesentlichen geltend, die Klage sei aus den in der Beschlußkammerentscheidung aufgeführten Gründen unbegründet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger kann geltend machen, durch die streitige Genehmigungsverfügung in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO). Hieran würde es nur fehlen, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein könnten (vgl. Urteile vom 23. März 1982 – BVerwG 1 C 157.79 – Buchholz 451.25 LadschlG Nr. 20 und vom 21. Oktober 1986 – BVerwG 1 C 44.84 – Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 29).

Dies ist jedoch nicht anzunehmen. Die streitige Genehmigung läßt die Bestandsübertragung wirksam werden und zwingt damit dem Kläger eine andere Versicherungsgesellschaft als Vertragspartner auf. Da diese Gesellschaft nicht das gesamte Vermögen der übertragenden Gesellschaft erhält und somit niedrigere Gewinne zu erwarten hat als der bisherige Vertragspartner, läßt sich nicht ausschließen, daß der Kläger in seinem vertraglichen Recht auf Beteiligung an den Überschüssen seines Vertragspartners verletzt ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluß vom 11. Juli 1990 – 1 BvR 570/90 – NJW 1991, 1167 = VerBAV 1991, 339).

2. Die Klage ist jedoch nicht begründet; denn es läßt sich nicht feststellen, daß die angefochtene Genehmigung rechtswidrig ist und den Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Es handelt sich um die Genehmigung der Übertragung eines Versicherungsbestandes auf ein anderes Unternehmen nach § 14 Abs. 1 VAG. Sie setzt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 VAG zunächst voraus, daß das übernehmende Unternehmen Eigenmittel in Höhe der Solvabilitätsspanne nachweist. Dies ist, wie auch der Kläger nicht bestreitet, hier geschehen.

Im übrigen gilt nach § 14 Abs. 1 Satz 3 VAG für die Genehmigung der § 8 VAG entsprechend. Das bedeutet u.a., daß die Belange der Versicherten bei der Bestandsübertragung ausreichend gewahrt sein müssen (§ 8 Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt. VAG). Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, hat das Gericht voll nachzuprüfen.

An der ausreichenden Wahrung der Versichertenbelange fehlt es, wenn schutzwürdige Interessen der Versicherten beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigung unter Berücksichtigung der Gesamtheit der beteiligten Interessen und der Besonderheiten des betreffenden Versicherungszweiges als unangemessen anzusehen ist und so schwer wiegt, daß ein Eingreifen der Behörde gerechtfertigt ist (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerwGE 82, 303 ≪305≫ m.w.Nachw.). Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt vor, wenn sich die rechtliche oder tatsächliche Lage der betroffenen Versicherten durch die genehmigte Bestandsübertragung in einem beachtenswerten Maße verschlechtert. Ob dies der Fall ist, ist durch einen Vergleich der Stellung der Versicherten vor und nach der Bestandsübertragung festzustellen.

a) Aus dem Vorbringen des Klägers, das BAV hätte bei seiner Entscheidung klarstellen und davon ausgehen müssen, daß das Vermögen der übertragenden Gesellschaft weitgehend auf dem ihr nur anvertrauten Teil der Versicherungsprämien beruhe und insoweit den Versicherten zustehe, ergibt sich keine durch die Bestandsübertragung verursachte Schlechterstellung; denn dadurch, daß das BAV dies nicht getan hat, ist die bisherige Lage nicht zum Nachteil der betroffenen Versicherten verändert worden. Bei der hier vorliegenden nichtfondsgebundenen Lebensversicherung wird der Umstand, daß die Versicherungsprämien hohe Sicherheitszuschläge enthalten, die sich möglicherweise nachträglich als überhöht herausstellen, in der Weise ausgeglichen, daß die Versicherten nach Maßgabe der aufsichtsbehördlich genehmigten Geschäftspläne in Höhe von mindestens 90 % an den vom Versicherer jährlich ausgewiesenen Rohüberschüssen zu beteiligen sind, was durch eine Direktgutschrift (in Höhe von 5 % des Guthabens des Versicherten abzüglich Rechnungszins) und die Zuführung zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung (vgl. § 56 a VAG) sowie die Zuteilung hieraus zu entnehmender Beträge an die einzelnen Versicherten geschieht (vgl. dazu BVerwGE 82, 303 ≪305 f.≫). Diese rechtliche Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses hat sich durch die Bestandsübertragung nicht verändert; es ist insbesondere insoweit keine Schlechterstellung eingetreten. In dieser Hinsicht sind daher die Belange der Versicherten hinreichend gewahrt im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 VAG. Das BAV war nicht verpflichtet, anläßlich der Genehmigung der Bestandsübertragung eine rechtliche Umgestaltung der Versicherungsverträge zugunsten der Versicherten herbeizuführen, etwa indem es eine Änderung der ihnen zugrundeliegenden Geschäftspläne veranlaßte. Das Aufsichtsrecht gewährt auch den Versicherten darauf keinen Rechtsanspruch (vgl. auch § 81 Abs. 1 Satz 2 VAG). Das Wahren der Belange der Versicherten umfaßt hier – wie sich bereits aus dem Wortsinn ergibt – den Schutz der bestehenden Lage, nicht aber deren Verbesserung. Eine Überprüfung des für die Versicherungsverträge geltenden Regelwerks findet im Rahmen der Erteilung der Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb statt, die sich u.a. auf den auch die allgemeinen Versicherungsbedingungen umfassenden Geschäftsplan erstreckt (vgl. § 5 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 und § 11 VAG), sowie bei der Genehmigung einer Änderung des Geschäftsplans (§ 13 Abs. 1 VAG). Die nach Überprüfung erlassene behördliche Entscheidung erlangt eine eigene Bestandskraft. Die Prüfung der Bestandsübertragung beschränkt sich auf die von ihr ausgehenden Wirkungen.

b) Eine zu beanstandende Schlechterstellung der betroffenen Versicherten ergibt sich auch nicht als wirtschaftliche Folge daraus, daß die übertragende Gesellschaft einen Teil ihres Vermögens zurückbehalten hat.

Soweit der Kläger geltend macht, daß er nunmehr bei einer finanzschwächeren Gesellschaft versichert ist, liegt keine zu beanstandende Beeinträchtigung der Belange der Versicherten vor. Es kann auf sich beruhen, ob dieser Gesichtspunkt überhaupt bei Prüfung eines Bestandsübertragungsvertrages die Annahme nicht ausreichender Wahrung der Belange der Versicherten rechtfertigen kann oder durch den Nachweis der Eigenmittel in Höhe der Solvabilitätsspanne bereits abschließend berücksichtigt ist. Da die übernehmende Gesellschaft buchwertmäßig 98,88 % des Vermögens der übertragenden Gesellschaft erhalten hat, handelt es sich nur um eine relativ geringe Minderung des Vermögens. Diese Reduzierung wird zum anderen teilweise dadurch ausgeglichen, daß die übertragende Gesellschaft gewisse Verpflichtungen behalten hat, so daß die übernehmende Gesellschaft entsprechend entlastet ist. Des weiteren gewinnen die betroffenen Versicherten durch die sich aus der Bestandsübertragung ergebende Spartentrennung den Vorteil, daß nunmehr das Vermögen ihres Versicherers nur noch der Absicherung der Lebensversicherungsverträge dient und von dem Risiko, das von anderen Versicherungssparten ausgeht, befreit ist, weil der Versicherer keine Beteiligungen an Unternehmen anderer Sparten mehr hält. Außerdem ist zu erwarten, daß die übertragende Gesellschaft als nunmehrige Holdinggesellschaft weiterhin an einem krisenfreien Fortbestand der übernehmenden Gesellschaft interessiert ist und notfalls die gebotene wirtschaftliche Unterstützung leisten wird. Deswegen und angesichts der finanziellen Ausstattung der übernehmenden Gesellschaft liegt ein die Belange der Versicherten unangemessen beeinträchtigender Nachteil auch nicht darin, daß die in den zurückbehaltenen Beteiligungen enthaltenen stillen Reserven für einen etwa erforderlich werdenden Verlustausgleich nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen beinhaltet keine Verpflichtung zur Vorsorge in bezug auf völlig Ungewisse und bei ordentlicher Geschäftstätigkeit vermeidbare und nicht zu erwartende Verluste. Insofern können unter Umständen einzelne Maßnahmen nach §§ 81 ff. VAG in Betracht zu ziehen sein.

Auch im Hinblick auf den Anspruch der Versicherten auf Überschußbeteiligung ergibt sich im Ergebnis keine zu beanstandende Schlechtersteilung. Dieser Anspruch könnte zwar dadurch verkürzt worden sein, daß die Überschußquellen reduziert worden sind; insoweit bestehen jedoch ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken. Hinsichtlich der übertragenen Vermögenswerte in Höhe von buchwertmäßig 98,88 % des Vermögens der übertragenden Gesellschaft scheidet eine solche Schlechterstellung aus, da diese Vermögensteile unverändert zur Überschußbildung beitragen. Hinsichtlich der zurückgebliebenen 1,12 % kann dagegen eine Schlechterstellung in Betracht kommen, und zwar in zweifacher Hinsicht. Einmal könnten die Versicherten die Aussicht verlieren, daß etwaige in den zurückbleibenden Vermögenswerten enthaltenen stillen Reserven durch Veräußerung realisiert werden und den auszuschüttenden Unternehmensüberschuß erhöhen. Zum anderen scheiden die zurückbleibenden Vermögensteile als laufende Ertragsquelle, die die Überschüsse entsprechend erhöhen könnte, aus.

Eine unangemessene Beeinträchtigung der Belange der Versicherten ist nicht darin zu sehen, daß etwaige in den zurückbleibenden Unternehmensbeteiligungen enthaltenen stillen Reserven nicht mehr zur Überschußbeteiligung beitragen können. Die Gefahr, daß die Versicherten von der Realisierung der betreffenden stillen Reserven nicht profitieren würden, ist durch die gegenüber dem BAV noch vor der Widerspruchsentscheidung abgegebenen Verpflichtungserklärungen der beteiligten Gesellschaften angemessen beseitigt worden. Die beteiligten Gesellschaften haben nämlich darin zugesagt, daß sie sich in einem mit dem BAV abzuschließenden Ergänzungsvertrag verpflichten werden, bei einer Veräußerung der zurückbehaltenen Beteiligungen mindestens 90 % des Veräußerungsgewinns den betroffenen Versicherten zukommen zu lassen. Die Beschlußkammer durfte bei ihrer Entscheidung diese Sachlage berücksichtigen und konnte davon ausgehen, daß die beteiligten Gesellschaften die abgegebene Verpflichtungserklärung einhalten werden. Rechtliche Bedenken gegen den in Aussicht genommenen Ergänzungsvertrag bestanden nicht, und zwar auch nicht wegen seiner öffentlich-rechtlichen Natur. Als öffentlich-rechtlicher Vertrag ist er rechtlich zulässig, da Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen (§ 54 Satz 1 VwVfG). Für das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes gemäß § 59 VwVfG besteht kein Anhalt. Die Beklagte und die Beigeladenen werten den Vertrag als Vergleichsvertrag im Sinne des § 55 VwVfG. Das ist nicht zu beanstanden. Bei verständiger Würdigung war die Rechtslage ungewiß. Es war höchstrichterlich nicht geklärt, wie bei der Übertragung eines Lebensversicherungsbestandes mit Anspruch der Versicherten auf Überschußbeteiligung stille Reserven des bei der übertragenden Gesellschaft zurückbehaltenen Vermögens zu behandeln sind. Diese Frage wird im Schrifttum nicht einheitlich beantwortet, sondern kontrovers diskutiert, wie u.a. die von den Beteiligten vorgelegten Rechtsgutachten verdeutlichen. Die Ungewißheit ist auch durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt worden. Die Beigeladenen sind davon abgerückt, die Bestandsübertragung unter Ausschluß jeglicher Beteiligung der Versicherten an den stillen Reserven vorzunehmen. Die Beklagte ist den Beigeladenen jedenfalls insofern entgegengekommen, als sie bei der Schaffung der ihrer Ansicht nach zuvor nicht erfüllten Genehmigungsvoraussetzungen als Vertragspartner mitgewirkt, mithin den Beigeladenen einen Weg zur Herstellung der Genehmigungsfähigkeit des Bestandsübertragungsvertrages eröffnet hat, wozu sie den Beigeladenen gegenüber rechtlich nicht verpflichtet war. Der Nichtigkeitsgrund des § 59 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG ist daher nicht erfüllt, denn er setzt u.a. voraus, daß die Voraussetzungen für den Abschluß eines Vergleichsvertrages nicht vorlagen. Darüber hinaus bedurfte der Vertrag wie der Bestandsübertragungsvertrag selbst (§ 14 Abs. 1 Satz 5, 2. Halbsatz VAG) nicht der Zustimmung des Klägers und der anderen Versicherten, denn der Vertrag greift nicht in ihre Rechte ein, sondern verschafft ihnen Rechte (§ 58 Abs. 1 VwVfG).

Durch die danach wirksame Verpflichtung zur Ausschüttung von 90 % des Veräußerungsgewinns sind die betroffenen Versicherten ausreichend geschützt. Das BAV war nicht verpflichtet, anläßlich der Bestandsübertragung aufsichtsrechtlich die Realisierung der stillen Reserven und die Übertragung auf die übernehmende Gesellschaft oder die Verwendung für die Überschußbeteiligung zu veranlassen; namentlich ergibt sich eine solche Pflicht nicht aus den ganz andere Sachverhalte regelnden §§ 53 d, 54 VAG. Die Versicherten sind in bezug auf eine Beteiligung an den stillen Reserven im wesentlichen so gestellt, wie sie ohne die Bestandsübertragung ständen. Sie werden in gewisser Hinsicht sogar besser gestellt; denn ohne die Bestandsübertragung wäre eine gleiche Beteiligung des einzelnen Versicherten am Veräußerungsgewinn nicht ohne weiteres gesichert, weil dann – vorbehaltlich des Rückgewährrichtsatzes (§ 81 c VAG) – nur eine Überschußbeteiligung von 90 % des Rohüberschusses den Versicherten gewährleistet gewesen und diese zu einem erheblichen Teil zunächst der Rückstellung für Überschußbeteiligung zugeführt worden wäre.

Eine unangemessene Benachteiligung stellt es auch nicht dar, daß sich der Anteil des einzelnen Versicherten nach seinem Deckungskapital im Zeitpunkt der Bestandsübertragung bestimmt, das ins Verhältnis zum gesamten vorhandenen Deckungskapital gesetzt wird, so daß durch danach geleistete Beiträge keine Erhöhung des Anteils bewirkt wird. Zum einen verhindert diese Festschreibung, daß sich der Anteil reduziert, wie es bei einer erheblichen Zunahme des Neugeschäfts der Fall sein kann, wenn die Versicherten so gestellt würden, wie sie ohne Bestandsübertragung ständen. Zum anderen ist zu berücksichtigen, daß die Überschußbeteiligung auch insoweit einen Ausgleich für eigentlich „überhobene” Beiträge darstellt, als sie sich aus einer Realisierung stiller Reserven ergibt. Danach ist es nicht unangemessen, daß zur Wahrung der Belange der Versicherten bei einer Bestandsübertragung auch bezüglich des sich aus einer Realisierung stiller Reserven des zurückbehaltenen Vermögens ergebenden Anteils nur an die bis zur Bestandsübertragung geleisteten Beiträge in Höhe des Deckungskapitals des berechtigten Versicherten angeknüpft wird.

Auch soweit die zurückbehaltenen Vermögenswerte als laufende Ertragsquelle ausfallen und insoweit nicht überschußerhöhend wirken können, liegt im Ergebnis keine zu beanstandende Schlechterstellung vor. Es trifft zwar zu, daß die zurückbehaltenen Werte laufende Erträge erbringen. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß diese zu einer Erhöhung der Überschußbeteiligung geführt hätten, zumindest nicht in einem hier zu beachtenden Umfang.

Die betreffenden laufenden Erträge machen jährlich etwa 4 bis 5 Mio DM aus. Von diesem Betrag kann jedoch nicht ausgegangen werden, da – wie die beteiligten Gesellschaften dargelegt haben – ein erheblicher Teil zur Begleichung der zurückbehaltenen Verpflichtungen benötigt wird und daher auch ohne die Bestandsübertragung verbraucht worden wäre, z.B. als Aufwand für die Wahrnehmung der Holding-Funktion und für Pensionsrückstellungen. Hinsichtlich des verbleibenden Teils, auf dessen genaue Höhe es für die Beurteilung, ob die Belange der Versicherten ausreichend gewahrt sind, nicht ankommt, kann aber nicht angenommen werden, daß er ohne die Bestandsübertragung tatsächlich zu einer Erhöhung der Überschußbeteiligung führen würde und führen müßte. Nach den gegebenen Umständen ist das Unternehmen frei, diese Erträge anderweit zu verwenden. Es hat auf absehbare Zeit keine Veranlassung, sie zusätzlich für die Beitragsrückerstattung zu bestimmen. Dafür sind insbesondere keine rechtlichen oder marktpolitischen Gründe gegeben. Die übernehmende Gesellschaft hat weiterhin mehr an Überschußbeteiligung gewährt, als die übertragende Gesellschaft ohne die Bestandsübertragung nach dem Geschäftsplan und dem Rückgewährrichtsatz hätte gewähren müssen. Die von der übernehmenden Gesellschaft gewährte Quote von über 97 % des Rohüberschusses würde sich, wenn man diesen um die nicht durch Aufrechnungen gekürzten Erträge aus dem zurückbehaltenen Vermögen erhöhte, um weniger als 1 % verringern; sie läge damit immer noch erheblich über der geschuldeten Mindestquote von 90 % und wäre daher rechtlich nicht zu beanstanden. Es ist auch nicht anzunehmen, daß ohne die Bestandsübertragung aus marktpolitischen Gründen eine ins Gewicht fallende höhere Summe ausgeschüttet würde; denn die von der übernehmenden Gesellschaft in den letzten Jahren gewährte „Verzinsung” des Versichertenguthabens von durchschnittlich rund 7,5 % liegt nach den nicht bestrittenen Angaben der Beigeladenen nach wie vor zumindest im Branchendurchschnitt. Damit wird das rechtlich und wirtschaftlich erforderliche Maß an Überschußbeteiligung ohne die zurückgebliebenen laufenden Einnahmen erbracht, so daß ihr Zurückbleiben ohne nennenswerten Einfluß auf die Höhe der Überschußbeteiligung ist und den Versicherten demnach keine unangemessenen Nachteile bringt. Darüber hinaus ist die übernehmende Gesellschaft, die buchwertmäßig 98,88 % des Vermögens erhalten hat, so ausgestattet, daß sie etwaige erforderlich werdende Erhöhungen der Beitragsrückerstattung erbringen kann. Es läßt sich daher auch unter Berücksichtigung der regelmäßig langen Laufzeit der Lebensversicherungsverträge nicht feststellen, daß die betroffenen Versicherten durch die Bestandsübertragung überhaupt oder wenigstens in einem beachtenswerten Umfang schlechter gestellt würden.

Abgesehen von diesen Umständen ergibt auch die hier vorzunehmende Gesamtabwägung der beteiligten Interessen, daß die Belange der Versicherten ausreichend gewahrt sind. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die vorliegende Bestandsübertragung u.a. den – vom BAV langjährig angestrebten – versicherungswirtschaftlich sinnvollen Zweck der Spartentrennung verfolgt. Diese Trennung kommt – wie bereits erwähnt – auch den betroffenen Versicherten zugute, da die Lebensversicherungsverträge dann nicht mehr mit den von den anderen Versicherungssparten ausgehenden Risiken belastet sind. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung sind außerdem die schützenswerten Interessen der beteiligten Unternehmen zu beachten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der übertragenden Gesellschaft billigerweise nicht verwehrt werden darf, die Bestandsübertragung als eine zweckmäßige Umorganisation vorzunehmen und dabei eine gewisse vermögensmäßige Ausstattung zurückzubehalten, um die Aufgaben, die bei ihr verbleiben und die ihr als Muttergesellschaft zuwachsen, erfüllen zu können. Auf diesem Hintergrund und mit Rücksicht darauf, daß das zurückbehaltene Vermögen lediglich 1,12 % des Buchwertes des ursprünglichen Vermögens ausmacht und – wie oben ausgeführt – eine beachtenswerte Benachteiligung der Versicherten nicht zu erwarten ist, ergibt die gebotene Gesamtbetrachtung, daß die Belange der Versicherten im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VAG gewahrt sind.

Unter diesen Umständen scheidet auch ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG aus. Der Anspruch auf Überschußbeteiligung ist zwar als Eigentum im Sinne dieses Grundrechts anzusehen. Abgesehen von der im Geschäftsplan jedenfalls als Mindestsatz der Höhe nach festgelegten und unstreitig auch nach der Bestandsübertragung gesicherten Direktgutschrift ist der Anspruch auf Überschußbeteiligung aber der Höhe nach unbestimmt, weil er nach dem Geschäftsplan wesentlich von der weitgehend unternehmerischen Entscheidung abhängt, in welcher Höhe der Rohüberschuß über den Mindestsatz von 90 % hinaus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung zugewiesen und welcher Anteil dieser Rückstellung – bei Berücksichtigung der geltenden Obergrenzen zur Ausschüttung an die Versicherten bestimmt wird. Diese Position der Versicherten wird, wie dargelegt, durch die Genehmigung der Bestandsübertragung nicht geschmälert, weil jedenfalls das, was nach dem Geschäftsplan den Versicherten mindestens zuzuteilen ist, ihnen nach der Bestandsübertragung selbst bei Hinzurechnung des zurückbehaltenen Vermögens gewährleistet bleibt. Danach kann namentlich keine Rede davon sein, daß hier der Anspruch auf Überschußbeteiligung infolge der von der Beklagten genehmigten Bestandsübertragung entwertet oder ausgehöhlt wird (vgl. BVerfG, Kammerbeschluß vom 11. Juli 1990, a.a.O.). Infolge der Bestandsübertragung etwa erwachsene weitergehende Ansprüche des Klägers gegen die Beigeladenen wären durch die angefochtene Genehmigung ohnehin nicht berührt. Für die hier zu treffende Entscheidung ist allein maßgebend, daß die Belange der Versicherten auch im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG ausreichend gewahrt sind und die Beklagte deswegen nicht verpflichtet war, die Genehmigung von weiteren Voraussetzungen zum Schutz der Versicherten abhängig zu machen.

Ist die angefochtene Genehmigung nach alledem nicht rechtswidrig, so war die Klage abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

 

Unterschriften

Meyer, Scholz-Hoppe, Kemper, Mallmann, Hahn

 

Fundstellen

BVerwGE, 25

ZIP 1994, 705

JZ 1995, 455

BVerwGE: ja

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge