Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrsprojekt. Planfeststellung. mittelbare (optische) Beeinträchtigung eines Wohngrundstücks. Anspruch auf Übernahme des Grundstücks gegen Entschädigung verneint. Entschädigungsleistung wegen unzumutbarer Lärmeinwirkung auf den Außenwohnbereich

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch gegen den Träger der Straßenbaulast, ein Grundstück, das von den Auswirkungen eines Straßenbauvorhabens unzumutbar betroffen ist, gegen Zahlung einer Entschädigung zu übernehmen, kann seine Rechtsgrundlage in § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG finden.

 

Normenkette

FStrG § 17 Abs. 1 S. 2; GG Art. 14 Abs. 1 S. 2; VwVfG § 74 Abs. 2 S. 3

 

Tenor

Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 9. Oktober 2000, der den Plan für den Neubau eines planfreien Knotenpunktes zwischen den in diesem Abschnitt bislang auf derselben Trasse verlaufenden Bundesstraßen … sowie der Landesstraße … feststellt. Die Landesstraße …, welche die Bundesstraßen … bisher niveaugleich kreuzt, wird geringfügig nach Süden verlegt und künftig auf einer Brücke über die Bundesstraße … hinübergeführt. Die Verbindung zwischen der Bundesstraße … und der Landesstraße … erfolgt über Anschlussstellen in der Form eines unsymmetrischen halben Kleeblatts. Die Bundesstraße … wird auf eine eigene Trasse nach Westen verlegt und mündet künftig in die Landesstraße … ein. Die planfestgestellte Baumaßnahme steht im Zusammenhang mit dem Ausbau der Bundesstraße … zu einer vierspurigen, anbaufreien Kraftfahrstraße.

Der Kläger ist u.a. Eigentümer des Flurstücks … sowie der Flurstücke … in der Gemarkung W. und des Flurstücks … in der Gemarkung W. Von den in der Gemarkung W. gelegenen, landwirtschaftlich genutzten Flächen werden rund 80 000 qm für das Planvorhaben benötigt. Das Grundstück in der Gemarkung W., das mit einem zurzeit vermieteten Einfamilienhaus bebaut ist, liegt im baurechtlichen Außenbereich an der Landesstraße … Es wird für den Straßenbau nicht in Anspruch genommen. Die Rampe der nordwestlichen Anschlussstelle reicht allerdings bis an die Grundstücksgrenze heran; der Abstand zwischen der östlichen Hauswand und dem Böschungsfuß beträgt ca. 8 m. Für die prognostizierten nächtlichen Grenzwertüberschreitungen hat der Beklagte dem Kläger im Planfeststellungsbeschluss passiven Schallschutz zugesagt.

Der Kläger hat am 10. November 2000 Klage erhoben und bemängelt, dass der Zugriff auf seine landwirtschaftlichen Flächen aus verschiedenen Gründen rechtswidrig sei. Zudem hätte der Beklagte den Träger des Vorhabens verpflichten müssen, das Wohngrundstück in Wernitz gegen Zahlung einer Entschädigung zu übernehmen. Denn eine Wohnnutzung sei dort nicht mehr möglich. Bislang betrage der Abstand des Wohnhauses von der Straßenkreuzung der Bundesstraßen … mit der Landesstraße … 80 bis 100 m. Nach der Verkürzung des Abstandes auf 8 m durch den Bau einer Anschlussstelle und der Verlegung der Landesstraße … auf einen Damm werde sein Wohnhaus von dem Vorhaben „erdrückt”. Auch werde es einer unerträglichen Lärmbelastung ausgesetzt. Mit dem vorgesehenen passiven Lärmschutz sei ihm, dem Kläger, nicht geholfen, weil ein stärkeres Verkehrsaufkommen zu erwarten sei als vom Beklagten angenommen. Ferner werde das Haus Erschütterungen durch den Schwerlastverkehr ausgesetzt, denen es nicht gewachsen sei. Sollte der geltend gemachte Übernahmeanspruch nicht gegeben sein, sei zumindest eine Entschädigung wegen unzumutbarer Lärmeinwirkungen auf den Außenwohnbereich zu gewähren.

Im Orts- und Erörterungstermin, den der Berichterstatter am 2. April 2002 durchgeführt hat, hat der Kläger erklärt, er sei nur noch an der Übernahme des Wohngrundstücks gegen Entgelt interessiert, nachdem er sich mit dem Straßenbauamt wegen der Inanspruchnahme seiner landwirtschaftlich genutzten Flächen finanziell geeinigt habe. Diese Erklärung hat sein Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholt und die Notwendigkeit der Straßenbaumaßnahme anerkannt.

Der Kläger beantragt,

  • den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 9. Oktober 2000 aufzuheben, soweit er die in seinem Eigentum stehenden Flächen betrifft,
  • hilfsweise,

    den Beklagten zu verpflichten, dem Träger des Vorhabens im Wege der Planergänzung aufzugeben, sein Wohngrundstück gegen Zahlung einer Entschädigung zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält den geltend gemachten Übernahmeanspruch für unbegründet. Die vorgegebene Situation des Wohngrundstücks werde durch das planfestgestellte Straßenbauvorhaben zwar nachhaltig, nicht jedoch unzumutbar verändert. Von der Rampe der Anschlussstelle an der östlichen Grundstücksgrenze gehe keine erdrückende Wirkung aus. Die zu erwartende Immissionsbelastung durch Lärm bleibe unterhalb der enteignungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle, und Erschütterungen, durch die das Wohnhaus in Mitleidenschaft gezogen werde, seien nicht zu erwarten. Aufgrund der Feststellungen im Orts- und Erörterungstermin am 2. April 2002 erkenne er, der Beklagte, die nördlich des Wohnhauses belegenen Rasenflächen als entschädigungspflichtigen Außenwohnbereich an.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Senat wertet die im Orts- und Erörterungstermin am 2. April 2002 abgegebene und im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekräftigte Erklärung des Klägers, mit der Klage nur noch das Ziel der Übernahme seines Wohngrundstücks gegen Entschädigung verfolgen zu wollen, als Klagerücknahme, soweit sich der Kläger auch gegen die Inanspruchnahme seiner landwirtschaftlich genutzten Flächen in der Gemarkung Wustermark zur Wehr gesetzt hat. Im Umfang der Klagerücknahme ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

Soweit über die Klage entschieden werden muss, ist sie unbegründet. Der Kläger kann die Übernahme seines Wohngrundstücks gegen Entgelt (Ablösung), auf die die Klage sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag noch gerichtet ist, materiellrechtlich nicht beanspruchen. Es braucht daher nicht entschieden zu werden, ob der Kläger sein Begehren prozessual im Wege der mit dem Hauptantrag erklärten Anfechtung des Planfeststellungsbeschlusses verfolgen muss oder ob der auf die Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses gerichtete, hilfsweise gestellte Verpflichtungsantrag statthaft ist.

1. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Übernahmeanspruch kommt allein § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG in Betracht. Danach hat der Betroffene Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld, wenn Vorkehrungen und Anlagen, die nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind, untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind. Erforderlich sind Schutzmaßnahmen, wenn die Auswirkungen des Vorhabens dem Betroffenen ohne Ausgleich nicht zumutbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1984 – BVerwG 4 C 58.81 – BVerwGE 69, 256 ≪275≫). Von der im Urteil vom 23. Januar 1981 – BVerwG 4 C 4.78 – (BVerwGE 61, 295 ≪305 f.≫) vertretenen Auffassung, der Übernahmeanspruch finde in den allgemeinen enteignungsrechtlichen Grundsätzen seine Grundlage, ist der Senat bereits abgerückt (BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 C 17-19.84 – BVerwGE 77, 295 ≪297 f.≫). Zwar bleibt der Übernahmeanspruch weiterhin daran geknüpft, dass das Grundeigentum „schwer und unerträglich” betroffen und damit die sog. „enteignungsrechtliche” Zumutbarkeitsschwelle überschritten ist (BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991 – BVerwG 4 C 51.89 – BVerwGE 87, 332 ≪383≫). Mittelbare Beeinträchtigungen, also solche, durch die – wie vorliegend – das Eigentum nicht vollständig oder teilweise entzogen wird, beschränken jedoch unabhängig von ihrer Intensität Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und stellen keine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG dar (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 15. Juli 1981 – 1 BvL 77/78 – BVerfGE 58, 300 ≪334 f.≫ und 2. März 1999 – 1 BvL 7/91 – BVerfGE 100, 226 ≪240≫). Der erstgenannten Verfassungsbestimmung ist auch § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG zugeordnet (BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991, a.a.O.).

§ 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG ist nach seiner Rechtsfolge anwendbar, obwohl in ihm von einem Übernahmeanspruch nicht die Rede ist. Der Übernahmeanspruch ist nämlich eine besondere Art des Entschädigungsanspruchs und die Hingabe des Eigentums eine seiner Voraussetzungen, so dass es sich bei dem Übernahmebegehren nicht um einen Enteignungsantrag handelt, sondern um einen Antrag auf Entschädigung, in dessen Rahmen über die Eigentumsübertragung zu erkennen ist (BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 – III ZR 112/91 – DVBl 1993, 430 ≪431≫). Der Kläger erstrebt die Übernahme seines Grundstücks nicht um ihrer selbst willen, sondern als Voraussetzung dafür, dass ihm der gesamte Grundstückswert vergütet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1993 – BVerwG 7 C 26.92 – BVerwGE 94, 1 ≪3≫).

2. Die Voraussetzungen für den Übernahmeanspruch sind vorliegend nicht erfüllt. Die Verwirklichung des planfestgestellten Straßenbauvorhabens verschlechtert die Situation des Wohngrundstücks nicht derart nachhaltig, dass dessen Nutzung zu Wohnzwecken als unzumutbar erscheint.

a) Dies gilt zunächst in Bezug auf die optischen Beeinträchtigungen durch die nordwestliche Anschlussstelle und die zukünftige Dammlage der Landesstraße … Die Aufschüttungen verstellen zwar in östlicher und südlicher Richtung den bisherigen Blick in die freie, ebenflächige Landschaft, wirken aber nicht erdrückend. Unmittelbar vor der östlichen Hauswand, in der sich zwei Fenster befinden, erreicht die Rampe der Anschlussstelle unter Einschluss einer ca. 1,15 m hohen Betongleitwand auf Fahrbahnniveau, deren Errichtung der Beklagte dem Kläger in der mündlichen Verhandlung zugesichert hat, eine Höhe von ca. 6 m. Sie bleibt damit unterhalb der Firsthöhe des Wohnhauses, die bei ca. 6,50 m liegt. Der Abstand von 8 m zwischen der östlichen Hauswand und dem Fuß der Böschung vergrößert sich wegen der Böschungsneigung von 1:1,5 kontinuierlich mit der Folge, dass sich das Sichtfeld nach oben trichterförmig erweitert. Ferner dürfte die dem Kläger vom Beklagten zugesagte Bepflanzung der Böschung mit Gehölzen und der Stützwand am Böschungsfuß mit Wein zu einer optischen Auflockerung beitragen und die Rampe weniger massig erscheinen lassen.

Eine erdrückende Wirkung geht von der Rampe auch nicht deshalb aus, weil sie sich bis zur Grenze des klägerischen Grundstücks mit der Landesstraße … nach deren bisherigem Verlauf gleichmäßig ansteigend auf 5,70 m und bis zum Damm der Landesstraße … nach deren künftigem Verlauf auf 7,30 m erhöht. Die Rampe ist in diesen Bereichen aus den Fenstern in der südlichen Hausfront sichtbar. Aus ihnen fällt der Blick allerdings nicht frontal auf sie, sondern läuft gewissermaßen an ihr entlang. Das Blickfeld wird nicht von ihr beherrscht, sondern von dem rechtwinklig auf sie zulaufenden Damm der Landesstraße …, der – wie die Ortsbesichtigung durch den Senat im Rahmen der mündlichen Verhandlung ergeben hat – seinerseits einen genügenden Abstand zum Wohnhaus wahrt.

b) Ein Übernahmeanspruch besteht auch wegen geltend gemachter unerträglicher Lärmimmissionen nicht. Die zu erwartenden Lärmwerte betragen 66 dB(A) tags und 59 dB(A) nachts. Diese Werte liegen deutlich unterhalb eines Bereichs, der für die Annahme einer Gesundheitsgefährdung in Betracht kommt. Das gilt insbesondere für das Obergeschoss an der am stärksten belasteten östlichen Hausfront. Die zugrunde gelegten Lärmwerte sind nicht zu beanstanden. Der Einwand des Klägers, die Prognose der zu erwartenden Verkehrsmenge sei wertlos, weil sie von einer zu niedrigen Verkehrsbelastung ausgehe, ist nicht erheblich. Selbst wenn der durchschnittliche tägliche Verkehr (DTV) auf der Bundesstraße … am Knotenpunkt nicht – wie in den zum Bestandteil des im Planfeststellungsbeschluss gemachten Ergebnissen der schalltechnischen Untersuchungen vom 14. April 2000 vorausgesagt – bei 26 000 Kraftfahrzeugen je 24 Stunden, sondern entsprechend der Verkehrsuntersuchung vom März 1996 bei 30 000 Kraftfahrzeugen liegen sollte, wird die verfassungsrechtlich erhebliche Zumutbarkeitsgrenze nicht erreicht. Erst eine Verdoppelung des Verkehrsaufkommens würde eine Erhöhung der Lärmwerte um etwa 3 dB(A) bewirken (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 A 10.95 – Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 13). Daraus ergibt sich, dass eine Zunahme von etwa 4 000 Kraftfahrzeugen je 24 Stunden in keinem Falle den kritischen Bereich einer Gesundheitsgefährdung erreicht.

c) Dem Kläger steht ferner kein Übernahmeanspruch wegen der befürchteten Erschütterungen zu. Die Vertreter des Beklagten und des Straßenbauamts haben im Ortstermin am 2. April 2002 erklärt, die Technik des Straßenbaus sei so weit ausgereift, dass Erschütterungen nach In-Dienst-Stellung der Straßen kaum noch aufträten. Der Kläger hat eingeräumt, dass eine Sachverständigenbegutachtung diese Äußerung bestätigen werde. Es stelle sich jedoch im Nachhinein gelegentlich heraus, dass es doch zu erschütterungsbedingten Schäden an benachbarten Gebäuden komme.

Die Sorge des Klägers um die Standfestigkeit seines Wohnhauses entbehrt eines greifbaren Anhalts. Sie löst deshalb einen Übernahmeanspruch nicht aus und nötigt auch nicht zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung, von der sich der Kläger selbst nichts verspricht. Der Kläger bleibt damit nicht schutzlos. Sollte sich wider Erwarten herausstellen, dass das Wohnhaus nach der Freigabe des Bauvorhabens für den Verkehr durch Erschütterungen in Mitleidenschaft gezogen wird, kann er aus § 75 Abs. 2 Satz 2 und 4 VwVfG kompensatorische Ansprüche herleiten.

d) Die optischen Beeinträchtigungen, denen sein Wohngrundstück dauerhaft ausgesetzt sein wird, muss der Kläger entschädigungslos hinnehmen. Dabei kann der Senat offen lassen, ob und ggf. unter welchen rechtlichen Voraussetzungen optische Auswirkungen eines planfestgestellten Straßenbauvorhabens auf ein angrenzendes Wohngrundstück, die die Wohnnutzung als solche nicht ausschließen, eine ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums darstellen können. Eine (hinter der Entschädigung in Höhe des Verkehrswerts des Wohngrundstücks zurückbleibende) Entschädigung für die optischen Auswirkungen des Straßenbauvorhabens scheidet hier schon deshalb aus, weil der Beklagte das Interesse des Klägers an der Erhaltung des freien Landschaftsblicks im Wege der Abwägung überwinden durfte, ohne einen finanziellen Ausgleich vorsehen zu müssen. Es steht außer Frage, dass dem Bauvorhaben als der Sicherheit und Flüssigkeit des Straßenverkehrs auf der stark befahrenen Bundesstraße … dienend ein hoher Stellenwert zukommt. Ob das Interesse des Klägers an der Beibehaltung des ungestörten Ausblicks schon allein deshalb entschädigungslos zurückzutreten hat, weil der Eigentümer eines im Außenbereich belegenen Grundstücks stets mit der Projektierung öffentlicher Verkehrswege außerhalb des Grundstücks rechnen muss (BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 – BVerwG 4 A 39.95 – NJW 1997, 142 ≪143≫), mag dahinstehen; denn die Außenbereichslage nimmt jedenfalls zusammen mit der tatsächlichen Vorbelastung des Wohngrundstücks diesem die Schutzwürdigkeit. Wegen der räumlichen Nähe des Grundstücks zu der bisherigen Kreuzung zwischen den Bundesstraßen … und der Landesstraße … war das Grundstück stets mit dem Risiko behaftet, dass sich bei einem Ausbau der Kreuzung die Wohnsituation verschlechtert. Mit der Verwirklichung dieses Risikos musste der Kläger ernsthaft rechnen, weil es in der Bundesrepublik Deutschland nicht unüblich ist, der stetigen Zunahme des Straßenverkehrs mit der Verbreiterung von Bundesstraßen und der Herstellung möglichst weitgehender Kreuzungsfreiheit zu begegnen.

3. Ein über das Anerkenntnis des Beklagten hinausgehender Anspruch auf Entschädigung wegen unzumutbarer Lärmeinwirkung auf den Außenwohnbereich, der in dem geltend gemachten Übernahmeanspruch mitenthalten ist und seine Rechtsgrundlage ebenfalls in § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG finden kann, steht dem Kläger nicht zu. Zu Recht hat der Beklagte das Anerkenntnis auf die Freiflächen im rückwärtigen, von der Landesstraße … abgewandten Teil des Wohngrundstücks beschränkt. Die Fläche vor dem Wohnhaus ist entgegen der Ansicht des Klägers kein Außenwohnbereich. Wie die Augenscheinnahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung ergeben hat, wird diese Fläche in der Vegetationsphase als Bauerngarten zum Anbau von Blumen und Gemüse genutzt. Als Nutzgarten ist der Garten genauso wenig schutzwürdig wie ein Vorgarten, der nur zur optischen Verschönerung eines Anwesens bepflanzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1991, a.a.O. ≪385 f.≫). Das gelegentliche Betreten des Gartens zum Zweck der Pflege der Pflanzen und zur Ernte stellt kein „Wohnen” im Freien dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 155 Abs. 2 VwGO.

 

Unterschriften

Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow ist wegen Urlaubs an der Unterschrift verhindert. Berkemann, Berkemann, Lemmel, Rojahn, Gatz

 

Fundstellen

NVwZ 2003, 209

IBR 2003, 46

ZAP 2002, 1153

DÖV 2003, 86

NJ 2003, 45

NuR 2003, 91

DVBl. 2002, 1494

UPR 2002, 452

FSt 2003, 873

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