Verfahrensgang

Bayerischer VGH (Urteil vom 26.09.1997; Aktenzeichen 2 N 93.1173)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. September 1997 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.

Die vom Antragsteller – in unterschiedlichen Formulierungen – aufgeworfene Frage, in welchem Umfang und mit welchem Konkretisierungsgrad der Bürger verpflichtet ist, im Rahmen der Bürgerbeteiligung nach § 3 BauGB seine Interessen vorzutragen, damit diese von der planenden Gemeinde in der Abwägung zu beachten sind, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Diese Fragen sind zum einen in dieser Allgemeinheit einer „abstrakten” Klärung kaum zugänglich, da es stets auf die Umstände des Einzelfalles ankommen wird. Der Rechtsstreit bietet auch keine Gelegenheit, in dieser Hinsicht generalisierend Grundsätze aufzustellen, die eine weitere Klärung der Rechtslage herbeiführen könnten.

Der Sache nach wendet sich der Kläger gegen die Ansicht des Normenkontrollgerichts, die Gemeinde habe bei Aufstellung des Bebauungsplans die Belange des Antragstellers in der Abwägung zutreffend berücksichtigt, weil sich sein Rechtsvorgänger im Rahmen der Anhörung nur pauschal gegen die Überplanung des landwirtschaftlich genutzten Grundstücks Fl. Nr. 566 gewandt habe. Die jetzt geltend gemachte Existenzvernichtung des landwirtschaftlichen Betriebs hänge von in der Sphäre des Antragstellers liegenden Umständen ab und habe sich der Gemeinde seinerzeit auch deshalb nicht aufdrängen müssen, weil sie von der Möglichkeit habe ausgehen dürfen, der Verlust könne im Rahmen der Wertsteigerung der als Bauland ausgewiesenen Flächen durch den Kauf oder die Pacht anderer Flächen ausgeglichen werden.

Diese Ausführungen lassen einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich des Grades der Konkretisierung der privaten Interessen im Rahmen der Anhörung auch deshalb nicht erkennen, weil die Festsetzung eines Baugebiets im Bebauungsplan noch keine enteignende Vorwirkung hat. Durch den Erlaß des Bebauungsplans war folglich auch das Grundstück Fl. Nr. 566 der landwirtschaftlichen Nutzung noch nicht entzogen. Hierauf hat die Gemeinde bei der Zurückweisung der Einwendung des Rechtsvorgängers des Antragstellers zutreffend hingewiesen. Die Antragsgegnerin mußte deshalb die erst mit der Durchführung des Bebauungsplans (oder im Zusammenhang mit der Umlegung) verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Folgeprobleme nicht im Zusammenhang mit dem Bebauungsplan verbindlich und abschließend regeln, wenn sie realistischerweise davon ausgehen konnte, daß die Probleme im Zusammenhang mit dem Vollzug gelöst werden können (vgl. Beschluß vom 25. August 1997 – BVerwG 4 BN 4.97 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 94). Da der Rechtsvorgänger des Antragstellers seinerzeit eine Existenzvernichtung nicht geltend gemacht hatte, mußte sich der Antragsgegnerin bei Erlaß des Bebauungsplans jedenfalls nicht der Schluß aufdrängen, die mit der späteren Bebauung der Ackerfläche verbundenen Probleme seien für den landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers so schwerwiegend, daß eine Ausweisung als Bauland ausscheiden müsse.

Die Abweichungsrüge greift ebenfalls nicht durch. Der Revisionszulassungsgrund der Divergenz liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch tritt. Dieser Zulassungsgrund muß in der Beschwerdeschrift nicht nur durch Angabe der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, von der das Berufungsgericht abgewichen sein soll, sondern auch durch Darlegung der als solche miteinander in unmittelbarem Widerspruch stehenden, entscheidungstragenden Rechtssätze bezeichnet werden. Die – behauptete – unrichtige Anwendung eines vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten und vom Berufungsgericht nicht in Frage gestellten Rechtsgrundsatzes auf den zu entscheidenden Einzelfall rechtfertigt dagegen nicht die Zulassung der Revision (vgl. z.B. Beschluß vom 31. März 1988 – BVerwG 7 B 46.88 – Buchholz § 132 VwGO Nr. 260).

Gemessen an diesen Voraussetzungen weicht das Normenkontrollurteil nicht von den in der Beschwerdeschrift genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab (Beschluß vom 9. November 1979 – BVerwG 4 N 1.78 u.a. – BVerwGE 59, 87; Urteil vom 13. September 1985 – BVerwG 4 C 64.80 – Buchholz 407.4 § 18 FStrG Nr. 11; Beschluß vom 7. Dezember 1988 – BVerwG 7 B 98.88 – Buchholz 451.22 AbfG Nr. 28). Das Normenkontrollgericht nimmt vielmehr ausdrücklich auf die zuerst genannte Entscheidung Bezug, deren rechtlicher Maßstab im übrigen von den beiden anderen Entscheidungen aufgenommen, aber nicht modifiziert wird. Die Beschwerde vermag eine Abweichung der Normenkontrollentscheidung vom rechtlichen Ansatz der genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht darzulegen.

Schließlich bleiben auch die Aufklärungsrügen ohne Erfolg. Der Umfang der Aufklärungspflicht des Tatsachengerichts richtet sich nach seiner zum materiellen Recht vertretenen Auffassung. Es ist nur zur Aufklärung solcher Tatsachen verpflichtet, die unter Zugrundelegung seiner materiellrechtlichen Auffassung entscheidungserheblich sind. Danach mußte das Normenkontrollgericht – wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt – keinen Beweis darüber erheben, ob der Wegfall von einem Drittel der Ackerfläche zu einem völligen Ruin des landwirtschaftlichen Betriebs des Antragstellers führen würde. Auch über die „Notwendigkeit” der Ausweisung von Bauland mußte das Gericht keinen Beweis erheben, da es in rechtlicher Hinsicht von einem weiten planerischen Ermessen der Gemeinde ausgegangen ist, das durch das Vorhandensein anderweitigen Baulands noch nicht in der Weise eingeschränkt war, daß jede weitere Baulandausweisung hätte unterbleiben müssen. Da es nach dem rechtlichen Ansatz des Normenkontrollgerichts nicht darauf ankam, ob die Verwirklichung des Bebauungsplans zu einer Existenzvernichtung des landwirtschaftlichen Betriebs führen würde, mußte es zur Frage der Möglichkeit der Ersatzlandbeschaffung im Jahre 1975 oder später ebensowenig Beweis erheben wie über die Frage der Geeignetheit des später angebotenen Ersatzlandes.

Der Antragsteller meint, die Gemeinde hätte zumindest nach einem Zeitablauf von 20 Jahren erneut prüfen müssen, ob wegen der jetzt erkennbaren Betroffenheit des Antragstellers eine erneute Abwägung und eine Herausnahme der Ackerfläche aus dem Bebauungsplangebiet hätte erfolgen müssen; das Normenkontrollgericht hätte den Sachverhalt in dieser Richtung weiter aufklären müssen. Die Beschwerde stützt ihre Ansicht von der erneuten Prüfungspflicht der Gemeinde wegen Zeitablaufs auf den genannten Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 1979 (a.a.O.). Sie mißversteht diese Ausführungen freilich. Wenn dort (vgl. BVerwGE 59, 87/104) von erneuter Prüfung wegen Zeitablaufs die Rede ist, so ist der Zeitraum zwischen der Beschlußfassung über den Bebauungsplan und seiner Inkraftsetzung gemeint (vgl. die Bezugnahme auf das Urteil vom 29. September 1978 – BVerwG 4 C 30.76 – Buchholz 406.11 § 1 BBauG Nr. 16 S. 9). Die Gemeinde ist dagegen nicht gehalten, nach Inkraftreten des Bebauungsplans die diesem zugrundeliegende Abwägung ständig „unter Kontrolle” zu halten (vgl. auch Beschluß vom 25. Februar 1997 – BVerwG 4 NB 40.96 – Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nr. 9). Das Normenkontrollgericht mußte deshalb nicht aufklären, ob zumindest wegen der späteren Entwicklung eine erneute Abwägung hätte erfolgen müssen. Es fehlt auch an Anhaltspunkten dafür, daß die Festsetzungen des Bebauungsplans wegen Funktionslosigkeit außer Kraft getreten sind (vgl. zu den hierfür geltenden strengen Anforderungen Urteil vom 29. April 1977 – BVerwG 4 C 39.75 – BVerwGE 54, 5).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitswerts auf § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Gaentzsch, Hien, Heeren

 

Fundstellen

Haufe-Index 1474717

NVwZ-RR 1998, 711

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