Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustimmungsverweigerung des Personalrats: Benachteiligung von Beschäftigten durch Neueinstellung externer Bewerber

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Personalrat kann seine Zustimmung zur Einstellung von Beschäftigten wegen drohender Benachteiligung anderer Beschäftiger nur dann verweigern, wenn er den Verlust eines Rechtes, einer Anwartschaft oder anderer rechtlich erheblicher Positionen der vorhandenen Beschäftigten geltend macht.

2. Eingriffe in tatsächlich verfestigte Chancen eines vorhandenen Beschäftigten rechtfertigen in diesen Fällen nicht die Zustimmungsverweigerung.

 

Normenkette

BAT § 2 Alt. y; BPersVG § 75 Abs. 1 Nr. 1, § 77 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 69 Abs. 2 S. 5; BATBPersVG § 67 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

Bayerischer VGH (Beschluss vom 05.06.1991; Aktenzeichen 18 P 91.01003; PersR 1991, 373)

VG Ansbach (Entscheidung vom 28.01.1991; Aktenzeichen AN 7 P 90.01247)

 

Gründe

I.

Der Antragsteller, der Bezirkspersonalrat beim Landesarbeitsamt N., und der Beteiligte, der Präsident des Landesarbeitsamtes N., streiten über die Frage, ob der Beteiligte zu Recht das Mitbestimmungsverfahren abgebrochen hat, weil der Antragsteller seine Zustimmungsverweigerung zur Einstellung von Anwärtern für die Arbeits- und Berufsberatung nicht hinreichend begründet habe.

Der Nachwuchs der Arbeits- und Berufsberater im Bereich der Bundesanstalt für Arbeit wird nach Maßgabe der von der Bundesanstalt für Arbeit erlassenen Richtlinien über die Fortbildung zum Berufs- oder Arbeitsberater entweder aus dem Kreis der eigenen Beschäftigten der Bundesanstalt für Arbeit, deren Eignung hierfür zuvor von einer Auswahlkommission festgestellt worden ist, nach einer ca. 6-monatigen Fortbildung, oder aus Beratungsanwärtern gewonnen, die nach abgeschlossener Berufsausbildung und zweijähriger Berufserfahrung außerhalb des öffentlichen Dienstes als Beratungsanwärter in einem dreijährigen Studiengang an der Fachhochschule des Bundes ausgebildet werden. Die Einstellung richtet sich nach dem Einstellungsbedarf, der jährlich von den Landesarbeitsämtern festgesetzt wird. In den Jahren 1986 bis 1990 waren durchschnittlich etwa 80 v.H. der Nachwuchskräfte eigene Beschäftigte und 20 v.H. Beratungsanwärter.

Mit Schreiben vom 3. Mai 1990 bat der Beteiligte den Antragsteller um die Zustimmung zur Einstellung von drei Anwärtern und drei Ersatzanwärtern, die aus zahlreichen Bewerbern ausgewählt worden waren. Der Antragsteller verweigerte seine Zustimmung zu der Einstellung. Er begründete die Ablehnung im wesentlichen damit, daß er darin eine Benachteiligung der eigenen Beschäftigten nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG sehe. Es gebe genügend eigene qualifizierte Mitarbeiter, die dafür in Frage kämen. Er bat deshalb, den Ausbildungsweg 3 so lange ruhen zu lassen, "als wir in der Lage sind, mit eigenen Beschäftigten Beratungsaufgaben in den Abteilungen I und II wahrzunehmen". In einem späteren Schreiben benannte der Antragsteller ergänzend neun Bewerber aus den Reihen der Beschäftigten der Arbeitsämter, die versetzungsbereit seien. Hiervon war nur einer von der Auswahlkommission als geeignet anerkannt worden. Er war jedoch zugunsten eines anderen Bewerbers zurückgestellt worden, der zur Vermeidung einer Benachteiligung wegen Personalratstätigkeit berücksichtigt worden war. (Er ist zwischenzeitlich nach der Teilnahme an einem Fortbildungslehrgang als Arbeitsberater übernommen worden). Der Beteiligte brach danach das Mitbestimmungsverfahren auf Weisung des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit ab und stellte die von ihm ausgewählten Bewerber ein. Er vertrat die Auffassung, mit der beabsichtigten Einstellung der Bewerber werde ganz offensichtlich nicht in eine Rechtsposition oder eine rechtlich erhebliche Anwartschaft eines Beschäftigten eingegriffen.

Der Antragsteller leitete daraufhin das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren ein und beantragte die Feststellung, daß der Beteiligte durch den Abbruch des Verfahrens gemäß § 69 BPersVG "gegen die Mitbestimmung verstoßen" habe.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Der Verwaltungsgerichtshof hat die dagegen eingelegte Beschwerde des Beteiligten im wesentlichen mit folgender Begründung zurückgewiesen:

Der Beteiligte habe zu Unrecht das Mitbestimmungsverfahren abgebrochen. Die Verweigerungsgründe des Antragstellers seien nicht unbeachtlich. Entgegen der Meinung des Beteiligten, die auch einer weit verbreiteten Auffassung in der Rechtsprechung entspreche, müßten die von dem Antragsteller benannten Beschäftigten keine Rechtsposition oder eine rechtlich verfestigte Anwartschaft darauf haben, zu der Fortbildungsmaßnahme zugelassen zu werden, um die Voraussetzungen des § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG zu erfüllen. Anderenfalls laufe § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG ins Leere, wenn man diese strengen Anforderungen zugrunde lege. Außerdem werde bei Anerkennung dieser Rechtsmeinung der Personalrat darauf gelenkt, Rechtsansprüche einzelner Beschäftigter zu verteidigen, obwohl dies allein Sache des Beschäftigten selbst sei. Vielmehr genüge es im Zusammenhang mit § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG, wenn der Personalrat dienstlich oder persönlich nicht gerechtfertigte Eingriffe in Chancen anderer Beschäftigter geltend mache. Es müsse sich freilich um Chancen handeln, die tatsächlich eine gewisse Verfestigung erfahren hätten. Sie müßten vor allem in einer unmittelbaren Beziehung zu der Maßnahme stehen. Die vom Personalrat genannten Beschäftigten müßten sich deshalb um die Einbeziehung in die Fortbildungsmaßnahme zur Qualifikation als Arbeits- und Berufsberater (erfolgreich) beworben haben. Diese Voraussetzungen seien nur bei dem einzigen der vom Antragsteller genannten Bewerber erfüllt, nämlich bei demjenigen, der von der Auswahlkommission zur Fortbildung als geeignet befunden worden sei. Die Begründung des Antragstellers sei insoweit nicht unbeachtlich, weil die Einstellung jedes der drei vom Beteiligten genannten Beratungsanwärter die Chancen des vom Antragsteller gemeldeten Beschäftigten in gleicher Weise beeinträchtige. Ob diese vom Antragsteller vorgetragenen, nicht unbeachtlichen Gründe auch tatsächlich berechtigt seien, sei nicht in diesem Verfahren, sondern im weiteren Verlauf des Mitbestimmungsverfahrens zu entscheiden.

Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten. Er trägt vor, der Antragsteller habe seine Zustimmungsverweigerung nur vordergründig mit der Benachteiligung von Mitarbeitern begründet. In Wahrheit wolle er auf die Verwaltung "Druck ausüben" mit dem Ziel, den Ausbildungsweg 3 "ruhend zu stellen" und statt dessen anderen Qualifizierungswegen den Vorzug zu geben. Die Zustimmungsverweigerung sei unbeachtlich, weil die Frage, auf welchem Wege die Bundesanstalt für Arbeit ihr Personal gewinne und qualifiziere, eine rein geschäftspolitische Entscheidung sei, die gemäß § 104 Satz 3 BPersVG ausschließlich in der Kompetenz und Verantwortung der Verwaltung liege. Die Zustimmungsverweigerung sei des weiteren deshalb unbeachtlich, weil die vom Antragsteller behauptete Benachteiligung von bereits bei der Bundesanstalt für Arbeit beschäftigten Mitarbeitern nicht vorliege. Bei keinem der vom Antragsteller namentlich aufgeführten Beschäftigten werde in eine Rechtsposition oder in eine rechtlich erhebliche Anwartschaft eingegriffen.

Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, daß bereits bei einem Eingriff in bloße Chancen eine Benachteiligung im Sinne des § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG gegeben sei, sei nicht gerechtfertigt. Nach dem Schutzzweck dieser Bestimmung sei eine Benachteiligung nur dann zu bejahen, wenn sich der gegebene Zustand zu Lasten des "Benachteiligten" verändere, z.B. bei Eingriffen in eine bestehende Rechtsposition oder in eine rechtlich erhebliche Anwartschaft. Diese Voraussetzungen seien hingegen nicht erfüllt, wenn durch die beabsichtigte Maßnahme einem anderen Mitarbeiter eine mehr oder weniger vage Chance genommen oder beeinträchtigt werde, zumal diese nicht eindeutig und nach objektiven Kriterien feststellbar sei. Folge man der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, so sei mit jeder Personalauswahlentscheidung zwangsläufig eine nicht näher bestimmbare Zahl von "Benachteiligungen" verbunden. Im übrigen sei die Zustimmungsverweigerung auch deshalb unbeachtlich, weil der vom Antragsteller benannte Beschäftigte durch die Auswahlentscheidung nicht benachteiligt werde.

Der Beteiligte beantragt,

die Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach - Fachkammer für Personalvertretungsangelegenheiten Bund - vom 28. Januar 1991 und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Juni 1991 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

Die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Rechtsbeschwerde sei bereits unzulässig. Die Begründung mache nicht deutlich, welche Bestimmung verletzt sei und worin die Verletzung bestehen solle. Es sei nicht dargelegt, um welche Auslegung der Norm es gehe und wie die richtige Auslegung der streitigen Rechtsnorm erfolgen solle. Auf jeden Fall sei die Rechtsbeschwerde unbegründet, denn der Verwaltungsgerichtshof habe § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG zutreffend ausgelegt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

Die Auffassung des Antragstellers, die Rechtsbeschwerde sei unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG gerecht werde, ist nicht zutreffend. Die Rechtsbeschwerdeschrift enthält alle Elemente, die für die Begründung gemäß §§ 83 Abs. 2 BPersVG, 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG erforderlich sind. Danach muß die Rechtsbeschwerdebegründung angeben, inwieweit die Abänderung des angefochtenen Beschlusses beantragt wird, welche Bestimmungen verletzt sein sollen und worin die Verletzung bestehen soll. Diese Anforderungen sind erfüllt. Der Beteiligte rügt insbesondere die nach seiner Meinung unrichtige Auslegung der den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs tragenden Bestimmung, des § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG, und setzt sich eingehend mit dessen Rechtsauffassung auseinander.

Zwar hat nach Mitteilung des Beteiligten der Angestellte, der von der Auswahlkommission zur Fortbildungsmaßnahme vorgeschlagen worden war und dessen Benachteiligung der Antragsteller geltend gemacht hat, mittlerweile diese Maßnahme abgeschlossen und ist seit dem Herbst 1991 als Arbeitsberater tätig, doch ist damit das Rechtsschutzinteresse an der Fortführung des Beschlußverfahrens nicht entfallen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das schutzwürdige Interesse an der gerichtlichen Klärung zu bejahen, da sich der umstrittene Vorgang - die Einstellung von externen Bewerbern - jederzeit wiederholen kann und sich die damit verbundenen streitigen Rechtsfragen zwischen denselben Verfahrensbeteiligten erneut stellen können (vgl. Beschluß vom 8. Mai 1992 - BVerwG 6 P 22.91 - Buchholz 251.4 § 86 HmbPersVG Nr. 4).

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

Zu Unrecht hat der Verwaltungsgerichtshof dem Begehren des Antragstellers stattgegeben und die Zulässigkeit des Abbruchs des Mitbestimmungsverfahrens durch den Beteiligten verneint, weil das Vorbringen des Antragstellers es als möglich erscheinen lasse, daß er seine Zustimmungsverweigerung zu der Einstellung der Beratungsanwärter auf einen Weigerungsgrund gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG habe stützen dürfen.

Gemäß § 69 Abs. 2 Satz 5 BPersVG gilt die vom Dienststellenleiter nach § 69 Abs. 1 BPersVG beantragte Maßnahme als gebilligt, wenn nicht der Personalrat innerhalb der in den Sätzen 3 (zehn Arbeitstage) und 4 (drei Arbeitstage) genannten Fristen die Zustimmung unter Angabe der Gründe verweigert. Zutreffend hat der Verwaltungsgerichtshof die Frage, ob die Gründe der Zustimmungsverweigerung des Personalrates unbeachtlich sind und damit der Abbruch des Verfahrens durch den Beteiligten zulässig ist, davon abhängig gemacht, das Vorbringen des Personalrates müsse es mindestens als möglich erscheinen lassen, daß ein Mitbestimmungstatbestand gegeben ist.

Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 4. April 1985 - BVerwG 6 P 37.82 - Buchholz 238.3A § 75 BPersVG Nr. 39, vom 18. April 1986 - BVerwG 6 P 31.84 - Buchholz 238.3A § 69 BPersVG Nr. 8, vom 10. August 1987 - BVerwG 6 P 22.84 - Buchholz 251.0 § 69 BaWüPersVG Nr. 1 = BVerwGE 78, 65 und vom 27. März 1990 - BVerwG 6 P 34.87 - Buchholz 250 § 77 BPersVG Nr. 10) muß die Zustimmungsverweigerung des Personalrats in Mitbestimmungsangelegenheiten bestimmten Mindestanforderungen genügen. In Personalangelegenheiten muß das Vorbringen es mindestens als möglich erscheinen lassen, daß einer der in § 77 Abs. 2 BPersVG abschließend geregelten Verweigerungsgründe gegeben ist. Eine Begründung, die offensichtlich auf keinen der gesetzlich zugebilligten Versagungsgründe gestützt ist, vermag nicht die Verpflichtung der Dienststelle auszulösen, das Einigungsverfahren einzuleiten. Denn mit ihr gibt der Personalrat zu erkennen, daß er in Wirklichkeit keine Regelung auf der Grundlage eines Mitbestimmungsrechtes anstrebt, sondern seine Zustimmung ohne einen vom Gesetz gebilligten sachlichen Grund verweigert. Ein derartiges Verhalten wird von der Rechtsordnung nicht geschützt; es ist vielmehr mißbräuchlich und löst deswegen keine Rechtsfolgen aus. Bei der Mitbestimmung in Personalangelegenheiten gemäß § 75 Abs. 1 und § 76 Abs. 1 BPersVG ist somit die Verweigerung der Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme unbeachtlich, wenn nach der dafür gegebenen Begründung die in § 77 BPersVG enumerativ aufgeführten Verweigerungsgründe von vornherein nicht gegeben sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers aus § 76 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG (Einstellung und Anstellung von Beamten) bejaht. Gemeint ist aber offensichtlich ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG (Einstellung von Angestellten), denn nach dem unstreitigen Sachverhalt sollten die Beratungsanwärter in das Angestelltenverhältnis übernommen werden. Dessen Vorliegen hat das Beschwerdegericht zu Recht angenommen, denn unzweifelhaft stand dem Antragsteller nach der letztgenannten Vorschrift ein Mitbestimmungsrecht bei der vom Beteiligten beabsichtigten Einstellung der (externen) Beratungsanwärter zu.

Rechtlich zutreffend hat das Beschwerdegericht das Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Einstellung auf die Eingliederung des neuen Beschäftigten in die Dienststelle beschränkt und dieses Beteiligungsrecht nicht auf die alljährliche Festsetzung der Einstellungsquoten bezogen. Denn sowohl die Festlegung der Quoten wie auch die Zuteilung an die Landesarbeitsämter ist eine personalpolitisch begründete innerdienstliche Maßnahme ohne rechtliche Ausgestaltung und Bestandswirkung. Die Festsetzung der Quoten und die damit verbundene Weisung an die Landesarbeitsämter schränkt andererseits wegen des innerdienstlichen, nicht rechtsverbindlichen Charakters das Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei den Einstellungen nicht ein.

Nach § 77 Abs. 2 BPersVG kann der Personalrat in den Fällen des § 75 Abs. 1 und des § 76 Abs. 1 seine Zustimmung u.a. dann verweigern, wenn die Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Bestimmung in einem Tarifvertrag, eine gerichtliche Entscheidung oder eine Verwaltungsanordnung oder gegen eine Richtlinie im Sinne des § 76 Abs. 2 Nr. 8 BPersVG verstößt (Nr. 1) oder die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, daß durch die Maßnahme der betroffene Beschäftigte oder andere Beschäftigte benachteiligt werden, ohne daß dies aus dienstlichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist (Nr. 2). Zu Unrecht hat der Verwaltungsgerichtshof den Standpunkt vertreten, das Vorbringen des Antragstellers lasse es als möglich erscheinen, daß ein Zustimmungsverweigerungsrecht gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG gegeben sei. Er gelangt zu diesem Ergebnis, weil er den Begriff der Benachteiligung im Sinne von § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG zu weit ausgelegt hat. Nach seiner Meinung genügen dienstlich oder persönlich nicht gerechtfertigte Eingriffe in Chancen anderer Beschäftigter, um dem Personalrat die Möglichkeit zur Zustimmungsverweigerung gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG bei der Einstellung von externen Bewerbern zu eröffnen. Es müsse sich hierbei allerdings um Chancen handeln, die tatsächlich eine gewisse Verfestigung erfahren hätten und die vor allem in unmittelbarer Beziehung zu der Maßnahme stünden. Diese Voraussetzungen sollen bei dem einen Bewerber erfüllt sein, der von der Auswahlkommission für die Fortbildungsmaßnahme als geeignet befunden worden war.

Die Auffassung, Nachteile im Sinne des § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG könnten auch Eingriffe in tatsächlich verfestigte Chancen eines Beschäftigten sein, wird dem Zweck dieser Vorschrift nicht gerecht. Ob eine Benachteiligung eines vorhandenen Beschäftigten vorliegt, ist im Zusammenhang mit dem zugrundeliegenden Mitbestimmungstatbestand, hier der Einstellung der externen Bewerber zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des Senats obliegt die Beurteilung der Beschäftigten und Bewerber nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bei der Einstellung und der Vergabe höher zu bewertender Dienstposten allein dem Dienststellenleiter. In diesen weiten Ermessens- und Beurteilungsspielraum kann die Personalvertretung mit ihren Einwendungen aus § 77 Abs. 2 BPersVG nicht eindringen (Beschluß vom 20. Juni 1986, a.a.O.). Folgte man der Meinung des Beschwerdegerichts, so würde der Personalvertretung in diesen Fällen faktisch eine unmittelbare Beteiligung an der Auswahlentscheidung der Bundesanstalt für Arbeit eingeräumt. Sie könnte möglicherweise - wie sie es hier auch anstrebt - durchsetzen, daß an Stelle eines externen Bewerbers ein vorhandener Beschäftigter ausgewählt wird mit dem Argument der längeren Betriebszugehörigkeit und den damit verbundenen sozialen Gründen der Betriebstreue (S. 12 des angefochtenen Beschlusses).

Tatsächlich kann die Personalvertretung im Rahmen des Mitbestimmungsverfahrens die Zustimmung zur Einstellung der externen Bewerber nur dann verweigern, wenn die Dienststelle bei der Eignungsbeurteilung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist oder allgemeingültige Maßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (Beschluß vom 20. Juni 1986 - BVerwG 6 P 4.83 - BVerwGE 74, 283).

Legt man diese Befugnisse der Personalvertretung zugrunde, so kann sie im Zusammenhang mit der Einstellung von Beschäftigten nur geltend machen, es drohten "ungerechtfertigte" Nachteile, d.h. es sei der Verlust eines Rechtes, einer Anwartschaft innerhalb eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses oder anderer rechtlich erheblicher Positionen der vorhandenen Beschäftigten zu besorgen. Eine Anwartschaft ist ein bereits bestehendes, aber bedingtes Recht, das eine Vorstufe zum Vollrecht darstellt und das gegen rechtswidrige Beeinträchtigungen geschützt ist und gerichtlich geltend gemacht werden kann (Wolff, Verwaltungsrecht I, 9. Auflage § 43 II e). Hierunter fällt beispielsweise der Anspruch eines Probebeamten (bei Bewährung) auf Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit nach Ablauf der Probezeit. Eine andere rechtlich erhebliche Position muß über den schon durch § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG gegen effektive Verletzungen gesicherten Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hinausgehen. Sie ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein Beschäftigter etwa aufgrund einer Beförderungszusage oder aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung durch Auswahlrichtlinien oder Auswahlgrundsätze eine rechtliche Position erreicht hat, die den Dienststellenleiter zu deren Beachtung und Respektierung bei seinen Maßnahmen verpflichtet. In diesen Fällen hat die Personalvertretung entsprechend ihrer Aufgabenstellung, darüber zu wachen, daß alle Angehörigen der Dienststelle nach Recht und Billigkeit behandelt werden (§ 67 Abs. 1 Satz 1 BPersVG), gegebenenfalls mit der Zustimmungsverweigerung schon aufgrund einer durch Tatsachen begründeten Besorgnis dafür Sorge zu tragen, daß in diese Position nicht aus ungerechtfertigten, sachwidrigen Gründen eingegriffen wird, indem anderen Bewerbern der Vorzug gegeben wird.

Eine Berücksichtigung rein faktischer Nachteile, wie etwa des Eingriffs in "tatsächlich verfestigte Chancen eines Beschäftigten", wäre eine unzulässige Vorgabe an die Dienststelle, den internen Bewerber wegen der vom Personalrat geltend gemachten Gesichtspunkte auszuwählen. Damit würde in ihr Auswahlermessen eingegriffen, denn die "tatsächlich verfestigten Chancen" wären zu beachten, auch wenn die Dienststelle ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hätte. Abgesehen davon wäre die Nachprüfbarkeit einer faktischen Benachteiligung im Mitbestimmungs- und personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren nur schwer möglich. Insbesondere in großen Behörden wird jeweils eine größere Zahl von "Konkurrenten" eine "tatsächlich verfestigte (Beförderungs)Chance" geltend machen, die nach ihrer Meinung durch die anderweitige Einstellung oder Beförderung beeinträchtigt oder zunichte gemacht wird. Die vom Beschwerdegericht vorgenommene Einschränkung, die "Chancen müßten tatsächlich eine gewisse Verfestigung erfahren haben, vor allem in einer unmittelbaren Beziehung zu der Maßnahme stehen", trägt gleichfalls nicht zur Konkretisierung und Nachprüfbarkeit bei, denn häufig haben die Beförderungschancen der meisten übergangenen Bewerber eine gewisse Verfestigung erfahren und stehen in unmittelbarer Beziehung zu dieser Maßnahme.

Diese Bewertung stimmt auch mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts überein. Das Bundesarbeitsgericht hat im Zusammenhang mit der Auslegung des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG den Rechtssatz aufgestellt, ein sonstiger Nachteil im Sinne dieser Bestimmung sei nur der Verlust einer Rechtsposition oder einer rechtserheblichen Anwartschaft, wozu es auch die Bindung an Auswahlrichtlinien gezählt hat. Die Nichtrealisierung einer bloß tatsächlichen Beförderungschance eines Mitarbeiters gebe dem Betriebsrat kein Zustimmungsverweigerungsrecht (vgl. Beschlüsse vom 7. November 1977 - 1 ABR 55/75 - AP § 100 BetrVG 1972 Nr. 1 *= BAGE 29, 345 und vom 18. Juli 1978 - 1 ABR 43/75 - AP § 101 BetrVG 1972 Nr. 1). Einer insoweit vereinheitlichenden Rechtsauslegung kann nicht entgegengehalten werden, § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG stimme von seinem Inhalt her nicht mit § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG überein, weil die sonstigen Nachteile im Sinne der Bestimmung des BetrVG Nachteile seien, die der Kündigung vergleichbar seien, also Rechtsnachteile (Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 7. Auflage, *= § 77 RN 16). Diese Einschränkung trifft nicht zu. Gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG muß "die ... Besorgnis bestehen, daß ... im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile" erleiden. Die "sonstigen Nachteile" müssen dort nicht schon wegen des textlichen Zusammenhangs mit der Kündigung rechtliche Nachteile sein.

Die vom Verwaltungsgerichtshof und in Teilen der Literatur (vgl. z.B. Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, a.a.O., Altvater/Bacher/Hörter/Sabottig/Schneider, BPersVG, 3. Auflage, *= § 77 RN 25; Fischer/Goeres, GKöD, § 77 BPersVG, RN 20) hiergegen vorgebrachten weiteren Einwände vermögen ebenfalls nicht zu überzeugen. Der Verwaltungsgerichtshof meint, bei dieser restriktiven Auslegung komme der Vorschrift des § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG keine Bedeutung zu, denn bei rechtlicher Verfestigung sei ein Eingriff in der Regel normativ bzw. tarifvertraglich ausgeschlossen. Dem ist entgegenzuhalten: Die Nr. 2 unterscheidet sich von der Nr. 1 des § 77 Abs. 2 BPersVG generell dadurch, daß als Anlaß der Verweigerung bereits eine durch Tatsachen begründete Besorgnis ausreicht, also nicht eine effektive Rechtsverletzung gefordert wird. Bei Neueinstellungen wird zwar - wie dargelegt - eine Benachteiligung in der Tat nur dann zu bejahen sein, wenn dadurch Rechtspositionen, Anwartschaften oder rechtlich erhebliche Positionen der vorhandenen Beschäftigten nachteilig verändert werden (z.B. Gefahr der Herabgruppierung; Nichteinhaltung einer Beförderungszusage, Verstoß gegen Auswahlgrundsätze). Darüber hinaus von Bedeutung ist diese Vorschrift aber auch in zahlreichen anderen Fällen der §§ 75 Abs. 1, 76 Abs. 1 BPersVG, z.B. bei Versetzungen, Umsetzungen und Abordnungen, in denen auf andere Weise in Rechtspositionen der Beschäftigten eingegriffen wird.

Auch das weitere Gegenargument des Verwaltungsgerichtshofs, bei dieser Rechtsauffassung werde die Personalvertretung darauf hingelenkt, Rechtsansprüche einzelner Bediensteter zu verteidigen, obwohl dies allein deren Sache sei, greift nicht durch. § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG geht davon aus, daß der Personalrat der Dienststelle gegenüber die Interessen auch einzelner Betroffener im Rahmen des Mitbestimmungsverfahrens vertritt, denn es muß die Besorgnis bestehen, daß "der betroffene Beschäftigte" oder "andere Beschäftigte" benachteiligt werden. Auch nach der Auffassung des Beschwerdegerichts soll die Geltendmachung rechtlicher Benachteiligungen durch den Personalrat gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG nicht ausgeschlossen werden.

Das Beschwerdegericht befürchtet weiter, der Personalrat könne dann bei der vom Dienststellenleiter angenommenen Einschränkung seiner Möglichkeiten schwerlich seine Überwachungspflicht erfüllen, die die Berücksichtigung der Billigkeit ausdrücklich einschließe (§ 67 Abs. 1 Satz 1 BPersVG). Dem ist entgegenzuhalten: § 67 BPersVG stellt nur Grundregeln für die Aufgabenstellung der Personalvertretung auf, die aber die einzelnen Mitbestimmungstatbestände nicht erweitern.

Schließlich vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, eine Maßnahme, die zugunsten eines Bewerbers in Rechtspositionen oder rechtlich erhebliche Anwartschaften eingreife, sei regelmäßig nicht "aus dienstlichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt". Es ist zwar zutreffend, daß der Verlust einer Rechtsposition meist aus dienstlichen oder persönlichen Gründen nicht zu vertreten ist. Es gibt aber auch Fälle, in denen in Rechtspositionen von Beschäftigten eingegriffen wird, und in denen dies aus dienstlichen (z.B. Versetzung gegen den Willen des Beschäftigten, Versagung einer Nebentätigkeit), aber auch aus persönlichen Gründen (z.B. Versetzung oder Umsetzung aus gesundheitlichen Gründen) gerechtfertigt ist.

Die Entscheidung des Beschwerdegerichts, durch die es den Abbruch des Mitbestimmungsverfahrens als rechtswidrig erachtet hat, erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend. Dies wäre zu bejahen, wenn der Beteiligte mit der Einstellung der externen Bewerber in dem dargestellten Sinne in geschützte Rechtspositionen vorhandener Beschäftigter eingegriffen und damit dem Antragsteller das Recht zustehen könnte, seine Zustimmung wegen der Besorgnis der Benachteiligung gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG zu verweigern. Das war aber nicht der Fall.

Nach dem festgestellten Sachverhalt ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß der von dem Antragsteller benannte Beschäftigte durch die Einstellung der externen Bewerber in seiner Rechtsposition benachteiligt worden ist. Sie lassen sich auch nicht aus der Richtlinie über die "Fortbildung für Arbeitsberater" herleiten, die unstreitig in diesen Fällen im Bereich der Bundesanstalt für Arbeit angewendet wird.

Ein Eingriff in eine andere rechtlich erhebliche Position wäre nur dann zu bejahen, wenn der Angestellte einen Anspruch auf Aufstieg zum Arbeitsberater gehabt hätte oder wenn er die Voraussetzungen der Auswahlgrundsätze der Bundesanstalt für Arbeit für den Aufstieg erfüllt hätte und diese durch die Einstellung der externen Bewerber vereitelt oder zumindest beeinträchtigt worden wären. Das war ersichtlich nicht der Fall.

Weder aus der Tatsache, daß ein Beschäftigter von der Auswahlkommission zur Fortbildung für die Tätigkeit als Arbeitsberater vorgeschlagen worden ist, noch aus der, daß er die Fortbildungsmaßnahme erfolgreich abgeschlossen hat, kann er einen Anspruch auf "Beförderung" zum Arbeitsberater herleiten. Gemäß Nr. 1 Abs. 3 der Richtlinie zur Fortbildung zum Arbeitsberater begründet eine erfolgreiche Teilnahme an der Fortbildung keinen Anspruch auf Übertragung der Tätigkeit eines Arbeitsberaters. Der Aufstieg ist allein in das Ermessen des Dienstherrn, der Bundesanstalt für Arbeit gestellt. Andere Gesichtspunkte, die einen Aufstiegsanspruch rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist von dem Antragsteller nicht vorgetragen worden, daß sich der Beteiligte nicht an die von ihm selbst geschaffenen Grundsätze gehalten habe.

Nach alledem hat der Beteiligte das Mitbestimmungsverfahren zu Recht abgebrochen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs hat der Antragsteller auch hinsichtlich des einen Beschäftigten, der von der Auswahlkommission positiv bewertet worden war, keine Anhaltspunkte vorgetragen, die es als möglich erscheinen lassen, daß er seine Zustimmungsverweigerung zur Einstellung der externen Bewerber auf die in § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG genannten Verweigerungsgründe stützen kann.

Der Rechtsbeschwerde war daher stattzugeben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 543808

Buchholz 250 § 77 BPersVG, Nr 12 (LT)

DokBer B 1993, 64 (L)

ÖD 1993, 18-21 (LT)

BWVPr 1994, 68 (L)

Quelle 1993, Nr 4, 28 (S)

USK, 92126 (ST)

WzS 1994, 173 (S)

ZBR 1993, 183-184 (LT)

ZTR 1993, 254 (L)

AP § 75 BPersVG (L), Nr 48

AP § 77 BPersVG (LT), Nr 5

AP § 99 BetrVG 1972 (L), Nr 93

DVBl 1993, 390-392 (LT)

NJ 1993, 192 (S)

PersR 1993, 24-27 (S,LT)

PersV 1993, 231-235 (LT)

SVFAng 82, 13 (1994) (S)

ZfPR 1993, 11-15 (LT)

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