Entscheidungsstichwort (Thema)

Schulung des (ersten oder einzigen) Stellvertreters des Personalratsvorsitzenden. Schulungsbedürfnis für Tätigkeit von Personalratsvorsitzenden nicht bei Vertretern. Personalratsvorsitzende, keine Teilnahme an Schulung für – durch Stellvertreter erforderlich

 

Leitsatz (amtlich)

Die Teilnahme des (ersten oder einzigen) Stellvertreters des Vorsitzenden eines Personalrats an Schulungsveranstaltungen für Vorsitzende von Personal- und Betriebsräten mit dem Gegenstand „Vorbereitung und Durchführung von Sitzungen, Verhandlungen und Versammlungen” ist nicht erforderlich im Sinne des § 47 Abs. 5 LPVG BW (= § 46 Abs. 6 BPersVG), solange nicht feststeht, daß er demnächst Vorsitzender werden wird.

 

Normenkette

LPersVG BW § 45 Abs. 1 S. 1; BPersVG § 44 Abs. 1; LPersVG BW § 47 Abs. 5; BPersVG § 46 Abs. 6; LPersVG BW § 47 Abs. 6 S. 1

 

Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 29.08.1989; Aktenzeichen 15 S 297/89)

VG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 06.12.1988; Aktenzeichen 8 K 4/88)

 

Tenor

Der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg – Fachsenat für Personalvertretungssachen – vom 29. August 1989 wird aufgehoben.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Freiburg – Fachkammer für Personalvertretungssachen – vom 6. Dezember 1988 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller ist der Personalrat des Finanzamts 0. Er vertritt 108 Beschäftigte und besteht aus fünf Mitgliedern. Sein Vorstand hat zwei Mitglieder.

Im März 1987 wies die Kreisverwaltung V.-S. der Gewerkschaft ÖTV die Betriebs- und Personalräte der Dienststellen in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg auf eine dreitägige Schulungsveranstaltung für Betriebs- und Personalräte hin, die von ihr vom 12. bis 14. Oktober 1987 durchgeführt werden sollte. Gegenstand der Schulung sollten die Vorbereitung und Durchführung von Sitzungen, Verhandlungen und Versammlungen sein. Nachdem der Beteiligte, der Vorsteher des Finanzamtes, die Freistellung eines Mitglieds des Antragstellers mit der Begründung abgelehnt hatte, es handele sich um eine Spezialschulung, beschloß der Antragsteller, den Verwaltungsangestellten S., der seit 1981 stellvertretender Vorsitzender des Antragstellers war, zu der Veranstaltung zu entsenden. Der Dienststellenleiter legte die Angelegenheit der Oberfinanzdirektion vor, die am 9. Oktober 1987 fernmündlich mitteilte, das Begehren des Antragstellers sei abzulehnen. Der Verwaltungsangestellte S. nahm an der Schulungsveranstaltung teil; er hatte vorsorglich hierfür Urlaub beantragt und erhalten. Auf Weisung der Oberfinanzdirektion lehnte der Beteiligte mit Schreiben an den Antragsteller vom 11. November 1907 eine Freistellung des Angestellten S. für die Schulungsveranstaltung ab. Unter dem 14. Dezember 1987 lehnte er auch den Antrag des Angestellten auf Reisekostenvergütung ab. Am 20. Mai 1988 wurde der Angestellte S. zum Personalratsvorsitzenden gewählt, nachdem der bisherige Vorsitzende sein Amt niedergelegt hatte.

Der Antragsteller hat ein Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt, festzustellen, daß der Beteiligte verpflichtet ist, den Verwaltungsangestellten S. für die vom 12. bis 14. Oktober 1987 durchgeführte Schulungsveranstaltung freizustellen, und daß die dem Angestellten für die genannte Schulung entstandenen Kosten notwendige Kosten im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 LPVG BW waren.

Das Verwaltungsgericht hat am 6. Dezember 1988 diese Anträge mit der Begründung abgelehnt, sie seien zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Die Schulung, die einen auf die Aufgaben von Personalratsvorsitzenden zugeschnittenen Wissensstoff vermittelt habe, sei für den Verwaltungsangestellten S. als Stellvertreter des Vorsitzenden nicht erforderlich gewesen.

Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Auf seinen Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof am 29. August 1989 den Beschluß des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Dezember 1988 geändert; er hat festgestellt, daß der beteiligte Dienststellenleiter verpflichtet ist, den Verwaltungsangestellten S. zur Teilnahme an der von der Gewerkschaft ÖTV in Donaueschingen-Aufen durchgeführten Schulungsveranstaltung vom 12. bis 14. Oktober 1987 gemäß § 47 Abs. 5 LPVG BW freizustellen, und daß die dem Verwaltungsangestellten durch die Teilnahme an der Schulungsveranstaltung entstandenen Kosten zu den notwendigen Kosten im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 LPVG BW zählen. Zur Begründung hat er im wesentlichen ausgeführt:

Die Feststellungsanträge seien zulässig. Die Angelegenheit betreffe die „Zuständigkeit und Geschäftsführung der Personalvertretungen” im Sinne von § 86 Abs. 1 Nr. 3 LPVG BW. Eine Entscheidung der Dienststelle zur Freistellung komme auch noch nach Teilnahme an der Schulungsveranstaltung in Betracht. Die Feststellungsanträge seien auch begründet. Aufgrund der zur objektiven und subjektiven Erforderlichkeit einer Schulung von Personalratsmitgliedern entwickelten Grundsätze seien die Voraussetzungen einer Freistellung hier erfüllt. Die Thematik der Schulungsveranstaltung vom 12. bis 14. Oktober 1987 sei der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Sitzungen, Verhandlungen und Versammlungen gewidmet gewesen. Es seien rechtliche und praktische Kenntnisse auf diesem Gebiet des Personalvertretungsrechts vermittelt worden. Die Beteiligten gingen davon aus, es habe sich um eine auf die Aufgaben des Vorsitzenden eines Personalrats bzw. auch eines Betriebsrats zugeschnittene Schulung gehandelt. Sie habe die Teilnehmer dazu befähigen sollen, die Aufgaben des Vorsitzenden eines Personalrats möglichst sachgerecht wahrzunehmen. Insofern sei von einer Spezialschulung hinsichtlich besonderer Aufgaben innerhalb der Personalvertretung zu reden. In der Sache lasse sich die Schulung auch als eine Grundschulung für das Amt des Vorsitzenden kennzeichnen. Eine solche Schulung sei prinzipiell im Sinne von § 47 Abs. 5 LPVG BW objektiv erforderlich. Das gelte auch für den Antragsteller. Bei 108 Beschäftigten der Dienststelle könnten die laufend anfallenden Aufgaben des Antragstellers und auch die Tätigkeit als Vorsitzender nicht etwa als nur gering bezeichnet werden. Entgegen der Auffassung des Dienststellenleiters sei auch die subjektive Erforderlichkeit gegeben, obwohl der Angestellte S. lediglich Stellvertreter des Vorsitzenden gewesen sei. Für den ersten oder einzigen Stellvertreter des Vorsitzenden bestehe aufgrund seiner Stellung als Stellvertreter im Sinne von § 47 Abs. 5 LPVG BW prinzipiell in gleicher Weise wie für den Vorsitzenden selbst ein Bedürfnis nach einer auf das Amt des Personalratsvorsitzenden zugeschnittenen Schulung. Zwar seien Zahl und Dauer künftiger Fälle einer Verhinderung des Vorsitzenden meist ungewiß, so daß allein von daher eine Aussage über die Notwendigkeit einer derartigen Schulung des ersten oder einzigen Stellvertreters im allgemeinen unsicher sei. Auch habe der Angestellte S. bis zu dem Beschluß des Antragstellers vom 17. September 1987 über dessen Entsendung zu der Schulungsveranstaltung nur selten die Vertretung des Vorsitzenden wahrgenommen. Darauf allein sei jedoch nicht abzustellen. Der Stellvertreter müsse im Interesse einer ordnungsgemäßen Tätigkeit des Personalrats stets darauf vorbereitet sein, den Vorsitz zu übernehmen. Der Landesgesetzgeber habe mit der Regelung in § 47 Abs. 6 Satz 1 LPVG BW eine Wertung getroffen, die den Schluß rechtfertige, für den ersten oder einzigen Stellvertreter des Vorsitzenden sei prinzipiell in gleicher Weise wie für den Vorsitzenden selbst ein Bedürfnis nach einer auf das Amt des Vorsitzenden zugeschnittenen Schulung anzuerkennen; danach hätten „der Vorsitzende des Personalrats sowie sein Stellvertreter” einmal im Vierteljahr Anspruch auf Lohn- und Gehaltsfortzahlung anläßlich der Teilnahme an einer von der zuständigen Gewerkschaft einberufenen Konferenz der „Vorsitzenden der Personalräte”. Damit habe der Landesgesetzgeber ausdrücklich auch den Stellvertreter einbezogen. Das müsse auch für eine Freistellung zwecks Teilnahme an einer auf das Amt des Vorsitzenden zugeschnittenen Schulung gelten. Es spiele keine Rolle, daß der damalige Vorsitzende des Antragstellers bereits über die während der Schulungsveranstaltung vermittelten Kenntnisse verfügt habe. Der Angestellte S. als alleiniger Stellvertreter sei mit der Materie der Schulung noch nicht näher vertraut gewesen.

Unerheblich sei, daß nach dem Vorbringen des Antragstellers die Entsendung des Angestellten S. auch im Hinblick darauf beschlossen worden sei, daß die Absicht bestanden habe, diesen zum Vorsitzenden des Personalrats zu wählen, und der seinerzeitige Vorsitzende seinen dann am 18. Mai 1988 erklärten Rücktritt angekündigt gehabt habe. Der Beteiligte habe dazu betont, der Antragsteller habe bei seinem Freistellungsantrag einen Schulungsbedarf allein mit der Stellung des Angestellten als Stellvertreter des Vorsitzenden begründet.

Auch der Antrag auf Feststellung der Erstattungsfähigkeit der dem Angestellten durch die Teilnahme an der Schulungsveranstaltung entstandenen Kosten dem Grunde nach sei begründet. Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 LPVG BW trage die Dienststelle diese Kosten.

Gegen diesen ihm am 20. Oktober 1989 zugestellten Beschluß hat der Beteiligte mit Schriftsatz vom 14. November 1989 die vom Verwaltungsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er im wesentlichen ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur subjektiven Erforderlichkeit der Schulung eines Personalratsmitgliedes auf einem Spezialgebiet des Personalvertretungsrechts genüge es, wenn eines der Mitglieder des Personalrats über die erforderlichen Fachkenntnisse verfüge; ausnahmsweise könne ein Schulungsbedürfnis weiterer Personalratsmitglieder bestehen, wenn der Umfang der betreffenden Angelegenheiten ein einzelnes Personalratsmitglied überfordere. Eine derartige Ausnahme liege hier nicht vor. Ein Vertreter müsse nicht stets im Besitz der Kenntnisse und Fähigkeiten sein, die der Vertretene habe.

Nach Ablauf der Begründungsfrist für die Rechtsbeschwerde hat der Rechtsbeschwerdeführer mit Schriftsatz vom 22. Januar 1990 beantragt, den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29. August 1989 zu ändern und die Anträge „entsprechend dem Beschluß des Verwaltungsgerichts” zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen. Er verteidigt den angefochtenen Beschluß und macht im wesentlichen geltend, der stellvertretende Personalratsvorsitzende könne wegen der ihm eingeräumten gesetzlichen Stellung nicht wie ein einfaches Personalratsmitglied behandelt werden. Für ihn bestehe ein besonderes Schulungsbedürfnis, das bei den sonstigen Mitgliedern des Personalrats nicht vorhanden sei. Der Grundsatz der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel sei nicht verletzt. Vielmehr sei es eine effektive Verwendung öffentlicher Mittel, wenn derjenige, dessen Wahl zum Vorsitzenden wahrscheinlich sei, die Möglichkeit der Teilnahme an einer sehr kostengünstigen Schulung zur Vermittlung der für den Stellvertreter sowie für den Vorsitzenden erforderlichen Kenntnisse wahrnehme. Solche speziellen Schulungen würden nur sehr selten angeboten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie scheitert nicht daran, daß der Beteiligte nicht innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist den nach § 86 Abs. 2 LPVG BW, § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG gebotenen Antrag gestellt hat. Der rechtzeitig eingegangenen Begründung der Rechtsbeschwerde ist eindeutig zu entnehmen, daß der Beteiligte mit seinem Rechtsmittel den Beschluß des Beschwerdegerichts in vollem Umfange angreifen und die – später sinngemäß beantragte – Wiederherstellung des die Anträge des Antragstellers zurückweisenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 6. Dezember 1988 erreichen wollte. Ebenso wie im Revisionsverfahren (vgl. dazu Urteil vom 10. Dezember 1981 – BVerwG 3 C 27.80 – ≪Buchholz 310 § 139 VwGO Nr. 59≫; BAG, Urteil vom 29. Juni 1954 – 2 AZR 13/53 – ≪AP § 611 BGB Gratifikation Nr. 1≫) steht auch im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren bei einem so eindeutigen Inhalt der Rechtsmittelbegründung das Fehlen eines ausdrücklichen (rechtzeitigen) Antrages der Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht entgegen (vgl. BAG, Beschluß vom 15. Juli 1960 – 1 ABR 3/59 – ≪AP § 76 BetrVG Nr. 10≫).

Mit Recht ist das Beschwerdegericht von der Zulässigkeit des vom Antragsteller betriebenen Beschlußverfahrens ausgegangen, weil die streitige Angelegenheit die „Zuständigkeit und Geschäftsführung der Personalvertretungen” im Sinne von § 86 Abs. 1 Nr. 3 LPVG BW betrifft. Obwohl die Schulungsveranstaltung, an der der Angestellte S. teilgenommen hat, bereits im Oktober 1987 stattgefunden hat, konnte das Beschwerdegericht in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht von einem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers für seine Feststellungsanträge auch insoweit ausgehen, als sie sich auf die Freistellung zu der Veranstaltung bezogen. Allerdings hätte eine solche Feststellung nur dahin ergehen können, daß die Freistellung zu gewähren „war” und nicht „ist”.

Das Begehren des Antragstellers kann jedoch deshalb keinen Erfolg haben, weil das Beschwerdegericht unter Verkennung der Bedeutung des § 47 Abs. 5 LPVG BW und der entsprechenden Regelung des § 46 Abs. 6 BPersVG zu Unrecht angenommen hat, die Teilnahme des Angestellten S. an der Schulungsveranstaltung vom Oktober 1907 sei im Sinne dieser Vorschriften für dessen Tätigkeit im Personalrat erforderlich gewesen. Das Beschwerdegericht ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Auslegung des § 46 Abs. 6 BPersVG entwickelt hat (vgl. insbesondere Beschluß vom 27. April 1979 – BVerwG 6 P 45.78 – ≪BVerwGE 58, 54 = Buchholz 238.3 A § 46 BPersVG Nr. 2≫). Danach beurteilt sich die Frage, ob eine Schulung im Sinne der genannten Vorschriften für die Tätigkeit im Personalrat erforderliche Kenntnisse vermittelt, nach objektiven und subjektiven Kriterien. Der Begriff der Erforderlichkeit der Schulung ist also sach- und personenbezogen. Die Schulungsveranstaltung muß objektiv von ihrer Thematik her die Vermittlung von Kenntnissen zum Gegenstand haben, die ihrer Art nach für die Tätigkeit des betreffenden Personalrats benötigt werden. Außerdem muß ein Schulungsbedürfnis gerade für das zu entsendende Mitglied bestehen; dieses Mitglied muß der Schulung für seinen möglichst sachgerechten Einsatz im Personalrat in der fraglichen Materie bedürfen, weil es damit noch nicht vertraut ist.

Rechtlich bedenkenfrei sind das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof in Übereinstimmung mit den Verfahrensbeteiligten auch davon ausgegangen, daß die im Oktober 1987 von der ÖTV durchgeführte Schulungsveranstaltung für Betriebs- und Personalräte nach Inhalt und Dauer grundsätzlich im Sinne von § 47 Abs. 5 LPVG BW objektiv erforderlich war. Sie diente der Vermittlung des für die ordnungsgemäße und wirkungsvolle Wahrnehmung der personalvertretungsrechtlichen Aufgaben eines Vorsitzenden eines Personalrats erforderlichen Wissens und der zu ihrer sachgerechten Erledigung notwendigen Fähigkeiten.

Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht jedoch abweichend von der Auffassung des Verwaltungsgerichts angenommen, die Teilnahme des Angestellten S. an der Schulungsveranstaltung sei auch subjektiv erforderlich gewesen, obwohl dieser nicht Vorsitzender, sondern nur Stellvertreter des Vorsitzenden gewesen sei. Dabei hat das Beschwerdegericht insbesondere nicht den vom Senat in seinem Beschluß vom 27. April 1979 – BVerwG 6 P 45.78 – (insoweit abgedruckt bei Buchholz 238.3 A § 46 BPersVG Nr. 2, S. 22 f.) herausgearbeiteten Grundsatz der Aktualität berücksichtigt. Danach kommt es für die Erforderlichkeit der Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung auch darauf an, ob die Kenntnisvermittlung für das betreffende Mitglied aktuell ist. Dies ist danach zu beurteilen, ob gegenwärtig Anlaß besteht, ein Personalratsmitglied auf einem bestimmten Sachgebiet, mit dem es innerhalb der Personalvertretung befaßt ist, zu schulen (aktueller Anlaß von der Materie her), oder ob das betreffende Mitglied aufgrund seiner allgemeinen mitgliedschaftlichen Stellung der Schulung zur Ausübung dieser allgemeinen Tätigkeit bedarf (aktueller Anlaß von der Person her). Diese Voraussetzungen waren hier im Zeitpunkt der vom Antragsteller beschlossenen Entsendung des Angestellten S. zu der Schulungsveranstaltung für Vorsitzende im Oktober 1987 nicht erfüllt, weil der Angestellte nicht Vorsitzender war und der Antragsteller seinen Entsendungsbeschluß und die vom Beteiligten erbetene Freistellung auch nicht etwa damit begründet hatte, daß der Angestellte mit Sicherheit demnächst nicht nur im Vertretungsfalle die Aufgaben des Vorsitzenden zu erfüllen haben werde.

Der Entsendung des Angestellten S. zu der Schulungsveranstaltung mag zwar, wie das Beschwerdegericht meint, nicht die Rechtsprechung des Senats entgegengestanden haben, wonach gemäß § 46 Abs. 6 BPersVG und den entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen die Entsendung zu Schulungsveranstaltungen nur für Mitglieder, nicht aber für nur gelegentlich eintretende Ersatzmitglieder in Betracht kommt (vgl. Beschluß vom 27. April 1979 – BVerwG 6 P 4.78 – ≪Buchholz 238.3 A § 46 BPersVG Nr. 3 = ZBR 1980, 153≫). Anders als ein Ersatzmitglied ist der Stellvertreter des Vorsitzenden Mitglied des Personalrats und hat deshalb eine eigene Mitgliedschaftsposition. Er kann deshalb grundsätzlich zu einer erforderlichen Schulung entsandt werden. Für seine Entsendung zu einer Schulung für Vorsitzende besteht jedoch solange kein aktuelles Bedürfnis, wie er nicht selbst Vorsitzender oder jedenfalls zum Vorsitzenden als Nachfolger des noch amtierenden bisherigen Vorsitzenden gewählt worden ist.

Dem steht nicht die vom Beschwerdegericht erwähnte Sonderregelung des § 47 Abs. 6 Satz 1 LPVG BW entgegen. Wenn danach „der Vorsitzende des Personalrats sowie sein Stellvertreter” einmal im Vierteljahr Anspruch auf Lohn- und Gehaltsfortzahlung anläßlich der Teilnahme an einer von der zuständigen Gewerkschaft einberufenen Konferenz der „Vorsitzenden der Personalräte” haben, so mag dies zwar dafür sprechen, daß der Gesetzgeber von einem grundsätzlich gleichen Informationsbedürfnis des Vorsitzenden wie seines (ersten oder einzigen) Stellvertreters ausgegangen ist, das bei derartigen Konferenzen, die auch dem Erfahrungsaustausch der Personalratsvorsitzenden und ihrer Stellvertreter dienen, besteht. Dies läßt jedoch nicht die vom Beschwerdegericht gezogene Schlußfolgerung zu, daß auch für den Stellvertreter ein (aktuelles) Bedürfnis zur Teilnahme an Schulungsveranstaltungen für Vorsitzende besteht. Die Schulung diente nach ihrem Programm nicht dem Informationsaustausch, sondern der „Fortbildung” in der Vorbereitung und Durchführung von Sitzungen, Verhandlungen und Versammlungen.

Weiterhin steht der Annahme, die Entsendung des Angestellten S. sei für die Tätigkeit des Antragstellers erforderlich gewesen, entgegen, daß der damalige Vorsitzende des Antragstellers schon seit längerer Zeit amtierte und unstreitig bereits über die während der Schulungsveranstaltung vermittelten Kenntnisse verfügte. Der Senat hat in seinem Beschluß vom 27. April 1979 – BVerwG 6 P 30.78 – (Buchholz 238.3 A § 46 BPersVG Nr. 6 = ZBR 1979, 378) die subjektive Erforderlichkeit einer Schulung (dort auf dem Gebiet der Arbeitssicherheit) grundsätzlich verneint, wenn bereits andere Personalratsmitglieder mit entsprechenden Fachkenntnissen vorhanden waren. Allerdings hat er in seinem Beschluß vom 16. November 1987 – BVerwG 6 PB 14.87 – (Buchholz 251.0 § 47 BaWüPersVG Nr. 1 = RiA 1988, 332) klargestellt, daß kein allgemeiner Rechtssatz besteht, wonach die Schulung eines Personalratsmitgliedes – unabhängig von der Größe der Dienststelle und von Art und Umfang der durch den Personalrat behandelten Beteiligungsangelegenheiten – stets dann nicht für die Tätigkeit im Personalrat erforderlich ist, wenn bereits ein anderes Personalratsmitglied die bei der Schulung vermittelten Fachkenntnisse hat. Wesentlich ist vielmehr, daß ein Schulungsbedürfnis insoweit besteht, als der Personalrat ohne die Schulung des zu entsendenden Mitglieds seine personalvertretungsrechtlichen Befugnisse nicht sachgerecht wahrnehmen kann. Im Hinblick auf das auch für die Personalvertretungen geltende Gebot der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel müssen die für die Schulung aufzuwendenden Mittel in einem vernünftigen, angemessenen Verhältnis zu dem damit verfolgten Zweck stehen. Mit Recht hat das Verwaltungsgericht anders als das Beschwerdegericht angenommen, daß diese Grundsätze der Entsendung des stellvertretenden Vorsitzenden des Antragstellers zu der Schulungsveranstaltung vom Oktober 1987 entgegenstanden, weil der damalige Vorsitzende des Antragstellers aufgrund seiner 15-jährigen Amtserfahrung über die erforderlichen Kenntnisse verfügte und angesichts der relativ seltenen und auch nicht in größerer Häufigkeit abzusehenden Fälle, in denen der Angestellte S. die Aufgaben des Vorsitzenden vertretungsweise wahrzunehmen hatte, die Schulung für diesen nicht erforderlich war. Auch wenn die dazu angesichts der Nähe des Veranstaltungsortes zur Wohnung des Angestellten aufzuwendenden Kosten nicht besonders hoch gewesen sein dürften, standen sie jedoch in keinem angemessenen Verhältnis zu dem für die Entscheidung allein maßgebenden Zweck, den Angestellten für die seltenen Vertretungsfälle mit zusätzlichem Geschick und einer besseren Technik der Sitzungsleitung auszustatten (vgl. S. 11 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 6. Dezember 1988).

Auf die im Beschlußverfahren vom Antragsteller geltend gemachte Absicht, den Angestellten später zum Nachfolger des Vorsitzenden zu wählen, und auch darauf, daß diese Absicht inzwischen verwirklicht worden ist, haben die Vorinstanzen die Entscheidung über die Erforderlichkeit mit Recht nicht abgestellt, da diese Absicht in dem Entsendungsbeschluß des Antragstellers nicht zum Ausdruck gekommen ist und sich hieraus überdies zum maßgeblichen Zeitpunkt auch kein aktuelles Schulungsbedürfnis für den damaligen Stellvertreter des Vorsitzenden ergeben hätte.

Da nach alledem der Beteiligte nicht zur Freistellung des Angestellten verpflichtet war, stellen die Kosten, die durch dessen Teilnahme an der Schulung entstanden sind, keine notwendigen Auslagen im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 LPVG BW, der § 44 Abs. 1 BPersVG entspricht, dar.

Mithin waren der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 6. Dezember 1988 zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Dr. Niehues, Nettesheim, Ernst, Albers, Dr. Vogelgesang

 

Fundstellen

Haufe-Index 1178891

BVerwGE, 137

ZBR 1991, 311

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge