Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenpflegepersonal, kein Ausschluß der Mitbestimmung bei Arbeitszeitregelungen für – durch vorkonstitutionelles Recht. Arbeitszeitregelungen, kein Ausschluß der Mitbestimmung bei – für Krankenpflegepersonal durch vorkonstitutionelles Recht

 

Leitsatz (amtlich)

Das Recht auf Mitbestimmung bei Arbeitszeitregelungen nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BaWüPersVG wird durch § 3 der Verordnung über die Arbeitszeit in Krankenpflegeanstalten vom 13. Februar 1924 (RGBl. S. 66), nicht ausgeschlossen.

 

Normenkette

KrAZVO § 3; BaWüPersVG § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; BPersVG § 104; GG Art. 75, 123-124

 

Verfahrensgang

VG Stuttgart (Beschluss vom 14.02.1990; Aktenzeichen PVS 24/89)

 

Tenor

Die Sprungrechtsbeschwerde des Beteiligten gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Stuttgart – Fachkammer für Personalvertretungssachen (Land) – vom 14. Februar 1990 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 6.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob das nach Landespersonalvertretungsrecht vorgesehene Mitbestimmungsverfahren bei Arbeitszeitregelungen durch § 3 der Verordnung über die Arbeitszeit in Krankenpflegeanstalten vom 13. Februar 1924 (RGBl. S. 66 – KrAZVO –) ausgeschlossen ist.

Antragsteller ist der Personalrat des Kreiskrankenhauses B. Im November 1988 beantragte der Leiter dieses Krankenhauses, der Beteiligte, bei ihm die Zustimmung zu der von der Krankenhausleitung zum 1. April 1989 beschlossenen Arbeitszeitneuregelung. Der Antragsteller erhob in verschiedenen Punkten Einwendungen und versagte seine Zustimmung. Daraufhin teilte der Beteiligte dem Antragsteller unter Aufrechterhaltung seines Vorschlages mit, daß gemäß § 3 KrAZVO die Arbeitszeit von der Krankenhausleitung nach Anhörung der leitenden Ärzte und der Betriebsvertretung zu regeln sei, so daß ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats nicht bestehe; die Anhörung werde nunmehr eingeleitet und dazu mitgeteilt, daß beabsichtigt sei, die Arbeitszeitneufestsetzung in den nächsten 14 Tagen bekanntzugeben. Der Antragsteller reagierte darauf, indem er gemäß § 70 BaWüPersVG für einen Teil der Ärzte eine Änderung der beabsichtigten Pausenregelung beantragte. Dies und die anschließend beantragte Einberufung einer Einigungsstelle lehnten der Beteiligte bzw. der gemäß § 69 Abs. 3 BaWüPersVG angerufene Krankenhausdezernent ab, weil ein Verfahren nach dem Landespersonalvertretungsgesetz nicht möglich sei.

Aus diesem Anlaß hat der Antragsteller das Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt festzustellen, daß die Einführung der neuen Arbeitszeitfestsetzung zum 1. April 1989 hinsichtlich aller davon betroffenen Beschäftigten – hilfsweise: hinsichtlich der Ärzte – des Kreiskrankenhauses seiner Mitbestimmung unterlegen hat.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag mit Beschluß vom 14. Februar 1990 stattgegeben. In den Gründen hat es ausgeführt: Der auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses zulässige Antrag sei begründet. Dem Antragsteller habe nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BaWüPersVG ein Recht auf Mitbestimmung bei der Arbeitszeitneufestsetzung zugestanden. Dieses Mitbestimmungsrecht sei nicht durch § 3 KrAZVO ausgeschlossen worden. Bei dieser Vorschrift handele es sich zwar um gültiges Bundesrecht. Sie sei aber für den Bereich des Bundespersonalvertretungsrechts bereits durch § 98 PersVG 1955 außer Kraft gesetzt worden. Darin sei klargestellt, daß die Beteiligungsrechte der Personalvertretungen durch dieses Gesetz abschließend geregelt worden seien und insofern ein entsprechendes Fortgelten von Regelungen über die Beteiligungsrechte von Betriebsräten in anderen Gesetzen ausgeschlossen sei. Dieses Ergebnis müsse auch auf den Bereich des Landesrechts übertragen werden. § 90 PersVG 1955 habe den Ländern rahmenrechtlich dem Bundesrecht entsprechende Regelungen vorgeschrieben. § 98 PersVG 1955 müsse folglich dahin verstanden werden, daß ein Fortgelten von Regelungen der genannten Art auch für das Landesrecht ausgeschlossen sei. Abgesehen davon gehe § 3 KrAZVO auch deshalb ins Leere, weil im Geltungsbereich des Landespersonalvertretungsgesetzes Betriebsvertretungen fehlten und sich die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nur an diese Vertretungen wende.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrechtsbeschwerde des Beteiligten. Zur Begründung führt er aus: Nach dem Wortlaut des § 98 Satz 2 PersVG 1955 würden nur Vorschriften über die Mitbestimmung ausgeschlossen. Da das PersVG 1955 bereits den Oberbegriff der Beteiligung gekannt habe, sei nicht davon auszugehen, daß trotz der Verwendung des Begriffs der Mitbestimmung auch andere Beteiligungsrechte, wie etwa die in der KrAZVO genannte Anhörung, angesprochen sein sollten. Nach eindeutigem Sprachgebrauch sei der Begriff der Anhörung von der durch das Erfordernis der Zustimmung gekennzeichneten Mitbestimmung zu unterscheiden. Wenn aber § 3 KrAZVO bereits für den Bereich des Bundesrechts nicht ausgeschlossen sei, so komme dies für das Landesrecht erst recht nicht in Betracht. Die Vorschrift sei auch nicht deshalb gegenstandslos geworden, weil seit Bildung der Personalvertretungen Betriebsvertretungen nicht mehr existierten. In der KrAZVO werde das Betriebsrätegesetz vom 4. Februar 1920 in Bezug genommen. Es sei deshalb davon auszugehen, daß mit der in § 3 KrAZVO genannten Betriebsvertretung ein Organ angesprochen sein solle, das nach dem für die Vertretung maßgeblichen Gesetz vorgesehen gewesen sei. Dem entspreche heute die Personalvertretung. Bei § 3 KrAZVO handele es sich außerdem um eine die Mitbestimmung ausschließende Vorschrift im Sinne des Vorbehalts zugunsten gesetzlicher Regelungen in § 79 Abs. 1 Satz 1 BaWüPersVG. Schließlich werde § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BaWüPersVG durch § 3 KrAZVO gemäß Art. 31 GG verdrängt, weil es sich um Bundesrecht handele.

Der Beteiligte beantragt,

den Beschluß des Verwaltungsgerichts Stuttgart – Fachkammer für Personalvertretungssachen (Land) – vom 14. Februar 1990 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Sprungrechtsbeschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Sprungrechtsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat das Bestehen des Mitbestimmungsrechts gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BaWüPersVG bei der Einführung der Arbeitszeitneufestsetzung zum 1. April 1989 im Kreiskrankenhaus B. im Ergebnis zu Recht festgestellt.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, daß das Rechtsschutzbedürfnis an der Einleitung und Fortführung des Beschlußverfahrens und auch das Feststellungsinteresse aufgrund der Einführung der strittigen Arbeitszeitneufestsetzung nicht entfallen sind. Da die Maßnahme fortwirkt und jederzeit geändert oder für die Zukunft rückgängig gemacht werden kann, hat sie sich mit dem Vorgang der Einführung noch nicht erledigt. Das Mitbestimmungsrecht und die mit ihm begründeten Verfahrensrechte, namentlich dasjenige aus § 69 Abs. 1 BaWüPersVG, werden nicht ohne weiteres gegenstandslos, wenn der Dienststellenleiter die Rechte der Personalvertretung nicht beachtet. Dies gilt insbesondere dann, wenn es tatsächlich möglich ist, die Maßnahme rückgängig zu machen, und wenn die Rechtsordnung dies auch zuläßt. Wird gegebenenfalls die Verletzung von Mitbestimmungsrechten gerichtlich festgestellt, so ist der Dienststellenleiter – soweit nicht die fehlende Zustimmung des Personalrats im Einigungsverfahren ersetzt wird – in diesen Fällen auch zur Rückgängigmachung verpflichtet. Das ergibt sich – unbeschadet der Frage nach einem damit korrespondierenden Rechtsanspruch des Personalrats, der in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bisher stets verneint worden ist – ohne weiteres aus Art. 20 Abs. 3 GG. Der Dienststellenleiter kann im Rahmen der Dienstaufsicht dazu notfalls gezwungen werden (vgl. Beschluß vom 15. Dezember 1978 – BVerwG 6 P 13.78 – Buchholz 238.3 A § 76 BPersVG Nr. 1; Beschluß vom 23. September 1992 – BVerwG 6 P 26.90 – PersR 1993, 28). Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 69 Abs. 5 Satz 1 BaWüPersVG könnte er zwar die Maßnahme möglicherweise auch nach einer rechtskräftigen Feststellung des Mitbestimmungsrechts vorläufig beibehalten. Dann aber hätte der Personalrat zumindest Anspruch auf unverzügliche Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens (§ 69 Abs. 5 Satz 2 BaWüPersVG).

Auch der Sache nach ist dem Verwaltungsgericht darin zu folgen, daß durch § 3 KrAZVO das Mitbestimmungsrecht aus § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BaWüPersVG nicht ausgeschlossen wird. Dies ergibt sich indessen nicht daraus, daß das Verordnungsrecht als fortgeltendes Bundesrecht für den Bereich des Landespersonalvertretungsrechts durch § 98 in Verbindung mit § 90 PersVG 1955 gegenstandslos geworden wäre. Soweit die Verordnung über die Arbeitszeit in Krankenpflegeanstalten vom 13. Februar 1924 (RGBl. S. 66) Bundesrecht geworden ist, handelt es sich nämlich nicht um Rahmenrecht, das allein dem Landesrecht vorgehen könnte. § 3 Abs. 1 Satz 1 KrAZVO, wonach die Anstaltsleitung die Dauer und Verteilung der Arbeitszeit und der Pausen sowie die wöchentlichen Freizeiten nach Anhörung der leitenden Ärzte und der Betriebsvertretung regelt, konnte somit nicht als Bundesrahmenrecht im Sinne von Art. 75 Nr. 1 GG fortgelten, sondern nur als eine Regelung im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes (dazu unten 1). Als solche kann sie aber weder direkt im Bereich des Landesrechts angewendet werden, noch über § 94 in Verbindung mit § 104 BPersVG das Landesrecht beeinflussen, da die Länder durch § 104 BPersVG nur an die im Bundespersonalvertretungsgesetz geregelten Grundsätze, nicht aber an andere bundesrechtliche Vorschriften gebunden sind. § 3 KrAZVO gilt vielmehr auch in Baden-Württemberg als Landesrecht fort, allerdings mit einem Inhalt der die Mitbestimmung nicht verdrängt.

1. Die Verordnung über die Arbeitszeit in Krankenpflegeanstalten vom 13. Februar 1924 ist, soweit sie öffentliche Anstalten betrifft, u.a. gemäß Art. 123, 124 in Verbindung mit Art. 73 Nr. 8 GG Bundesrecht geworden. Das Personalvertretungsrecht zählt zum öffentlichen Dienstrecht (vgl. BVerfGE 7, 120 ≪127≫; 51, 43) und gehört somit, soweit es den öffentlichen Dienst des Bundes betrifft, zur ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Die Verordnung war auch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes noch gültiges Recht. Sie ist nicht durch die Verordnung zur Abänderung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiet des Arbeitsrechts vom 1. September 1939 (RGBl. S. 1683) aufgehoben worden. Durch § 4 Abs. 1 dieser Verordnung ist sie vielmehr nur in ihrer Geltung für einen festumrissenen Personenkreis (die männlichen Arbeitnehmer über 18 Jahre) außer Kraft gesetzt worden, im übrigen aber in einem nicht unerheblichen Teil als gültiges Recht bestehen geblieben. Sie ist deshalb nicht erst durch das Gesetz über die Aufhebung von Vorschriften auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes vom 21. März 1952 (BGBl. I S. 146) – als nachkonstitutionelles Recht – wieder in Kraft gesetzt worden. Die Verordnung ist auch nicht etwa dadurch unwirksam geworden, daß die Ermächtigungsgrundlage für ihren Erlaß außer Kraft getreten ist (vgl. BVerfGE 9, 3 ≪12≫). Sie ist daher zu Recht als gemäß Art. 123 in Verbindung mit Art. 73 Nr. 8 GG zu Bundesrecht gewordenem Reichsrecht in die Sammlung der bereinigten Gesetze des Bundes aufgenommen werden (Gesetz über die Sammlung des Bundesrechts vom 10. Juli 1958, BGBl. I S. 437; Gesetz über den Abschluß der Sammlung des Bundesrechts vom 28. Dezember 1968, BGBl. I S. 1451; BGBl. III Nr. 8050–2).

Soweit sie Bundesrecht geworden ist, betrifft die Verordnung nur den Bereich des öffentlichen Dienstes des Bundes. Für den Bereich des öffentlichen Dienstes eines Landes kann sie insoweit keine Gültigkeit beanspruchen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 31 GG. Ein Vorrang des Bundesrechts läßt sich hier nicht begründen, da es sich bei dem Recht des öffentlichen Dienstes des Bundes und dem des öffentlichen Dienstes des Landes um verschiedene Regelungsgegenstände handelt (vgl. BVerfGE 36, 342 ≪363≫; Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Art. 31 RdNr. 15). Auch über die Rahmenrechtsbestimmungen des Bundespersonalvertretungsgesetzes hat die Verordnung keine Auswirkung auf das Landesrecht. Sie wird nicht durch die Generalklausel des § 104 BPersVG (wie zuvor schon nicht durch § 90 PersVG 1955) in das Rahmenrecht einbezogen, weil dort nur auf die „in diesem Gesetz”, also auf die im Bundespersonalvertretungsgesetz selbst, enthaltenen Regelungen Bezug genommen wird.

Die Verordnung und insbesondere ihr § 3 sind schließlich auch nicht etwa als Rahmenvorschriften gemäß Art. 123, 125 in Verbindung mit Art. 75 Nr. 1 GG deshalb Bundesrecht geworden, weil der Bund eine Rahmenkompetenz für das Dienstrecht und damit auch für das zum Dienstrecht gehörende Personalvertretungsrecht hat. Unabhängig von der Frage, ob Art. 125 überhaupt Gegenstände der Rahmengesetzgebung erfaßt (vgl. Maunz/Dürig/Herzog, a.a.O., Art. 125 RdNr. 5; Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 125, 2. Bearbeitung, RdNr. 4), sind für die Verordnung schon die Voraussetzungen, die an das Vorliegen von Rahmengesetzen zu stellen sind, nicht erfüllt. Rahmengesetze müssen als Ganzes auf die Ausfüllung durch die Gesetzgebung der Länder angelegt sein (BVerfGE 4, 115 ≪125 ff.≫; 8, 186 ≪193≫; 51, 43 ≪54≫). Auch wenn in nachkonstitutionellen Rahmengesetzen einzelne Vollregelungen enthalten sein dürfen (vgl. BVerfGE 43, 291 ≪343≫; 67, 382 ≪387≫), würde eine vorkonstitutionelle Regelung über eine Materie der Rahmengesetzgebung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts über Art. 125 GG nur fortgelten können, soweit sie als Ganzes Rahmen- oder Grundsatzcharakter hat (BVerfGE 7, 29 ≪41≫). Gesetze, die ausschließlich Vollregelungen enthalten und sich nicht auf Rahmenbestimmungen beschränken, können jedenfalls nicht nach Art. 125 in Verbindung mit 75 GG zu Bundesrahmenrecht geworden sein (vgl. BVerfGE 4, 115 ≪132 f.≫; 4, 219 ≪238 f.≫).

Die Verordnung vom 13. Februar 1924 enthält für die Arbeitszeit des Pflegepersonals in Krankenpflegeanstalten sachlich eine Vollregelung. Der Personenkreis, für den sie unmittelbar gelten soll, ist nach bestimmten Merkmalen abgegrenzt (§ 1 Abs. 2 und 3), erweiternde (§ 2 Abs. 1 Satz 1) und einengende (§ 2 Abs. 2) Ausnahmen sind nach der Art der Anstalten wie auch nach der Dauer und dem Anlaß der Beschäftigung (§ 3 Abs. 2) eindeutig festgelegt. Auch die Zuständigkeiten sind abschließend bestimmt. Namentlich regelt § 3 KrAZVO die Zuständigkeiten und das Verfahren bei der Festlegung von Dauer und Verteilung der Arbeitszeit und der Pausen sowie der wöchentlichen Freizeiten endgültig, insbesondere auch, soweit es die Beteiligung des betroffenen Personals betrifft, ohne einen Spielraum für eine weitere gesetzgeberische Betätigung zu lassen. Ansonsten bleibt nur noch Raum für Durchführungsbestimmungen dazu, welche Arbeiten im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 als pflegerische oder sonst unmittelbar der Versorgung der Kranken dienende anzusehen sind (§ 1 Abs. 3 Satz 2, § 6). Die Landesregierungen haben lediglich noch zu bestimmen, welche Behörden unter der Bezeichnung oberste Landesbehörde und höhere Verwaltungsbehörde zu verstehen sind (§ 8). Von Regelungen, die sich auf einen Rahmen- oder Grundsatzcharakter beschränken würden, kann nach allem keine Rede sein. Davon abgesehen, würde das Herausgreifen nur einzelner Teile der Verordnung, um ihre Fortgeltung als Rahmenrecht vorzusehen, einen Eingriff in die Freiheit des Gesetzgebers hinsichtlich der Gestaltung der Rahmenvorschriften und der darin enthaltenen Vollregelungen bedeuten (vgl. BVerfGE 7, 29 ≪42≫; 7, 155 ≪161≫; 8, 186 ≪192≫).

2. Die Verordnung über die Arbeitszeit in Krankenpflegeanstalten ist aber auch dann, wenn sie für den Bereich des öffentlichen Dienstes des Landes Baden-Württemberg möglicherweise gemäß Art. 123 in Verbindung mit Art. 70 GG als Landesrecht fortgelten sollte, insoweit nicht anwendbar, als § 3 KrAZVO einem Mitbestimmungstatbestand inhaltlich widersprechen sollte. Vielmehr wäre diese Vorschrift, wenn sie derart restriktiv auszulegen wäre, durch die umfassenden Regelungen des Landespersonalvertretungsgesetzes, insbesondere diejenigen über die Mitbestimmung bei der Festlegung der Lage der Arbeitszeit, inhaltlich zurückgedrängt worden, und zwar schon durch § 65 Abs. 1 Buchst. a BaWüPersVG 1958, also durch diejenige Regelung, die inhaltlich im wesentlichen dem späteren § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BaWüPersVG 1975 entsprach. Spätestens mit der Präzisierung in der letztgenannten Regelung hat der damals auf eine Ausweitung der Mitbestimmung bedacht gewesene Gesetzgeber den Willen verdeutlicht, etwa widersprechendes altes Recht nicht länger hinzunehmen.

Dieses Auslegungsergebnis ergibt sich aus Sinn und Zweck der in Rede stehenden Regelungen. Die Zielsetzungen des § 65 Abs. 1 Buchst. a BaWüPersVG 1958 und des § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BaWüPersVG 1975 – wie übrigens auch der gleichlautenden Vorschrift des § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG – lassen die Annahme einer Weitergeltung des § 3 KrAZVO mit einer die Mitbestimmung einschränkenden Auslegung nicht zu. Die Vorschriften über die Mitbestimmung sollen dem Schutz der Beschäftigten dienen, indem ihre Interessen und Bedürfnisse vom Personalrat in den Entscheidungsprozeß über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, der Pausen und der Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage eingebracht werden können. Gleichzeitig ist damit dem Personalrat auch die Aufgabe auferlegt, darauf zu achten, daß der Schutz der Beschäftigten mit den dienstlichen Erfordernissen in Einklang gebracht wird. Ihm wird also eine tätige Mitarbeit und ein eigenes Bemühen im Hinblick auf einen optimalen Ausgleich zwischen den persönlichen Belangen der Beschäftigten auf der einen und den dienstlichen Belangen auf der anderen Seite abverlangt (BVerwGE 30, 39 ≪41≫; Beschluß vom 23. Dezember 1982 – BVerwG 6 P 36.79 – Buchholz 238.31 § 79 BaWüPersVG Nr. 2; Fischer/Goeres in Fürst, GKÖD V, K § 75 BPersVG Rz. 75; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 7. Auflage, § 75 RdNr. 81). Mit einer bloßen Anhörung ließe sich dieses Ergebnis kaum erreichen.

Das Landespersonalvertretungsgesetz kennt überdies auch sonst keine Regelungen, die das Beteiligungsrecht der Personalvertretung in Krankenhäusern beschränken oder gar ausschließen würden. Andere Regelungen lassen eher auf eine gegenteilige Absicht des Gesetzgebers schließen. Das gilt jedenfalls für § 4 Abs. 2 Satz 1 BaWüPersVG 1975, wonach – in bewußter Abweichung vom Bundespersonalvertretungsgesetz (vgl. Rooschüz/Killinger/Schwarz, LPVG BW, 9. Aufl., § 4 Rdnr. 10 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zum Änderungsgesetz 1975) – „auch” die Personen, die ohne ein unmittelbares Dienstverhältnis zu einer Körperschaft im Sinne des § 1 als Krankenpfleger, Krankenschwestern, Kinderkrankenschwestern beschäftigt sind, als „Beschäftigte” im Sinne des Gesetzes anzusehen sind (vgl. auch Arndt/Aufhauser/Brunhöber/Warga, LPVGBW, § 4 RdNr. 6). Wenn der Gesetzgeber besonderen Wert darauf gelegt hat, das Pflegepersonal auf diese Weise lückenlos in den Schutzbereich des Landespersonalvertretungsgesetzes einzubeziehen, legt dies die Annahme nahe, daß er Einschränkungen der zum Schütze des Pflegepersonals bestehenden Mitbestimmungsrechte nicht hat hinnehmen wollen.

Eine Einschränkung der Mitbestimmung läßt sich auch nicht mit dem Hinweis auf den in § 65 Abs. 1 BaWüPersVG 1958 und § 79 Abs. 1 Satz 1 BaWüPersVG 1975 enthaltenen Vorbehalt zugunsten einer Regelung durch Gesetz rechtfertigen. § 3 KrAZVO enthält keine gesetzliche Regelung im Sinne dieser Vorschriften. Darunter fallen nur solche materiellen Regelungen, durch die eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit sachlich erschöpfend geregelt ist, so daß der Zweck, den vorhandenen Entscheidungsspielraum des Dienststellenleiters für die Beiträge der Personalvertretung zu nutzen, nicht mehr erreicht werden kann und muß (vgl. Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, a.a.O., § 75 RdNr. 74, Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, § 75 RdNr. 109; Altvater/Bacher/Hörter/Sabottig/Schneider, BPersVG, 3. Auflage, § 75 RdNr. 36). Eine solche materielle Regelung, die dem mit der Beteiligung verfolgten Zweck abschließend gerecht würde, enthält § 3 KrAZVO nicht.

Wollte man eine Verdrängung des Mitbestimmungsrechts aus § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BaWüPersVG annehmen, würde § 3 KrAZVO schließlich eine Wirkung beigelegt, die dieser Vorschrift jedenfalls von der seinerzeit herrschenden Meinung selbst unter der Geltung des Betriebsrätegesetzes von 1920 nicht zugeschrieben worden ist. Es war nämlich zumindest umstritten, ob die im Betriebsrätegesetz vorgesehene Mitwirkung durch die in den Arbeitszeitordnungen vorgesehenen Anhörungen ersetzt werde oder aber die letzteren nur als zusätzliche Beteiligung der Betriebsvertretungen neben die Rechte aus dem Betriebsrätegesetz treten sollten. Als herrschend galt die auch vom Reichsarbeitsgericht vertretene Ansicht, wonach die Arbeitszeitordnungen die „öffentlich-rechtliche Seite” der Mehrarbeitsbestimmungen erfaßten und die gesetzliche Zulässigkeit von Mehrarbeit regelten (RAG Urteil vom 12. Dezember 1928, Sammlung RAG Band 4, S. 381; Mansfeld, Betriebsrätegesetz, 3. Auflage, S. 391, Flatow, Betriebsrätegesetz, 12. Auflage, S. 324). Durch die in der Arbeitszeitordnung geregelte Anhörung wurde nach Ansicht der Vertreter dieser Auffassung die Mitwirkung nach dem Betriebsrätegesetz nicht ersetzt (Flatow, a.a.O., S. 325; Mansfeld, a.a.O.). Die in der Arbeitszeitordnung wie auch in der Verordnung über die Arbeitszeit in Krankenpflegeanstalten geregelte Anhörung wurde vielmehr als Übertragung einer „Reihe weiterer Aufgaben” auf die Betriebsvertretungen angesehen (Flatow, a.a.O., S. 243).

Von der seinerzeit herrschenden Meinung ausgehend liefe eine Beibehaltung des § 3 KrAZVO mit einer nunmehr die Mitbestimmungsrechte einschränkenden Funktion auf eine Verkehrung seiner früheren Wirkungen hinaus. Die ursprüngliche Ergänzungsfunktion – nämlich die eines zusätzlichen Rechts neben den im Betriebsrätegesetz geregelten Rechten der Betriebsvertretung – würde nunmehr in ihr Gegenteil verkehrt. Für einen derartigen, über die bloße Aufrechterhaltung bereits geltenden Rechts hinausgehenden Willen des Gesetzgebers des Landespersonalvertretungsgesetzes lassen sich aber weder bezüglich der ursprünglichen Fassung noch hinsichtlich späterer Novellierungen – zumal nicht angesichts der stark erweiterten Befugnisse der heutigen Personalvertretungen – irgendwelche Anhaltspunkte finden (vgl. zum Verhältnis von § 3 KrAZVO und § 87 BetrVG auch BAG, Beschluß vom 6. November 1990, ZTR 1991, 128; Coulin PersR 1989, 349 ≪352≫).

Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 10 Abs. 2 BRAGO in Verbindung mit § 8 Abs. 2 BRAGO.

 

Unterschriften

Niehues, Richter am Bundesverwaltungsgericht Nettesheim ist aus Urlaubsgründen abwesend und daher verhindert, seine Unterschrift zu leisten. Niehues, Ernst, Seibert, Albers

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1214348

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