Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes. amtsbezogener Mindestruhegehaltssatz. amtsabhängiger Mindestruhegehaltssatz. Beamter. Ruhestand. hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums. Nichtigkeit. Verfassungsmäßigkeit. Verhältnismäßigkeit. Vertrauensschutz. Dienstrechtsneuordnungsgesetz. Rückwirkungsanordnung. echte Rückwirkung. unechte Rückwirkung. tatbestandliche Rückanknüpfung. Rückbewirkung von Rechtsfolgen. Antragstellung. Zeitpunkt der Zurruhesetzung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rückwirkungsanordnung des Art. 17 Abs. 1 DNeuG bewirkt eine verfassungswidrige Kürzung des Anspruchs auf vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes bei denjenigen Beamten, deren Versorgung auf der Grundlage des amtsbezogenen Mindestruhegehalts bemessen wird. Der rückwirkende Eingriff in deren bestehenden Versorgungsanspruch nach § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. ist mit Art. 20 Abs. 3, Art. 33 Abs. 5 und Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

 

Normenkette

GG Art. 20 Abs. 3, Art. 33 Abs. 5, Art. 3 Abs. 1; BeamtVG §§ 14, 14a; BeamtVG a.F. § 14a Abs. 1; DNeuG Art. 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa, Art. 17 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Entscheidung vom 01.07.2009; Aktenzeichen 1 L 28/09)

VG Magdeburg (Entscheidung vom 26.01.2009; Aktenzeichen 5 A 248/08)

 

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Dem Bundesverfassungsgericht wird gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob Art. 17 Abs. 1 des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes (DNeuG) vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160, 274) mit Art. 20 Abs. 3, Art. 33 Abs. 5 und Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig ist.

 

Tatbestand

I

Rz. 1

 Der 1948 geborene Kläger stand seit 1992, zuletzt als Polizeihauptmeister, im Dienst der Beklagten beim Bundesgrenzschutz. Er wurde nach Vollendung des 60. Lebensjahres mit Ablauf des Monats Februar 2008 in den Ruhestand versetzt.

Rz. 2

 Auf seinen Antrag setzte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Februar 2008 das Ruhegehalt mit Wirkung ab dem 1. März 2008 auf 1 691,89 € fest. Dabei erhöhte sie den nach § 14 Abs. 1 BeamtVG berechneten Ruhegehaltssatz in Höhe von 32,64 v. H. gemäß § 14a BeamtVG vorübergehend um 24,58 v. H. auf insgesamt 57,22 v. H.

Rz. 3

 Hiergegen wandte sich der Kläger und “beantragte” einen – erhöhten – Ruhegehaltssatz auf Basis des amtsabhängigen Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG (in Höhe von 35 v. H. auf 59,58 v. H.). Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. März 2008 und Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2008 ab.

Rz. 4

 Während das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hat, hat das Berufungsgericht nach der Änderung des § 14a Abs. 1 BeamtVG durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz – DNeuG – vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160, 274; dort Art. 4 Nr. 11 Buchst. a Doppelbuchst. aa in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1) mit Wirkung zum 24. Juni 2005 die Klage mit im Wesentlichen folgender Begründung abgewiesen:

Rz. 5

 Die Beklagte habe nach jetzt geltender Rechtslage das – weitergehende – Begehren des Klägers zu Recht abgelehnt. Anders als nach § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. könne nach der Gesetzesänderung nicht mehr der amtsbezogene Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 und 2 BeamtVG, sondern nur noch der erdiente Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 1 BeamtVG Berechnungsgrundlage für die vorübergehende Erhöhung des Mindestruhegehaltssatzes sein. Die Neuregelung sei mit Wirkung vom 24. Juni 2005 in Kraft getreten. Da der Kläger erst nach diesem Zeitpunkt in den Ruhestand getreten sei, sei sie auf ihn anzuwenden.

Rz. 6

 In dem durch Art. 17 Abs. 1 DNeuG angeordneten rückwirkenden Inkrafttreten von Art. 4 Nr. 11 Buchst. a Doppelbuchst. aa DNeuG liege kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot (Art. 20 Abs. 3 GG). Die betroffenen Beamten bedürften keines Vertrauensschutzes, weil nicht ersichtlich sei, dass sie in Kenntnis der rückwirkenden Änderung von bestimmten Aufwendungen abgesehen hätten, zumal es hier um einen geringen Betrag gehe. Gegenteiliges lege der Kläger nicht dar. Hinzu komme, dass sich die Rückwirkungsanordnung wegen § 52 Abs. 1 BeamtVG bei Ruhestandsbeamten, deren Versorgungsbezüge bestandskräftig festgesetzt worden seien, tatsächlich erst in der Zukunft, beginnend mit dem Zahlungsmonat März 2009 auswirke. Von der Rückwirkung seien im Übrigen nur die noch aktiven Beamten betroffen und Ruhestandsbeamte, deren Versorgungsbezüge noch nicht oder noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden seien. Auch hier wirke sich die Neuregelung erst zukunftsbezogen aus oder betreffe eine noch nicht endgültig gesicherte Rechtsposition. Insofern könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass eine unklare oder verworrene Rechtslage bestanden habe, so dass der Gesetzgeber rückwirkend ein klarstellendes Gesetz habe erlassen dürfen. Etwaiges Vertrauen sei bereits beginnend mit dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf im November 2007 (BTDrucks 16/7076) nicht mehr gerechtfertigt gewesen. Der Kläger sei nach diesem Zeitpunkt in den Ruhestand versetzt worden. Ungeachtet dessen sei es dem Gesetzgeber möglich, selbst Normen, die in erheblichem Umfang an in der Vergangenheit liegende Tatbestände anknüpften, zu erlassen, unter Änderung der künftigen Rechtsfolgen dieser Tatbestände auf veränderte Gegebenheiten mit einer Änderung seines Normenwerkes zu reagieren und durch eine solche Änderung bestimmte soziale Gegebenheiten zu beeinflussen. Der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes garantiere nicht das Fortbestehen der Rechtslage, die der Betroffene beim Eintritt in das Beamtenverhältnis vorgefunden habe. Beamte müssten damit rechnen, dass sich ihre Gesamtbesoldung und -versorgung ändern könne. Dies gelte umso mehr, als es sich bei § 14a BeamtVG nicht um eine von Art. 33 Abs. 5 GG geforderte Bestimmung handele. Der Anspruch des Ruhestandsbeamten auf amtsangemessene Versorgung stehe unter dem besonderen Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG, der die allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzipien des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit, aber auch der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich einbeziehe, so dass daneben dem allgemeinen rechtsstaatlichen Vertrauensschutz keine selbstständige Bedeutung zukomme.

Rz. 7

 Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Er beantragt,

den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 1. Juli 2009 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 26. Januar 2009 zurückzuweisen.

Rz. 8

 Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II

Rz. 9

 Das Verfahren ist gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen, um dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob Art. 17 Abs. 1 des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes (DNeuG) vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160, 274) mit Art. 20 Abs. 3, Art. 33 Abs. 5 und Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig ist, soweit Art. 4 Nr. 11 Buchst. a Doppelbuchst. aa mit Wirkung vom 24. Juni 2005 in Kraft tritt.

Rz. 10

 1. Gemäß § 14a Abs. 1 des Beamtenversorgungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (BGBl I S. 322, 847, 2033), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 29. Juli 2008 (BGBl I S. 1582) – BeamtVG a.F. – erhöhte sich der nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz vorübergehend – bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze – um 1 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge für je 12 Kalendermonate der anrechnungsfähigen Pflichtversicherungszeiten. Um einen derartigen, vorübergehend zu erhöhenden Ruhegehaltssatz handelt es sich auch bei dem Mindestruhegehaltssatz von 35 v.H. gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG. Dieses Ergebnis folgt aus einer Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG nach Wortlaut, Systematik und Normzweck unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte (Urteile vom 23. Juni 2005 – BVerwG 2 C 25.04 – BVerwGE 124, 19 = Buchholz 239.1 § 14a BeamtVG Nr. 4 und vom 12. November 2009 – BVerwG 2 C 29.08 – Buchholz 239.1 § 14a BeamtVG Nr. 5). In der vor der Gesetzesänderung maßgebenden Fassung lautete § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. wie folgt:

(1) Der nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz erhöht sich vorübergehend, wenn der Beamte vor der Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres in den Ruhestand getreten ist und er

1. bis zum Beginn des Ruhestandes die Wartezeit von sechzig Kalendermonaten für eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt hat,

2. a) wegen Dienstunfähigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes oder entsprechenden Landesrechts in den Ruhestand versetzt worden ist oder

b) wegen Erreichens einer besonderen Altersgrenze in den Ruhestand getreten ist und das sechzigste Lebensjahr vollendet hat,

3. einen Ruhegehaltssatz von 66,97 vom Hundert noch nicht erreicht hat und

4. keine Einkünfte im Sinne des § 53 Abs. 7 bezieht. Die Einkünfte bleiben außer Betracht, soweit sie durchschnittlich im Monat 325 Euro nicht überschreiten.

(2) Die Erhöhung des Ruhegehalts beträgt 0,95667 vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge für je zwölf Kalendermonate der für die Erfüllung der Wartezeit (Absatz 1 Nr. 1) anrechnungsfähigen Pflichtbeitragszeiten, soweit sie nicht von § 50e Abs. 1 erfasst werden, nach Vollendung des 17. Lebensjahres und vor Begründung des Beamtenverhältnisses zurückgelegt wurden und nicht als ruhegehaltfähig berücksichtigt sind. Der hiernach berechnete Ruhegehaltssatz darf 66,97 vom Hundert nicht überschreiten. In den Fällen des § 14 Abs. 3 ist das Ruhegehalt, das sich nach Anwendung der Sätze 1 und 2 ergibt, entsprechend zu vermindern. Für die Berechnung nach Satz 1 sind verbleibende Kalendermonate unter Benutzung des Nenners 12 umzurechnen; § 14 Abs. 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(3) Die Erhöhung fällt spätestens mit Ablauf des Monats weg, in dem der Ruhestandsbeamte das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet. Sie endet vorher, wenn der Ruhestandsbeamte

1. eine Versichertenrente der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, mit Ablauf des Tages vor dem Beginn der Rente, oder

2. in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 Buchstabe a nicht mehr dienstunfähig ist, mit Ablauf des Monats, in dem ihm der Wegfall der Erhöhung mitgeteilt wird, oder

3. ein Erwerbseinkommen bezieht, mit Ablauf des Tages vor dem Beginn der Erwerbstätigkeit.

§ 35 Abs. 3 Satz 2 gilt sinngemäß.

(4) Die Erhöhung des Ruhegehaltssatzes wird auf Antrag vorgenommen. Anträge, die innerhalb von drei Monaten nach Eintritt des Beamten in den Ruhestand gestellt werden, gelten als zum Zeitpunkt des Ruhestandseintritts gestellt. Wird der Antrag zu einem späteren Zeitpunkt gestellt, so tritt die Erhöhung vom Beginn des Antragsmonats an ein.

Rz. 11

 Die zur Ausfüllung der Begriffs des “nach den sonstigen Vorschriften berechneten Ruhegehaltssatzes” in § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. insoweit heranzuziehende Regelung des § 14 BeamtVG lautet in der maßgeblichen Fassung vom 20. Dezember 2001:

(1) Das Ruhegehalt beträgt für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit 1,79375 vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (§ 5), insgesamt jedoch höchstens 71,75 vom Hundert. Der Ruhegehaltssatz ist auf zwei Dezimalstellen auszurechnen. Dabei ist die zweite Dezimalstelle um eins zu erhöhen, wenn in der dritten Stelle eine der Ziffern fünf bis neun verbleiben würde. Zur Ermittlung der gesamten ruhegehaltfähigen Dienstjahre sind etwa anfallende Tage unter Benutzung des Nenners dreihundertfünfundsechzig umzurechnen; die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend.

(2) (weggefallen)

(3) Das Ruhegehalt vermindert sich um 3,6 vom Hundert für jedes Jahr, um das der Beamte

1. vor Ablauf des Monats, in dem er das 63. Lebensjahr vollendet, nach § 42 Abs. 4 Nr. 1 des Bundesbeamtengesetzes oder entsprechendem Landesrecht in den Ruhestand versetzt wird,

2. vor Ablauf des Monats, in dem er die für ihn geltende gesetzliche Altersgrenze erreicht, nach § 42 Abs. 4 Nr. 2 des Bundesbeamtengesetzes oder entsprechendem Landesrecht in den Ruhestand versetzt wird,

3. vor Ablauf des Monats, in dem er das 63. Lebensjahr vollendet, wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruht, in den Ruhestand versetzt wird;

die Minderung des Ruhegehalts darf 10,8 vom Hundert nicht übersteigen. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. Gilt für den Beamten eine vor der Vollendung des 63. Lebensjahres liegende Altersgrenze, tritt sie in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 und 3 an die Stelle des 63. Lebensjahres. Gilt für den Beamten eine nach Vollendung des 65. Lebensjahres liegende Altersgrenze, wird in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 nur die Zeit bis zum Ablauf des Monats berücksichtigt, in dem der Beamte das 65. Lebensjahr vollendet.

(4) Das Ruhegehalt beträgt mindestens fünfunddreißig vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (§ 5). An die Stelle des Ruhegehalts nach Satz 1 treten, wenn dies günstiger ist, fünfundsechzig vom Hundert der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4. Die Mindestversorgung nach Satz 2 erhöht sich um sechzig Deutsche Mark für den Ruhestandsbeamten und die Witwe; der Erhöhungsbetrag bleibt bei einer Kürzung nach § 25 außer Betracht. Bleibt ein Beamter allein wegen langer Freistellungszeiten (§ 5 Abs. 1 Satz 2) mit seinem erdienten Ruhegehalt hinter der Mindestversorgung nach Satz 1 oder 2 zurück, wird nur das erdiente Ruhegehalt gezahlt; dies gilt nicht, wenn ein Beamter wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand getreten ist.

(5) Übersteigt beim Zusammentreffen von Mindestversorgung nach Absatz 4 mit einer Rente nach Anwendung des § 55 die Versorgung das nach Absatz 1 erdiente Ruhegehalt, so ruht die Versorgung bis zur Höhe des Unterschieds zwischen dem erdienten Ruhegehalt und der Mindestversorgung; in den von § 85 erfassten Fällen gilt das nach dieser Vorschrift maßgebliche Ruhegehalt als erdient. Der Erhöhungsbetrag nach Absatz 4 Satz 3 sowie der Unterschiedsbetrag nach § 50 Abs. 1 bleiben bei der Berechnung außer Betracht. Die Summe aus Versorgung und Rente darf nicht hinter dem Betrag der Mindestversorgung zuzüglich des Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1 zurückbleiben. Zahlbar bleibt mindestens das erdiente Ruhegehalt zuzüglich des Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1. Die Sätze 1 bis 4 gelten entsprechend für Witwen und Waisen.

(6) Bei einem in den einstweiligen Ruhestand versetzten Beamten beträgt das Ruhegehalt für die Dauer der Zeit, die der Beamte das Amt, aus dem er in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden ist, innehatte, mindestens für die Dauer von sechs Monaten, längstens für die Dauer von drei Jahren, 71,75 vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe, in der sich der Beamte zur Zeit seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand befunden hat. Das erhöhte Ruhegehalt darf die Dienstbezüge, die dem Beamten in diesem Zeitpunkt zustanden, nicht übersteigen; das nach sonstigen Vorschriften ermittelte Ruhegehalt darf nicht unterschritten werden.

Rz. 12

 Die Vorschrift des § 14 BeamtVG ist in der Folgezeit ebenfalls durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz (mit Wirkung vom 12. Februar 2009) und durch das Gesetz vom 24. Februar 2010 geändert worden. Diese Änderungen betrafen insbesondere die Berechnung der Verminderung des Ruhegehalts in Absatz 3. Im Übrigen blieb die Vorschrift weitgehend unverändert. Lediglich in Absatz 4 wurden der Betrag von “sechzig Deutsche Mark” auf “30,68 Euro” umgestellt und in Absatz 5 Satz 1 Halbs. 1 die Worte “nach Absatz 1” gestrichen.

Rz. 13

 Nach der Neufassung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. durch Art. 4 Nr. 11 Buchst. a Doppelbuchst. aa DNeuG gilt nun, dass nicht mehr der nach “den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz”, sondern nur noch der nach “§ 14 Abs. 1, § 36 Abs. 3 Satz 1, § 66 Abs. 2 und § 85 Abs. 4” berechnete Ruhegehaltssatz vorübergehend erhöht wird.

Rz. 14

 Die Änderung wurde durch Art. 17 Abs. 1 DNeuG rückwirkend mit Wirkung vom 24. Juni 2005 in Kraft gesetzt.

Rz. 15

 2. Der Erfolg der Revision hängt davon ab, ob Art. 17 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Nr. 11 Buchst. a Doppelbuchst. aa DNeuG mit dem Grundgesetz vereinbar und gültig oder mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig ist. Die Frage ist entscheidungserheblich.

Rz. 16

 a) Ist Art. 17 Abs. 1 DNeuG verfassungswidrig und nichtig, hat die Revision des Klägers Erfolg. Ihm stünde dann der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Berechnung des erhöhten Ruhegehaltssatzes auf Basis des amtsabhängigen Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG zu, weil dann weiterhin § 14a Abs. 1 BeamtVG (a.F.) in der Fassung zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung des Klägers, dies ist die Fassung vor der Gesetzesänderung, anzuwenden wäre.

Rz. 17

 Nach § 4 Abs. 2 BeamtVG ist für die beantragte vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes gemäß § 14a BeamtVG die Rechtslage im Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand maßgeblich. Dies ist beim Kläger der 1. März 2008. Zu diesem Zeitpunkt galt das Beamtenversorgungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (BGBl I S. 322, 847, 2033), zuletzt geändert durch § 22 Abs. 1 des Gesetzes vom 12. Dezember 2007 (BGBl I S. 2861). Nachdem die vorher in zwei Vorschriften (§ 14a und § 14b BeamtVG) aufgeteilte Regelung durch Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes und sonstiger dienst- und versorgungsrechtlicher Vorschriften (BeamtVGÄndG vom 18. Dezember 1989, BGBl I S. 2218) mit Wirkung vom 1. Januar 1992 (im Beitrittsgebiet mit Wirkung vom 3. Oktober 1990) in einem neuen § 14a BeamtVG zusammengefasst worden war, blieb die hier maßgebliche Regelung des § 14a Abs. 1 Halbs. 1 BeamtVG in der Folgezeit bis zur Änderung durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom 5. Februar 2009 unverändert. Im Übrigen war § 14a BeamtVG vor der Änderung durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz zuletzt mit Wirkung vom 1. Januar 2002 und 1. Januar 2003 durch Art. 1 Nr. 12 des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 (vom 20. Dezember 2001, BGBl I 3926) geändert worden. Dies bedeutet, dass sich § 14a BeamtVG in der zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung des Klägers maßgeblichen Fassung nicht von derjenigen Fassung unterschied, die Gegenstand der dargestellten Änderung durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz war.

Rz. 18

 Vor der Gesetzesänderung durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz hatte der Kläger einen Anspruch auf einen gemäß § 14a BeamtVG a.F. vorübergehend erhöhten Ruhegehaltssatz von 59,58 v. H. (und somit auf Versorgungsbezüge in Höhe von monatlich brutto 1 761,68 €). Dabei war gemäß § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. der Mindestruhegehaltssatz von 35 v. H. (nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG) um den Betrag nach § 14a Abs. 2 BeamtVG vorübergehend zu erhöhen. Der Erhöhungsbetrag nach § 14a Abs. 2 BeamtVG beträgt beim Kläger 24,58 v. H. Auch die sonstigen Voraussetzungen des § 14a BeamtVG sind und waren erfüllt (vgl. die insoweit zutreffenden Ausführungen im Bescheid vom 12. Februar 2008 und im Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 26. Januar 2009), so dass sich die angegriffenen Bescheide als rechtswidrig erwiesen und auf die Revision des Klägers der Beschluss des Berufungsgerichts aufgehoben sowie das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts wiederhergestellt werden müsste.

Rz. 19

 b) Ist Art. 17 Abs. 1 DNeuG hingegen gültig, kann die Revision des Klägers keinen Erfolg haben.

Rz. 20

 Nach der Gesetzesänderung kommt allein eine Erhöhung des nach § 14 Abs. 1 BeamtVG berechneten Ruhegehaltssatzes in Betracht. Dieser beträgt beim Kläger 32,64 v. H. Zuzüglich des Erhöhungssatzes gemäß § 14a Abs. 2 BeamtVG, der beim Kläger 24,58 v. H. beträgt, errechnet sich für den Kläger ein gemäß § 14a BeamtVG vorübergehend erhöhter Ruhegehaltssatz von 57,22 v. H. (monatlich brutto 1 691,89 €). Zwar ist der Kläger nach der Gesetzesänderung in den Ruhestand getreten, jedoch findet die Gesetzesänderung auf ihn aufgrund der Rückwirkungsanordnung des Art. 17 Abs. 1 DNeuG Anwendung. Der Kläger ist nach dem in Art. 17 Abs. 1 DNeuG genannten Zeitpunkt – dem 24. Juni 2005 – in den Ruhestand getreten. Wäre diese Rückwirkungsanordnung verfassungsmäßig, so hätte dies zur Folge, dass die vom Kläger angegriffenen Bescheide nachträglich rechtmäßig geworden wären und die Revision gegen den Beschluss des Berufungsgerichts zurückzuweisen wäre.

Rz. 21

 3. Indes verstößt Art. 17 Abs. 1 DNeuG zur Überzeugung des Senats gegen Art. 20 Abs. 3, Art. 33 Abs. 5 und Art. 3 Abs. 1 GG.

Rz. 22

 a) Die Rückwirkungsanordnung des Art. 17 Abs. 1 DNeuG führt beim Kläger für den Zeitraum vor der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes (vom Eintritt in den Ruhestand am 1. März 2008 bis zum 28. Februar 2009 ≪wegen § 49 Abs. 4 BeamtVG i. V. m. § 3 Abs. 5 BBesG und § 52 Abs. 1 BeamtVG ist auf das Monatsende abzustellen≫) zu einer nachträglichen Kürzung seines bestehenden Versorgungsanspruchs. Aufgrund der durch Art. 17 Abs. 1 DNeuG ausgelösten Rückbewirkung von Rechtsfolgen in den vor der Verkündung liegenden Zeitraum entfaltet die Änderung für diesen Zeitraum “echte” Rückwirkung (aa). Für den Zeitraum nach der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres des Klägers und damit dem Ende des Anspruchszeitraums nach § 14a Abs. 1 BeamtVG (vom 1. März 2009 bis zum 28. Februar 2013) kürzt sie ebenfalls den bestehenden Versorgungsanspruch des Klägers, bezogen auf den Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes jedoch erst mit Wirkung für die Zukunft. Für diesen Zeitraum stellt sich die Rückwirkungsanordnung als tatbestandliche Rückanknüpfung (“unechte” Rückwirkung) dar (bb).

Rz. 23

 aa) Für diejenigen, die – wie der Kläger – in dem Zeitraum ab dem Rückwirkungszeitpunkt bis zum Inkrafttreten des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes in den Ruhestand getreten sind (und noch keinen bestandskräftigen Versorgungsfestsetzungsbescheid haben), ist die Versorgung nach dem Beamtenversorgungsgesetz in der Fassung der Änderungen durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz festzusetzen. Bei dieser Personengruppe greift Art. 4 Nr. 11 Buchst. a Doppelbuchst. aa in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 DNeuG rechtstechnisch-formal nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände ein und wirkt nicht nur auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte oder Rechtsbeziehungen für die Zukunft ein (zu den Merkmalen einer echten Rückwirkung vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14. November 1961 – 2 BvL 15/59 – BVerfGE 13, 206 ≪212≫, vom 5. Juli 1972 – 2 BvL 6/66 u.a. – BVerfGE 33, 265 ≪293≫, vom 14. Mai 1986 – 2 BvL 2/83 – BVerfGE 72, 200 ≪241 ff.≫ und vom 15. Oktober 1996 – 1 BvL 44/92 u.a. – BVerfGE 95, 64 ≪86≫; Urteil vom 23. November 1999 – 1 BvF 1/94 – BVerfGE 101, 239 ≪263≫; Beschlüsse vom 8. September 2008 – 2 BvL 6/03 – juris Rn. 23 und vom 21. Juli 2010 – 1 BvL 11/06 u.a. – juris Rn. 71; stRspr). Die Regelung soll auch materiell-rechtlich rückwirkend Geltung beanspruchen, und zwar ab dem 24. Juni 2005. Entgegenstehende Verwaltungsakte werden rechtswidrig. Bei dieser Personengruppe liegt eine echte Rückwirkung vor.

Rz. 24

 Das Berufungsgericht hat zwar angenommen, dass sich die Neuregelung beim Kläger erst zukunftsbezogen auswirke und eine noch nicht endgültig gesicherte Rechtsposition betreffe, weil der Anspruch auf vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes erst mit Antragstellung, möglicherweise sogar erst mit Erlass des Festsetzungsbescheides entstehe. Dies ist jedoch unzutreffend. Bei Normen, die Rechtsansprüche gewähren, bedeutet “abgewickelter Tatbestand”, dass ein Sachverhalt abgeschlossen ist, der die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des bisher geltenden Anspruchstatbestandes erfüllt. Der Begriff “abgewickelt” ist nicht gleichbedeutend mit “zuerkannt durch Bescheid”, und es kommt auch nicht auf behördliche Vollzugsakte an, sondern allein auf die Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 23. März 1971 – 2 BvL 2/66 u.a. – BVerfGE 30, 367 ≪387≫ und vom 21. Juli 2010 – 1 BvL 11/06 u.a. – juris Rn. 71; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 – BVerwG 2 C 36.02 – BVerwGE 118, 277 ≪287≫ = Buchholz 237.6 § 87c NdsLBG Nr. 1 S. 9 f.).

Rz. 25

 Die vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes wird zwar nach § 14a Abs. 4 Satz 1 BeamtVG nur auf Antrag gewährt. Wird der Antrag – wie hier – innerhalb von drei Monaten nach dem Eintritt in den Ruhestand gestellt, gilt er als zum Zeitpunkt des Ruhestandseintritts gestellt (Satz 2). Wird der Antrag später gestellt, tritt die Erhöhung vom Beginn des Antragsmonats ein (Satz 3). Wird also kein Antrag oder erst sehr spät ein solcher gestellt, so erlischt der Anspruch (bis dahin). Der Rechtsanspruch auf Gewährung der vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes entsteht jedoch nicht erst durch die Antragstellung und mit dieser, sondern mit dem Zeitpunkt, in dem der berechtigte Beamte in den vorzeitigen Ruhestand tritt. Das Versorgungsrecht knüpft maßgeblich an die Zurruhesetzung an; in diesem Zeitpunkt entsteht der Anspruch, vgl. § 4 Abs. 2 BeamtVG. Die erforderliche Antragstellung stellt lediglich die Geltendmachung des bereits mit der Zurruhesetzung entstandenen Erhöhungsanspruchs dar (vgl. für die Beihilfe: Urteile vom 23. März 1979 – BVerwG 6 C 49.77 – Buchholz 238.911 Nr. 14 BhV (F. 1972) Nr. 1 S. 2, und vom 3. Juli 2003 a.a.O. S. 9 f.). Liegen die anspruchsbegründenden tatbestandlichen Umstände in der Vergangenheit, so dass sie dem Einfluss des Beamten entzogen sind, so entfaltet eine Norm auch dann eine echte Rückwirkung, wenn einzelne zur Fälligkeit und Durchsetzbarkeit des Anspruchs erforderliche Elemente noch fehlen.

Rz. 26

 Der Festsetzungsbescheid nach § 49 BeamtVG ist ein feststellender (deklaratorischer) Bescheid, der die Grundlage für die Auszahlung der Versorgungsbezüge bildet (Urteil vom 24. April 1959 – BVerwG 6 C 91.57 – BVerwGE 8, 261 ≪264 ff.≫ = Buchholz 232 § 87 BBG Nr. 1 S. 9 ff.); er ist nur dann konstitutiv, wenn Versorgung nach Ermessen gewährt werden soll (vgl. § 49 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. BeamtVG ≪eine Ermessensvorschrift findet sich etwa in § 6 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG≫). Der Anspruch nach § 14a BeamtVG wird nicht nach Ermessen gewährt (vgl. zur Bedeutung des Versorgungsfestsetzungsbescheides: Urteil vom 24. April 1959 a.a.O. insbesondere S. 270 f. bzw. 16 f.). In diesen mit der Zurruhesetzung entstandenen Anspruch des Klägers auf vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes, und zwar auch auf der Grundlage des sogenannten amtsbezogenen Mindestruhegehaltssatzes von 35 v.H. (gemäß § 14 Abs. 4 BeamtVG), greift Art. 4 Nr. 11 Buchst. a Doppelbuchst. aa in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 DNeuG rückwirkend ein und vernichtet ihn (vgl. zum Ganzen für die Beihilfe, die ebenfalls nur auf Antrag gewährt wird, der zudem binnen Jahresfrist ab Entstehen des Anspruchs gestellt sein muss: Urteil vom 3. Juli 2003 a.a.O. S. 9 f.).

Rz. 27

 Damit kommt Art. 17 Abs. 1 DNeuG schon deswegen echte Rückwirkung zu, weil er dazu führt, dass § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. für diejenigen Beamten, die seit dem 24. Juni 2005 in den Ruhestand getreten sind, nicht mehr anwendbar ist und damit bewirkt, dass § 14a Abs. 1 BeamtVG in der Fassung durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz auch für diejenigen Ruhestandsbeamten gilt, die seit dem 24. Juni 2005 in den Ruhestand getreten sind, obwohl die Norm erst mit der Verkündung am 11. Februar 2009 rechtlich existent geworden ist.

Rz. 28

 Für diesen Zeitraum, in dem eine Rück(be)wirkung von Rechtsfolgen (sogenannte echte Rückwirkung) vorliegt, stellt sich die Frage nach dem Schutz des Vertrauens des Klägers in den Bestand der ursprünglich geltenden Rechtsfolgenlage, welche nachträglich geändert worden ist. Dies ist vorrangig an den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen insbesondere des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit zu messen, wobei in Verbindung mit diesen Grundsätzen allerdings auch diejenigen Grundrechte zu berücksichtigen sind, deren Schutzbereich von der nachträglich geänderten Rechtsfolge in belastender Weise betroffen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1986 – 2 BvL 2/83 – BVerfGE 72, 200 ≪242≫; dazu nachfolgend b)).

Rz. 29

 bb) Für den Zeitraum nach der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres des Klägers stellt sich die Rückwirkungsanordnung des Art. 17 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Nr. 11 Buchst. a Doppelbuchst. aa DNeuG als tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) dar. Für diesen Zeitraum greift die Rückwirkungsanordnung ebenfalls in einen bereits bestehenden Versorgungsanspruch des Klägers ein und macht den Eintritt ihrer Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig. Der gemäß § 4 Abs. 2 BeamtVG im Zeitpunkt der Zurruhesetzung entstandene Versorgungsanspruch wird – bezogen auf den Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes – mit Wirkung für die Zukunft gekürzt.

Rz. 30

 Im Gegensatz zu dem Zeitraum, für den eine echte Rückwirkung vorliegt, kann die tatbestandliche Rückanknüpfung (sogenannte unechte Rückwirkung) vorrangig Grundrechte berühren, die mit der Verwirklichung des jeweiligen Tatbestandsmerkmals vor Verkündung der Norm “ins Werk gesetzt” worden sind. In die damit erforderliche grundrechtliche Bewertung fließen die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit, aber auch der Verhältnismäßigkeit (hier beschränkt auf den Gesichtspunkt der Vergangenheitsanknüpfung) in der Weise ein, wie dies allgemein bei der Auslegung und Anwendung von Grundrechten im Hinblick auf die Fragen des materiellen Rechts geschieht. Danach ist die Einwirkung auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte bzw. Rechtsbeziehungen für die Zukunft verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig; im Einzelfall können sich aber Einschränkungen aus Vertrauensschutz- und Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ergeben (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14. Mai 1986 a.a.O. S. 242 f. und vom 30. September 1987 a.a.O. S. 346 f.; Urteil vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02 – BVerfGE 114, 258 ≪300 f.≫; dazu nachfolgend c)).

Rz. 31

 cc) Auf die übrigen, vom Berufungsgericht genannten Fallgruppen kommt es in diesem Zusammenhang nicht entscheidungserheblich an, weil der Kläger zu keiner dieser Fallgruppen gehört. Weder gehört er zu den Ruhestandsbeamten mit bestandskräftigem Versorgungsfestsetzungsbescheid noch ist er ein Ruhestandsbeamter, der erst nach der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes in den Ruhestand getreten ist oder treten wird. Während bei der erstgenannten Fallgruppe § 52 Abs. 1 BeamtVG materiell-rechtlich eine echte Rückwirkung verhindert bzw. abmildert, greift bei der letztgenannten Fallgruppe die Rückwirkungsanordnung des Art. 17 Abs. 1 DNeuG – anders als beim Kläger – nicht in einen bereits bestehenden Anspruch ein, sondern ändert lediglich die Rechtslage, die die Betroffenen noch bei Eintritt in das Beamtenverhältnis vorgefunden haben.

Rz. 32

 b) Die Rückwirkungsanordnung des Art. 17 Abs. 1 DNeuG verstößt für den Zeitraum, für den eine echte Rückwirkung vorliegt – dies ist der Zeitraum vor der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes –, gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 20 Abs. 3 GG. Zugleich greift sie in den bestehenden und von Art. 33 Abs. 5 GG besonders geschützten Versorgungsanspruch des Klägers ein. Einer der anerkannten Ausnahmefälle, in denen eine Rückwirkung ausnahmsweise zulässig ist, liegt nicht vor. Bereits aus diesem Grund erweist sich die Rückwirkungsanordnung als verfassungswidrig. Zudem verstößt sie gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie sich nur in den Fällen auswirkt, in denen sich der Dienstherr vor der Gesetzesänderung rechtswidrig verhalten hat.

Rz. 33

 Das Rückwirkungsverbot folgt aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip, dem der Vertrauensgrundsatz innewohnt. In Verbindung mit diesen Grundsätzen sind diejenigen Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte zu berücksichtigen, deren Schutzbereich von der nachträglich geänderten Rechtsfolge in belastender Weise betroffen ist, hier Art. 33 Abs. 5 GG. Liegt – wie dies für den Zeitraum vor Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes der Fall ist – eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen (sog. echte Rückwirkung) vor, weil der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Norm und der Eintritt ihrer Rechtsfolgen auf einen Zeitpunkt festgelegt worden sind, der vor demjenigen liegt, zu dem die Norm durch ihre Verkündung gültig geworden ist, so hat der Gesetzgeber nachträglich ändernd in einen abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14. Mai 1986 a.a.O. S. 242, vom 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 – BVerfGE 76, 256, 346 f. und vom 3. Dezember 1997 – 2 BvL 882/97 – BVerwGE 97, 67 ≪78 f.≫; Urteile vom 21. Oktober 2003 – 2 BvR 2029/01 – BVerfGE 109, 133 ≪180≫ und vom 27. September 2005 a.a.O. S. 300; Beschlüsse vom 8. September 2008 – 2 BvL 6/03 – juris Rn. 23 und vom 21. Juli 2010 – 1 BvL 11/06 u.a. – juris Rn. 75 m.w.N.). Dies ist grundsätzlich unzulässig. Abgesehen von einer Bagatellgrenze (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 23. März 1971 – 2 BvL 2/66 u.a. – BVerfGE 30, 367 ≪389≫, vom 14. Mai 1986 a.a.O. S 258 f. und vom 15. Oktober 1996 – 1 BvL 44/92 u.a. – BVerfGE 95, 64 ≪86 f.≫) tritt das Rückwirkungsverbot nur dann ausnahmsweise zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27. Juni 1961 – 1 BvL 26/58 – BVerfGE 13, 39 ≪45 f.≫ und vom 23. März 1971 a.a.O. S. 389; Urteil vom 23. November 1999 – 1 BvF 1/94 – BVerfGE 101, 239 ≪263≫; Beschluss vom 21. Juli 2010 a.a.O. Rn. 75). Entscheidend ist dabei, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der betroffenen Personengruppe auf ihren Fortbestand zu begründen (vgl. BVerfG, Urteil vom 23. März 1971 a.a.O. S. 389; Beschlüsse vom 20. Oktober 1971 – 1 BvR 757/66 – BVerfGE 32, 111 ≪123≫ und vom 21. Juli 2010 a.a.O. Rn. 75; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 – BVerwG 2 C 36.02 – BVerwGE 118, 277 ≪288≫ = Buchholz 237.7 § 87c NdsLBG Nr. 1 S. 10).

Rz. 34

 Die Fundierung im Vertrauensschutz zeichnet zugleich die Grenze des Rückwirkungsverbotes vor (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. Oktober 1971 a.a.O. S. 123 und vom 25. Mai 1993 – 1 BvR 1509/91 u.a. – BVerfGE 88, 384 ≪404≫; Urteil vom 23. November 1999 a.a.O. S. 266; Beschluss vom 21. Juli 2010 a.a.O. Rn. 75). Dieses greift unter anderem dann nicht ein, wenn sich kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts für vergangene Zeiträume bilden konnte (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 25. Mai 1993 a.a.O. S. 404 und vom 15. Oktober 1996 a.a.O. S. 86 f.; Urteil vom 23. November 1999 a.a.O. S. 263; Beschluss vom 21. Juli 2010 Rn. 75). Dies kommt in Betracht, wenn die Betroffenen, bezogen auf den Zeitpunkt des (rückwirkenden) Inkrafttretens des Gesetzes, mit der Regelung rechnen mussten oder wenn das geltende Recht so unklar und verworren ist, dass die Betroffenen bei ihren Dispositionen darauf nicht vertrauen konnten (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 1961 – 2 BvL 6/59 – BVerfGE 13, 261 ≪272≫; Beschlüsse vom 25. Mai 1993 a.a.O. S. 404, vom 8. April 1998 – 1 BvR 1680/93 u.a. – BVerfGE 98, 17 ≪39≫ und vom 21. Juli 2010 a.a.O. Rn. 75 m.w.N.); ferner können sich die Betroffenen nicht immer auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen, weshalb der Gesetzgeber unter Umständen eine nichtige Bestimmung rückwirkend durch eine rechtlich nicht zu beanstandende Norm ersetzen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. November 1967 – 2 BvL 7/64 u.a. – BVerfGE 22, 330 ≪348≫). Schließlich können überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, eine Rückwirkungsanordnung rechtfertigen (vgl. BVerfG, Urteile vom 19. Dezember 1961 a.a.O. S. 272 und vom 23. November 1999 a.a.O. S. 264; Beschluss vom 8. September 2008 a.a.O. Rn. 23). Indes ist hier entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keiner dieser Ausnahmetatbestände gegeben.

Rz. 35

 aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die betroffenen Beamten – und somit auch der Kläger – keines Vertrauensschutzes bedürften, weil nicht ersichtlich sei, dass sie in Kenntnis der rückwirkenden Änderung von bestimmten Aufwendungen abgesehen hätten, zumal es hier um einen geringen Betrag gehe. Dem kann nicht gefolgt werden.

Rz. 36

 Das Verbot echter Rückwirkung findet im Gebot des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Das Vertrauen des Betroffenen auf die geltende Rechtslage bedarf dann keines Schutzes gegenüber einer sachlich begründeten rückwirkenden Gesetzesänderung, wenn dadurch kein oder nur ganz unerheblicher Schaden verursacht worden ist. Schon dies ist nicht der Fall. Es handelt sich bei einer Kürzung der Bruttoversorgung um 3,96 v.H. nicht um einen geringen Betrag, weder bezogen auf den Betrag für den Gesamtzeitraum der Rückwirkung vom 24. Juni 2005 bis zum 11. Februar 2009 (ausgehend von den für den Kläger geltenden Beträgen: insgesamt ca. 3 140 € bis zur Verkündung des Gesetzes) noch im konkreten Fall (beim Kläger für den Zeitraum der Zurruhesetzung bis zur Verkündung: 837,48 €; für den Gesamtzeitraum ≪5 Jahre≫: 4 187,40 €). Dabei darf zudem nicht unberücksichtigt bleiben, dass es hier um eine Erhöhung der amtsbezogenen Mindestversorgung geht, also stets Empfänger niedriger Versorgungsbezüge (beim Kläger: brutto 1 691,89 €) mit relativ kurzen Dienstzeiten betroffen sind (allgemein zum Bagatellvorbehalt: BVerfG, Beschlüsse vom 23. März 1971 a.a.O. S. 389, vom 14. Mai 1986 a.a.O. S. 258 f. und vom 15. Oktober 1996 a.a.O. S. 86 f.). Ein Bagatellfall liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn – wie hier – eine Differenz um einen Betrag im deutlich zweistelligen Bereich bezogen auf laufende monatliche Bezüge in Rede steht.

Rz. 37

 Schutzwürdig ist von Verfassungs wegen zwar nur das betätigte Vertrauen, die “Vertrauensinvestition”, die zur Erlangung einer Rechtsposition geführt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1987 – 1 BvR 724/81 u.a. – BVerfGE 75, 246 ≪280≫). Um Vertrauensschutz zu begründen, muss die rückwirkend geänderte gesetzliche Regelung generell geeignet sein, aus dem Vertrauen auf ihr Fortbestehen heraus Entscheidungen und Dispositionen herbeizuführen oder zu beeinflussen, die sich bei der Änderung der Rechtslage als nachteilig erweisen. Der Betroffene soll in seinem Vertrauen darauf geschützt sein, dass der Gesetzgeber nicht nachträglich eine Regelung trifft, auf die er nicht mehr durch eine Verhaltensänderung reagieren kann. Dies ist bei anspruchsbegründenden Gesetzesnormen generell anzunehmen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 23. März 1971 a.a.O. S. 389, vom 20. Oktober 1971 a.a.O. S. 123 und vom 21. Juli 2010 a.a.O. Rn. 75; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 a.a.O. S. 288 bzw. 10).

Rz. 38

 Auch die Regelung des § 14a BeamtVG a.F. war generell geeignet, aus dem Vertrauen auf ihr Fortbestehen heraus Entscheidungen und Dispositionen herbeizuführen oder zu beeinflussen, die sich bei der Änderung der Rechtslage als nachteilig erweisen. Insoweit ist ausreichend, dass die bisherige Regelung als anspruchsbegründende Norm bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der betroffenen Versorgungsempfänger auf ihren Fortbestand zu begründen. Das Berufungsgericht argumentiert umgekehrt, weil es von einem nur geringfügigen Betrag ausgeht und meint, angesichts des Gesamteinkommens sei hier letztlich nicht – weder relativ noch nach den absoluten Beträgen – davon auszugehen, dass insoweit von bestimmten Aufwendungen, insbesondere in höherer Größenordnung abgesehen worden wäre und Beamte in ihrer Disposition wesentlich beeinträchtigt worden wären. Jedoch wären schon eine geringfügig teurere Mietwohnung oder ein Ratenkredit, der in der Höhe von knapp 70 € im Monat zu bedienen ist, nur noch schwer wieder rückgängig zu machen.

Rz. 39

 Da Art. 17 Abs. 1 DNeuG die im Gesetz festgelegte Höhe des bestehenden Versorgungsanspruchs des Klägers nachträglich absenkt, muss der Kläger entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht etwa darlegen, dass er bestimmte Dispositionen getroffen hat, von denen er bei Kenntnis der nachträglichen Gesetzesänderung abgesehen hätte. Selbst wenn man insoweit dem Berufungsgericht folgt und eine rückwirkende Änderung eines gesetzlich festgelegten Anspruchs unter solchen Umständen im Einzelfall für zulässig oder unbeachtlich erachten würde, müssten wegen der generellen Eignung der Norm, aus dem Vertrauen auf ihr Fortbestehen heraus Entscheidungen und Dispositionen herbeizuführen oder zu beeinflussen, die sich bei der Änderung der Rechtslage als nachteilig erweisen, schon konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass dies beim Kläger nicht der Fall war. Dazu gibt es aber keine Feststellungen des Berufungsgerichts.

Rz. 40

 bb) Weder handelte es sich bei § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. um eine ungültige Norm noch war entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts das geltende Recht etwa unklar oder gar so verworren, dass die Betroffenen bei ihren Dispositionen nicht darauf hätten vertrauen können.

Rz. 41

 Der Senat hat zuletzt noch einmal im Urteil vom 12. November 2009 – BVerwG 2 C 29.08 – (Buchholz 239.1 § 14a BeamtVG Nr. 5) sein Urteil vom 23. Juni 2005 – BVerwG 2 C 25.04 – (BVerwGE 124, 19 = Buchholz 239.1 § 14a BeamtVG Nr. 4) bestätigt. Danach ergibt sich aus einer Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. nach Wortlaut, Systematik und Normzweck unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte, dass auch der Mindestruhegehaltssatz von 35 v. H. gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG a.F. vorübergehend erhöht werden kann. In diesem Zusammenhang hat der Senat zur Neufassung des § 14a Abs. 1 BeamtVG ausgeführt:

Der Umstand, dass der Bundesgesetzgeber § 14a Abs. 1 BeamtVG nun dahin neu gefasst hat, dass nicht mehr der nach “den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz”, sondern nur noch der nach “§ 14 Abs. 1, § 36 Abs. 3 Satz 1, § 66 Abs. 2 und § 85 Abs. 4” berechnete Ruhegehaltssatz vorübergehend erhöht wird, bestätigt dieses Ergebnis. Angesichts des Wortlauts der Fassungen der Vorschrift vor und nach der Änderung durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz und der Entstehungsgeschichte der ursprünglichen Fassung der Vorschrift als Reaktion auf Änderungen im Sozialversicherungsrecht gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass bereits früher eine solche Einschränkung gewollt oder von vornherein mitgedacht war. Die rechtliche Wertung des Gesetzgebers, es handele sich bei der Neufassung um eine bloße Klarstellung (vgl. BTDrucks 16/7076 S. 158, 186) und keine darüberhinausgehende inhaltliche Änderung, ist unbeachtlich.

Rz. 42

 Hieran ist festzuhalten. Die in der Begründung des Gesetzesentwurfs zu Art. 4 Nr. 11 Buchst. a Doppelbuchst. aa und zu Art. 17 Abs. 1 DNeuG in Anspruch genommene Befugnis des Gesetzgebers zur authentischen Interpretation ist für die Gerichte nicht verbindlich. Dies gilt auch für die Frage, ob eine Norm konstitutiven oder deklaratorischen Charakter hat. Eine durch einen Interpretationskonflikt zwischen Gesetzgeber und Rechtsprechung ausgelöste Normsetzung ist nicht anders zu beurteilen als eine durch sonstige Gründe veranlasste rückwirkende Gesetzesänderung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010 a.a.O. Rn. 73 m.w.N.)

Rz. 43

 Entgegen der Einschätzung des Berufungsgerichts liegt hier keine Fallkonstellation vor, in der wegen abweichender Auffassungen in der Kommentarliteratur und divergierender Rechtsprechung der Instanzgerichte nicht schon ein Revisionsurteil, sondern erst eine langjährige gefestigte Rechtsprechung des Revisionsgerichts die unklare und verworrene Rechtslage beseitigt (vgl. zu dieser Konstellation: BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010 a.a.O. Rn. 73 m.w.N.). Denn dies setzt voraus, dass der den Klarstellungsbedarf auslösende Gesetzestext so lückenhaft, unsystematisch oder mehrdeutig ist, dass nach Anwendung der hergebrachten Auslegungsmethoden mehrere mögliche Auslegungsergebnisse mit gleicher Überzeugungskraft vertretbar nebeneinander stehen. So liegt der Fall hier aber nicht. Es bleibt vielmehr festzuhalten, dass das Ergebnis des Senats, dass auch der Mindestruhegehaltssatz von 35 v.H. gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG a.F. vorübergehend erhöht werden kann, aus einer Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG nach Wortlaut, Systematik und Normzweck unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte folgt.

Rz. 44

 Bereits der Wortlaut des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. sprach dafür, dass der individuell ermittelte und festgesetzte Ruhegehaltssatz stets “berechnet” ist, auch wenn er auf der Basis der Vom-Hundert-Sätze des § 14 Abs. 4 BeamtVG gewonnen worden ist. Im Gegensatz zu § 14 Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 1 BeamtVG forderte § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. nicht, dass das Ruhegehalt “erdient” und ausschließlich nach § 14 Abs. 1 BeamtVG bestimmt ist. § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. kannte weder den Begriff “erdient” noch enthielt die Regelung einen Verweis auf § 14 Abs. 1 BeamtVG. Schon nach dieser im Wortlaut des Gesetzes auszumachenden Differenzierung lag es fern, als den berechneten Ruhegehaltssatz im Sinne von § 14a BeamtVG a.F. nur den erdienten Ruhegehaltssatz anzusehen. Die vorübergehende Erhöhung erfolgte nach § 14a Abs. 1 BeamtVG auf der Grundlage des “nach den sonstigen Vorschriften berechneten Ruhegehaltssatzes”. Nicht nur bei dem das “erdiente Ruhegehalt” betreffenden Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 1 BeamtVG, sondern auch bei dem Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG handelt es sich um einen “berechneten” Ruhegehaltssatz. Dies hat der Senat im Urteil vom 23. Juni 2005 (a.a.O. S. 20 f. bzw. S. 8) im Einzelnen dargelegt:

Dem (Mindestruhegehaltssatz von 35 v.H.) … liegt ein “berechneter Ruhegehaltssatz” im Sinne des § 14a Abs. 1 BeamtVG zugrunde. “Ruhegehaltssatz” ist der nach den §§ 4 ff. BeamtVG (gegebenenfalls auch nach Sondervorschriften) ermittelte individuelle Vom-Hundert-Satz der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge, der dem Ruhegehalt zugrunde gelegt wird. Der Ruhegehaltssatz knüpft an die ruhegehaltfähige Dienstzeit, die neben den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen der maßgebende Faktor für die Berechnung des Ruhegehaltes ist (vgl. § 4 Abs. 3 BeamtVG); er kann sich jedoch von der Dienstzeit lösen und abstrakt oder nach zeitunabhängigen Umständen festgelegt sein (vgl. § 36 Abs. 3, § 37 Abs. 1 BeamtVG). “Ruhegehaltssatz” ist auch der in § 14 Abs. 4 Satz 1 oder Satz 2 BeamtVG bestimmte Bruchteil der jeweiligen Bemessungsgrundlage. Insoweit wird ebenfalls ein Vom-Hundert-Satz bezeichnet, aus dem sich das Ruhegehalt ergibt.

Nicht nur bei dem das “erdiente Ruhegehalt” betreffenden Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 1 BeamtVG, sondern auch bei dem Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG handelt es sich um einen “berechneten” Ruhegehaltssatz. Bereits der Wortlaut des § 14a BeamtVG spricht dafür, dass der individuell ermittelte und festgesetzte Ruhegehaltssatz stets “berechnet” ist, auch wenn er auf der Basis der Vom-Hundert-Sätze des § 14 Abs. 4 BeamtVG gewonnen worden ist. Der Festsetzung des Ruhegehalts liegt nach § 14 BeamtVG ein mehrfacher Vergleich zugrunde: Zunächst ist das Ruhegehalt gemäß § 14 Abs. 1 BeamtVG auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstzeit und dem sich daraus ergebenden Ruhegehaltssatz “exakt” zu berechnen. Sodann ist das amtsbezogene Mindestruhegehalt gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG auf der Grundlage des feststehenden Ruhegehaltssatzes von 35 v.H. zu bestimmen. Da die Bemessungsgrundlagen nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 BeamtVG identisch sind, ergibt sich bereits aus einem Vergleich der beiden Ruhegehaltssätze, welcher für die Festsetzung des Ruhegehalts maßgebend sein soll. Sodann ist das sog. amtsunabhängige Mindestruhegehalt nach § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG zu berechnen. Da diesem eine andere Bemessungsgrundlage zugrunde liegt, wird das Ruhegehalt nach den Vorgaben dieser Bestimmung ausgerechnet. Übersteigt es den zuvor ermittelten Wert, ist der (Ruhegehalts-) Satz in Höhe von 65 v.H. nach dieser Bestimmung der gemäß § 14a Abs. 1 BeamtVG “berechnete” Ruhegehaltssatz, wobei gemäß der in § 14a Abs. 1 Nr. 3 BeamtVG bestimmten Obergrenze nur ein geringer Spielraum für eine vorübergehende Erhöhung verbleibt.

Das “Berechnen” nach § 14a Abs. 1 BeamtVG muss sich dem Wortsinn nach nicht auf die vier Grundrechenarten beschränken, sondern kann auch weitere mathematische Verfahren umfassen. Zu diesen Operationen nach den Regeln der Algebra gehören die von § 14 BeamtVG geforderten Vergleiche mehrerer Zahlenwerte. Der sich dabei ergebende Ruhegehaltssatz ist im Sinne des § 14a Abs. 1 BeamtVG ebenfalls “berechnet”. § 14a BeamtVG fordert eben nicht, dass das Ruhegehalt “erdient” und ausschließlich nach § 14 Abs. 1 BeamtVG bestimmt ist. Anders als in § 14 Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 1

BeamtVG wird in § 14a Abs. 1 BeamtVG auf diesen Begriff nicht abgestellt. § 14a Abs. 1 BeamtVG kennt weder den Begriff “erdient” noch enthält die Regelung einen Verweis auf § 14 Abs. 1 BeamtVG. Schon diese im Wortlaut des Gesetzes auszumachende Differenzierung spricht für das Auslegungsergebnis.

Rz. 45

 Das Versorgungsrecht ist wie das Besoldungsrecht ein Rechtsgebiet, in welchem dem Wortlaut des Gesetzes wegen der strikten Gesetzesbindung (§ 2 BBesG, § 3 BeamtVG) besondere Bedeutung zukommt. Vorschriften, die die gesetzlich vorgesehene Versorgung des Beamten begrenzen oder erhöhen, sind grundsätzlich einer ausdehnenden Anwendung nicht zugänglich (stRspr, vgl. Urteile vom 2. April 1971 – BVerwG 6 C 82.67 – Buchholz 235 § 48a BBesG Nr. 2 S. 8 und vom 27. März 2008 – BVerwG 2 C 30.06 – BVerwGE 131, 29 = Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 6, jeweils Rn. 25). Abgesehen davon, dass die vom Gesetzgeber vorgenommene “klarstellende” einschränkende Auslegung weder selbstverständlich ist noch sich aus dem Gesetzeszweck oder der Entstehungsgeschichte ergibt, fehlt es an jeglichem greifbaren Anhaltspunkt im Gesetzeswortlaut für eine solche einschränkende Auslegung. Weder die Verwaltung noch das Gericht dürfen über den der Auslegung zugänglichen Wortlaut des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. hinaus den Gesetzgeber korrigieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 1983 – 2 BvR 200/81 – BVerfGE 64, 389 ≪393≫, Urteil vom 11. November 1986 – 1 BvR 713/83 u.a. – BVerfGE 73, 206 ≪236≫ und Beschluss vom 23. Oktober 1985 – 1 BvR 1053/82 – BVerfGE 71, 108 ≪115≫; BVerwG, Urteil vom 27. März 2008 a.a.O. Rn. 28; zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 12. November 2009 – BVerwG 2 C 29.08 – Buchholz 239.1 § 14a BeamtVG Nr. 5 Rn. 12).

Rz. 46

 Ungeachtet dessen bestätigt die Entstehungsgeschichte des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. das anhand des Wortlauts gefundene Auslegungsergebnis. Insoweit hat der Senat in seinem Urteil vom 23. Juni 2005 (a.a.O.) ausgeführt:

Dass der amtsbezogene Mindestruhegehaltssatz im Wortsinne des § 14a BeamtVG “berechnet” ist, entspricht im Übrigen der Entstehungsgeschichte der Norm. § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG ist gemeinsam mit der Umstellung der degressiven Ruhegehaltsskala auf die lineare Ruhegehaltstabelle durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes und sonstiger dienst- und versorgungsrechtlicher Vorschriften (BeamtVGÄndG) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S. 2218) eingefügt worden. Der Mindestsatz ist an die Stelle des früheren Sockelruhegehaltssatzes von 35 v.H. für die ersten zehn Jahre ruhegehaltfähiger Dienstzeit getreten. Insoweit ist im Ergebnis die bis zum 31. Dezember 1991 geltende Rechtslage übernommen worden (vgl. GKÖD, Stand: Mai 2005, O § 14 Rn. 57). Nach zu jener Zeit einhelliger Auffassung war der Sockelruhegehaltssatz in Höhe von 35 v.H. “berechnet” im Sinne des § 14a BeamtVG (vgl. z.B. Ziff. 2.1 Buchst. a des Rundschreibens des Bundesministeriums des Innern vom 27. Januar 1986; abgedruckt bei Plog/Wiedow/Bayer, BBG/BeamtVG, Stand: April 2005, zu § 14a BeamtVG). Dass dieses dem Gesetzgeber bekannte Begriffsverständnis durch die “gesetzessystematische Verschiebung” korrigiert werden sollte oder aus sonstigen Gründen in das Gegenteil verkehrt worden sein könnte, ist nicht erkennbar.

Rz. 47

 Vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte des § 14a BeamtVG a.F. lassen sich Sinn und Zweck der Regelung und der systematische Zusammenhang, in dem die Vorschrift steht, verstehen. § 14a BeamtVG ursprünglicher Fassung ist durch Art. 2 Nr. 2 des Vierten Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 1985 (BGBl I S. 2466) vor dem Hintergrund vorangegangener Einschränkungen im Recht der Rentenversicherung eingefügt worden. Da aufgrund des Haushaltsbegleitgesetzes vom 22. Dezember 1983 (BGBl I S. 1532) eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich nur noch dann beansprucht werden konnte, wenn von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit mindestens 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt waren, blieben Beamte vor Vollendung des 65. Lebensjahres bis zum Bezug der Altersrente in aller Regel ausschließlich auf Versorgungsbezüge angewiesen. Dem sollte durch die neue Vorschrift “entgegengewirkt” werden (vgl. BTDrucks 10/4225 S. 21). § 14a BeamtVG a.F. greift über das System der Beamtenversorgung hinaus. Die Vorschrift schafft im Beamtenversorgungsgesetz eine Ausgleichsregelung für eine Anspruchsminderung in der Sozialversicherung (Urteil vom 23. Juni 2005 a.a.O. S. 23 bzw. S. 10 f.). Hierzu hat der Senat in seinem Urteil vom 23. Juni 2005 (a.a.O.) ausgeführt:

Die Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck des § 14a BeamtVG gebieten es, auch das nach § 14 Abs. 4 BeamtVG berechnete Mindestruhegehalt vorübergehend zu erhöhen, wenn die gesetzliche Rente noch nicht gezahlt wird. Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 6. April 2000 – BVerwG 2 C 25.99 – (BVerwGE 111, 93 ≪96 f.≫) ausgeführt hat, erhöhen gemäß § 14a BeamtVG solche Zeiten vorübergehend den Ruhegehaltssatz, für die auf einer Versicherungspflicht beruhende Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung begründet worden sind, ohne dass der Träger der Rentenversicherung zeitgleich zu dem Ruhegehalt zu leisten hat. § 14a BeamtVG ursprünglicher Fassung ist durch Art. 2 Nr. 2 des Vierten Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 1985 (BGBl I S. 2466) vor dem Hintergrund vorangegangener Einschränkungen im Recht der Rentenversicherung eingefügt worden. Da nach dem Haushaltsbegleitgesetz vom 22. Dezember 1983 (BGBl I S. 1532) eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich nur noch dann beansprucht werden konnte, wenn von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit mindestens 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt waren, blieben Beamte vor Vollendung des 65. Lebensjahres bis zum Bezug der Altersrente in aller Regel ausschließlich auf Versorgungsbezüge angewiesen. Diese waren häufig deshalb geringer, weil durch die späte Übernahme in ein Beamtenverhältnis und den vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand nur wenige Dienstjahre berücksichtigt werden konnten. Dem sollte durch die neue Vorschrift “entgegengewirkt” werden (vgl. BTDrucks 10/4225 S. 21).

§ 14a BeamtVG greift über das System der Beamtenversorgung hinaus und gleicht versorgungsrechtlich Nachteile aus, die wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen von Ansprüchen aus der Rentenversicherung und aus der Beamtenversorgung für die Zeit eintreten können, während der ein Besoldungsanspruch nicht mehr besteht, die beamtenrechtlichen Versorgungsansprüche wegen der außerhalb des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses verbrachten Zeiten einer Erwerbstätigkeit gering sind und die für Invalidität und Alter vorgesehenen Leistungen entsprechend den erworbenen Anwartschaften in der Sozialversicherung noch nicht ausgeschöpft werden können. Danach soll § 14a BeamtVG solchen Einbußen entgegenwirken, die durch einen “Statuswechsel” und den dadurch bedingten Wechsel des Systems der Alterssicherung eintreten. Die “Versorgungslücke”, die sich aus dem niedrigeren Ruhegehalt und dem vorübergehenden Ausschluss des Beamten von einer gesetzlichen Rente bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand ergibt, wird dadurch geschlossen, dass für jeweils 12 Kalendermonate einer Pflichtversicherung der Ruhegehaltssatz vorübergehend – in der Regel bis zum Bezug der Altersrente – um einen bestimmten Vom-Hundert-Satz erhöht wird.

Allerdings wird der Beamte nicht so gestellt, als hätte er Anspruch auf eine Rente. Er erhält keinen Zuschlag zum Ruhegehalt in Höhe dieses Betrages; vielmehr erfolgt der Ausgleich durch Erhöhung des Ruhegehaltssatzes – nach der früheren hier noch maßgebenden Fassung des § 14a Abs. 2 Satz 1 BeamtVG – um 1 v.H. für ein Jahr der anrechnungsfähigen Pflichtversicherungszeiten. Dieses “Entgegenwirken” nach den Strukturprinzipien des Beamtenversorgungsrechts schließt in der Regel einen vollständigen Ausgleich aus. Stattdessen hat der Gesetzgeber für ein Pflichtbeitragsjahr bei der vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes normativ typisierend einen maßvollen Steigerungssatz in Höhe von 1 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge festgelegt. Die Erhöhung des Ruhegehaltssatzes um 1 v.H. pro anno bleibt deutlich hinter dem Steigerungssatz gemäß § 14 Abs. 1 BeamtVG (1,875 v.H. nach früherem Recht) zurück. Schon nach dem gesetzessystematischen Standort des § 14a BeamtVG im Anschluss an die Berechnungsregelungen des § 14 BeamtVG geht es nicht um eine Erweiterung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit, die in §§ 6 bis 13 BeamtVG geregelt ist. Vielmehr wird entsprechend dem ausdrücklichen Wortlaut der nach “sonstigen” Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz erhöht, um diejenigen zu schützen, die aus einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit in eine versorgungsberechtigende Tätigkeit gewechselt sind und vorzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden müssen.

Die Ausgleichsfunktion der vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes nach § 14a BeamtVG entfällt nur dann, wenn die Obergrenze des Abs. 2 Satz 2 (70 v.H. nach früherem Recht) überschritten wird. Eine Untergrenze ist nicht vorgegeben. § 14a BeamtVG begünstigt auch und gerade diejenigen, die Versorgungsbezüge nach dem Mindestsatz erhalten. Diese Gruppe muss bis zum Erreichen des Renteneintrittsalters ebenfalls auf (Renten-) Bezüge verzichten, die sie nach Erreichen der Altersgrenze neben ihren ungeschmälert weitergezahlten Versorgungsbezügen erhält. Würden diese Beamten auf den nach § 14 Abs. 1 BeamtVG ermittelten Ruhegehaltssatz verwiesen, liefe die Erhöhung nach § 14a BeamtVG ganz oder teilweise leer. Dies stünde in deutlichem Widerspruch zu der Zielsetzung der vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes nach § 14a BeamtVG und zu der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG.

Die amtsbezogene Mindestversorgung in Höhe von 35 v.H. der jeweiligen ruhegehaltfähigen Dienstbezüge gemäß § 5 BeamtVG dient der Sicherstellung einer nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen amtsangemessenen Mindestalimentation (vgl. BTDrucks 11/5136 S. 23). Mit diesem Sinngehalt des § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG wie auch mit der versorgungsrechtlichen Bedeutung des § 14a BeamtVG ist die Auffassung (…) unvereinbar, beide Vorschriften dienten “der Konkretisierung der allgemeinen Fürsorgepflicht des Dienstherrn” und es sei ausgeschlossen, “einen Beamten mit nur sehr geringer aktiver Dienstzeit zweimal fürsorgerechtlich zu begünstigen …”. Die Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG ist weder Sozialleistung noch Fürsorgeleistung. Aus dem Alimentationscharakter der Mindestversorgung folgt vielmehr, dass auch sie im Beamtenstatus “erdient” ist. Allerdings setzt sie keine genau bestimmte Dienstzeit voraus, sondern kennzeichnet den geringsten Umfang der Versorgung, wenn – wie im Regelfalle – die Mindestdienstzeit des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG von fünf Jahren absolviert und nach § 14 Abs. 1 BeamtVG noch keine ruhegehaltfähige Dienstzeit erreicht worden ist, die einen Ruhegehaltssatz von mehr als 35 v.H. ermöglicht. Die amtsbezogene Mindestversorgung folgt unmittelbar aus der Alimentationspflicht des Dienstherrn, die als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet ist (vgl. z.B. BVerfGE 3, 58 ≪160≫; BVerfGE 46, 97 ≪117≫; BVerfGE 70, 69 ≪79≫). Sie bringt die verfassungsrechtlichen Anforderungen der amtsgemäßen (BVerfGE 61, 43 ≪58≫; BVerfGE 76, 256 ≪324 f.≫; Urteil vom 19. Februar 2004 – BVerwG 2 C 20.03 – Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 8) sowie der (bedarfs-)-angemessenen Versorgung (vgl. BVerfGE 44, 249 ≪263≫; BVerfGE 81, 363 ≪383 ff.≫; BVerfGE 99, 300 ≪314 ff.≫) zur Geltung.

Das Gebot, den Mindestruhegehaltssatz des § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG vorübergehend zu erhöhen, gibt den Pflichtversicherungszeiten nach § 14a BeamtVG in aller Regel auch kein höheres Gewicht als den ruhegehaltfähigen Dienstzeiten gemäß § 6 BeamtVG. Zwar könnte der amtsbezogene Mindestruhegehaltssatz nicht wegen Zeiten nach §§ 6 ff. BeamtVG erhöht werden. Die erheblich abweichende Staffelung der Sätze nach § 14 Abs. 1 BeamtVG und nach § 14a Abs. 2 BeamtVG hat jedoch zur Konsequenz, dass selbst bei einer deutlich längeren Pflichtversicherungszeit und einer geringeren ruhegehaltfähigen Dienstzeit die Aufstockung des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14a BeamtVG allenfalls in besonderen Ausnahmefällen einen Anspruch auf ein höheres Ruhegehalt verleiht, als dies bei einer (fiktiven) Einbeziehung der Zeit nach § 14a BeamtVG in die ruhegehaltfähige Dienstzeit der Fall wäre.

Rz. 48

 Soweit hiergegen eingewandt wird, dies führe zu einer nicht zu rechtfertigenden Besserstellung von Beamten mit Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Sozialversicherung gegenüber “Nur-Beamten” sowie zu einer systemwidrigen Bevorzugung von Beamten mit Mindestversorgung für den Zeitraum vor Erreichen der Altersgrenze gegenüber dem Zeitraum danach, haben diese Vergleichsgruppen für den Gesetzgeber bei der Schaffung des § 14a BeamtVG a.F. keine Rolle gespielt. Es ging einzig darum, durch diese Regelung für diejenigen Beamten, die infolge der 1981 vorgenommenen Änderung bei der Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente keine Möglichkeit mehr hatten, ihren vormaligen sozialversicherungsrechtlichen Anspruch zu erhalten, einen Ausgleich im Versorgungsrecht zu schaffen. Zu vergleichen ist daher allein die Situation dieser Beamtengruppe vor und nach der Gesetzesänderung im Sozialversicherungsrecht. Zu einem anderen Ergebnis kam man vor der Gesetzesänderung auch nicht über die den § 55 BeamtVG ergänzende Ruhensvorschrift bei Bezug der Mindestversorgung des § 14 Abs. 5 BeamtVG, da diese Vorschrift erst wesentlich später, nämlich mit Wirkung vom 1. Oktober 1994 durch Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes, des Soldatenversorgungsgesetzes sowie sonstiger versorgungsrechtlicher Vorschriften (BeamtVGÄndG 1993) vom 20. September 1994 (BGBl I S. 2442) in das Gesetz eingefügt wurde (zum Ganzen auch: Urteil vom 12. November 2009 – BVerwG 2 C 29.08 – Buchholz 239.1 § 14a BeamtVG Nr. 5 Rn. 17 und 18).

Rz. 49

 cc) Schließlich können zwar überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, eine Rückwirkungsanordnung rechtfertigen (vgl. BVerfG, Urteile vom 19. Dezember 1961 – 2 BvL 6/59 – BVerfGE 13, 261 ≪272≫ und vom 23. November 1999 – 1 BvF 1/94 – BVerfGE 101, 239 ≪264≫; Beschluss vom 8. September 2008 – 2 BvL 6/03 – juris Rn. 23), solche sind indes nicht zu erkennen. Im Gegenteil, es fehlt bereits an einem sachlichen Grund für die rückwirkende Rechtsänderung, so dass sich schon nicht mehr die Frage nach dessen Gewichtigkeit stellt.

Rz. 50

 Aus der Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/7076) lässt sich lediglich entnehmen, dass die Regelung klarstellend im Hinblick auf höchstrichterliche Rechtsprechung rückwirkend erfolgen sollte. Allgemein war es Ziel des Gesetzes, weitere Maßnahmen zur langfristigen Stabilisierung der Alterssicherung zu ergreifen, und zwar auch bezogen auf das Beamtenversorgungsrecht, wozu Änderungen im Rentenversicherungsrecht wirkungsgleich übertragen werden sollten.

Rz. 51

 Es ist dem Gesetzgeber unbenommen, mit einer Gesetzesänderung auf die Rechtsprechung zu reagieren oder seine ursprüngliche, noch bei der Schaffung einer Vorschrift vertretene Auffassung zu ändern. Ohne weiteres möglich ist eine solche Änderung mit Wirkung für die Zukunft, soweit kein verfassungsrechtlich verankerter Vertrauensschutz entgegensteht; strengeren Anforderungen unterliegt demgegenüber eine auch in die Vergangenheit zurückwirkende Regelung (vgl. hierzu: Landesverfassungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15. Januar 2002 – LVG 3/01 u.a. – juris Rn. 60).

Rz. 52

 Bedarf hiernach die “klarstellende” Änderung durch den Gesetzgeber für den Fall einer Rückwirkung einer Rechtfertigung, dann kann das gesetzgeberische Ziel einer solchen Klarstellung nicht schon für sich genommen ein rechtfertigender Grund für den rückwirkenden Eingriff in die Rechtspositionen der betroffenen Versorgungsempfänger sein.

Rz. 53

 Die rückwirkende Änderung lässt sich auch nicht mit den allgemeinen Zielen des Gesetzentwurfs (wirkungsgleiche Übertragung der Änderungen im Rentenversicherungsrecht wegen der desolaten Haushaltssituation) in Einklang bringen. Geringe Einspareffekte rechtfertigen noch nicht eine echte Rückwirkung, insbesondere keine einschneidenden Eingriffe in bereits entstandene Ansprüche auf Versorgung.

Rz. 54

 Selbst wenn sich jedoch allgemeine finanzielle Erwägungen vorbringen ließen und man solche Erwägungen sogar für eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen ausreichen ließe, kann jedenfalls im Beamtenrecht das Bemühen, Ausgaben zu sparen, in aller Regel für sich genommen nicht als ausreichende Legitimation für eine Kürzung der Altersversorgung angesehen werden. Namentlich im Beamtenversorgungsrecht wird ein besonderes, durch Art. 33 Abs. 5 GG geschütztes Vertrauen darauf begründet, dass gesetzliche Leistungsregelungen fortbestehen. Wesentliche und grundlegende Änderungen, die zu einer erheblichen Verschlechterung zu Lasten der Beamten führen, müssen durch gewichtige und bedeutende Gründe gerechtfertigt sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 – BVerfGE 76, 256 ≪346 f., 349≫; BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 – BVerwG 2 C 34.01 – BVerwGE 117, 305 ≪312≫ = Buchholz 240 § 14a BBesG Nr. 1 S. 7). Hinzukommen müssen also stets weitere Gründe, die im Bereich des Systems der Altersversorgung liegen und die Kürzung von Versorgungsbezügen als sachlich gerechtfertigt erscheinen lassen. Daran fehlt es hier ebenfalls; insbesondere diente die rückwirkende Änderung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. weder der wirkungsgleichen Übertragung

Rz. 55

 von Änderungen im Rentenversicherungsrecht noch der Wiederherstellung einer Systemgerechtigkeit.

Rz. 56

 Auch außerhalb der Gesetzesbegründung lassen sich keine sachlichen Gründe für eine rückwirkende Verschlechterung der materiellen Situation der von der Rückwirkungsanordnung des Art. 17 Abs. 1 DNeuG betroffenen Versorgungsempfänger erkennen.

Rz. 57

 Ein sachgerechter Grund muss sich in das System des Versorgungsrechts einfügen. Die bisherige Regelung stand in einem in sich geschlossenen, widerspruchsfreien System; sie dürfte sogar verfassungsrechtlich geboten sein. § 14a BeamtVG a.F. diente der Schaffung eines Ausgleiches für vorangegangene Einschränkungen im Recht der Rentenversicherung, die zu einer Einbuße bei denjenigen Versorgungsempfängern geführt hat, die vor Vollendung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand getreten sind und infolge eines “Statuswechsels” neben Rentenversicherungszeiten nur relativ wenige Dienstjahre aufzuweisen hatten. Dem sollte durch die Vorschrift “entgegengewirkt” werden (vgl. BTDrucks 10/4225 S. 21). Deshalb begünstigte § 14a BeamtVG a.F. auch und gerade diejenigen, die Versorgungsbezüge nach dem Mindestsatz erhielten. Diese Gruppe musste bis zum Erreichen des Renteneintrittsalters auf (Renten-) Bezüge verzichten, die ihr nach Erreichen der Altersgrenze neben ihren ungeschmälert weitergezahlten Versorgungsbezügen zustanden. Werden diese Beamten – wie dies durch Art. 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa DNeuG geschehen ist – auf den nach § 14 Abs. 1 BeamtVG ermittelten Ruhegehaltssatz verwiesen, läuft die Erhöhung nach § 14a BeamtVG ganz oder teilweise leer. Dies steht in deutlichem Widerspruch zu der – ursprünglichen – Zielsetzung der vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes nach § 14a BeamtVG a.F. und zu der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG (vgl. zum Ganzen: Urteil vom 23. Juni 2005 – BVerwG 2 C 25.04 – BVerwGE 124, 19 ≪24≫ = Buchholz 239.1 § 14a BeamtVG Nr. 4 S. 11 f.).

Rz. 58

 Dass sich die – tatsächlich und rechtlich die Rechtsanwendung ändernde – “Klarstellung” des Gesetzgebers ohne Bruch in dieses Regelungssystem einfügt, ist weder der Gesetzesbegründung zu entnehmen noch sonst erkennbar. Gibt es aber schon keinen sachlichen Grund für die Rechtsänderung, stellt sich auch nicht mehr die Frage nach der Gewichtigkeit des Rechtfertigungsgrundes.

Rz. 59

 dd) Das Berufungsgericht meint, dass der Kläger sich auf eine Änderung der Berechnung der vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes hätte einstellen müssen. Hierzu verweist es darauf, dass zum Zeitpunkt des Eintritts des Klägers in den Ruhestand am 1. März 2008 die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf zum Dienstrechtsneuordnungsgesetz bereits in den Deutschen Bundestag eingebracht (am 12. November 2007, BTDrucks 16/7076) hatte und der Kläger keinen entsprechenden Versorgungsfestsetzungsbescheid in Händen hielt. Auch mit dieser Argumentation kann die Rückwirkungsanordnung des Art. 17 Abs. 1 DNeuG keinen verfassungsrechtlichen Bestand haben.

Rz. 60

 Zwar kann eine echte Rückwirkung dann zulässig sein, wenn der Betroffene mit der Regelung rechnen konnte (BVerfG, Beschlüsse vom 25. Mai 1993 – 1 BvR 1509/91 u.a. – BVerfGE 88, 384 ≪404≫, vom 15. Oktober 1996 – 1 BvL 44/92 u.a. – BVerfGE 95, 64 ≪87≫ und vom 24. Mai 2001 – 1 BvL 4/96 – BVerfGE 103, 392 ≪404≫). Allerdings kann eine rückwirkende Änderung verfassungsrechtlich grundsätzlich nur insoweit hingenommen werden, als sich ihr zeitlicher Anwendungsbereich auf die Zeit zwischen dem endgültigen Gesetzesbeschluss des Bundestags und der Verkündung des ändernden Gesetzes erstreckt, so dass eine Rückwirkungsanordnung – zumindest – für den Zeitraum davor verfassungswidrig ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 1961 – 2 BvL 6/59 – BVerfGE 13, 261 ≪273≫; Beschlüsse vom 11. Oktober 1962 – 1 BvL 22/57 – BVerfGE 14, 288 ≪298≫, vom 29. Oktober 1969 – 1 BvL 19/69 – BVerfGE 27, 167 ≪173 f.≫, vom 10. März 1971 – 2 BvL 3/68 – BVerfGE 30, 272 ≪287≫, vom 22. Juni 1971 – 2 BvL 6/70 – BVerfGE 31, 222 ≪227≫, vom 14. Mai 1986 – 2 BvL 2/83 – BVerfGE 72, 200 ≪251 f., 257, 260 f., 264, 271, vom 15. Oktober 1996 a.a.O. S. 87, vom 3. Dezember 1997 – 2 BvR 882/97 – BVerfGE 97, 67 ≪79≫, vom 18. Februar 1998 – 1 BvR 1318/86 u.a. – BVerfGE 97, 271 ≪290≫, vom 24. März 1998 – 1 BvL 6/92 – BVerfGE 97, 378 ≪389≫ und vom 21. Juli 2010 – 1 BvL 11/06 u.a. – juris Rn. 81). Deshalb kommt es entscheidend auf den Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses des Bundestags an. Dieser datiert (nach 3. Lesung) vom 12. November 2008. Ab diesem Zeitpunkt musste ein künftiger Versorgungsempfänger mit der Verkündung und dem Inkrafttreten der Neuregelung rechnen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 3. Dezember 1997 a.a.O. S. 79 und vom 21. Juli 2010 a.a.O. Rn. 81). Dieser Zeitpunkt datiert aber nach dem – zur Bestimmung der Höhe des Versorgungsanspruchs nach § 4 Abs. 2 BeamtVG maßgeblichen – Zeitpunkt des Eintritts des Klägers in den Ruhestand.

Rz. 61

 Selbst wenn man insoweit mit dem Berufungsgericht auf einen früheren Zeitpunkt abstellen wollte, bedarf es dann, wenn der Gesetzgeber einen früheren Zeitpunkt wählt, stets zusätzlich einer der oben genannten Gründe (Bagatellgrenze, nichtiges Gesetz, verworrene Rechtslage oder überragende Belange des Gemeinwohls), woran es hier fehlt. Insbesondere wird ein besonderer Grund für eine solch weitergehende Rückwirkungsanordnung im Sinne eines überragenden Gemeinwohls weder vom Berufungsgericht aufgezeigt noch ist ein solcher auch nur im Ansatz ersichtlich. Insoweit ist auf die bisherigen Ausführungen zu cc) zu verweisen.

Rz. 62

 Der Umstand allein, dass ein Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht worden ist, vermag grundsätzlich das Vertrauen in eine bestehende Gesetzeslage nicht zu erschüttern. So hat das Bundesverfassungsgericht zwar im Beschluss vom 3. Dezember 1997 – 2 BvR 882/97 – (BVerfGE 97, 67 ff.) offen gelassen, ob ein Gesetz nach den Maßstäben der echten Rückwirkung zu beurteilen ist, weil zwingende Gründe des gemeinen Wohls eine Durchbrechung des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots rechtfertigten. Der Betroffene habe sich ab Ankündigung der Bundesregierung, es sei eine Gesetzesänderung beabsichtigt (d.h. noch vor Einbringung eines Gesetzentwurfs in den Bundestag), nicht mehr auf ein Fortbestehen der Rechtslage verlassen können. Dies dürfe aber nicht zu Ergebnissen führen, die den grundrechtlichen Schutz des Lebenssachverhaltes verletzten, der von dem Eingriff – durch die nachträgliche Änderung der Rechtsfolgen – betroffen sei; solche hatte das Gericht in dem entschiedenen Fall jedoch nicht zu erkennen vermocht. Auch in seinen jüngsten Beschlüssen zum Steuerrecht vom 7. Juli 2010 – 2 BvL 14/02 u.a. –, – 2 BvR 748/05 u.a. – sowie – 2 BvL 1/03 u.a. – (alle in juris) hat das Bundesverfassungsgericht zwar an den Zeitpunkt der Einbringung der Gesetzesänderungen in den Bundestag angeknüpft, dies aber nur für die unechte Rückwirkung. Es hat aber auch dann daran festgehalten, dass eine unechte Rückwirkung mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes nur vereinbar ist, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt, also hinreichend gewichtige Gründe für die Rückwirkung vorliegen (BVerfG, Beschlüsse vom 7. Juli 2010 – 2 BvL 14/02 u.a. – juris Rn. 58, 73 ff., – 2 BvR 748/05 u.a. – juris Rn. 47, 58 ff. und – 2 BvL 1/03 u.a. – juris Rn. 69, 81 ff.). Ähnlich ist im Versorgungsrecht für eine tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) das Allgemeininteresse, Mehrfachversorgungen, die unter bestimmten Bedingungen zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Doppelbelastung öffentlicher Mittel und zu einer sachwidrig empfundenen Überversorgung der rentenbeziehenden Versorgungsempfänger führen können, zu vermeiden, als ausreichend angesehen worden. Diesen Zielsetzungen ist eine überragende Bedeutung zugebilligt worden (BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 – BVerfGE 76, 256 ≪357 f.≫).

Rz. 63

 Dies bedeutet, dass auch dann, wenn ab Einbringung des Gesetzentwurfs kein Vertrauen mehr hätte entstehen können, der Gesetzgeber gleichwohl zumindest einen sachlichen und gewichtigen Grund für die rückwirkende Änderung haben muss. Hieran fehlt es, wie bereits unter cc) dargestellt.

Rz. 64

 ee) Die Rückwirkungsanordnung des Art. 17 Abs. 1 DNeuG kann schließlich auch nicht mit der Argumentation des Berufungsgerichts verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden, dem allgemeinen rechtsstaatlichen Vertrauensschutz komme dann keine selbstständige Bedeutung zu, wenn es um den Anspruch des Ruhestandsbeamten auf amtsangemessene Versorgung gehe; dieser sei nicht verletzt, weil es sich bei § 14a BeamtVG a.F. nicht um eine von Art. 33 Abs. 5 GG geforderte Bestimmung handele.

Rz. 65

 Grundsätzlich sind neben dem aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Rückwirkungsverbot diejenigen Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte zu berücksichtigen, deren Schutzbereich von der nachträglich geänderten Rechtsfolge in belastender Weise betroffen ist, hier also Art. 33 Abs. 5 GG. Der Bedeutungsgehalt des Art. 33 Abs. 5 GG im Beamten(versorgungs-)recht umfasst aber nicht allein den Schutz der amtsangemessenen Alimentation, sondern auch einen Vertrauensschutz, der gerade im Bereich des Beamtenversorgungsrechts durch Art. 33 Abs. 5 GG seine besondere Ausprägung erfahren hat. Dieser schützt insbesondere vorhandene Versorgungsempfänger in ihrem Vertrauen auf einen unveränderten Fortbestand ihrer bestehenden Versorgungsansprüche und verpflichtet den Gesetzgeber, Eingriffe in bestehende versorgungsrechtliche Rechtspositionen grundsätzlich durch angemessene Übergangsregelungen auszugleichen oder abzumildern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O. S. 359). Denn Versorgungsempfänger können nur schwer auf Änderungen reagieren und etwaige Dispositionen wieder rückgängig machen. Wesentliche und grundlegende Änderungen, die zu einer erheblichen Verschlechterung zu Lasten der Beamten führen, müssen durch gewichtige und bedeutende Gründe gerechtfertigt sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O. S. 346 f., 349, 357 f.; BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 – BVerwG 2 C 34.01 – BVerwGE 117, 305 ≪312≫ = Buchholz 240 § 14a BBesG Nr. 1 S. 7), woran es – wie bereits dargestellt – fehlt. Der Ansatz des Berufungsgerichts übersieht, dass der Vertrauensschutz des Art. 33 Abs. 5 GG gerade die vorhandenen Versorgungsempfänger vor Änderungen ihrer bestehenden Versorgungsansprüche besonders schützt, also ein Mehr und nicht ein Weniger an Schutz gewährt. Dieser besondere Schutz wird in den Fällen relevant, in denen der Gesetzgeber in bestehende Versorgungsansprüche mit tatbestandlicher Rückanknüpfung mit Wirkung für die Zukunft eingreift (sogenannte unechte Rückwirkung; vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O. S. 257, 345; BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 a.a.O. S. 312 bzw. 7).

Rz. 66

 ff) Schließlich verstößt die Rückwirkungsanordnung des Art. 17 Abs. 1 DNeuG auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie knüpft nämlich in ihrer Wirkung an ein ursprünglich rechtswidriges Verhalten der Behörden an, das im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG unter keinen Umständen ein zulässiger Grund für eine Rückwirkungsanordnung sein kann.

Rz. 67

 Selbst wenn man eine echte Rückwirkung für ausnahmsweise zulässig erachtete, würde diese wegen § 52 Abs. 1 BeamtVG nur in den Fällen relevant, in denen sich der Dienstherr rechtswidrig verhalten hat. Denn die betroffenen Beamten hatten gemäß § 4 Abs. 2 in Verbindung mit § 14a BeamtVG a.F. zunächst ab Eintritt in den Ruhestand einen Anspruch auf die vorübergehende Erhöhung des amtsbezogenen Mindestruhegehaltssatzes. Dieser wurde nur aufgrund des rechtswidrigen Verhaltens des Dienstherrn nicht realisiert.

Rz. 68

 Bei rechtmäßigem Verhalten des Dienstherrn wären die Beamten über § 52 Abs. 1 BeamtVG und aufgrund des entsprechenden Festsetzungsbescheides vor der Rückwirkung geschützt gewesen. Wenn ein Versorgungsberechtigter durch eine gesetzliche Änderung seiner Versorgungsbezüge mit rückwirkender Kraft schlechter gestellt wird, sind nach § 52 Abs. 1 BeamtVG die Unterschiedsbeträge nicht zu erstatten. Diese Vorschrift erfasst alle Versorgungsbezüge, die bis zur Verkündung der verschlechternden Rechtsvorschrift fällig waren und ausgezahlt worden sind. Die nach § 49 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG festgesetzten Versorgungsbezüge sind gemäß § 49 Abs. 4 BeamtVG in Verbindung mit § 3 Abs. 5 BBesG monatlich im Voraus auszuzahlen. Da das Dienstrechtsneuordnungsgesetz am 11. Februar 2009 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde, schließt § 52 Abs. 1 BeamtVG die Erstattung etwaiger Unterschiedsbeträge bis einschließlich Februar 2009 aus. § 52 Abs. 1 BeamtVG bewirkt daher im Ergebnis, dass die Versorgungsempfänger, deren Versorgungsbezüge bereits unter vorübergehender Erhöhung des Ruhegehaltssatzes gemäß § 14a BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 BeamtVG – höher – festgesetzt wurden, lediglich zukunftsgerichtet (ab 1. März 2009) von Art. 17 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Nr. 11 Buchst. a Doppelbuchst. aa DNeuG betroffen sind. Bei diesen Personen müsste zudem zunächst einmal der Festsetzungsbescheid widerrufen oder zurückgenommen werden, was für die Vergangenheit aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht ohne weiteres zulässig ist; bis dahin bildet der rechtswidrig gewordene Festsetzungsbescheid (weiterhin) einen Rechtsgrund für die Zahlung der Versorgung (vgl. Urteile vom 24. April 1959 – BVerwG 6 C 91.57 – BVerwGE 8, 261 ≪261, 264, 267 ff.≫ = Buchholz 232 § 87 BBG Nr. 1 S. 1, 4, 7 ff.), und zwar neben § 52 Abs. 1 BeamtVG. Gegenüber dieser Personengruppe werden Versorgungsempfänger wie der Kläger nur deswegen schlechter behandelt, weil die zuständige Behörde zu Unrecht von einem Festsetzungsbescheid abgesehen hat. Das ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

Rz. 69

 e) Für den Zeitraum nach der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes wird in den vormals bestehenden Versorgungsanspruch des Klägers durch Art. 17 Abs. 1 DNeuG über eine tatbestandliche Rückanknüpfung eingegriffen und dieser für die Zukunft verändert. Die Zulässigkeit einer solchen Änderung ist an Art. 33 Abs. 5 GG zu messen, im Rahmen dessen der bestehende Versorgungsanspruch einen besonderen Vertrauensschutz genießt. Weder gibt es für den rückwirkenden Eingriff in den bestehenden Versorgungsanspruch eine Rechtfertigung, noch hat der Gesetzgeber gesehen, dass er eine angemessene Übergangsregelung zu schaffen hat.

Rz. 70

 aa) Dem Gesetzgeber ist es grundsätzlich möglich, auf veränderte soziale Gegebenheiten mit einer Änderung seines Normenwerks zu reagieren oder durch eine solche Änderung erst bestimmte soziale Gegebenheiten in einem bestimmten Sinne zu beeinflussen. Geschieht dies durch tatbestandliche Rückanknüpfungen (sogenannte unechte Rückwirkung), so kann eine solche Regelung vorrangig Grundrechte berühren, die mit der Verwirklichung des jeweiligen Tatbestandsmerkmals vor Verkündung der Norm “ins Werk gesetzt” worden sind. In die damit erforderliche grundrechtliche Bewertung fließen die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit, aber auch der Verhältnismäßigkeit (hier beschränkt auf den Gesichtspunkt der Vergangenheitsanknüpfung) in der Weise ein, wie dies allgemein bei der Auslegung und Anwendung von Grundrechten im Hinblick auf die Fragen des materiellen Rechts geschieht. Danach ist die Einwirkung auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte bzw. Rechtsbeziehungen für die Zukunft verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig; im Einzelfall können sich aber Einschränkungen aus Vertrauensschutz- und Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ergeben. Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 23. März 1971 – 2 BvL 17/69 – BVerfGE 30, 392 ≪404≫, vom 13. März 1979 – 2 BvR 72/76 – BVerfGE 50, 386 ≪395≫, vom 10. April 1984 – 2 BvL 19/82 – BVerfGE 67, 1 ≪15≫, vom 5. Mai 1987 – 1 BvR 724/81 u.a. – BVerfGE 75, 246 ≪280≫ und vom 5. Februar 2002 – 2 BvR 305/93 u.a. – BVerfGE 105, 17 ≪37≫; Urteil vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02 – BVerfGE 114, 258 ≪300≫). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14. Mai 1986 – 2 BvL 2/83 – BVerfGE 72, 200 ≪242 f.≫ und vom 15. Oktober 1996 – 1 BvL 44/92 u.a. – BVerfGE 95, 64 ≪86≫; Urteil vom 23. November 1999 – 1 BvF 1/94 – BVerfGE 101, 239 ≪263≫; Beschluss vom 13. Juni 2006 – 1 BvL 9/00 u.a. – BVerfGE 116, 96 ≪132≫; Urteil vom 10. Juni 2009 – 1 BvR 706/08 u.a. – BVerfGE 123, 186 ≪257≫). Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14. Mai 1986 a.a.O. S. 242 f. und vom 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 – BVerfGE 76, 256 ≪356 f.≫; Urteil vom 27. September 2005 a.a.O. S. 300).

Rz. 71

 Der bestehende Versorgungsanspruch genießt über Art. 33 Abs. 5 GG einen besonderen Vertrauensschutz, so dass dem allgemeinen rechtsstaatlichen Vertrauensschutz neben der Garantie zugunsten der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums keine selbstständige Bedeutung zukommt (BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O. S. 347). Dieser besondere Vertrauensschutz enthält zwar keine Garantie, dass die bei Eintritt in den Ruhestand geltenden versorgungsrechtlichen Bestimmungen nicht mit Wirkung für die Zukunft zum Nachteil der Ruhestandsbeamten geändert werden. Jedoch verpflichtet der durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährte Vertrauensschutz im Bereich des Beamtenversorgungsrechts den Gesetzgeber, Eingriffe in versorgungsrechtliche Rechtspositionen durch angemessene Übergangsregelungen auszugleichen oder abzumildern. Der ihm für die inhaltliche Ausgestaltung zustehende Spielraum ist aber erst überschritten, wenn sich die Übergangsregelung bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs einerseits und dem Gewicht und der Dringlichkeit der rechtfertigenden Gründe andererseits allgemein oder für bestimmte Gruppen von Beamten als unzumutbar erweist (zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O. S. 347, 359 ff.; BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2005 – BVerwG 2 C 39.03 – Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 13 S. 5 f.).

Rz. 72

 bb) Wie bereits oben (d) cc)) ausgeführt, ist keine Rechtfertigung für die Rückwirkungsanordnung ersichtlich. Für den Zeitraum nach der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes gilt insoweit nichts Abweichendes. Denn bei der Änderung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. handelt es sich nicht um eine bloße Klarstellung, sondern um eine schlichte Änderung der Rechtslage für die davon betroffenen Versorgungsempfänger. Eine solche Änderung ist für die Zukunft dann jederzeit zulässig, wenn sie nicht in bereits bestehende Versorgungsansprüche ändernd eingreift. Da die Änderung aber zugleich eine Kürzung bereits bestehender Versorgungsansprüche bewirkt, bedarf es dafür eines zusätzlichen Grundes, anhand dessen eine Abwägung zwischen dem Einzelinteresse der Betroffenen und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit erfolgen kann. Denn auch der mit Blick auf das Vertrauensschutzprinzip an sich verfassungsrechtlich zulässige rückwirkende Eingriff ist an dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen, der im Bereich des öffentlichen Dienstes bei Kürzung von Versorgungsbezügen für die Zukunft einen über den bloßen Änderungswillen des Gesetzgebers hinausgehenden Grund im Sinne des Wohls der Allgemeinheit erfordert. Danach müssen wesentliche und grundlegende Änderungen, die zu einer erheblichen Verschlechterung zu Lasten der Beamten führen, durch gewichtige und bedeutende Gründe gerechtfertigt sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O S. 346 f., 349; BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 – BVerwG 2 C 34.01 – BVerwGE 117, 305 ≪312≫ = Buchholz 240 § 14a BBesG Nr. 1 S. 7). Ein solcher Grund lässt sich weder den Gesetzesmaterialien entnehmen noch wird er vom Berufungsgericht aufgezeigt oder wäre ansonsten ersichtlich.

Rz. 73

 cc) Selbst wenn es eine solche Rechtfertigung für den Eingriff in bestehende Versorgungsansprüche geben sollte, wäre nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich eine angemessene Übergangsregelung zu verlangen. Dem Gesetzgeber steht für eine Übergangsregelung ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der von der sofortigen, übergangslosen Inkraftsetzung des neuen Rechts bis hin zum ungeschmälerten Fortbestand begründeter subjektiver Rechtspositionen reicht. Zu überprüfen ist, ob der Gesetzgeber bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs einerseits und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze der Zumutbarkeit allgemein oder für bestimmte Gruppen von Beamten überschritten hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O. S. 346 f., 349; BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2005 a.a.O. S. 6). Da der Gesetzgeber sich offenbar nicht einmal bewusst war, dass er insoweit in bestehende Versorgungsansprüche rückwirkend eingreift, hat er seinen Gestaltungsspielraum weder erkannt noch genutzt. Auch aus diesem Grunde erweist sich die Rückwirkungsanordnung des Art. 17 Abs. 1 DNeuG – betrachtet man nur ihre künftige Wirkung auf den bestehenden Versorgungsanspruch des Klägers – als verfassungswidrig.

Rz. 74

 d) Nach alldem fehlt es Art. 17 Abs. 1 DNeuG an einer tragfähigen Begründung, die die mit der Anwendung der Vorschrift verbundene Verletzung des Rückwirkungsverbots zu rechtfertigen vermöchte. Angesichts des klaren Wortlauts der Vorschrift scheidet eine verfassungskonforme Auslegung aus. Die Vorschrift ist damit als mit Art. 20 Abs. 3, Art. 33 Abs. 5 und Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig anzusehen.

 

Unterschriften

Herbert, Thomsen, Dr. Maidowski, Dr. Hartung, Dr. Eppelt

 

Fundstellen

ZBR 2011, 249

ZTR 2011, 59

DVBl. 2011, 249

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