Entscheidungsstichwort (Thema)

Gestaltung der Arbeitsplätze. organisatorische Angelegenheiten. Neubauten, Umbauten und Erweiterungsbauten von Diensträumen. Konkurrenz von Beteiligungsrechten der Personalvertretung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erfüllt eine beabsichtigte Maßnahme der Dienststelle mehrere Beteiligungstatbestände, die unterschiedliche Beteiligungsrechte des Personalrats auslösen, steht diesem nur eine Beteiligung in der schwächeren Form zu, wenn der Gesetzgeber wegen der in der Vorschrift des BPersVG § 104 S 3 zum Ausdruck kommenden Grundsätzen zur Wahrung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung kein stärkeres Beteiligungsrecht gewähren wollte (Anschluß BVerwG, 1980-02-07, 6 P 35/78, PersV 1980, 238; Anschluß BVerwG, 1980-02-02, 6 P 35/78, ZBR 1981, 72).

2. Sollen mit der Planung und Durchführung von Neubauten, Umbauten und Erweiterungsbauten organisatorische Vorstellungen mit nicht unerheblichen Auswirkungen auf die nach außen zu erfüllenden Aufgaben der Dienststelle verwirklicht werden, tritt eine zugleich nach BPersVG § 75 Abs 3 Nr 16 (Gestaltung der Arbeitsplätze) bestehendes Mitbestimmungsrecht des Personalrats gegenüber seiner Beteiligung gemäß BPersVG § 78 Abs 4 zurück.

 

Orientierungssatz

Parallelentscheidung BVerwG, 1987-07-17, 6 P 3/84.

 

Normenkette

BPersVG § 78 Abs. 4, § 104 S. 3, § 75 Abs. 3 Nrn. 16, 11

 

Verfahrensgang

Bayerischer VGH (Entscheidung vom 19.12.1984; Aktenzeichen 18 C 84 A.2363; ZBR 1985, 87)

VG Ansbach (Entscheidung vom 09.07.1984; Aktenzeichen 7 P 83 A.1478)

 

Tatbestand

Nachdem die Verwaltung des Postamtes H. in das Postamt S. eingegliedert worden war, schlug das Referat 42 der Oberpostdirektion N. in einem Abschlußbericht vor, die bei dem Postamt H. verbleibenden Briefzusteller, die bisher in drei Räumen im Erdgeschoß des Dienstgebäudes untergebracht sind, künftig in einem einzigen Raum im Obergeschoß unterzubringen. Hierzu sollen zwei Trennwände beseitigt, zwei Türöffnungen zugemauert und ein neuer Durchgang in dem dem Kleingüteraufzug am nächsten gelegenen Teil des neu entstehenden, etwa 69 qm großen Saales geschaffen werden. Der Beteiligte, der Präsident der Oberpostdirektion N., beabsichtigt, diese Baumaßnahmen ausführen zu lassen.

Bei der Anhörung zu dieser Maßnahme schlug der Antragsteller, der Bezirkspersonalrat bei der Oberpostdirektion N., vor, die beiden Trennwände im Obergeschoß des Dienstgebäudes zu belassen, damit eine Trennung von Rauchern und Nichtrauchern sowie die Berücksichtigung persönlicher Spannungen unter den Beschäftigten möglich sei, ruhigere Arbeitsbedingungen, auch für Schwerbehinderte, bestünden und Gesundheitsschäden durch Zugluft vermieden werden könnten. Der Beteiligte lehnte diesen Vorschlag ab und stellte sich auf den Standpunkt, daß ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers nicht gegeben sei.

Der Antragsteller hat daraufhin das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt,

festzustellen, daß er bei der Gestaltung der Arbeitsplätze,

die infolge der Änderung der Arbeitsablauforganisation beim

Postamt H. in andere Räume verlegt werden sollen, gemäß

§ 75 Abs. 3 Nr.11 und 16 BPersVG zu beteiligen sei.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Die Beschwerde des Antragstellers gegen diesen Beschluß blieb ohne Erfolg. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs beruht im wesentlichen auf folgenden Erwägungen:

Ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers nach § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG bestehe nicht. Nach dieser Vorschrift komme es auf die vom Dienstherrn verfolgte Zielsetzung der Maßnahme an. Der Beteiligte beabsichtige hier jedoch keine Maßnahme des Arbeitsschutzes, denn der geplante Umbau des Dienstgebäudes diene gänzlich anderen Zielen. Daß der Personalrat aus Gründen des Arbeitsschutzes eine andere Gestaltung der Maßnahme wünsche, begründe die Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG nicht, zumal er gerade rüge, daß Gesichtspunkte des Arbeitsschutzes nicht berücksichtigt worden seien.

Indes sei der Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG, wonach der Personalrat bei der Gestaltung der Arbeitsplätze mitzubestimmen habe, an sich gegeben. Eine Gestaltung der Arbeitsplätze liege vor, wenn durch die Baumaßnahme der räumliche Bereich, in dem der Beschäftigte tätig werde, unmittelbar beeinflußt werde, gleichgültig, ob es sich um Licht-, Temperatur- oder sonstige Einflüsse der Umgebung auf den Arbeitsplatz handele. Soweit durch die Baumaßnahme ein leerer Raum gestaltet werde, betreffe sie einen künftigen Arbeitsplatz. Unter Berücksichtigung der Argumente des Antragstellers handele es sich hier nicht nur um einen Bagatellfall.

An der beabsichtigten Baumaßnahme bestehe jedoch auch ein Mitwirkungsrecht des Antragstellers nach § 78 BPersVG. Zwar werde nicht im Sinne des § 78 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG ein wesentlicher Teil der Dienststelle verlegt. Die Baumaßnahme führe jedoch zu einem Umbau von Diensträumen, zu dem der Personalrat gemäß § 78 Abs. 4 BPersVG anzuhören sei. Dieses Mitwirkungsrecht verdränge bei Vorliegen seiner Voraussetzungen die Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG, da es nicht auf die unterschiedliche Intensität der Beteiligungsrechte, sondern nur auf den Charakter des Mitwirkungsrechts nach § 78 Abs. 4 BPersVG als einer Sonderregelung gegenüber dem Mitbestimmungstatbestand nach § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG ankomme. Der Gesetzgeber habe in solchen Fällen der Personalvertretung keine stärkere Beteiligung als die Mitwirkung geben wollen, und zwar aus der in § 104 Satz 3 BPersVG zum Ausdruck kommenden Absicht, Baumaßnahmen mit möglicher erheblicher Auswirkung auf die organisatorische Gestaltung der Dienststelle der der Volksvertretung verantwortlichen Regierung nicht zu entziehen.

Gegen diesen Beschluß hat der Antragsteller die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er beantragt,

die Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom

19. Dezember 1984 und des Bayerischen Verwaltungsgerichts

Ansbach - Fachkammer für Personalvertretungsangelegenheiten

- vom 9. Juli 1984 aufzuheben und festzustellen, daß

ihm bei der Gestaltung der Arbeitsplätze infolge der Änderung

der Arbeitsablauforganisation beim Postamt H. ein

Mitbestimmungsrecht zusteht.

Er macht geltend, das Beschwerdegericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß eine Konkurrenz der Beteiligungsrechte nach § 75 Abs. 3 Nr. 16 und § 78 Abs. 4 BPersVG zugunsten des schwächeren Beteiligungsrechts zu lösen sei. Damit werde die gesetzliche Systematik hinsichtlich der Einflußmöglichkeiten der Personalvertretung durchbrochen. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle die Personalvertretung in allen Fällen, in denen der Tatbestand der Arbeitsplatzgestaltung vorliege, erzwingbaren Einfluß nehmen können. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Februar 1980 sei zu einem Landesgesetz ergangen, das sich in wörtlicher Formulierung und inhaltlicher Ausgestaltung der Beteiligungsrechte von dem Bundesgesetz wesentlich unterscheide. Außerdem könne dieser Entscheidung auch in der Begründung nicht gefolgt werden. Nach herkömmlichen juristischen Auslegungsregeln könne von einer Spezialvorschrift, die einer allgemeineren Vorschrift vorgehe, nur dann gesprochen werden, wenn sich dieses Spezialitätsverhältnis aus dem Wortlaut oder aus dem Sinn des Gesetzes unmittelbar ergebe. Das Gesetz zähle aber lediglich nebeneinander verschieden gestaltete Beteiligungsrechte auf, ohne daß sich daraus irgendein Anhaltspunkt für ein Konkurrenzverhältnis ergebe.

Gegen den angefochtenen Beschluß bestünden zudem Bedenken unter dem Gesichtspunkt des uneingeschränkt geltenden Grundsatzes der verfassungskonformen Gesetzesauslegung durch die Gerichte. Die Berufung des Verwaltungsgerichtshofs auf die Rahmenvorschrift des § 104 Satz 3 BPersVG könne nicht zur Rechtfertigung der vorgenommenen Auslegung dienen, da diese Vorschrift sich an den Landesgesetzgeber im Bereich des Personalvertretungsrechts richte, so daß sie nicht zur Auslegung des Bundesgesetzes selbst herangezogen werden könne. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, daß die in der genannten Vorschrift zum Ausdruck gekommene Absicht des Gesetzgebers von diesem selbst bei der näheren Ausgestaltung der verschiedenartigen Beteiligungsrechte im Bundespersonalvertretungsgesetz abschließend Berücksichtigung gefunden habe. Das Bundespersonalvertretungsgesetz sei das Ergebnis einer Abwägung zwischen der Funktionsfähigkeit der Verwaltung einerseits und den Mitbestimmungsrechten der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes andererseits. Es bleibe daher kein Raum, bei der Auslegung der einzelnen Beteiligungsrechte der Personalvertretung auf den einen dieser beiden Grundsätze zurückzugreifen.

Der Beteiligte beantragt,

die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, daß der Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG auf die Gestaltung neuer Arbeitsplätze nicht anwendbar sei. Auf jeden Fall sei aber eine Spezialität des § 78 Abs. 4 BPersVG gegenüber diesem Mitbestimmungstatbestand anzuerkennen. Bei der Planung und Durchführung von Neu-, Um- und Erweiterungsbauten von Diensträumen handele es sich um organisatorische Angelegenheiten, für die die Sperre des § 104 BPersVG gelte.

Der Oberbundesanwalt hat sich an dem Verfahren beteiligt. Auch er stimmt der Auffassung des Beschwerdegerichts zu, daß der Beteiligungstatbestand des § 78 Abs. 4 BPersVG bei Vorliegen seiner Voraussetzungen die Mitbestimmung aus § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG verdrängt. Die beabsichtigte bauliche Maßnahme falle jedoch nicht unter diese Vorschrift, weil sie nicht der Gestaltung von Arbeitsplätzen diene. Allein die theoretische Möglichkeit, daß sich die Abwicklung der Arbeit in anderen Räumen bei an sich gleichbleibenden Bedingungen etwas anders gestalten könne, mache die Maßnahme nicht mitbestimmungspflichtig.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist begründet. Die Vorinstanzen haben seinen Feststellungsantrag zu Unrecht abgelehnt. Die von den Beteiligten beabsichtigte bauliche Maßnahme unterliegt der Mitbestimmung des Personalrats nach § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG.

Dem Verwaltungsgerichtshof ist darin beizupflichten, daß die Maßnahme die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG erfüllt, wonach der Personalrat bei der "Gestaltung der Arbeitsplätze" mitzubestimmen hat. Nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats (vgl. BVerwGE 72, 94; 74, 28; Beschluß vom 25. August 1986 - BVerwG 6 P 16.84 - (Buchholz 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 46 = ZBR 1987, 60 = NJW 1987, 1658)) ist als Arbeitsplatz im Sinne dieser Vorschrift der räumliche Bereich anzusehen, in dem der Beschäftigte tätig ist, sowie dessen unmittelbare Umgebung. Die Mitbestimmungsvorschrift ist mithin auf alle innerhalb der Räumlichkeiten einer Dienststelle nach deren Aufteilung, der Untergliederung ihrer Räumlichkeiten oder der Zuordnung bestimmter Raumzonen zu einem Arbeitsgerät abgrenzbaren Bereiche anzuwenden, in denen von einem Beschäftigten oder mehreren Beschäftigten zugleich oder nacheinander einzelne Arbeitsschritte oder ineinandergreifende Arbeitsvorgänge geleistet werden. Gegenstand der Mitbestimmung des Personalrats ist die Ausgestaltung von - vorhandenen oder künftig einzurichtenden - Arbeitsplätzen, also insbesondere ihre räumliche Unterbringung, ihre Ausstattung mit Geräten und Einrichtungsgegenständen sowie ihre Beleuchtung und Belüftung, wobei einerseits die dort zu erledigenden Arbeiten, andererseits die Zielsetzung des Mitbestimmungstatbestandes, die Beschäftigten bei der Arbeit vor Gefährdungen und Überbeanspruchung zu schützen, zu berücksichtigen sind. Unbedeutende Umstellungen an einem Arbeitsplatz unterliegen jedoch nicht der Mitbestimmung, auch wenn sie von den dort tätigen Beschäftigten subjektiv als belastend empfunden werden.

Hiernach kann nicht zweifelhaft sein, daß durch die Verlegung der Briefzustellung des Postamtes H. in das Obergeschoß des Dienstgebäudes die Arbeitsplätze der dort tätigen Zusteller im Sinne des § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG gestaltet werden. Durch die Unterbringung der Zusteller, die das Verteilen von Briefen in Verteilfachwerke bislang in drei kleineren Räumen im Erdgeschoß des Gebäudes vornehmen, in einem einheitlichen, großflächigen Raum werden die Arbeitsbedingungen dieser Beschäftigten erheblich geändert. Das gilt schon deshalb, weil in einem großen Zustellersaal durch die Tätigkeit einer Mehrzahl von Beschäftigten notwendig größere Unruhe und damit stärkere Arbeitsgeräusche entstehen. Die Baumaßnahme erscheint somit unabhängig von dem damit verfolgten Zweck wegen ihrer Auswirkungen objektiv geeignet, das Wohlbefinden oder die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten zu beeinträchtigen, die in dem Zustellersaal eingesetzt werden sollen. Daß nach Angaben des Beteiligten die bisher in den Räumen im Erdgeschoß verwendeten Möbel des Zustellungsdienstes im zukünftigen Briefträgersaal wieder verwendet werden sollen und sich auch an der Arbeitsweise der Zusteller gegenüber dem bisherigen Zustand nichts ändern soll, ist dabei ohne Bedeutung.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts kann sich der Antragsteller auf das Mitbestimmungsrecht nach § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG berufen, auch wenn durch die beabsichtigte Maßnahme zugleich der Beteiligungstatbestand des § 78 Abs. 4 BPersVG (Anhörung des Personalrats bei Neu-, Um- und Erweiterungsbauten von Diensträumen) verwirklicht wird. Durch die Beseitigung der beiden Trennwände in den Räumen des Obergeschosses sowie das Zumauern von zwei Türöffnungen wird nämlich in die bauliche Substanz dieser Räume eingegriffen bzw. diese geändert. Auf den Umfang der Veränderung der baulichen Substanz kommt es nicht an. Der Beteiligte hatte demnach den Antragsteller zu dem Vorhaben anzuhören, was auch tatsächlich geschehen ist. Durch die Anhörung des Antragstellers gemäß § 78 Abs. 4 BPersVG ist jedoch sein Mitbestimmungsrecht nach § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG nicht verdrängt worden.

Wie der beschließende Senat in dem Beschluß vom 7. Februar 1980 - BVerwG 6 P 35.78 - (PersV 1980, 238 = ZBR 1981, 72) in einer nach dem Berliner Personalvertretungsgesetz zu beurteilenden Sache entschieden hat, geht zwar, wenn eine beabsichtigte Maßnahme mehrere Beteiligungstatbestände erfüllt, die unterschiedliche Beteiligungsrechte auslösen, das weniger weitgehende Beteiligungsrecht dem stärkeren vor, falls der Landesgesetzgeber unter Beachtung der rahmenrechtlichen Vorschrift des § 104 BPersVG nur diese schwächere Form der Beteiligung gewähren wollte. Zur Begründung hat der Senat darauf hingewiesen, daß das Berliner Personalvertretungsgesetz ebenso wie das Bundespersonalvertretungsgesetz und andere neue Landespersonalvertretungsgesetze mitbestimmungsfreundlich sei, indem der Gesetzgeber viele frühere Mitwirkungsrechte in Mitbestimmungstatbestände umgewandelt und damit das Mitbestimmungsrecht in sehr wesentlichem Umfang ausgedehnt habe. Mit der Erweiterung der Mitbestimmung der Personalvertretung sei der Gesetzgeber meist bis an die Grenzen gegangen, die in einem demokratischen Rechtsstaat von der Verfassung her einer Mitbestimmung im öffentlichen Dienst gezogen seien. Aus dieser Mitbestimmungsfreundlichkeit der Gesetze ergebe sich aber nicht der Rechtssatz, beim Zusammentreffen mehrerer Beteiligungstatbestände gehe das stärkere Beteiligungsrecht dem schwächeren vor, sondern es müsse aus dem Bestreben des Gesetzgebers vielmehr geschlossen werden, daß er sich nach sorgfältiger Prüfung bestimmter Tatbestände nicht in der Lage gesehen habe, sie der Mitbestimmung - auch nicht in einer eingeschränkten Form - zu unterwerfen. Diese Entscheidung hat in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend Zustimmung gefunden (vgl. VGH Mannheim, PersV 1985, 332; OVG Münster, RiA 1985, 263; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG 6. Aufl. 1986 § 75 RdNr. 192, § 104 RdNr. 9; Lorenzen/ Eckstein/Haas/Schmitt, BPersVG 4. Aufl. 1986, § 75 RdNr. 192; Fischer/Goeres in Fürst, GKÖD Band V/2 K vor § 66 RdNr. 17).

Dieser in dem Beschluß vom 7. Februar 1980 zur Konkurrenz von Beteiligungsrechten entwickelte Grundsatz ist, wenngleich die Entscheidung konkret auf bestimmte Vorschriften des Berliner Personalvertretungsgesetzes und deren Entstehungsgeschichte abstellt, auch in Mitbestimmungsangelegenheiten nach anderen Personalvertretungsgesetzen anzuwenden. Das gilt, obwohl sich die Rahmenvorschrift des § 104 BPersVG nur an die Landesgesetzgeber richtet und sich der Bundesgesetzgeber nicht ausdrücklich in gleicher Weise gebunden hat, auch für die Rechtslage nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz. Denn der Bundesgesetzgeber wollte, wie die Entstehungsgeschichte des § 104 BPersVG belegt, mit dieser rahmenrechtlichen Vorschrift "ein möglichst einheitliches Personalvertretungsrecht in Bund und Ländern ... erzielen" (BT-Drucks. VI/3721, S. 35/36 zu §§ 87 bis 99).

Das läuft entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht darauf hinaus, daß ein tatbestandsmäßig gegebenes Mitbestimmungsrecht immer dann nicht anerkannt werden kann, wenn zugleich ein schwächeres Beteiligungsrecht besteht. Die in den Personalvertretungsgesetzen geregelten Beteiligungsrechte der Personalvertretung sind vielmehr grundsätzlich nebeneinander gegeben, so daß beim Zusammentreffen verschiedenartiger Beteiligungsrechte der Personalrat regelmäßig in allen in Betracht kommenden Beteiligungsformen zu beteiligen ist. Ergibt sich jedoch aus dem Wortlaut, dem systematischen Zusammenhang oder der Entstehungsgeschichte von Beteiligungsvorschriften, daß der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen, deren über den Geltungsbereich des Bundespersonalvertretungsgesetzes hinausgehende rahmenrechtliche Geltung aus § 104 Satz 3 BPersVG folgt, das stärkere Beteiligungsrecht nicht gewähren wollte, kann sich der Personalrat im Mitbestimmungsverfahren nicht darauf berufen.

Die im Schrifttum (vgl. insbesondere Altvater/Bacher/Sabottig/ Schneider/Thiel, BPersVG, 2. Aufl., 1985 § 104 RdNr. 18) hiergegen im Hinblick auf den Wortlaut des § 104 Satz 3 BPersVG erhobenen rechtssystematischen Einwendungen greifen nicht durch. Gemäß § 104 Satz 3 BPersVG dürfen Entscheidungen, die wegen ihrer Auswirkungen auf das Gemeinwesen wesentlicher Bestandteil der Regierungsgewalt sind, insbesondere Entscheidungen in personellen Angelegenheiten der Beamten, über die Gestaltung von Lehrveranstaltungen und in organisatorischen Angelegenheiten, nicht den Stellen entzogen werden, die der Volksvertretung verantwortlich sind. Mit dieser Regelung hat der Bundesgesetzgeber dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 1959 - 2 BvF 2/58 - (BVerfGE 9, 268 (282)), in dem ausgesprochen ist, daß es Regierungsaufgaben gibt, die wegen ihrer politischen Tragweite nicht generell der Regierungsverantwortung entzogen und auf Stellen übertragen werden dürfen, die von der Regierung und vom Parlament unabhängig sind (vgl. BT-Drucks. VI/3721 S. 36), in dem rahmenrechtlich gebotenen Mindestmaß Rechnung getragen. § 104 Satz 3 BPersVG enthält deswegen zwar unmittelbar nur das an die Adresse des jeweiligen Landesgesetzgebers gerichtete Verbot, derartige Angelegenheiten einer verbindlichen Entscheidung der Einigungsstelle zu unterwerfen. Das schließt aber nicht aus, daß der Bundesgesetzgeber im Geltungsbereich des Bundespersonalvertretungsgesetzes oder ein Landesgesetzgeber in seinem Regelungsbereich über diese rahmenrechtliche Forderung hinaus auch bestimmte Angelegenheiten wegen ihrer politischen Tragweite überhaupt einer Mitbestimmung der Personalvertretung entzieht (vgl. BVerwGE 57, 168 (173); Beschluß vom 7. Februar 1980 (a.a.O.)).

Bei den in § 78 Abs. 4 BPersVG aufgezählten baulichen Maßnahmen hat sich der Gesetzgeber nicht in der Lage gesehen, der Personalvertretung ein stärkeres Beteiligungsrecht als ein Anhörungsrecht zu gewähren. Dies beruht ersichtlich auf dem Umstand, daß durch die Planung und Durchführung von Neu-, Um- oder Erweiterungsbauten von Diensträumen häufig auch organisatorische Vorstellungen der Dienststelle verwirklicht werden sollen, was erhebliche Auswirkungen auf die Aufgabenerfüllung der Dienststelle und damit auf die Funktionsfähigkeit der Verwaltung haben kann. Damit wäre es unvereinbar, wenn die Personalvertretung bei solchen baulichen Maßnahmen, die zugleich eine Entscheidung in organisatorischen Angelegenheiten enthalten, ein volles oder auch nur eingeschränktes Mitbestimmungsrecht hätte. Denn schon durch eine infolge der Durchführung eines Mitbestimmungsverfahrens eintretende Verzögerung könnten in diesen Fällen wichtige Belange der Allgemeinheit wie auch der Beschäftigten empfindlich beeinträchtigt werden; bei einem vollen Mitbestimmungsrecht des Personalrats müßte die Maßnahme sogar ganz unterbleiben (vgl. OVG Münster, RiA 1985, 263). Die Beteiligungsvorschrift des § 78 Abs. 4 BPersVG enthält somit entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht nur einen Auffangtatbestand; sie stellt vielmehr eine Sondervorschrift dar, die eine beabsichtigte Maßnahme in organisatorischen Angelegenheiten auch dann nur der Anhörung der Personalvertretung unterwirft, wenn sie gleichzeitig den Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG erfüllt. Andernfalls würde dem Anhörungsrecht des Personalrats nach § 78 Abs. 4 BPersVG und der in ihm zum Ausdruck kommenden Einschränkung der Beteiligungsbefugnis des Personalrats praktisch keine Bedeutung mehr zukommen, weil bei Baumaßnahmen an Diensträumen in der Regel auch die Arbeitsplätze der dort tätigen Beschäftigten gestaltet werden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber das beabsichtigt hätte.

Bei einer Konkurrenz mit dem Beteiligungsrecht nach § 78 Abs. 4 BPersVG ist somit die Anwendbarkeit der Mitbestimmungsvorschrift des § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG davon abhängig, ob mit der beabsichtigten Baumaßnahme auch organisatorische Ziele verfolgt werden. Zu den organisatorischen Angelegenheiten zählen nicht nur solche Maßnahmen, die sich auf die Organisation der Dienststelle selbst, also auf ihre Errichtung oder Gliederung, auswirken. Darunter können vielmehr auch arbeitsorganisatorische Maßnahmen fallen, die für den Ablauf des Dienstbetriebes und für die Art und Weise der Erledigung der der Dienststelle übertragenen Aufgaben von erheblicher Bedeutung sind (so auch Lorenzen/Eckstein/Haas/Schmitt, a.a.O. § 104 RdNr. 21; a.A. Altvater/Bacher/Sabottig/Schneider/Thiel, a.a.O. § 104 RdNr. 17). Das gilt insbesondere auch für Betriebsverwaltungen wie die Deutsche Bundespost, bei denen der Betriebsablauf zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben immer wieder sich ständig verändernden wirtschaftlichen und personellen Gegebenheiten angepaßt werden muß und deshalb stetigen Wandlungen unterliegt. Solche organisatorischen Maßnahmen können allerdings nur dann ein Mitbestimmungsrecht nach § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG verdrängen, wenn sie über den innerdienstlichen Bereich hinauswirken und auf die nach außen zu erfüllenden Aufgaben der Dienststelle in nicht nur unerheblicher Weise einwirken (vgl. zur Aufstellung eines Lehrerstundenplans: Beschluß vom 23. Dezember 1982 - BVerwG 6 P 36.79 - (Buchholz 238.31 § 79 LPVG BW Nr. 2 = ZBR 1983, 307).

Im vorliegenden Fall ist aufgrund der vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen zwar davon auszugehen, daß mit der beabsichtigten Maßnahme auch die Organisation der Briefzustellung im Postamt H. geändert werden soll. Denn die Maßnahme sieht die Beseitigung von zwei Trennwänden vor, so daß künftig die zu erledigenden Arbeiten, insbesondere die Sortierung der Briefe, in einem einheitlichen Zustellersaal ausgeführt werden müssen. In einem ungeteilten Dienstraum kann aber der Arbeitsablauf zweckmäßiger gestaltet werden. Der zeitliche Stand des Verteilgeschäftes und der sonstigen Vorbereitungsmaßnahmen für die Briefzustellung ist jeweils unmittelbar erkennbar, eine etwaige ungleichmäßige Auslastung der Briefzusteller kann sofort ausgeglichen werden. Den Feststellungen des Beschwerdegerichts läßt sich jedoch - anders als in der durch Beschluß vom 17. Juli 1987 - BVerwG 6 P 3.84 - entschiedenen Sache, die die Einrichtung einer neuen Gruppenvermittlungsstelle in einem Fernmeldedienstgebäude betraf - nicht entnehmen, daß die beabsichtigte Maßnahme über den innerdienstlichen Bereich hinaus auch Außenwirkung im Verhältnis zu den Postkunden haben soll. Jedenfalls liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß sich die Einrichtung eines ungeteilten Zustellersaals in dem Postamt erheblich auf die Aufgabenerfüllung selbst, also auf die Zuverlässigkeit und Schnelligkeit der Postzustellung, auswirken wird. Bei dieser Sachlage ist es nicht gerechtfertigt, das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers nach § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG gegenüber der Anhörung nach § 78 Abs. 4 BPersVG zurücktreten zu lassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 543822

Buchholz 250 § 75 BPersVG, Nr 50

BVerwGE 78, 47-54

BVerwGE, 47

NVwZ 1988, 442-442 (S)

CR 1987, 870-870 (ST)

DVBl 1987, 1170-1172 (LT1-2)

PersV 1989, 312-315 (LT)

Schütz BeamtR ES/D IV 1, Nr 33 (L)

ZfSH/SGB 1988, 259-259

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