Verfahrensgang

OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Entscheidung vom 18.11.1998; Aktenzeichen B 3 S 468/98)

VG Magdeburg (Entscheidung vom 02.09.1998; Aktenzeichen 7 K 427/98)

 

Tenor

Auf die Rechtswegbeschwerden der Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 und des Beigeladenen erhält der Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 2. September 1998 folgende Fassung:

Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.

Der Rechtsstreit wird an das Landgericht Berlin verwiesen.

Die Kosten des Rechtswegbeschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird für das Rechtswegbeschwerdeverfahren auf 55 145 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Senat hat über eine Rechtswegbeschwerde gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG zu entscheiden. Ausgangspunkt hierfür ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 2. September 1998, mit dem dieses eine einstweilige Anordnung im Streit der Beteiligten um die Rechtmäßigkeit einer Vergabeentscheidung nach den §§ 9 und 10 der Flächenerwerbsverordnung vom 20. Dezember 1995 (BGBl I S. 2072) getroffen hat. Mit Beschluss vom 18. November 1999 hat das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt die von ihm als isolierte Rechtswegbeschwerden gewerteten Beschwerden der Antragsgegnerinnen und des Beigeladenen in Ergänzung des Verwaltungsgerichtsbeschlusses zugelassen, sich selbst für die Entscheidung als sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit insoweit an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen. Dem Antrag des Antragstellers, das Zwischenverfahren nunmehr im Hinblick auf die gesetzliche Neufassung des § 6 Abs. 3 AusglLeistG für erledigt zu erklären, widersprechen die Rechtswegbeschwerdeführer.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Rechtswegbeschwerden sind zulässig.

Die auf die §§ 146 VwGO, 17 a Abs. 4 Satz 4 bis 6 GVG in Verbindung mit § 37 Abs. 2 Satz 3 VermG und § 6 Abs. 2 AusglLeistG gestützte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts entspricht der Rechtslage (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Dezember 1998 – BVerwG 8 B 125.98 – BVerwGE 108, 153).

1.1 Die an das Bundesverwaltungsgericht verwiesenen Rechtswegbeschwerden sind statthaft. Zwar gelten die Bestimmungen über das besondere Zwischenverfahren der Rechtswegverweisung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht unmittelbar. Dagegen spricht schon, dass der Wortlaut der §§ 17 bis 17 b GVG offensichtlich auf Klagen zugeschnitten ist (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 7. Mai 1993 – 11 TH 1563/92 – NJW 1994, 145). Sie finden jedoch gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit § 17 a GVG auf Eilverfahren analoge Anwendung, wie zu Recht vom überwiegenden Teil der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung angenommen wird (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 18. Juli 1995 – 3 TG 1929/95 – NJW 1996, 474; OVG Weimar, Beschluss vom 30. Januar 1996 – 2 EQ 497/95 – NVwZ-RR 1997, 138; OVG Berlin, Beschluss vom 21. Februar 1992 – 4 S 38/91/4 M 17/91 –, NVwZ 1992, 685; VGH Mannheim, Beschluss vom 15. Februar 1993 – 10 S 329/93 – NJW 1993, 2194; VGH München, Beschluss vom 5. Mai 1993 – 4 CE 93.464 – NVwZ-RR 1993, 668; OVG Münster, Beschluss vom 7. Juli 1993 – 22 B 1409/93 – NVwZ 1994, 178; OVG Schleswig, Beschluss vom 16. März 1993 – 3 M 11/93 – NVwZ-RR 1993, 670; OVG Bremen, Beschluss vom 28. März 1995 – 1 B 75/94 – NVwZ 1995, 793; anderer Ansicht OVG Koblenz, Beschluss vom 1. September 1992 – 7 E 11459/92 – NVwZ 1993, 381). Der Einwand, das besondere Zwischenverfahren der Rechtswegverweisung sei auf das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren nicht übertragbar, weil es zu Verzögerungen führen könne (vgl. OVG Koblenz, a.a.O.), ist nicht berechtigt. Bei Ausschluss einer Verweisungsmöglichkeit von Rechtsweg zu Rechtsweg im einstweiligen Rechtsschutzverfahren wäre ein negativer Kompetenzkonflikt nicht auszuschließen, der den betreffenden Antragsteller rechtsschutzlos stellen könnte (vgl. OVG Münster, a.a.O.). Die Vorabklärung des Rechtsweges dient vor allem auch der Zügigkeit des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, weil die anschließende Entscheidung in der Sache auch im Hinblick auf einen etwaigen weiteren Instanzenzug nicht mehr mit Rechtswegerwägungen belastet werden kann.

1.2 Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen ebenfalls vor. Insbesondere sind die Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 entgegen der Ansicht des Antragstellers beschwerdeberechtigt. Sie haben die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg ausdrücklich unter Hinweis auf § 17 a Abs. 3 Satz 3 GVG gerügt. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 hätten bereits vorab auf die Rügemöglichkeit verzichtet, ist mit dem sich aus den Akten ergebenden Gang des Verfahrens nicht zu vereinbaren. Aus der vom Kammervorsitzenden angedeuteten Möglichkeit einer Verweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit und dem hierzu erklärten Einverständnis der Antragsgegnerinnen konnte nicht auf einen Verzicht auf die Rechtswegrüge geschlossen werden.

1.3 Der Zwischenstreit ist entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht durch Art. 3 Nr. 4 Buchst. b) Vermögensrechtsergänzungsgesetz vom 15. September 2000 (BGBl I S. 1382 f.) als in der Hauptsache erledigt anzusehen. Die Antragsgegnerinnen widersprechen einer Erledigung des Zwischenverfahrens zu Recht. Zwar hat der Gesetzgeber dort durch Anfügung von Absatz 3 in § 6 AusglLeistG nunmehr eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung an die ordentlichen Gerichte im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO ausgesprochen. Die in diesem Zwischenverfahren streitgegenständliche Frage, ob das Verwaltungsgericht Magdeburg im Eilverfahren 1998 die richtige Rechtswegentscheidung getroffen hat, ist damit aber weder direkt beantwortet (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG) noch ist ihre Beantwortung wegen der Auswirkung auf das Eilverfahren überflüssig geworden.

2. Die Rechtswegbeschwerden sind begründet. Für das vom Antragsteller angestrengte Eilverfahren war der Verwaltungsrechtsweg von Anfang an unzulässig. Der Rechtsstreit gehört vor die ordentlichen Gerichte.

2.1 Wie bereits gesagt, folgt die Unzulässigkeit des Verwaltungsgerichtsweges in dem hier anhängigen Rechtsstreit nicht aus der nunmehr bestehenden ausdrücklichen bundesgesetzlichen Rechtswegzuweisung in § 6 Abs. 3 AusglLeistG. Dem steht der gemäß § 173 VwGO analog heranzuziehende Perpetuierungsgrundsatz des § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG entgegen, nach dem die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt wird (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1991 – KZR 26/89 – NJW 1991, 2963 ≪2964≫; Kissel, GVG-Kommentar, 2. Aufl., Rn. 9 zu § 17; Albers in: Baumbach/Lauterbach, Kommentar, Rn. 3 zu § 17 GVG). Der Verwaltungsrechtsweg ist für das von dem Antragsteller angestrengte Eilverfahren vielmehr deshalb unzulässig, weil es sich bei dem im Zusammenhang mit der Regelung des § 3 AusglLeistG über den Flächenerwerb stehenden Rechtsstreit nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO handelt.

2.2 Ob ein Rechtsanspruch als öffentlich-rechtlich oder als privatrechtlich zu beurteilen ist, richtet sich nach der Natur des behaupteten Rechtsverhältnisses, aus dem er hergeleitet wird. Ansprüche sind öffentlich-rechtlich, wenn sie sich als Folge eines Sachverhaltes darstellen, der nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die öffentliche Verwaltung die ihr anvertrauten öffentlichen Aufgaben, wenn und soweit keine öffentlich-rechtlichen Normen oder Rechtsgrundsätze entgegenstehen, auch in der Form und mit Mitteln des Privatrechts erfüllen kann. Von der öffentlichen Aufgabe darf deswegen nicht ohne weiteres auf den öffentlich-rechtlichen Charakter ihrer Ausführung geschlossen werden. Entscheidend ist vielmehr, ob sich das öffentliche Recht auch der Ausführung der Verwaltungsaufgabe angenommen hat, also den Verwaltungsvollzug ausschlaggebend prägt (stRspr; vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 18. Oktober 1993 – BVerwG 5 B 26.93BVerwGE 94, 229 ≪231/332≫; Urteil vom 19. April 1994 – BVerwG 5 C 33.91 – BVerwGE 96, 71 ≪73/74≫). Das ist bei den hier in Rede stehenden Vergabeentscheidungen nicht der Fall. Die vom Antragsteller geäußerte Vermutung, die Bundesregierung gehe selbst davon aus, dass die Vergabeentscheidung nach § 3 AusglLeistG hoheitlicher Natur sei, hat sich nicht bestätigt. Nach der Begründung des Entwurfs des Vermögensrechtsänderungsgesetzes versteht die Bundesregierung die von ihr vorgeschlagene – nunmehr Gesetz gewordene – Rechtswegbestimmung lediglich als Klarstellung (BTDrucks 14/1932, S. 17).

In den von den Antragsgegnerinnen zu 1 und 2 vorgelegten – den Beteiligten bekannten – Rechtsgutachten von Weihreuter vom September 1993, Dezember 1994 und August 1997 wird zu Recht darauf hingewiesen, dass der letzte Schritt der Privatisierung hier unzweifelhaft ein zivilrechtliches Geschäft ist. Das ist seit In-Kraft-Treten der Flächenerwerbsverordnung auch ausdrücklich festgelegt. § 11 Satz 2 Flächenerwerbsverordnung bestimmt, dass für den Abschluss des Kaufvertrages zwischen der Antragsgegnerin zu 2 und dem begünstigten Bewerber die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts gelten. Eine öffentlich-rechtliche Einordnung des Gesamtvorgangs lässt sich auch nicht durch Heranziehung der so genannten Zweistufentheorie erreichen. Diese setzt eine etwaige Mehrphasigkeit der Aufgabenwahrnehmung durch die Verwaltung sowie die Inanspruchnahme von Sonderrecht des Staates bei der exekutiven Grundentscheidung voraus. Der Normgeber hat die in Rede stehenden Vergabeentscheidungen aber gerade nicht in einem am Verwaltungsverfahrensrecht orientierten Behördenverfahren, sondern nach den Regeln des Zivilrechts treffen lassen wollen. Hierfür spricht nicht nur die bereits erwähnte Auffassung der Bundesregierung zur Klarstellung des Rechtsweges, sondern auch die die Schaffung eines speziellen EALG-Beirates betreffende Regelung. Wäre die Vergabeentscheidung als Verwaltungsakt zu verstehen, so hätte der Verordnungsgeber eine Regelung darüber treffen müssen, wie sich das im Fall eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses zwingend erforderliche Vorverfahren nach §§ 68 f. VwGO zu der Anrufung und der Entscheidung des EALG-Beirates nach den Regelungen des § 10 Abs. 3 und 4 Flächenerwerbsverordnung verhalten solle. Dass es an einer solchen Regelung fehlt, spricht deshalb dafür, dass der Verordnungsgeber die Anrufung des Beirates als eine Art Ersatz für die Möglichkeit eines Widerspruchs im Sinne der §§ 68 f. VwGO verstanden hat, dieses von ihm geschaffene „Kontrollverfahren” aber gerade nicht mit der Qualität eines förmlichen Widerspruchsverfahrens hat ausstatten wollen. Rechtliche Bedenken gegen diese Ausgestaltung sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass der Verordnungsgeber mit den von ihm erlassenen Regelungen über das Verfahren vor dem Beirat seine Rechtssetzungskompetenz überschritten haben könnte. Denn auch die Verordnungsermächtigung in § 4 Abs. 3 AusglLeistG erwähnt die Möglichkeit der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens neben dem Verfahren vor dem EALG-Beirat nicht.

3. Der Rechtsstreit ist hiernach an das im Zivilrechtsweg sachlich und örtlich zuständige Landgericht Berlin zu verweisen (§§ 937 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 71 Abs. 1, § 23 Nr. 1 GVG, § 17 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung über die Kosten des Rechtswegbeschwerdeverfahrens beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung (ein Drittel des Hauptsachestreitwertes) auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Prof. Dr. Driehaus, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel

 

Fundstellen

Dokument-Index HI544075

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