Entscheidungsstichwort (Thema)

Richterliche Hinweise und Besorgnis der Befangenheit

 

Leitsatz (amtlich)

Richterliche Hinweise und Anregungen sind Aufgabe des Richters und rechtfertigen grundsätzlich keine Befangenheitsablehnung. Dies gilt auch dann, wenn hierdurch die Prozesschancen einer Partei verringert werden. Jedoch darf sich das Gericht nicht durch Empfehlungen zur Fehlerbehebung zum Berater der Behörde machen.

 

Normenkette

VwGO § 54 Abs. 1, §§ 86, 87 Abs. 1 S. 1; ZPO § 42 Abs. 2; UmwRG § 4 Abs. 1b S. 2

 

Gründe

Rz. 1

Die Anträge auf Ablehnung der Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. B. und des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht Dr. B. wegen Besorgnis der Befangenheit, über die gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO ohne die Mitwirkung der abgelehnten Richter zu entscheiden ist, haben keinen Erfolg.

Rz. 2

Nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen, nicht dagegen, dass der Richter tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Es genügt, wenn vom Standpunkt eines Beteiligten aus gesehen hinreichend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Kriterium für die Unparteilichkeit des Richters ist die Gleichbehandlung der Parteien. Der Ablehnung setzt er sich aus, wenn er, ohne Stütze im Verfahrensrecht, die Äquidistanz zu den Parteien aufgibt und sich zum Berater einer Seite macht (BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2003 - V ZB 22/03 - BGHZ 156, 269 ≪270≫). Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen zur Ablehnung nicht aus (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 182/09 - BVerfGK 15, 111 ≪114≫; BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1975 - 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36 ≪38 f.≫ und Beschluss vom 12. September 2012 - 2 AV 11.12 u.a. - juris Rn. 4 f., jeweils m.w.N.).

Rz. 3

Bei Anwendung dieses Maßstabs ist die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter nicht begründet.

Rz. 4

1. Der Vorwurf des Antragstellers, das Hinweisschreiben der Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. B. vom 14. September 2017 beinhalte eine rechtliche Beratung des Beklagten einschließlich einer konkreten "Bedienungsanleitung" zur Fehlerbehebung im ergänzenden Verfahren und ziele auf eine Schmälerung der Erfolgsaussichten der Klage, ist objektiv nicht geeignet, an der Unparteilichkeit der Richterin zu zweifeln.

Rz. 5

a) Mit dem vorgenannten Schreiben wurde der Beklagte darauf hingewiesen, die Erstellung eines bislang fehlenden wasserrechtlichen Fachbeitrags zur Beurteilung einer möglichen Verschlechterung oder Gefährdung des Zustands der von dem Vorhaben betroffenen Wasserkörper könne sinnvoll sein, werfe allerdings die Frage der Notwendigkeit einer erneuten Öffentlichkeitsbeurteilung auf. Darüber hinaus wies das Schreiben darauf hin, es gebe zwar für die wasserrechtliche Prüfung noch keine anerkannte Standardmethode, jedoch lägen erste - konkret benannte - Leitfäden hierfür vor. Bei nachträglicher Vorlage eines Fachbeitrags müsse der Beklagte darauf achten, dass sich dieser auch auf das Grundwasser beziehe und sich zur Prüfung kleinerer, nicht berichtspflichtiger Gewässer verhalte. Darüber hinaus werde um nähere Darlegungen zum Versickerungskonzept gebeten; hierzu sei wahrscheinlich die Vorlage einer ergänzenden Stellungnahme der Wasserbehörde sinnvoll.

Rz. 6

b) Richterliche Hinweise und Anregungen sind Aufgabe des Richters und rechtfertigen grundsätzlich keine Befangenheitsablehnung (BVerwG, Beschluss vom 8. September 2010 - 8 B 54.10 - juris Rn. 4; Czybulka, Kluckert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 54 Rn. 72) (aa). Dies gilt auch dann, wenn hierdurch die Prozesschancen einer Partei verringert werden (vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 42 Rn. 26 m.w.N.) (bb). Jedoch darf sich das Gericht nicht durch Empfehlungen zur Fehlerbehebung zum Berater der Behörde machen (cc).

Rz. 7

aa) Der Grundsatz der Amtsermittlung (§ 86 VwGO) verpflichtet das Gericht, den Sachverhalt unter Heranziehung der Beteiligten von Amts wegen zu erforschen. Es ist hierbei nicht an das Vorbringen der Beteiligten gebunden, sondern kann seiner Entscheidung auch tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte zugrunde legen, welche die Beteiligten selbst nicht zum Gegenstand ihres Vortrags gemacht haben. Zur Vermeidung von Überraschungsentscheidungen ist das Gericht verpflichtet, hierauf vorab hinzuweisen. Der Amtsermittlungsgrundsatz wird ergänzt durch den Konzentrationsgrundsatz, der darauf abzielt und die Gerichte dazu anhält, einen Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen (§ 87 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Diesem im Interesse aller Beteiligten sowie des Gerichts liegenden Zweck dienen die in §§ 86, 87 VwGO konkretisierten Hinweis- und Aufklärungspflichten (vgl. Rixen, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 86 Rn. 120, 125). Der Vorsitzende und der Berichterstatter können bzw. müssen daher die Beteiligten frühzeitig zur Stellungnahme auch bezüglich solcher rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte anhalten, die zwar nach deren bisherigen Vortrag nicht oder nur in Teilen Gegenstand des Verfahrens waren, die jedoch zu den aufgeworfenen Fragen in einem derartigen Zusammenhang stehen, dass ihnen Bedeutung für die Entscheidung des Verfahrens zukommen kann und daher eine - wenngleich unter Umständen nur vorsorgliche - Stellungnahme aller Beteiligten hierzu angezeigt ist, um die Erledigung in einem Termin zu gewährleisten. Dies schließt die Möglichkeit ein, die Beteiligten im vorbereitenden Verfahren wie auch in der mündlichen Verhandlung im Rahmen einer vorläufigen Bewertung des bisherigen Sach- und Streitstandes auf die aus Sicht des Gerichts maßgeblichen Gesichtspunkte und Bedenken hinzuweisen. Derartige Hinweise sind besonders im Interesse der Beteiligten, weil sie ihnen ermöglichen, hierauf in ihrer Argumentation, aber auch prozessual - etwa durch Klaglosstellung mittels Aufhebung der angefochtenen Entscheidung oder durch verfahrensbeendende Erklärungen - zu reagieren.

Rz. 8

bb) Die Entscheidung des Gesetzgebers, noch während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens fehlerhafte Verfahrenshandlungen nachholen (§ 45 Abs. 2 VwVfG), Ermessenserwägungen ergänzen (§ 114 Satz 2 VwGO) und zur Heilung von Verfahrensfehlern das gerichtliche Verfahren auf Antrag aussetzen zu können (§ 4 Abs. 1b Satz 3 UmwRG) sowie der das Planfeststellungsrecht prägende Grundsatz der Planerhaltung (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Dezember 2011 - 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 ≪Rn. 34≫ und vom 17. Januar 2007 - 9 C 1.06 - BVerwGE 128, 76 ≪Rn. 12≫) einschließlich der Möglichkeit zur Fehlerbehebung durch Planergänzung oder ergänzendes Verfahren (§ 4 Abs. 1b UmwRG, § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG) können dazu führen, dass Planfeststellungsbehörden klägerischen, aber auch gerichtlichen Hinweisen Rechnung tragen und so eine zunächst begründete Klage letztlich keinen Erfolg hat. Der Umstand, dass ein Beteiligter aus der den Verwaltungsprozess aufgrund der vorgenannten (aa) Grundsätze prägenden Offenheit des Rechtsgesprächs - die nicht auf die mündliche Verhandlung beschränkt ist, sondern sich in Form von richterlichen Hinweisen auch auf deren Vorfeld erstreckt - möglicherweise Schlussfolgerungen zieht, zwingt die Verwaltungsgerichte indes nicht dazu, in Abkehr von dieser Offenheit nur noch "verdeckt" zu verhandeln. Dies gilt auch deshalb, weil der Kläger einer erst im Prozess erfolgenden Heilung durch die Abgabe einer Erledigungserklärung Rechnung tragen und so eine ihm nachteilige Kostenfolge abwenden kann. Die Abwägung, ob er seine Klage stattdessen, gestützt auf weitere Kritikpunkte, aufrechterhält, erfordert zwar eine Neubewertung seiner Erfolgsaussichten, sie geht damit aber nicht über die klägerseits in jedem Verfahren ohnehin erforderliche Abschätzung des Prozessrisikos hinaus.

Rz. 9

cc) Misst der Gesetzgeber der Möglichkeit, Fehler der Planfeststellung im Prozess zu heilen, großes Gewicht bei, so gebieten insbesondere die verfassungsrechtlichen Grundsätze des fairen Verfahrens, der Waffengleichheit, der richterlichen Neutralität, des (einen effektiven Rechtsschutz einschließenden) Rechtsstaatsgebots und des Gewaltenteilungsprinzips gleichwohl eine Zurückhaltung der Gerichte bei der Mitwirkung hieran (vgl. Czybulka, Kluckert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 54 Rn. 72; eine "rechtsstaatlich bewusste Handhabung" anmahnend auch Rennert, in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 94 Rn. 11). Wenngleich sich das Prinzip richterlicher Unparteilichkeit an den Grundwerten der Verfassung orientiert und daher unter dem Blickpunkt materialer, wertorientierter Gerechtigkeit seine Grenze in dem Gebot sachgerechter Entscheidung findet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 1976 - 2 BvR 804/75 - BVerfGE 42, 64 ≪78≫), rechtfertigt es dieser Gesichtspunkt nicht, den Verwaltungsgerichten die Funktion eines "Reparaturbetriebs" der Verwaltung zuzuweisen. Richterliche Hinweise auf eine für erforderlich erachtete Substantiierung des Vortrags nur zugunsten eines Beteiligten, das Aufzeigen von für die Verwaltung günstigen Gestaltungsmöglichkeiten oder eine zielgerichtete Initiierung von Verfahren zur Fehlerheilung gehen daher - vorbehaltlich der Umstände des Einzelfalls - über die vorgenannten verfassungsrechtlichen Grenzen hinaus. Sie können folglich grundsätzlich geeignet sein, die Besorgnis einer ungleichen Distanz zu den Beteiligten und damit einer Befangenheit zu begründen.

Rz. 10

Insofern ist auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die vormals in § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 VwGO vorgesehene Möglichkeit des Vorsitzenden und des Berichterstatters, der Verwaltungsbehörde im vorbereitenden Verfahren die Gelegenheit zur Heilung von Verfahrens- und Formfehlern zu geben (zur Kritik hieran gerade im Hinblick auf die richterliche Neutralität vgl. Hüttenbrink/Kuhla, DVBl. 1996, 717 ≪718≫; Berkemann, DVBl. 1998, 446 ≪448≫; Beckmann, NVwZ 1998, 146 ≪147≫; Geiger, in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 87 Rn. 13), mit dem Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3987) aufgrund fehlender Bewährung in der Praxis aufgehoben hat (BT-Drucks. 14/7474 S. 15).

Rz. 11

Eine auf die behördliche Heilung von Rechtsverstößen zielende Initiative des Gerichts findet danach auch im einfachen Recht keine Stütze (mehr). Stattdessen sieht nunmehr § 4 Abs. 1b Satz 2 UmwRG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2069) vor, dass das Gericht (nur) auf Antrag anordnen kann, die Verhandlung zur Heilung von Verfahrensfehlern auszusetzen. Dabei hat sich der Gesetzgeber bewusst gegen den weitergehenden Vorschlag des Bundesrats (BT-Drucks. 18/6288 S. 2) entschieden, dem Gericht die Möglichkeit einzuräumen, das Verfahren aus eigener Initiative bis zur Nachholung erforderlicher Handlungen im Sinne von § 4 Abs. 1 und 1a UmwRG auszusetzen (vgl. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, BT-Drucks. 18/6385 S. 2). Eine solche Zurückhaltung ist zudem geeignet, einer rechtsstaatlich verfehlten Verwaltungspraxis entgegenzuwirken, Einwänden von Betroffenen und anerkannten Vereinigungen erst dann und nur in dem Maße nachzugehen, in dem das Gericht Bedenken an der Rechtmäßigkeit zu erkennen gibt.

Rz. 12

c) Gemessen an der vorstehend beschriebenen Unterscheidung zwischen Hinweisen auf für das Verfahren maßgebliche rechtliche und tatsächliche Gesichtspunkte einerseits und einer Initiierung von Verfahren zur Fehlerheilung andererseits begegnet das - an beide Beteiligte gerichtete - Schreiben der Berichterstatterin vom 14. September 2017 keinen rechtlichen Bedenken. Es initiiert weder eine Fehlerheilung durch den Beklagten noch bevorzugt es diesen sonst einseitig. Vielmehr dient es dazu, die entscheidungsrelevanten Tatsachen und Rechtsfragen so aufzubereiten, dass das Gericht den Rechtsstreit auf der Grundlage nur einer mündlichen Verhandlung entscheiden kann.

Rz. 13

Insofern darf das vorgenannte Schreiben nicht isoliert betrachtet, sondern muss insbesondere vor dem Hintergrund der Klageerwiderung vom 10. März 2017 gesehen werden. Darin hat der Beklagte, allerdings ohne Darlegung der derzeitigen und der nach der Durchführung des Vorhabens zu erwartenden Bewertung der einzelnen Qualitätskomponenten (zum diesbezüglichen Maßstab des Verschlechterungsverbots vgl. EuGH, Urteil vom 1. Juli 2015 - C-461/13 [ECLI:EU:C:2015:433] - Rn. 70), geltend gemacht, die Einhaltung der wasserrechtlichen Vorgaben sei entgegen dem klägerischen Vorbringen bereits vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses geprüft worden. Zwar sei dies nur teilweise in den planfestgestellten Unterlagen dokumentiert, jedoch bedürfe es keines gesonderten wasserwirtschaftlichen Fachbeitrags.

Rz. 14

Die Frage, ob die letztgenannte Annahme zutrifft, lässt das von den Klägern gerügte Schreiben der Berichterstatterin ausdrücklich offen. Es führt stattdessen aus, die Erstellung eines solchen Beitrags könne jedenfalls zur Arbeitserleichterung für den Senat sinnvoll sein. Der Beklagte wird somit nicht aufgefordert, eine versäumte wasserrechtliche Prüfung nachzuholen, sondern die von ihm als vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses durchgeführt behaupteten Untersuchungen in einer Weise darzulegen, die eine Überprüfung durch das Gericht - und damit auch eine inhaltliche Auseinandersetzung der Kläger mit den Untersuchungen - ermöglicht.

Rz. 15

Zu der Frage, ob ein solcher Fachbeitrag eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung erfordert, verhält sich das Schreiben ebenfalls nicht; es weist lediglich auf den - selbstverständlichen - Umstand hin, dass diese Frage vom Senat ggfs. zu entscheiden sei und ein etwaiger Fachbeitrag daher so rechtzeitig erstellt werden müsse, dass die Kläger ausreichend Zeit zur Stellungnahme hätten. Eine Anregung oder gar Anleitung für eine Auslegung enthält das Schreiben folglich nicht.

Rz. 16

Die weiteren Hinweise auf die Prüfung der Auswirkungen auf das Grundwasser sowie kleinere Gewässer tragen ebenfalls dem Umstand Rechnung, dass der Beklagte auch insoweit einerseits eine vorherige umfassende wasserrechtliche Prüfung behauptet, diese jedoch bislang nur in nicht konkret überprüfbarer Weise dargelegt hat. Insoweit berücksichtigt das Hinweisschreiben insbesondere, dass für den Fall, dass der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses nicht schon das Fehlen eines gesonderten wasserrechtlichen Fachbeitrags entgegensteht, es darauf ankommt, ob die durchgeführte wasserrechtliche Prüfung den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie und des Wasserhaushaltsgesetzes genügt. Um dieser Frage in der mündlichen Verhandlung abschließend nachgehen zu können, bedarf es jedoch - auch, damit die Kläger vorab umfassend Stellung nehmen können - der vorherigen Darlegung, welche Prüfungen mit welchen Ergebnissen durchgeführt wurden. Dies schließt die (wechselseitige) Stellungnahme zu rechtlichen Fragen wie derjenigen ein, ob und wie das Verschlechterungsverbot auf kleinere Gewässer Anwendung findet (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - BVerwGE 156, 215 Rn. 99 ff.). Soweit der Senat in seinem vorgenannten Urteil ausgeführt hat, in dem zugrundeliegenden "Standardfall" einer Straßenentwässerung bedürfe es keiner konkreten Zahlenangaben zur Untermauerung der Annahme, das Verschlechterungsverbot werde nicht verletzt, ist die Übertragung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall wegen dessen auch im Schreiben der Berichterstatterin hervorgehobenen wasserrechtlichen Besonderheiten (Wasserschutzzone III, Hausbrunnen in Trassennähe, hoher Grundwasserstand) zumindest fraglich.

Rz. 17

Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der Vielzahl der auch nach dem Urteil des EuGH vom 1. Juli 2015 (Rs. C-461/13) noch offenen fachlichen und rechtlichen Fragen zum wasserrechtlichen Verschlechterungsverbot erklärt sich schließlich auch der vorsorgliche Hinweis auf drei Leitfäden zur Prüfung des Verschlechterungsverbots nicht als einseitige Bevorzugung des Beklagten, sondern - anknüpfend an den Einwand des Beklagten, es gebe keine anerkannte Standardmethode zur Bewertung vorhabenbedingter wasserrechtlicher Auswirkungen - als an beide Parteien gerichteter Hinweis auf zwischenzeitlich vorliegende, in Betracht kommende Bewertungsmaßstäbe und -methoden.

Rz. 18

Die abschließende Aufforderung, zu den Einwänden der Kläger gegen das Versickerungskonzept Stellung zu nehmen, hält sich offenkundig innerhalb des Rahmens verwaltungsrichterlicher Aufklärungspflichten nach §§ 86, 87 VwGO. Hierin liegt auch deshalb kein nur einseitiger Hinweis zur Substantiierung des Vortrags, weil die Berichterstatterin in dem Schreiben vom 14. September 2017 auch die Kläger auf eine etwaige Ergänzungsbedürftigkeit ihres Vortrags hingewiesen und ihnen hierdurch Gelegenheit gegeben hat, den Inhalt der bislang nur pauschal in Bezug genommenen Anlagenkonvolute zum Gegenstand auch des Klageverfahrens zu machen. Dass die Kläger diesen Hinweis als nicht notwendig erachten, steht dem nicht entgegen. Zudem enthält das Schreiben weitere Hinweise zugunsten der Kläger.

Rz. 19

2. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass die vorherige Kenntnisnahme des Schreibens der Berichterstatterin durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. B. nicht die Besorgnis von dessen Befangenheit begründet.

Rz. 20

3. Da das vorgenannte Schreiben keine konkreten Hinweise zur Heilung umweltrechtlicher Mängel enthält, war der Anregung der Kläger, dem Europäischen Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung die Frage vorzulegen, ob Art. 11 UVP-RL einer Auslegung und Anwendung des nationalen Prozessrechts dahingehend entgegensteht, dass ein Gericht einer Zulassungsbehörde derartige Hinweise erteilt, nicht nachzukommen.

Rz. 21

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 146 Abs. 2 VwGO).

 

Fundstellen

NJW 2017, 10

DRiZ 2018, 34

AnwBl 2018, 46

DÖV 2018, 84

JZ 2018, 274

JZ 2018, 40

LKV 2017, 556

VR 2018, 144

UPR 2018, 188

UPR 2018, 66

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