Verfahrensgang

Niedersächsisches OVG (Urteil vom 13.12.2001; Aktenzeichen 8 LB 3551/01)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 449,62 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimisst.

Der anhängige Rechtsstreit würde dem Senat keine Gelegenheit bieten, näher zu klären, was im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG unter einer „Begründung” zu verstehen ist. In dieser Allgemeinheit formuliert erweist sich die Frage als nicht klärungsbedürftig. § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG knüpft an § 39 Abs. 1 VwVfG an. Danach ist ein schriftlicher Verwaltungsakt schriftlich zu begründen (Satz 1). In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben (Satz 2). Der Kläger stellt selbst nicht in Abrede, dass es sich bei der in § 39 Abs. 1 VwVfG angeordneten Begründungspflicht um ein Verfahrenserfordernis handelt. Er übersieht, dass sich die in dieser Vorschrift getroffene Regelung jeglicher Aussage dazu enthält, ob nicht ggf. ein weitergehender Begründungszwang besteht. § 39 Abs. 1 VwVfG misst sich keine abschließende Geltung bei. Normieren sonstige Rechtsvorschriften des Bundes strengere Anforderungen, so gehen sie, wie aus § 1 Abs. 2 Satz 1 VwVfG zu ersehen ist, der allgemeinen Regelung vor. Um dies klarzustellen, bedürfte es nicht eigens der Durchführung eines Revisionsverfahrens.

Der Kläger lässt im Übrigen außer Acht, dass für die von ihm erstrebte revisionsgerichtliche Klärung auch unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten kein Raum ist. Anhand des § 48 Abs. 3 Satz 3 NNatschG wirft er die Frage auf, wonach sich bestimmt, ob eine Regelung Anforderungen an die Begründung des Verwaltungsakts stellt oder materiellrechtlichen Gehalt hat. Nach der von ihm genannten Vorschrift ist bei der Ausübung des Vorkaufsrechts durch Verwaltungsakt der Zweck näher anzugeben, zu dem das Grundstück verwendet werden soll. Das Berufungsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass § 48 Abs. 3 Satz 3 NNatschG nicht dem materiellen Recht, sondern dem Verfahrensrecht zuzuordnen ist, das die Art und Weise des Verwaltungshandelns regelt. An diese Auffassung wäre der Senat in dem erstrebten Revisionsverfahren gebunden. Denn es geht um die Auslegung irrevisiblen Rechts. Der Kläger räumt ein, dass § 48 Abs. 3 Satz 3 NNatschG dem Landesrecht angehört. Er geht indes fehl in der Annahme, dass sich die Frage, ob die Pflicht, den Verwendungszweck näher anzugeben, Teil des Begründungszwangs ist oder nicht, von § 39 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG her beantworten lässt, die nach § 1 Abs. 1 VwVfG auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden des Landes, der Gemeinden, der Landkreise und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gelten und deshalb nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisibel sind. Ob bei Ausübung des Vorkaufsrechts die Begründungspflicht mehr umfasst als die nach § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG unabdingbare Angabe, warum die Behörde von dem ihr in § 48 Abs. 1 Satz 1 NNatschG eingeräumten Recht Gebrauch gemacht hat, richtet sich nach § 1 Abs. 1 Satz 2 NVwVfG. Danach findet das Verwaltungsverfahrensgesetz nur Anwendung, soweit nicht Rechtsvorschriften des Landes abweichende Regelungen enthalten. Geht der Landesgesetzgeber in einem Bereich, in dem er regelungsbefugt ist, über die Anforderungen des § 39 Abs. 1 VwVfG hinaus, so ist § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO auf diesen Normbefehl nicht anwendbar. Die vom Kläger hierzu aufgeworfene Frage ist mangels Revisibilität einer revisionsgerichtlichen Klärung nicht zugänglich. Das versteht sich von selbst, wenn § 48 Abs. 3 Satz 3 NNatschG, wie der Kläger meint, als materielles Recht zu qualifizieren wäre, würde aber auch gelten, wenn diese Vorschrift sich, wie das Berufungsgericht annimmt, in einem zusätzlichen Begründungserfordernis erschöpfte.

Die Frage, wie weit es § 45 Abs. 2 VwVfG zulässt, dass Begründungsmängel noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren behoben werden, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision auf der Grundlage des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit, die in § 45 Abs. 1 VwVfG bezeichneten Handlungen nachzuholen, zeitlich erweitert. Anders als nach altem Recht können nunmehr Verfahrens- und Formfehler nicht bloß bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens, sondern noch bis zum Abschluss des Verwaltungsprozesses geheilt werden. Ein Verstoß gegen § 39 Abs. 1 VwVfG oder eine entsprechende Spezialvorschrift ist danach auch dann unbeachtlich, wenn die erforderliche Begründung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegeben wird. Der Senat hätte anhand des Beschwerdevorbringens keinen Anlass, den allgemeinen Bedenken nachzugehen, die gegen die Neuregelung vorgebracht werden. Dahinstehen kann, ob es noch im Prozessstadium zulässig ist, Begründungsmängel jeglicher Art zu heilen. Schon vor der Neufassung des § 45 Abs. 2 VwVfG war in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass es der Behörde nicht verwehrt ist, die Begründung eines Verwaltungsakts über den Abschluss des Widerspruchsverfahrens hinaus im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu ergänzen oder zu ändern (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 1982 – BVerwG 3 C 47.81 – Buchholz 418.02 Tierärzte Nr. 2 und vom 16. Juni 1997 – BVerwG 3 C 22.96 – Buchholz 316 § 39 VwVfG Nr. 25; Beschluss vom 22. September 1999 – BVerwG 4 B 68.98 – Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 30). Eine solche grundsätzlich auch ohne § 45 Abs. 2 VwVfG zulässige Nachbesserung begegnet rechtlichen Bedenken nur dann, wenn durch sie der Verwaltungsakt in seinem Wesen verändert wird. Das ist der Fall, wenn die von der Behörde angestellten Erwägungen nachträglich ausgewechselt oder neue Tatsachen nachgeschoben werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Januar 1982 – BVerwG 8 C 12.81 – BVerwGE 64, 356 und vom 27. Juni 1985 – BVerwG 8 C 30.84 – BVerwGE 71, 363; Beschluss vom 5. Februar 1993 – BVerwG 7 B 107.92 – Buchholz 316 § 45 VwVfG Nr. 23). Der Gesetzgeber hat diese Rechtsprechung nicht korrigieren wollen. Sein Ziel war es vielmehr, der Heilung von Verfahrens- und Formfehlern in § 45 Abs. 2 VwVfG ein weiteres Feld als nach der alten Rechtslage zu erschließen. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen lässt das Beschwerdevorbringen zu dieser Neuregelung keinen Klärungsbedarf erkennen, der nur in einem Revisionsverfahren befriedigt werden kann. Nach den Angaben im Berufungsurteil enthielt der angefochtene Verwaltungsakt eine Begründung. Der Mangel im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG bestand darin, dass diese Begründung unter dem Blickwinkel des § 48 Abs. 3 Satz 3 NNatschG unvollständig war. Die Nachbesserung des Beklagten erschöpfte sich in einer bloßen Ergänzung. Der Kläger zeigt nicht auf, inwiefern vor dem Hintergrund dieses Sachverhalts in einem etwaigen Revisionsverfahren Erkenntnisse zu erwarten sein könnten, die über die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinausreichen.

Die Frage, ob eine Heilung von Begründungsmängeln im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch nach der Novellierung des § 45 Abs. 2 VwVfG nur unter der Voraussetzung in Betracht kommt, dass der Verwaltungsakt nicht in seinem Wesen verändert wird, nötigt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Sie würde sich in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte seine Angaben zum Verwendungszweck im gerichtlichen Verfahren „nicht korrigiert oder ausgetauscht, sondern lediglich konkretisiert und ergänzt”. Von daher verbietet sich die Annahme, der Verwaltungsakt könne in seinem Wesen verändert worden sein, von selbst. Dass der Kläger insoweit die Auffassung des Berufungsgerichts nicht teilt, verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Die Frage, ob die Heilung eines Begründungsmangels auf den Zeitpunkt des Erlasses der Verwaltungsentscheidung zurückwirkt oder nicht, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie mag, abstrakt betrachtet, von Interesse sein. Für den konkreten Fall ist sie indes ohne praktische Bedeutung. Denn für den Ausgang des Rechtsstreits kommt es nicht darauf an, ob sie, wie das Berufungsgericht meint, im Sinne einer Rückwirkung oder – wie der Kläger annimmt – im Sinne einer bloßen ex nunc-Wirkung zu entscheiden ist. Rechtlich bedeutsam ist weniger, auf welchen Zeitpunkt die Heilungswirkungen zu beziehen sind, als vielmehr, ob ein Verwaltungsakt, dessen Begründung erst im Verwaltungsprozess nachgeholt worden ist, wegen des ursprünglichen Begründungsdefizits aufgehoben werden kann oder nicht. Es bedarf indes nicht eigens der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um zu bekräftigen, dass in einem solchen Falle eine Aufhebung nicht in Betracht kommt. Nach der Wertung des Gesetzgebers kann, wenn auch nur nach Maßgabe des § 46 VwVfG, nicht einmal die Aufhebung eines Verwaltungsakts beansprucht werden, dem ein an sich beachtlicher Verfahrens- oder Formmangel anhaftet. Umso weniger entspräche es den gesetzgeberischen Absichten, einen Verwaltungsakt aufzuheben, der zwar unter Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften zustande gekommen ist, bei dem dieser Fehler rechtlich aber nicht mehr durchschlagen kann, weil der Gesetzgeber ihn unter den in § 45 Abs. 1 VwVfG genannten Voraussetzungen rundheraus für unbeachtlich erklärt. Es würde auf einen offensichtlichen Wertungswiderspruch hinauslaufen, an unbeachtliche Mängel strengere Rechtsfolgen zu knüpfen als an beachtliche.

Auch die Frage, ob das Berufungsgericht bei der Kostenentscheidung hätte berücksichtigen müssen, dass der angefochtene Verwaltungsakt nur deshalb nicht aufgehoben worden ist, weil der Beklagte nachträglich dem Begründungserfordernis gerecht geworden ist, eignet sich nicht für eine Erörterung in einem Revisionsverfahren. Wie aus § 158 Abs. 1 VwGO erhellt, ist die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Kläger lässt es freilich nicht damit bewenden, den Kostenausspruch anzugreifen. Er bekämpft mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde auch die vom Berufungsgericht getroffene Sachentscheidung. Die von ihm erhobenen Grundsatzrügen greifen jedoch, wie dargelegt, allesamt nicht durch. Die von ihm angesprochene Kostenproblematik ist, für sich genommen, nicht geeignet, den Zugang zur Revisionsinstanz zu eröffnen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 3 und § 13 Abs. 2 GKG.

 

Unterschriften

Paetow, Halama, Gatz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI745298

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