Verfahrensgang

OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 14.06.1995; Aktenzeichen 12 A 11930/94)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Juni 1995 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen des Beigeladenen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von ihr geltend gemachten Gründe rechtfertigen eine Zulassung der Revision nicht.

Klärungsbedürftige Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zeigt die Beschwerde im Zusammenhang mit der Auslegung des § 21 Abs. 2 SchwbG nicht auf. Nach dieser Vorschrift kann die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines Schwerbehinderten nur innerhalb von zwei Wochen beantragt werden; maßgebend ist der Eingang des Antrages bei der Hauptfürsorgestelle. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Höchstrichterlich geklärt ist, daß bei Versäumung der Antragsfrist die Hauptfürsorgestelle den Antrag ohne weitere Prüfung abzulehnen hat und damit der Arbeitgeber sein Recht zur außerordentlichen Kündigung endgültig verliert (vgl. BVerwG, Beschluß vom 15. März 1989 – BVerwG 5 B 23.89 – ≪Buchholz 436.61 § 21 SchwbG Nr. 2 unter Hinweis auf BAG, Beschluß vom 17. Februar 1977 – 2 AZR 687/75≫ – ≪BAG 29, 17, 25 f. = AP Nr. 1 zu § 12 SchwbG m. Anm. Brox≫). Die in § 21 Abs. 2 SchwbG normierte Ausschlußfrist betrifft ausschließlich und allein das Verwaltungsverfahren vor der Hauptfürsorgestelle; ihre Einhaltung ist Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Erteilung einer Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber. Die Kontrolle über die Einhaltung dieser Frist fällt deshalb in vollem Umfang in die Prüfungskompetenz der Hauptfürsorgestelle. Da § 21 Abs. 2 Satz 2 SchwbG der Vorschrift des § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB nachgebildet ist, gelten für die Beurteilung der Frage der Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund dieselben Erwägungen, die bei der Einhaltung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB zu beachten sind (vgl. BAG, Urteil vom 18. Dezember 1986 – 2 AZR 36/86 – ≪RzK IV 8 c Nr. 9 S. 14≫). Kenntniserlangung bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, daß der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis vom Kündigungssachverhalt hat, die ihm die Entscheidung ermöglicht, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht. Bei der Arbeitgeberkündigung gehören deswegen zum Kündigungssachverhalt auch die für den Arbeitnehmer und gegen eine außerordentliche Kündigung sprechenden Gesichtspunkte, die regelmäßig ohne eine Anhörung des Arbeitnehmers nicht hinreichend vollständig erfaßt werden können. Solange der Kündigungsberechtigte diese zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, kann die Ausschlußfrist nicht beginnen. Die Frist ist allerdings nur solange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile noch Ermittlungen anstellt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen (vgl. statt vieler BAG, Urteile vom 10. Juni 1988 – 2 AZR 25/88 – ≪NJW 1989, 733/734≫ und vom 29. Juli 1993 – 2 AZR 90/93 – ≪NZA 1994, 171/173≫). Daß damit von der Hauptfürsorgestelle auch die Berücksichtigung von Umständen, die für das arbeitsrechtliche Kündigungsschutzverfahren von Bedeutung sind, verlangt wird, liegt in der Natur der Sache.

Die Revision kann auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen Abweichung von dem von der Beschwerde bezeichneten Urteil des Senats vom 2. Juli 1992 – BVerwG 5 C 31.91 – (Buchholz 436.61 § 21 SchwbG 1986 Nr. 4 = AP Nr. 1 zu § 21 SchwbG 1986) zugelassen werden. Eine die Revision eröffnende Abweichung läge nur dann vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz widersprochen hätte (vgl. BVerwG, Beschluß vom 26. Juni 1995 – BVerwG 8 B 44.95 – ≪Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 2; stRspr). Einen derartigen rechtlichen Auffassungsunterschied vermag die Beschwerde nicht darzulegen. Denn die angezogene Divergenzentscheidung befaßt sich mit § 21 Abs. 2 SchwbG nicht. Auch zu dem von dieser Entscheidung aufgestellten abstrakten Rechtssatz, die Hauptfürsorgestelle habe über die Wirksamkeit der (beabsichtigten) Kündigung, also das Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S. des § 626 Abs. 1 BGB, nicht zu urteilen, setzt sich die vom Berufungsgericht vertretene Auslegung des § 21 Abs. 2 Satz 2 SchwbG nicht in Widerspruch. Denn das Berufungsgericht verlangt von der Hauptfürsorgestelle nicht, sie solle das Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S. des § 626 Abs. 1 BGB prüfen, sondern hält sie vielmehr für verpflichtet, der Frage nachzugehen, ob der Beginn der Frist des § 21 Abs. 2 Satz 1 SchwbG gehemmt war, weil der Arbeitgeber zu Recht annehmen durfte, der Kündigungssachverhalt sei unklar, und ob gegebenenfalls die von ihm ergriffenen Maßnahmen der Sachverhaltsermittlung bei pflichtgemäßer Ermessensausübung notwendig erschienen sowie mit der gebotenen Beschleunigung durchgeführt wurden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Säcker, Dr. Pietzner, Dr. Rothkegel

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1212080

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