Verfahrensgang

OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 04.05.2007; Aktenzeichen 3 N 60/07)

VG Halle (Saale) (Beschluss vom 19.12.2006; Aktenzeichen 3 C 658/06 HAL)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Tatbestand

I.

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind verwaltungsgerichtliche Kostenentscheidungen im Hochschulkapazitätsverfahren um die Feststellung und Verteilung weiterer Studienplätze außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl.

1. Der Beschwerdeführer legte im Jahre 2005 sein Abitur ab und bemühte sich anschließend vergeblich bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen um einen Studienplatz im Studiengang der Humanmedizin. Nach Ablehnung stellte er beim zuständigen Verwaltungsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Universität H…. Hierbei beantragte er, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,

I. den Antragsteller an einem Auswahlverfahren (Losverfahren) um freie Studienplätze – außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen – im Studiengang Humanmedizin im 1. Fachsemester des Wintersemesters 2006/07 nach den Vergabekriterien des Gerichts zu beteiligen,

II. den Antragsteller nach den sachlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2006/07 vorläufig zum Studium der Humanmedizin im 1. Fachsemester außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen zuzulassen, falls er ausgewählt wird,

III. den Antragsteller hilfsweise nach den sachlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2006/07 vorläufig zum Studium der Humanmedizin im 1. Fachsemester außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen zeitlich begrenzt für die Dauer des vorklinischen Studienabschnitts zuzulassen, falls er ausgewählt wird.

Zur Begründung trug er vor, die tatsächliche Ausbildungskapazität der Antragsgegnerin im begehrten Studiengang liege über den festgesetzten Zulassungszahlen, wodurch das Gebot der vollständigen Ausschöpfung vorhandener Ausbildungskapazitäten verletzt werde.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts wurde die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, ein Losverfahren zur Verteilung weiterer 56 Studienplätze durchzuführen und dabei eine Rangfolge aller insgesamt 328 Antragsteller in Parallelverfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu ermitteln. Des Weiteren wurde die Antragsgegnerin verpflichtet, diejenigen Antragsteller vorläufig zum Studium der Humanmedizin ab dem Wintersemester 2006/07 im 1. Fachsemester vorläufig zuzulassen, die bei der Auslosung auf den Rangplätzen 1 bis 56 liegen und diese Antragsteller zu immatrikulieren. Eine Zurückweisung des Antrags im Übrigen erfolgte nicht.

In der Kostenentscheidung heißt es unter III. des Beschlusses:

“Der Antragsteller/die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens zu fünf Sechsteln. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens zu einem Sechstel.”

Der Begründung des Beschlusses hat das Verwaltungsgericht einen Hinweis vorangestellt, wonach davon abgesehen werde, die Bezeichnung als Antragstellerin oder Antragsteller in jedem Einzelfall anzupassen, weil sich Gründe in den vorliegenden Parallelverfahren nicht wesentlich voneinander unterschieden. Daran anschließend führt das Gericht aus, der Antragsteller habe von der Antragsgegnerin die Zulassung zum Studium der Humanmedizin begehrt und mit seinem Rechtsschutzbegehren im tenorierten Umfang Erfolg. Aufgrund seiner Berechnungen gehe das Gericht davon aus, dass die Zulassungszahl für den Studiengang Humanmedizin mit 258 festzusetzen gewesen sei, demgemäß im laufenden Wintersemester noch 56 weitere Studienplätze zu vergeben seien.

Die Kostenentscheidung folge aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dabei sei die Zahl der im Zeitpunkt dieser Entscheidung noch verbliebenen Antragsteller in Beziehung zu setzen zur Anzahl der durch das Gericht “aufgedeckten” 56 Studienplätze. Angesichts dessen ergebe sich für jeden Antragsteller eine Auslosungschance, die im Hinblick auf das Kostenrisiko etwa einem Sechstel entspreche.

Den Wert des Streitgegenstands hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Höhe des vollen Auffangstreitwerts mit 5.000 € festgesetzt. Für das auf Zulassung zum Studium gerichtete Begehren stelle die erstrebte Entscheidung des Gerichts eine faktische Vorwegnahme der Hauptsache dar.

Im sich anschließenden Losverfahren entfiel Rangplatz 43 auf den Beschwerdeführer, weshalb ihm die Universität H… einen Studienplatz für das erste Fachsemester Medizin zuteilte.

Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts legte die Universität Beschwerde ein, worauf der Beschwerdeführer Anschlussbeschwerde dahingehend erhob, der Antragsgegnerin unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts die gesamten Kosten des Verfahrens der ersten Instanz aufzuerlegen. Zur Begründung berief sich der Beschwerdeführer auf eine Verletzung des Willkürverbots und des Art. 12 Abs. 1 GG durch die verwaltungsgerichtliche Kostenentscheidung. Obwohl der Beschwerdeführer vollumfänglich obsiegt habe, seien ihm fünf Sechstel der Kosten des Verfahrens auferlegt worden.

Mit Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts dahingehend geändert worden, dass nicht 56, sondern lediglich 45 zusätzliche Studienplätze zu vergeben seien. Die Anschlussbeschwerde des Beschwerdeführers ist dagegen ohne Erfolg geblieben. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind zu einem Fünftel dem Beschwerdeführer, zu vier Fünfteln der Antragsgegnerin auferlegt worden.

Zur Begründung hat der Senat hinsichtlich der Anschlussbeschwerde ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe zu Recht eine Quotelung im Verhältnis der “aufgedeckten” Studienplätze zur Zahl der an einem Losverfahren zu beteiligenden Antragsteller vorgenommen. Der Kapazitätsrechtsstreit sei dadurch gekennzeichnet, dass Bewerber um etwaige freie Plätze in einem bestimmten Semester und einem bestimmten Studiengang an einer Hochschule in einer Vielzahl paralleler Streitverfahren konkurrierten. Die Erfolgsaussichten des einzelnen Antragstellers reduzierten sich daher regelmäßig auf eine – durch Los oder Verteilung nach Zulassungskriterien zu realisierende – Chance auf Zuweisung eines vom Verwaltungsgericht “aufgedeckten” Studienplatzes, während sich das Prozessrisiko der in Anspruch genommenen Hochschule in der Sache darauf beschränke, ob und in welchem Umfang zusätzliche Studienplätze festgestellt würden. Soweit sich der Beschwerdeführer in seiner Begründung darauf beziehe, dass er gemessen an seinem Antrag voll obsiegt habe, weil er nach Durchführung eines Los- und Nachrückverfahrens eine vorläufige Zulassung bei der Antragsgegnerin erhalten habe, sei dieser Umstand für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der erstinstanzlichen Kostenentscheidung als nachprozessuales Ereignis nicht von Bedeutung.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ergebe sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen im Rahmen eines Los- oder Verteilungsverfahrens bei außerkapazitären Anträgen spiegele sich in den Zahlenverhältnissen von “klagenden” Studienbewerbern zu “aufgedeckten” Studienplätzen wider und sei auch in Beschwerdeverfahren maßgeblicher Kostenverteilungsgesichtspunkt. Soweit der Beschwerdeführer mit seiner Anschlussbeschwerde unterliege, bleibe dies bei der zweitinstanzlichen Kostenentscheidung wegen der vergleichsweise geringen Bedeutung dieses Unterliegens unberücksichtigt.

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Kostenentscheidungen in den Beschlüssen des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts und rügt die Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 sowie von Art. 2 Abs. 1 GG jeweils in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip.

Die angegriffenen Kostenentscheidungen verstießen gegen das objektive Willkürverbot, soweit die Verwaltungsgerichte entgegen dem ausdrücklichen Antrag des Beschwerdeführers unterstellt hätten, er habe in Wahrheit eine vom Losverfahren unabhängige vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin begehrt. Demgegenüber habe der Beschwerdeführer in seinem Antrag vom 11. Oktober 2006 unmissverständlich klargestellt, dass er an einem Losverfahren zur Verteilung weiterer Studienplätze beteiligt werden wolle. Diese unzutreffende Unterstellung des Verwaltungsgerichts habe das Oberverwaltungsgericht aufrechterhalten.

Sachfremd sei es auch, das Ausmaß des Obsiegens nach den Auslosungschancen des Beschwerdeführers zu bemessen. Weitere Antragsteller habe das Verwaltungsgericht nur dann berücksichtigen dürfen, wenn es zuvor die Parallelverfahren gemäß § 93 Satz 1 VwGO miteinander verbunden und sodann eine einheitliche Kostenentscheidung gebildet hätte. Außerdem stelle das Losverfahren an der Universität ein nachprozessuales Ereignis dar, das bei einer Kostenentscheidung nicht berücksichtigt werden dürfe.

Die von den Verwaltungsgerichten praktizierte Rechtsanwendung werde auch nicht durch die Vorschrift des § 88 VwGO gedeckt. Vielmehr hätten beide Gerichte das Begehren des Beschwerdeführers willkürlich und wortfremd ausgelegt. Der Beschwerdeführer habe die Teilnahme am Losverfahren beantragt, ohne die Zahl der Studienplätze zu quantifizieren. Demzufolge könne der Antrag nur so ausgelegt werden, dass er die Teilnahme an einer Auslosung um mindestens einen Studienplatz begehrt habe.

Die Verwirklichung der Berufswahlfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG werde durch die verwaltungsgerichtliche Kostenverteilung wesentlich erschwert. Dem Beschwerdeführer müsse es auch aus rechtsstaatlichen Gründen möglich sein, vor Gericht einen Antrag zu stellen, mit dem er im Kostenausspruch vollständig obsiegen könne.

3. Zur Verfassungsbeschwerde haben die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts, die Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt für die Landesregierung, die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Anwaltverein, die Hochschulrektorenkonferenz, die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens sowie auf Ansuchen der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers weitere Rechtsanwälte Stellung genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers angezeigt; denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist allerdings zulässig. Insbesondere kann dem Beschwerdeführer ein Rechtsschutzinteresse nicht abgesprochen werden, wenn er – wie hier – nur die selbständig in einer Kostenentscheidung enthaltene verfassungsrechtliche Beschwer geltend macht, ihn die Entscheidung zur Hauptsache jedoch nicht belastet und er diese auch nicht angreift (vgl. BVerfGE 74, 78 ≪90≫).

2. Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch in der Sache selbst ohne Aussicht auf Erfolg. Die angegriffenen Kostenentscheidungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer ist insbesondere nicht in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Eine fehlerhafte Rechtsanwendung allein bedeutet noch keine Missachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG). Hinzukommen muss vielmehr, dass die Rechtsanwendung eines Fachgerichts unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 86, 59 ≪63≫). In diesem Sinne krasse Fehlentscheidungen (vgl. BVerfGE 89, 1 ≪14≫) lassen sich hier nicht feststellen.

a) Die Kostenentscheidung der Verwaltungsgerichte hat sich auch im einstweiligen Anordnungsverfahren (§ 123 VwGO) entsprechend §§ 154, 155 VwGO an dem Umfang des Obsiegens und Unterliegens nach Maßgabe des Rechtsschutzziels des Antragstellers auszurichten (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl., 2006, § 123 Rn. 70). Dies hat das Verwaltungsgericht im Ausgangsverfahren bei der Begründung seiner Kostenentscheidung zwar nicht immer hinreichend beachtet, im Ergebnis ist die von ihm vorgenommene Verteilung der Kosten jedoch zumindest ebenso vertretbar wie die angegriffene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts.

Das Verwaltungsgericht hat den im Ausgangsverfahren gemäß § 123 VwGO gestellten Antrag des Beschwerdeführers dahin verstanden, dass er von der Antragsgegnerin die Zulassung zum Studium begehre. Damit ist das im Antrag zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel des Beschwerdeführers nicht hinreichend beachtet worden. In seiner Antragsschrift hat der Beschwerdeführer zunächst die Verpflichtung der Antragsgegnerin beantragt, ihn “an einem Auswahlverfahren (Losverfahren) um freie Studienplätze im Studiengang Humanmedizin zu beteiligen”. Sein Antrag zielte demnach nicht auf eine unmittelbare Verpflichtung der Hochschule, ihn zum Studium zuzulassen. Der Beschwerdeführer wählte – aus der Fassung seines Antrags klar erkennbar – einen weniger weitgehenden Antrag mit reduzierter Rechtsschutzintensität. An diesem grundsätzlichen Begehren des Beschwerdeführers änderten auch seine weiteren Anträge zu II. und III. nichts, ihn zum Studium, gegebenenfalls begrenzt auf die Dauer des vorklinischen Studienabschnitts, zuzulassen, weil diese beiden weiteren Anträge unter die Bedingung gestellt wurden und Konsequenz dessen sein sollten, dass er im Auswahlverfahren um freie Studienplätze auch tatsächlich ausgewählt werde.

Dass für den Antrag im einstweiligen Anordnungsverfahren (§ 123 VwGO) das Bestimmtheitserfordernis des § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht gilt, ändert nichts daran, dass der Antrag für die Ermittlung des Rechtsschutzziels maßgeblich ist. Der Antragsteller ist demgemäß auch gehalten, mit seinem Antrag sein Rechtsschutzziel zu bezeichnen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., 2007, § 123 Rn. 17). Obwohl das Gericht über den Inhalt der einstweiligen Anordnung nach seinem Ermessen befindet (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO), bleibt es insoweit nach § 88 VwGO an den Antrag gebunden, als es über das Rechtsschutzziel des Antragstellers nicht hinausgehen darf (vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., 2007, § 938 Rn. 1 f.).

Unerheblich ist ferner, dass es nicht frei von verfassungsrechtlichen Bedenken sein mag, wenn durch das Losverfahren die Verteilung der erst nachträglich im gerichtlichen Verfahren aufgedeckten Restkapazitäten nach anderen Auswahlkriterien erfolgt als zuvor die Vergabe der von der Hochschule selbst ausgewiesenen Studienplätze (vgl. BVerfGE 39, 276 ≪296 f.≫). Dies könnte der gleichmäßigen Verteilung aller freien Studienplätze unter Anwendung einheitlicher Auswahlkriterien widersprechen, die angesichts der Chancengleichheit der Bewerber verfassungsrechtlich geboten ist (vgl. BVerfGE 33, 303 ≪357≫). Demgemäß weisen verschiedene Verwaltungsgerichte (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. Juni 2008 – NC 9 S 222/08 –) auf die Möglichkeit der Hochschulen hin, vorab “Reservelisten” zu erstellen, in denen einer hinreichenden Zahl von Bewerbern, die bei der kapazitären Vergabe nicht berücksichtigt wurden, eine Rangfolge nach Maßgabe der einschlägigen Vergabekriterien zugeordnet wird. In diesem Fall erübrigen sich ein Losverfahren und damit auch auf seine Durchführung gerichtete Anträge. Solange die Verwaltungsgerichte jedoch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um Hochschulkapazitäten den Hochschulen regelmäßig – und auch im vorliegenden Fall – die Durchführung eines Losverfahrens hinsichtlich nicht ausgeschöpfter Ausbildungskapazitäten auferlegen, muss es den Rechtsschutzsuchenden auch möglich bleiben, einen auf diese gerichtliche Praxis abgestimmten Antrag zu stellen und mit diesem auch vollständig obsiegen zu können.

b) Das Fehlverständnis des Rechtsschutzziels durch das Verwaltungsgericht hat jedoch nicht zu einer im Ergebnis unvertretbaren Verteilung der Kosten des ersten Rechtszugs geführt.

Nach den hier maßgebenden Grundsätzen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens legt der Antragsteller mit dem in seinem Antrag zum Ausdruck kommenden Rechtsschutzziel den Streitgegenstand fest (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 88 Rn. 1). Nach dem Verhältnis zum gesamten Streitgegenstand bestimmt sich wiederum, ob und in welchem Umfang das für Auferlegung oder Verteilung der Kosten nach §§ 154, 155 VwGO maßgebliche Obsiegen oder Unterliegen vorliegt (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 155 Rn. 2).

Dass das Verwaltungsgericht dem Beschwerdeführer die von ihm angestrebte Teilnahme an einem Losverfahren zur Verteilung weiterer Studienplätze zuerkannte, bedeutet jedoch nicht zwingend, dass er auch mit Blick auf das von ihm verfolgte Rechtsschutzziel in vollem Umfang erfolgreich war und die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens deshalb nach § 154 Abs. 1 VwGO mit der Tragung aller Kosten zu belasten wäre. Die Teilnahme am Losverfahren ist nicht um ihrer selbst Willen das Ziel des Beschwerdeführers, ihm geht es vielmehr darum, sich auf diesem Wege den Zugang zum gewünschten Studium zu verschaffen. Demgemäß hat der Beschwerdeführer auch mit seinen weiteren Anträgen für den Fall seines Erfolges im Losverfahren um die Zulassung zum Studium nachgesucht.

Der Beschwerdeführer hat hiernach einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch genommen, um – notgedrungen wegen der für ihn zunächst bestehenden Ungewissheit hinsichtlich der Zahl der weiteren Studienplätze und der Zahl der Bewerber um sie – eine durch das Losverfahren vermittelte Chance auf Zuteilung eines Studienplatzes zu erhalten. Diese Chance beschreibt sein Rechtsschutzziel und ist mithin für die Verteilung der Kosten zu bewerten. Insoweit ist es nicht unvertretbar, mit dem angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts die Zahl der nachträglich aufgedeckten Studienplätze ins Verhältnis zur Zahl der um sie konkurrierenden Antragsteller zu setzen. Je geringer die Zahl der Mitwerber ist, umso größer ist die Chance für den einzelnen Antragsteller, einen Studienplatz zu erlangen. Ein Antragsteller erreicht daher sein Rechtsschutzziel uneingeschränkt und ist daher in vollem Umfang erfolgreich, wenn sich bei Abschluss des Verfahrens zeigt, dass die Zahl der Bewerber insgesamt nicht größer ist als die Zahl der zu verteilenden Studienplätze und sich damit sein Antrag hinsichtlich einer Auswahl im Losverfahren erübrigt hat. Sind hingegen weniger Studienplätze zu verteilen, so lässt sich das Rechtsschutzziel nur begrenzt realisieren und der Antragsteller hat nur teilweise Erfolg.

c) Dass diese Ansicht vertretbar ist, zeigt sich deutlich an der Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren. Aufgrund der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts reduzierte sich die Zahl der im Losverfahren zu vergebenden Studienplätze von 56 auf 45 und damit in entsprechendem Maße auch die jeweilige Chance eines jeden Bewerbers auf einen Studienplatz. Die an diesem Verhältnis orientierte Verteilung der Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt dem teilweisen Unterliegen des Beschwerdeführers in dieser Instanz ebenso Rechnung wie dem teilweisen Obsiegen der Antragsgegnerin.

d) Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass auch der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts weder hinsichtlich der Zurückweisung der Anschlussbeschwerde noch hinsichtlich der Verteilung der Kosten des Beschwerdeverfahrens verfassungsrechtlichen Bedenken mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG unterliegt.

3. Für eine Verletzung der weiter gerügten Grundrechte ist nichts ersichtlich. Entgegen seiner zu Art. 12 Abs. 1 GG vertretenen Auffassung wird es dem Beschwerdeführer durch die angegriffene Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte insbesondere nicht unmöglich gemacht, mit den ihm gestellten Anträgen vollständig zu obsiegen. Uneingeschränkten Erfolg hat er – wie bereits ausgeführt – dann, wenn die Zahl der Studienplätze nicht hinter der der Rechtsschutz suchenden Bewerber zurückbleibt.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Hohmann-Dennhardt, Gaier, Kirchhof

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2067430

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