Entscheidungsstichwort (Thema)

Stattgebender Kammerbeschluß: Beachtung der Eigentumsgarantie unter Achtung des Selbstnutzungswunsches des Vermieters und Lebensplanung des Eigentümers

 

Orientierungssatz

1. Mit der Vermietung begibt der Eigentümer sich nicht endgültig der zur Substanz des grundgesetzlich geschützten Eigentums gehörenden Freiheit, den Eigentumsgegenstand selbst zu nutzen. Die Gerichte müssen bei Anwendung von BGB § 564b Abs 2 Nr 2 bei einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung den Selbstnutzungswunsch des Vermieters grds achten und ihrer Rechtsfindung zugrunde legen (vgl BVerfG, 1989-02-14, 1 BvR 308/88, BVerfGE 79, 292 ≪305≫).

2. Die Auffassung, eine Kündigung wegen Eigenbedarfs dürfe nicht aus Gründen ausgesprochen werden, die bereits bei Abschluß des Mietvertrags vorgelegen haben, ist sowohl einfachrechtlich durch den Vertrauensgrundsatz (BGB § 242) als auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil das Gericht damit nicht in unzulässiger Weise bei der Lebensplanung des Vermieters mitbestimmt, sondern ihn lediglich an der Durchsetzung seines Selbstnutzungswunsches aus Gründen hindert, die er in zurechenbarer Weise selbst gesetzt hat (vgl BVerfG aaO ≪308f≫). Im Rahmen einer einzelfallbezogenen Betrachtung ist jedoch zu beachten, ob sich der Wohnbedarf des Vermieters seit Abschluß des Mietvertrages wesentlich geändert hat. Insbesondere darf dem Wohnungseigentümer nicht eine Lebensplanung abverlangt werden, die er im Zeitpunkt der Vermietung seines Eigentums noch nicht vorzunehmen brauchte.

3. Hier: Eintritt des Eigenbedarfsfalls wegen Verlusts der bisher durch den Vermieter bewohnten Mieträume - rechtliche Unmöglichkeit, im Zeitpunkt der Vermietung einen befristeten Mietvertrag abzuschließen.

 

Normenkette

GG Art. 14 Abs. 1 S. 1; BGB § 564b Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 S. 3, § 564c Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, Nr. 3, § 242; BVerfGG § 93b Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Entscheidung vom 27.01.1993; Aktenzeichen 2 S 502/92)

 

Fundstellen

Dokument-Index HI543659

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