Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 18.08.2005; Aktenzeichen 9 W 24/05)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob Prozesskostenhilfe für ein zivilrechtliches Verfahren zu gewähren war, in dem die Beschwerdeführer feststellen lassen wollten, dass sie nicht zur Rückzahlung der Darlehen verpflichtet seien, die ihnen für den Erwerb zweier ihres Erachtens minderwertiger Eigentumswohnungen (so genannte “Schrottimmobilien”) gewährt worden sind. Die Fachgerichte haben Prozesskostenhilfe versagt, ohne die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften abzuwarten, der zu diesem Zeitpunkt mit zwei Vorlagen deutscher Gerichte zu ähnlich gelagerten Rechtsfragen befasst war.

I.

1. Die Beschwerdeführer, ein Ehepaar, erwarben im Jahr 1999 zwei Wohnungen in Wohnanlagen. Die Kaufpreise wurden durch Darlehen der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens, einer Sparkasse, finanziert. Die Vertragsabschlüsse erfolgten in der Wohnung der Beschwerdeführer. Die Beschwerdeführer widerriefen im Jahr 2004 ihre auf den Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen und stellten der Antragsgegnerin die beiden Wohnungseigentumsrechte zur Verfügung. Sie erhoben unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe Klage zum Landgericht mit dem Antrag festzustellen, dass der Antragsgegnerin gegen sie keine Darlehensrückzahlungsansprüche zustünden. Die Beschwerdeführer machten geltend, die Wohnungen hätten maximal einen Wert von 60 Prozent des Kaufpreises.

2. Das Landgericht wies den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurück. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Beschwerdeführer blieben auch im Falle eines wirksamen Widerrufs des Darlehensvertrags zu Zahlungen an die Antragsgegnerin verpflichtet. Zumindest hätten sie die restliche Darlehensvaluta samt marktüblicher Verzinsung zu zahlen. Die Kammer folge insoweit uneingeschränkt der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Danach sei es ausdrücklich dem nationalen Gesetzgeber überlassen, die Rechtsfolgen des Widerrufs bei Haustürgeschäften zu regeln. Hiervon habe der deutsche Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 des Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften vom 16. Januar 1986 in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung (BGBl I S. 122 – HaustürWG) Gebrauch gemacht und dort bestimmt, dass nach einem Widerruf die empfangenen Leistungen zurückzugewähren seien. Dies sei für die Beschwerdeführer mindestens die Darlehensvaluta. Die Kammer greife ausdrücklich nicht die Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs auf, wonach der Darlehensnehmer bei einem finanzierten Beitritt zu einem Immobilienfonds unter den Voraussetzungen eines verbundenen Geschäfts anstelle der Darlehensvaluta den erworbenen Fondsanteil zurückgeben könne.

3. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer wies das Oberlandesgericht zurück. Der beabsichtigten Klage fehle es an der nach § 114 Satz 1 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht. Die Beschwerdeführer könnten mit den geltend gemachten Klageanträgen nicht durchdringen. Selbst wenn man zu ihren Gunsten davon ausgehe, dass ein Widerruf des Darlehensvertrags nach § 1 Abs. 1 HaustürWG wirksam erfolgt sei, dann stehe der Antragsgegnerin ein Anspruch auf Rückzahlung der ausgezahlten Darlehensvaluta und eine marktübliche Verzinsung gemäß § 3 HaustürWG zu. Dies entspreche der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, der für diesen Rechtsstreit in einem möglichen Revisionsverfahren zuständig sei. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hingegen beschränke seine teilweise abweichende Rechtsprechung auf Fälle eines kreditfinanzierten Beitritts zu einem Fonds. Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor. Eine Änderung der Rechtsprechung sei auch in den einschlägigen Vorlageverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht zu erwarten.

4. Die Beschwerdeführer rügen mit ihrer Verfassungsbeschwerde unter anderem die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Aus der verfassungsrechtlichen Funktion der Prozesskostenhilfe, die arme Partei der reichen gleichzustellen, folge die Verpflichtung, der armen Partei auch dann Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn offen sei, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht letzten Endes doch zum Erfolg führe, obwohl der zur Entscheidung berufene Spruchkörper die Auffassung vertrete, dass sie ohne Erfolg bleiben werde. Hier liege angesichts der unterschiedlichen Rechtsprechung zweier Senate des Bundesgerichtshofs eine schwierige Rechtsfrage vor; deshalb habe Prozesskostenhilfe gewährt werden müssen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG).

1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals der hinreichenden Erfolgsaussicht bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§ 114 ZPO) sind durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪356 ff.≫).

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

a) Der geltend gemachten Grundrechtsverletzung kommt unter den hier gegebenen Umständen kein besonderes Gewicht zu. Es besteht insbesondere kein Anhalt, der auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten durch das Oberlandesgericht hindeutet. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Oberlandesgericht den grundrechtlichen Schutz bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe grob verkannt hätte. Es hat seine Entscheidung an der nach seiner Auffassung maßgeblichen damaligen Rechtsauffassung des für das Bankrecht zuständigen Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ausgerichtet.

b) Den Beschwerdeführern erwächst aus der Nichtannahme ihrer Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung auch kein schwerer Nachteil (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25≫). Dabei kann offenbleiben, ob die Verfassungsbeschwerde in der Sache Aussicht auf Erfolg hätte.

aa) Das Oberlandesgericht hatte bei seiner Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch der Beschwerdeführer zu beachten, das eine schwierige höchstrichterlich noch nicht entschiedene Rechtsfrage aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu Lasten eines Antragstellers im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden darf (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG; vgl. BVerfGE 81, 347 ≪359≫). Die damals unterschiedliche Rechtsprechung des für den darlehensfinanzierten Immobilienkauf zuständigen Senats des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 10. September 2002 – XI ZR 151/99 –, NJW 2003, S. 199; Urteil vom 12. November 2002 – XI ZR 3/01 –, NJW 2003, S. 424; Urteil vom 12. November 2002 – XI ZR 47/01 –, BGHZ 152, 331; Urteil vom 26. Oktober 2004 – XI ZR 255/03 –, BGHZ 161, 15) und des seinerzeit für den darlehnsfinanzierten Kauf von Anteilen an Immobilienfonds zuständigen Senats des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 14. Juni 2004 – II ZR 385/02 –, NJW 2004, S. 2735; Urteil vom 14. Juni 2004 – II ZR 393/02 –, BGHZ 159, 294; Urteil vom 14. Juni 2004 – II ZR 395/01 –, BGHZ 159, 280) sowie der Blick auf die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Oberlandesgerichts noch ausstehenden Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Fragen dieses Problemkreises (– C-350/03 – Schulte/Badenia, NJW 2005, S. 3551 und – C-229/04 – Crailsheimer Volksbank/Conrads, NJW 2005, S. 3555) lassen es als fragwürdig erscheinen, ob die angegriffene Entscheidung den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪356 ff.≫) in jeder Hinsicht gerecht wird.

bb) Dessen ungeachtet sind die Beschwerdeführer durch die angegriffene Entscheidung unter den vorliegenden besonderen Umständen nicht schwer belastet. Sie haben noch nicht alle ihnen prozessual offenstehenden Möglichkeiten genutzt, um Prozesskostenhilfe bewilligt zu bekommen.

Die Beschwerdeführer können einen erneuten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stellen. Die Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrags erwächst nicht in materieller Rechtskraft (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2004 – IV ZB 43/03 –, NJW 2004, S. 1805) und schließt demgemäß einen neuerlichen Antrag nicht aus. Einem solchen Antrag fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da er auf neue rechtliche Gesichtspunkte gestützt werden kann, die im Ausgangsverfahren noch nicht berücksichtigt werden konnten.

Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung mittlerweile aufgrund der neuen Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften fortentwickelt (EuGH, NJW 2005, S. 3551 und S. 3555). Die kreditgebende Bank trifft danach eine Aufklärungs- und Warnpflicht gegenüber dem Immobilienerwerber, wenn sie bei Vertragsschluss weiß, dass für die Bewertung des Kaufobjekts wesentliche Umstände durch Manipulation verschleiert wurden oder dass der Vertragsschluss des Kunden auf einer arglistigen Täuschung des Verkäufers im Sinne des § 123 BGB beziehungsweise auf einer vorsätzlichen culpa in contrahendo beruht. Anleger können sich in Fällen eines institutionalisierten Zusammenwirkens der kreditgewährenden Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber des finanzierten Objekts unter erleichterten Voraussetzungen mit Erfolg auf einen die Aufklärungspflicht auslösenden konkreten Wissensvorsprung der finanzierenden Bank im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch unrichtige Angaben des Vermittlers oder Verkäufers berufen. Die Kenntnis der Bank von einer solchen arglistigen Täuschung wird widerleglich vermutet, wenn der Verkäufer oder der von ihm beauftragte Vermittler und die finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise zusammenwirken, vom Verkäufer oder Vermittler auch die Finanzierung angeboten wurde und die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers oder Vermittlers nach den Umständen des Falles evident ist, so dass sich aufdrängt, die Bank habe sich der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2006 – XI ZR 205/05 –, DStR 2007, S. 165 – sowie Urteil vom 26. September 2006 – XI ZR 283/03 –, NJW 2007, S. 361).

Diese von der Rechtsprechung fortentwickelten rechtlichen Maßgaben haben die Beschwerdeführer in ihrem Falle noch nicht zur Grundlage eines Prozesskostenhilfegesuchs gemacht. Es erscheint nicht fernliegend, dass die Beschwerdeführer nach einer notwendigen Ergänzung ihres bisherigen Sachvortrags im Blick auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Pflichten der kreditgebenden Bank bei steuersparenden Immobilienerwerbermodellen auf einen erneuten Antrag hin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erreichen können. Dabei werden die Fachgerichte die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Entscheidung über ein Prozesskostenhilfegesuch zu beachten haben (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪356-360≫).

3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).

 

Unterschriften

Bryde, Eichberger, Schluckebier

 

Fundstellen

Haufe-Index 1768175

WM 2007, 1170

WuB 2007, 737

ZBB 2007, 304

NJOZ 2007, 3805

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