Entscheidungsstichwort (Thema)

Stattgebender Kammerbeschluß: Verstoß gegen GG Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 2 durch Zustimmungsverweigerung des Vermieters zur Anbringung einer Fernsehparabolantenne zum Empfang von Programmen aus dem Heimatland eines ausländischen Mieters

 

Orientierungssatz

1. Verfassungsrechtlich ist es nicht zu beanstanden, daß die Zivilgerichte im Regelfall einen Anspruch des Mieters auf Zustimmung des Vermieters zur Errichtung einer Parabolantenne dann verneinen, wenn dieser einen Kabelanschluß bereitstellt (vgl BVerfG, 1994,-02-09, 1 BvR 1687/92, BVerfGE 90, 27 ≪36≫).

2a. Die Tragweite und Bedeutung von GG Art 5 Abs 1 S 1 Halbs 2 sind verkannt, wenn ein Fachgericht die Eigentümerinteressen eines Vermieters deshalb schwerwiegender als das Informationsinteresse von ausländischen Mieter gewichtet, weil die Zustimmung zur Anbringung einer Parabolantenne einen Berufungsfall für eine beträchtliche Zahl anderer ausländischer Mieter schaffen würde.

2b. Verzichtet der Vermieter vor Einrichtung eines Kabelanschlusses auf die gebotene Abstimmung mit den Mietern, so kann es ihm unter Beachtung des Schutzgehalts der Informationsfreiheit nicht ohne weiters unzumutbar sein, eine - unter optischen Gesichtspunkten unbedenkliche - Gemeinschaftsparabolantenne selbst dann zuzulassen, wenn dies die Amortisation der zwischenzeitlich eingerichteten Breitbandverkabelung erschweren mag.

3. Wird die Verweisung des ausländischen Mieters auf einen vorhandenen Kabelanschluß mit dem Hinweis begründet, daß der ausländische Mieter nicht vorgetragen hat, welches zusätzliche eigene Informationsbedürfnis durch die in das Kabelnetz eingespeisten ausländischen Programme nicht befriedigt werden könne, so werden von dem Mietgericht Anforderungen an die Substantiierung des weitergehenden Informationsinteresses gestellt, die nicht mit den Vorgaben des GG Art 5 Abs 1 S 1 Halbs 2 in Einklang stehen.

Insbesondere darf das Fachgericht das Interesse eines ausländischen Mieters an der Mehrinformation durch den Empfang mittels Parabolantenne dem Grunde nach nicht als unbekannte, dem Gewicht nach völlig offene Größe ansehen, sondern muß vielmehr das durch das angebotene Kabelfernsehen nicht befriedigte Interesse in seinem konkreten Gewicht ermitteln.

 

Normenkette

GG Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2, Abs. 2, Art. 14 Abs. 1; BVerfGG § 93c Abs. 1 S. 1; BGB §§ 535-536

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 25.05.1994; Aktenzeichen 10 S 258/92; ZMR 1994, 476)

 

Fundstellen

Dokument-Index HI543580

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