Entscheidungsstichwort (Thema)

Stattgebender Kammerbeschluß: Interessenabwägung nach BGB § 556a bei Eigenbedarfskündigung - Gehörsverstoß mangels sorgfältiger Nachprüfung von Parteivorbringen bei schwerwiegenden Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit

 

Orientierungssatz

1. Zu den Anforderungen an die Prüfung des Selbstnutzungswunsches bei Eigenbedarfskündigung nach BGB § 564b Abs 2 Nr 2 vgl BVerfG, 1989-09-14, 1 BvR 674/89, NJW 1989, 3007 ≪3008≫ und 1990-10-25, 1 BvR 953/90, NJW 1990, 3259 ≪3260≫.

2. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn im Rahmen der nach BGB § 556a vorzunehmenden Interessenabwägung die dem Mieter im Falle eines Wohnungswechsels drohende Gefahr schwerer Gesundheitsschäden als entscheidungserheblich angesehen wird. Dies entspricht im Ausgangspunkt der für Räumungsschutzverfahren (ZPO § 765a) entwickelten Rspr (BVerfG,1991-08-21, 1 BvR 1040/91, NJW 1991, 3207), deren Grundsätze auch für vergleichbare Härteprüfungen des materiellen Rechts gelten (BVerfG, 1992-01-14, 1 BvR 1273/91, NJW 1992, 1378).

Es ist von Verfassungs wegen zulässig, existentiellen Belangen einer vierköpfigen Familie mit zwei kleinen Kindern den Vorrang einzuräumen vor den Interessen auch eines erheblich erkrankten Mieters, sofern sich die bei einer Räumung drohenden physischen und psychischen Belastungen durch eine begleitende psychotherapeutische Behandlung wesentlich vermindern lassen, und auch ein zumutbares Bemühen des Mieters bei der Verringerung seines Krankheitsrisikos zu erwarten.

3. Hier: Verletzung rechtlichen Gehörs durch Vornahme der materiellrechtlich zulässigen Abwägung auf verfahrensrechtlich fehlerhafter Grundlage.

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; BGB § 564b Abs. 2 Nr. 2, § 556a; ZPO § 765a; BVerfGG § 93b Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 23.10.1992; Aktenzeichen 2/17 S 155/92)

AG Frankfurt am Main (Urteil vom 06.03.1992; Aktenzeichen 33 C 19/91-67)

 

Fundstellen

Dokument-Index HI543683

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