Entscheidungsstichwort (Thema)

Heranziehung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt zu Sozialversicherungsbeiträgen ohne gleichzeitige Berücksichtigung bei der Berechnung kurzfristiger Lohnersatzleistungen verletzt GG Art 3 Abs 1

 

Leitsatz (amtlich)

Es ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) unvereinbar, daß einmalig gezahltes Arbeitsentgelt (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld usw) zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wird, ohne daß es bei der Berechnung von kurzfristigen Lohnersatzleistungen (beispielsweise Arbeitslosengeld, Krankengeld und Übergangsgeld) berücksichtigt wird.

 

Orientierungssatz

1. Zu dem im Hinblick auf die Gleichbehandlung von Personen oder Personengruppen eingeschränkten gesetzgeberischen Spielraum bei der Gestaltung von Rechtsverhältnissen, in denen die allgemeine Handlungsfreiheit durch eine Zwangsmitgliedschaft in einem öffentlichrechtlichen Verband eingeschränkt wird, vgl BVerfG, 1994-02-08, 1 BvR 1237/85, BVerfGE 89, 365 (376).

2. Da zum einen eine andere Typisierung nicht verwaltungspraktikabel erscheint, andererseits die Unterschiede in der Beitragsbelastung bei einer anderen Methode der Beitragsheranziehung nicht sehr erheblich sind, ist es grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber sein Ziel einer gleichmäßigen Behandlung der Versicherten nach Leistungsfähigkeit unter gleichzeitiger Erhöhung der Einnahmen dadurch verwirklicht hat, daß für Einmalzahlungen in RVO § 385 Abs 1a nicht mehr nur die auf den Entgeltabrechnungszeitraum der Auszahlung bezogene Beitragsbemessungsgrenze, also regelmäßig die monatliche Bemessungsgrenze, sondern die anteilige Jahresarbeitsentgeltgrenze maßgebend ist.

3a. Auch wenn es von Verfassungs wegen nicht geboten ist, daß bei der Bemessung kurzfristiger Lohnersatzleistungen eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen den entrichteten Beiträgen und der Höhe der Leistungen erzielt wird (vgl BVerfG, 1980-03-11, 1 BvL 20/76, BVerfGE 53, 313 (328)), so liegt ein Verstoß gegen GG Art 3 Abs 1 jedenfalls dann vor, wenn für Äquivalenzabweichungen bei Versichertengruppen mit gleicher Beitragsleistung ein hinreichender sachlicher Grund nicht ersichtlich ist.

Demgemäß ist der Gesetzgeber nicht berechtigt, bei kurzfristigen Lohnersatzleistungen sämtliche beitragspflichtigen Entgeltbestandteile außer Betracht zu lassen, die dem Versicherten zwar nicht in jedem Entgeltabrechnungszeitraum zustehen, seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit – über einen längeren Zeitraum betrachtet – aber kaum weniger beeinflussen als das laufende Arbeitsentgelt. Denn auch die sogenannten kurzfristigen Leistungen werden für Zeiträume gezahlt, die eineinhalb Jahre (Krankengeld), zwei Jahre (Übergangsgeld) und bis zu drei Jahre (Arbeitslosengeld für ältere Arbeitnehmer) umfassen.

3b. Bei der Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Versicherten steht es dem Gesetzgeber frei, wie er die wiederkehrenden, tarif- oder einzelvertraglich vereinbarten Sonderzahlungen berücksichtigen will: Er kann die Ungleichbehandlung entweder auf der Beitragsseite durch eine Änderung der Beitragsbemessung bei Einmalzahlungen beseitigen oder auf der Leistungsseite durch Einbeziehung von Einmalzahlungen in die Bemessungsgrundlage kurzfristiger Lohnersatzleistungen. Er darf jedoch nicht relativ komplizierte Methoden der Beitragsberechnung zu Lasten der mit der Beitragsabführung befaßten Arbeitgeber einführen und zugleich Leistungen im Hinblick auf ebenso schwierige Berechnungen auf seiten der Leistungsverwaltung gänzlich verweigern. Pauschalierungsverfahren zur Lösung dieser Probleme sind ihm von Verfassungs wegen nicht verwehrt.

4. Weißt eine der im Verfassungsbeschwerdeverfahren für nicht verfassungskonform erklärten Norm nachfolgende Vorschrift (hier: SGB 5 § 227, SGB 6 § 164) keine inhaltliche Änderung auf, so ist auch diese in entsprechender Anwendung des BVerfGG § 78 S 2 für verfassungswidrig zu erklären.

5a. Wenngleich eine Norm im Falle der Unvereinbarkeitserklärung vom Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an in dem sich aus dem Tenor der Entscheidung ergebenden Ausmaß nicht mehr angewandt werden darf (BVerfG, 1974-05-21, 1 BvL 21/72, BVerfGE 37, 217 (261)), so können verfassungswidrige Normen ausnahmsweise dann für eine Übergangszeit angewendet werden, wenn dies im Interesse der Rechtssicherheit geboten ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn damit verhindert wird, daß ein Zustand eintritt, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige.

5b. Hier: Weitere Anwendung von RVO § 385 Abs 1a, SGB 5 § 227 und SGB 6 § 164 bis zu einer Gesetzesänderung, längstens bis 1996-12- 31, um auf seiten der Beitragspflichtigen und der Sozialversicherungsträger eine Unsicherheit über die beitragsrechtliche Behandlung von Einmalzahlungen zu vermeiden.

Diese Entscheidung hat Gesetzeskraft.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; RVO § 385 Abs. 1a Fassung: 1983-12-22; SGB V § 227; SGB VI § 164; BVerfGG § 78 S. 2

 

Verfahrensgang

BSG (Entscheidung vom 11.12.1987; Aktenzeichen 12 RK 22/86; BSGE 62, 281)

 

Tenor

1. § 385 Absatz 1 a der Reichsversicherungsordnung, eingefügt durch Artikel 1 Nummer 9 des Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) vom 22. Dezember 1983 (Bundesgesetzblatt I Seite 1532), § 227 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits- Reformgesetz – GRG) vom 20. Dezember 1988 (Bundesgesetzblatt I Seite 2477) und § 164 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 – RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (Bundesgesetzblatt I Seite 2261) sind mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar, soweit danach einmalig gezahltes Arbeitsentgelt zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wird, ohne daß es bei der Berechnung sämtlicher Lohnersatzleistungen berücksichtigt wird.

2. § 227 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs und § 164 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs können bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens bis zum 31. Dezember 1996, weiter angewendet werden.

3. …

 

Gründe

A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob es verfassungsrechtlich zulässig ist, von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, zur Rentenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit nach der im Auszahlungsmonat jeweils maßgeblichen anteiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze zu erheben.

I.

1. a) Die Mittel für die gesetzliche Krankenversicherung und die Rentenversicherung werden in erster Linie durch Beiträge der Beschäftigten und ihrer Arbeitgeber aufgebracht. Ebenso erhebt die Bundesanstalt für Arbeit zur Aufbringung der Mittel für die Durchführung ihrer Aufgaben von Arbeitnehmern und Arbeitgebern Beiträge, soweit die Mittel nicht durch Umlagen aufgebracht werden. Der Beitragsberechnung ist in allen drei Versicherungszweigen das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung zugrundezulegen, jedoch nur bis zu der im jeweiligen Versicherungszweig geltenden Beitragsbemessungsgrenze. Die Beitragsbemessungsgrenzen der Renten- und der Arbeitslosenversicherung sind gleich hoch. Die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung beträgt 75 vom Hundert der in der Renten- und der Arbeitslosenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenzen.

Die Beitragsbemessungsgrenzen werden durch Rechtsverordnung jeweils für ein Kalenderjahr festgesetzt. Zeitraum der Beitragserhebung (Beitragsbemessungszeitraum) ist aber nicht das Kalenderjahr, sondern der Kalendermonat. Deshalb ist zur Beitragsberechnung eine monatliche Beitragsbemessungsgrenze gebildet worden, die ein Zwölftel der Jahresbeitragsbemessungsgrenze beträgt.

b) Arbeitsentgelt versicherungspflichtig Beschäftigter sind alle laufenden und einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Dies gilt gleichermaßen für die Krankenversicherung, die Rentenversicherung und die Arbeitslosenversicherung. Arbeitsentgelt sind damit auch Zuwendungen des Arbeitgebers, die dem Arbeitnehmer nicht als laufendes Entgelt, sondern in Form von Sonderzahlungen auf einmal zufließen, wie das Weihnachts- und Urlaubsgeld, Urlaubsabgeltungen, Tantiemen, Gratifikationen und zusätzliche Monatsgehälter.

2. Laufend gezahltes Arbeitsentgelt kann (selbst bei nachträglicher Abrechnung) nur demjenigen Entgeltabrechnungszeitraum zugeordnet werden, in dem die zugrundeliegende Arbeitsleistung erbracht wurde. Übersteigt das im Kalendermonat erzielte Arbeitsentgelt die monatliche Beitragsbemessungsgrenze, ist es insoweit beitragsfrei, als diese Grenze überschritten wird. Eine Verteilung des laufenden Arbeitsentgelts und seine beitragsrechtliche Zuordnung zu anderen Zeiträumen als denjenigen, in denen es tatsächlich erarbeitet wurde, findet nicht statt, und zwar auch dann nicht, wenn das gesamte Arbeitsentgelt eines Kalenderjahres die für das betreffende Jahr geltende (Jahres-) Beitragsbemessungsgrenze nicht übersteigt.

3. a) Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt wurde vor dem Inkrafttreten des mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen § 385 Abs. 1 a RVO am 1. Januar 1984 nur dem Lohnzahlungszeitraum zugerechnet, in dem es gewährt wurde. Dies führte dazu, daß bei Arbeitnehmern, deren Arbeitsentgelt die Hälfte der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze oder weniger betrug, eine Einmalzahlung in Höhe eines Monatsgehalts oder Monatslohnes in vollem Umfang der Beitragspflicht unterlag. Dagegen blieben bei Arbeitnehmern mit höheren Arbeitsentgelten (oder höheren Einmalzahlungen) Teile der Einmalzahlung beitragsfrei, wenn das laufende Arbeitsentgelt zusammen mit der einmaligen Zahlung im Monat der Auszahlung die monatliche Beitragsbemessungsgrenze überstieg. Eine Verteilung der im Monat ihrer Auszahlung wegen Überschreitens der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze beitragsfrei gebliebenen Einmalzahlung auf frühere oder spätere Entgeltabrechnungszeiträume fand nicht statt. Je höher das laufende Arbeitsentgelt oder die Einmalzahlung war, desto geringer war die auf die Einmalzahlung entfallende Beitragsbelastung. Diese entfiel ganz, sofern das regelmäßige monatliche Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze erreichte oder überschritt.

b) Das Bundessozialgericht hatte allerdings 1982 entschieden, daß jedenfalls Sonderzahlungen, auf die beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis im Laufe des Kalenderjahres ein anteiliger oder voller arbeitsrechtlicher Anspruch besteht, keine einmaligen Einnahmen darstellten, sondern als Bestandteil eines festen Jahresarbeitsentgelts anzusehen seien mit der Folge, daß auf jeden Monat ein Zwölftel der Sonderzahlung entfalle (vgl. BSG, SozR 2100 § 17 Nr. 3; DAngVers 1982, S. 393). Von den Trägern der Sozialversicherung, insbesondere den Krankenkassen als Beitragseinzugsstellen, wurde diese Rechtsprechung, die abweichend von der bis dahin geübten Praxis eine Ausweitung der beitragspflichtigen Einnahmen bedeutet hätte, wegen verwaltungsmäßiger Schwierigkeiten in der Folge jedoch nicht umgesetzt (vgl. Tonscheidt, Wege zur Sozialversicherung 1984, S. 33; Hungenberg, Die Ortskrankenkasse 1984, S. 114 f.; Zipperer, Die Betriebskrankenkasse 1984, S. 6 (12); Mess, Die Ersatzkasse 1983, S. 372 (373)). Sie hätte nämlich eine Korrektur für alle der Zahlung der Sonderzuwendung vorausgehenden Lohnabrechnungszeiträume des Kalenderjahres erfordert. Außerdem hätte bei einer früheren Auszahlung als im Dezember das laufende Arbeitsentgelt für die restlichen Monate des Kalenderjahres geschätzt werden müssen, damit ein annähernd zutreffender Beitragsabzug von den Sonderzuwendungen ermittelt werden konnte.

4. a) Um den genannten Unzuträglichkeiten bei der beitragsrechtlichen Behandlung einmalig gezahlten Arbeitsentgeltes zu begegnen und die Beitragseinnahmen der Versicherungsträger insgesamt zu erhöhen, hat der Gesetzgeber durch das Gesetz über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) vom 22. Dezember 1983 (BGBl I S. 1532) in § 385 RVO folgenden Absatz 1 a eingefügt:

Bei der Feststellung des Grundlohns nach Absatz 1 sind dem Arbeitsentgelt zuzurechnende Zuwendungen, die nicht für die Arbeit in einem einzelnen Lohnabrechnungszeitraum gezahlt werden (einmalig gezahltes Arbeitsentgelt), dem Lohnabrechnungszeitraum zuzuordnen, in dem sie ausgezahlt werden. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, das erst nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses oder bei ruhendem Beschäftigungsverhältnis gezahlt wird, ist dem letzten Lohnabrechnungszeitraum im laufenden Kalenderjahr zuzuordnen, auch wenn dieser nicht mit Arbeitsentgelt belegt ist. Das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt ist soweit zu berücksichtigen, als die anteilige Jahresarbeitsverdienstgrenze noch nicht mit beitragspflichtigem Arbeitsentgelt erreicht ist. Die anteilige Jahresarbeitsverdienstgrenze ist der Teil der Jahresarbeitsverdienstgrenze, der der Dauer aller Beschäftigungsverhältnisse bei demselben Arbeitgeber im laufenden Kalenderjahr bis zum Ablauf des Lohnabrechnungszeitraums entspricht, dem das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt zuzuordnen ist; Zeiten, die nicht mit Beiträgen aus laufendem (nicht einmalig gezahltem) Arbeitsentgelt belegt sind, sind auszunehmen.

In der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. März einmalig gezahltes Arbeitsentgelt ist dem letzten Lohnabrechnungszeitraum des vergangenen Kalenderjahres zuzurechnen, wenn es von dem Arbeitgeber dieses Lohnabrechnungszeitraums gezahlt wird und der festgestellte Grundlohn den in Satz 4 genannten Teil der Jahresarbeitsverdienstgrenze übersteigt. Ist einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, das nach dem 31. März gezahlt wird, nach Satz 2 einem Lohnabrechnungszeitraum in der Zeit vom 1. Januar bis 31. März zuzuordnen, findet Satz 5 keine Anwendung.

Die Sätze 1 bis 4 traten am 1. Januar 1984, die Sätze 5 und 6 am 1. Januar 1985 in Kraft (Art. 39 Abs. 1 und 9 Haushaltsbegleitgesetz 1984). Für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt wurde damit die auf den Lohnzahlungszeitraum bezogene Beitragsbemessungsgrenze zugunsten einer anteiligen Jahresarbeitsverdienstgrenze aufgegeben. Einmalzahlungen werden danach – anders als nach dem vom Bundessozialgericht vorgezeichneten Weg – nicht gezwölftelt, sondern im Zeitpunkt ihrer Auszahlung unter Bildung einer auf die zurückliegenden Monate bezogenen anteiligen Jahresarbeitsverdienstgrenze der Beitragspflicht unterworfen. Damit wurde die Korrektur der Beitragsberechnung für abgelaufene Zeiträume vermieden, gleichwohl aber eine Nacherhebung der Beiträge ermöglicht.

b) § 385 Abs. 1 a RVO galt unmittelbar nur für die gesetzliche Krankenversicherung. Mit dem Inkrafttreten des SGB V ist diese Vorschrift durch den inhaltsgleichen § 227 SGB V ersetzt worden. Mittelbar galt § 385 Abs. 1 a RVO zunächst auch für die Rentenversicherung, weil § 1400 Abs. 2 RVO und § 122 Abs. 2 AVG auf diese Vorschrift, ab 1. Januar 1989 auf § 227 SGB V Bezug nahmen. Seit dem 1. Januar 1992 enthält § 164 SGB VI eine dem § 227 SGB V entsprechende Regelung für die Beiträge zur Rentenversicherung. Für die Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit wurde in § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG auf die Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung und damit über § 1400 Abs. 2 Satz 3 RVO in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 auf § 385 Abs. 1 a RVO Bezug genommen. Seit dem 1. Januar 1989 wird in § 175 Abs. 1 Satz 2 AFG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S. 2343) auf § 227 SGB V verwiesen.

c) Zu den mit der Einfügung des § 385 Abs. 1 a RVO verfolgten Zielen heißt es in der Gesetzesbegründung der Bundesregierung zum Haushaltsbegleitgesetz 1984 (BTDrucks 10/335, S. 70 f. zu Nr. 9 - § 385):

Künftig sollen beitragspflichtige Zuwendungen verstärkt zur Beitragsleistung herangezogen werden… Mit der Vorschrift soll Arbeitsentgelt in Form von Zuwendungen erfaßt werden, das nicht nur in einem einzelnen Lohnabrechnungszeitraum erzielt worden ist. Hierunter sind insbesondere Weihnachts- und Urlaubsgeld, Tantiemen, Provisionen, Gratifikationen und ähnliche Leistungen zu verstehen, aber auch zusätzliche Gehälter und einmalige Leistungen ohne Bezug auf einen Lohnabrechnungszeitraum, etwa aus Anlaß von Jubiläen. Nicht zu solchen Zuwendungen gehört demnach zum Beispiel nachgezahltes Entgelt für Mehrarbeit. Ob die Zuwendung in einer Summe oder in Teilbeträgen gezahlt wird, ist ohne Bedeutung, ebenso, ob auf sie ein Rechtsanspruch besteht.

Zuwendungen kommen allerdings nur in Betracht, wenn und soweit sie nach geltendem Recht beitragspflichtiges Arbeitsentgelt sind. Die Einbeziehung dieser Zuwendungen wird in der Weise durchgeführt, daß sie jeweils dem Lohnabrechnungszeitraum zugerechnet werden, in dem sie dem Versicherten ausgezahlt werden. Sie werden jedoch bei der Feststellung des Grundlohns für diesen Lohnabrechnungszeitraum über die bislang in § 180 Abs. 1 Satz 3 RVO festgesetzte Höchstgrenze hinaus berücksichtigt, allerdings nur bis zur anteiligen Jahresarbeitsverdienstgrenze. Die Berechnung wird wie folgt durchgeführt: Es wird der Anteil der Jahresarbeitsverdienstgrenze ermittelt, der der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses bei dem die Zuwendung zahlenden Arbeitgeber zum laufenden Kalenderjahr entspricht. Dem wird das gesamte auf diese Beschäftigungszeit entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt gegenübergestellt. Unter beitragspflichtigem Arbeitsentgelt ist das Arbeitsentgelt zu verstehen, welches in den einzelnen Lohnabrechnungszeiträumen bis zur Beitragsbemessungsgrenze der Beitragspflicht unterworfen wurde. Ergibt sich, daß die anteilige Jahresarbeitsverdienstgrenze nicht erreicht ist, wird die Zuwendung insoweit der Beitragspflicht unterworfen. Die genannte Beschränkung auf das Kalenderjahr und die Beschäftigungszeit bei dem die Zuwendung auszahlenden Arbeitgeber soll überzogenen Verwaltungsaufwand, insbesondere Korrekturen bereits durchgeführter Beitragsberechnungen grundsätzlich vermeiden. Aus demselben Grunde verbleibt es – wie bisher – bei der Zuständigkeit der Krankenkasse im Zeitpunkt der Auszahlung der Zuwendung; eine Aufteilung von Beiträgen auf vorher zuständige Krankenkassen unterbleibt. Ist einmalig gezahltes Arbeitsentgelt nach Satz 2 dem letzten Lohnabrechnungszeitraum des vergangenen Kalenderjahres zuzurechnen, ist allerdings die Krankenkasse dieses Lohnabrechnungszeitraumes zuständig…

Die Neuregelung könnte dadurch umgangen werden, daß einmalig gezahltes Arbeitsentgelt erst im ersten Vierteljahr des folgenden Kalenderjahres ausgezahlt wird. Um dies zu verhindern, schreibt der Satz 2 eine Zuordnung dieser Zuwendungen zum letzten Lohnabrechnungszeitraum des vergangenen Kalenderjahres vor, sofern die Zuwendungen im Zeitpunkt der Zahlungen nicht ohnehin in voller Höhe zur Beitragsleistung herangezogen werden.

Die voraussichtlichen Einnahmenverbesserungen aufgrund der stärkeren Einbeziehung von Einmalzahlungen in die Beitragspflicht wurden für den Zeitraum von 1984 bis 1987 auf 2.660 Millionen DM für die Bundesanstalt für Arbeit, auf 5.570 Millionen DM für die gesetzliche Krankenversicherung und auf 12.020 Millionen DM für die Rentenversicherung geschätzt (vgl. BTDrucks 10/335 S. 52, 54, 56).

5. a) Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen beitragspflichtigem Arbeitsentgelt einschließlich der beitragspflichtigen Einmalzahlungen und der Höhe von Sozialleistungen besteht derzeit nur bei den Renten der gesetzlichen Rentenversicherung, deren Höhe sich maßgeblich danach richtet, wie hoch die Beitragszahlungen des Versicherten im Laufe seines Versicherungslebens waren. Diese bemessen sich nach dem Arbeitsentgelt, mit dem der Versicherte zur Beitragszahlung herangezogen wurde (vgl. § 1255 RVO a.F., §§ 63, 64 und 70 SGB VI). Die hinsichtlich der Einmalzahlungen geleisteten Beiträge zur Rentenversicherung führen demnach zu höheren Anwartschaften auf Renten und nach Eintritt des Versicherungsfalls auch zu höheren Renten.

b) In der gesetzlichen Krankenversicherung werden einmalige Zuwendungen bei der Berechnung des Krankengeldes nicht berücksichtigt. Insoweit bestimmte § 182 Abs. 5 Satz 1 RVO in der Fassung des Rehabilitationsangleichungsgesetzes vom 7. August 1974 (BGBl I S. 1881), daß der für die Berechnung des Krankengeldes maßgebliche Regellohn das vom Versicherten im Bemessungszeitraum erzielte und „um einmalige Zuwendungen verminderte Entgelt”, geteilt durch die Stunden, für die es gezahlt wurde, ist. Art. 1 Nr. 2 des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 (BGBl I S. 1532) änderte diese Vorschrift nur redaktionell, indem die Worte „einmalige Zuwendungen” durch den neuen Begriff „einmalig gezahltes Arbeitsentgelt” ersetzt wurden. Diese Formulierung verwendet nunmehr auch der am 1. Januar 1989 in Kraft getretene § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Auf diese Vorschrift wird für die Berechnung des Übergangsgeldes bei medizinischen Leistungen zur Rehabilitation der Träger der Rentenversicherung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) und für die Berechnung des Verletztengeldes in der gesetzlichen Unfallversicherung Bezug genommen (vgl. § 561 Abs. 1 RVO).

c) Für die Berechnung des Arbeitslosengeldes bestimmt § 112 Abs. 2 Satz 3 AFG in der Fassung des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs- Konsolidierungsgesetz - AFKG -) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S. 1497) mit Wirkung ab 1. Januar 1982, daß „einmalige und wiederkehrende Zuwendungen” außer Betracht bleiben und daß dies auch für Zuwendungen gilt, die anteilig gezahlt werden, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Fälligkeitstermin endet.

II.

1. Der Beschwerdeführer war im Jahre 1984 als Angestellter bei der Stadt Tübingen beschäftigt. Dabei unterlag er der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Angestellten und der Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit. Wegen Überschreitens der in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Versicherungspflichtgrenze war er nicht krankenversicherungspflichtig. Bis einschließlich des Kalendermonats Oktober waren für ihn aus seinem Arbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 49.209,06 DM Beiträge zur Rentenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit entrichtet worden.

Die monatliche Beitragsbemessungsgrenze in der Renten- und Arbeitslosenversicherung betrug damals 5.200 DM. Die anteilige jährliche Beitragsbemessungsgrenze betrug, bezogen auf den Kalendermonat November 1984, 57.200 DM (11/12 der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 1984 in Höhe von insgesamt 62.400 DM). Die Differenz zwischen den bis einschließlich Oktober 1984 bereits zur Beitragszahlung herangezogenen Arbeitsentgelten und der anteiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze für den Monat November 1984 betrug 57.200 DM abzüglich 49.209,06 DM = 7.990,94 DM. Der Streit im Ausgangsverfahren betrifft die Frage, ob das im November 1984 ausgezahlte regelmäßige Gehalt zuzüglich Weihnachtsgeld nur bis zur monatlichen Beitragsbemessungsgrenze von 5.200 DM oder bis zur Differenz zur anteiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze, also in Höhe von 7.990,94 DM, beitragspflichtig ist.

Die Arbeitgeberin legte die anteilige Jahresarbeitsentgeltgrenze zugrunde und führte entsprechende Beiträge ab. Ohne die Regelung in § 385 Abs. 1 a RVO wären 369,19 DM weniger an Beiträgen abgeführt worden.

Die Erstattung dieses Betrages beantragte der Beschwerdeführer bei der AOK. In dieser Höhe seien Beiträge unter Verletzung von Art. 3, Art. 14 und Art. 20 GG einbehalten worden. Die AOK lehnte die Erstattung ab. Klage, Berufung und Revision des Beschwerdeführers hatten keinen Erfolg.

In dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil des Bundessozialgerichts (vgl. im einzelnen SozR 2200 § 385 Nr. 18) wird im wesentlichen ausgeführt, die Entscheidung der AOK sei nicht zu beanstanden. § 385 Abs. 1 a RVO sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Die vom Beschwerdeführer beanstandeten Unterschiede im Äquivalenzgefüge zwischen Beiträgen und Leistungen hätten ihren Ursprung in praktischen Schwierigkeiten der Beitrags- und Leistungsberechnung nach früherem Recht.

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, § 385 Abs. 1 a RVO verletze ihn in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip.

Die Vorschrift verstoße dadurch gegen Art. 3 Abs. 1 GG, daß die Beiträge von Einmalzahlungen nicht entsprechend dem Lohnabrechnungszeitraum, sondern entsprechend der anteiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze des laufenden Kalenderjahres abgeführt würden. Hierdurch träte je nach Auszahlungszeitpunkt der Einmalzahlung eine ungleiche Beitragsbelastung von Arbeitnehmern mit gleich hohen Jahresarbeitsentgelten ein.

Eine weitere Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern mit gleich hohem Jahresarbeitsentgelt unterhalb der Beitragsbemessungs- grenze entstehe auf der Leistungsseite, weil Sonderzuwendungen je nach ihrer Auszahlungsweise in der Kranken- und Arbeitslosenversicherung bei der Gewährung von (Lohnersatz-)Leistungen entweder Berücksichtigung fänden oder nicht. Werde die Sonderzuwendung auf einmal ausbezahlt, finde sie – obgleich sie beitragspflichtig sei – bei der Leistungsberechnung keine Berücksichtigung; anders sei dies bei einer über das gesamte Kalenderjahr verteilten ratenweisen Zahlung.

Schließlich werde nur Versicherten mit einem regelmäßigen Verdienst unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze ein Beitrag auf Einmalzahlungen zugemutet, der sich bei den Lohnersatzleistungen für vorübergehenden Verdienstausfall (Krankengeld, Übergangsgeld und Arbeitslosengeld) nicht leistungssteigernd auswirke. Demgegenüber gelangten Arbeitnehmer mit einem laufenden Arbeitsentgelt auf oder über der monatlichen Arbeitsentgeltgrenze uneingeschränkt in den Genuß äquivalenter Leistungen, weil das beitragsbelastete Einkommen vollständig bei der Berechnung der Lohnersatzleistung berücksichtigt werde. Der Nachteil sei um so größer, je geringer das laufende Arbeitsentgelt sei. Darin liege zugleich eine Verletzung des Sozialstaatsgebots, das gerade einen sozialen Ausgleich zugunsten der sozial Schwächeren, nicht aber zugunsten der Besserverdienenden bezwecke.

Eine Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlungen gebe es nicht. Mit dem Erfordernis einer typisierenden Regelung könnten die aufgezeigten Beitragsunterschiede nicht gerechtfertigt werden, da sich bestimmte Regeln für die Auszahlungstermine der Einmalzahlungen, insbesondere für das Weihnachts- und Urlaubsgeld, nicht aufstellen ließen und es sich bei der stärkeren Beitragsbelastung auch nicht um derart seltene Ausnahmefälle handele, daß sie bei einer auf den Normalfall zugeschnittenen Regelung außer Betracht gelassen werden könnten.

III.

Zur Verfassungsbeschwerde haben der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung namens der Bundesregierung, der AOK-Bundesverband, die Bundesverbände der Innungskrankenkassen und der Betriebskrankenkassen, der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft Stellung genommen. Zu den Stellungnahmen hat sich der Beschwerdeführer nochmals im wesentlichen wie in seiner Beschwerdebegründung geäußert.

1. Der Bundesminister hält § 385 Abs. 1 a RVO für verfassungsmäßig.

a) Mit der Neuregelung der Beitragspflicht von Einmalzahlungen sei das Ziel einer größeren Gleichbehandlung aller Beitragspflichtigen im Rahmen eines für Arbeitgeber und Versicherungsträger praktikablen Verwaltungsverfahrens sowie unter Berücksichtigung der erforderlichen Mehreinnahmen für die Sozialversicherung erreicht worden.

b) Eine unterschiedliche Beitragsbelastung bei gleich hohen Arbeitsentgelten trete nur noch bei wenigen Fallkonstellationen auf, nämlich dann, wenn ein Versicherter laufendes Arbeitsentgelt beziehe, das nur knapp unter der Beitragsbemessungsgrenze liege. Hier könne es bei einer Einmalzahlung in Höhe etwa eines Monatsgehalts im April oder Mai zu einer nicht ganz vollständigen Einbeziehung der Einmalzahlung in die Beitragspflicht kommen. Insgesamt handele es sich hierbei jedoch um nicht vermeidbare Ausnahmetatbestände, zumal Sonderzuwendungen in Höhe eines vollen Monatsgehalts nur sehr selten bereits im April oder Mai ausgezahlt würden und in den meisten Fällen die Jahresbeitragsbemessungsgrenze dadurch weitgehend ausgeschöpft werde, daß – was der Regelfall sei – zum Jahresende eine weitere Sonderzahlung erfolge.

c) Es entspreche einem grundlegenden Prinzip in der Sozialversicherung, das Arbeitsentgelt zur Beitragszahlung nur im Monat seiner Auszahlung heranzuziehen. Die Anwendung dieses Strukturprinzips sei auch bei Einmalzahlungen sachlich erforderlich gewesen, da jede andere Form der Beitragserhebung auf Einmalzahlungen zu kaum lösbaren Problemen tatsächlicher und rechtlicher Art geführt hätte. Dem Gesetzgeber hätten keine praktikablen Alternativen zur Verfügung gestanden, mittels derer die vom Beschwerdeführer aufgezeigten Beitragsunterschiede hätten vermieden werden können.

d) Soweit der Beschwerdeführer eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung darin sehe, daß sich die aus Einmalzahlungen abgeführten Beiträge leistungsrechtlich nicht auswirkten, gelte dies nur für die sogenannten kurzfristigen Lohnersatzleistungen, nicht aber für die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung. Dort führe der höhere Beitrag im Grundsatz auch zu einer höheren Rentenleistung oder zu höheren Rentenanwartschaften. Bei der Bemessung sogenannter kurzfristiger Lohnersatzleistungen sei die Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen entsprechend dem gesetzlichen Zweck dieser Leistungen sachlich gerechtfertigt; hieran ändere auch das vom Beschwerdeführer herangezogene Äquivalenzprinzip nichts, da dieses nur bei den Rentenleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, nicht aber bei den kurz- und mittelfristigen Lohnersatzleistungen gelte.

e) Schließlich verstoße § 385 Abs. 1 a RVO auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip. Die vom Beschwerdeführer gerügten Störungen des Äquivalenzgefüges beruhten darauf, daß Höherverdienende aufgrund der Jahresarbeitsentgelt- und der Beitragsbemessungsgrenze nicht zu beliebig hohen Beiträgen herangezogen werden könnten. Diesen Grenzen komme die Funktion einer Belastungsgrenze einerseits und einer Begrenzung des Sicherungsrahmens andererseits zu.

2. Der AOK-Bundesverband schließt sich den Ausführungen des Bundessozialgerichts an und weist ergänzend darauf hin, daß § 385 Abs. 1 a RVO zu einer der Leistungsfähigkeit besser entsprechenden Heranziehung der Versicherten zur Beitragszahlung geführt habe. Zur Behebung der finanziellen Not der Sozialversicherung seien die Beitragseinnahmen unter grundsätzlicher Einhaltung der Beitragsbemessungsgrenzen erweitert worden. Beide Erwägungen seien sachorientiert, denn die Neuregelung trage dem Grundgedanken Rechnung, daß sich Einmalzahlungen auf die Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum Betrieb während des ganzen Jahres beziehen und deshalb im Grundsatz auch der Beitragsbemessung der auf das ganze Jahr bezogenen Beitragsbemessungsgrenze unterworfen sein sollten.

Zwar wäre bei der Beitragserhebung auf Einmalzahlungen auch denkbar gewesen, die volle Jahresbeitragsbemessungsgrenze bis zu ihrer Ausschöpfung ohne Rücksicht auf den Zahlungszeitpunkt zugrundezulegen; dies wäre aber mit der Unsicherheit des weiteren Verlaufs des Arbeitsverhältnisses während des Kalenderjahres belastet gewesen. Insbesondere bei einer früh im Jahr angesetzten Einmalzahlung sei nicht vorhersehbar, welche Entwicklung das Arbeitsverhältnis bis zum Jahresende nehmen werde. Der Arbeitnehmer könne vorher ausscheiden, den Arbeitsplatz wechseln und arbeitslos werden, so daß sich eine auf das Jahr bezogene Prognose als falsch erweisen könne. All dies würde nachträgliche Korrekturen erfordern. Zwar wäre dabei an ein mit dem Lohnsteuer-Jahresausgleich vergleichbares Ausgleichsverfahren zu denken, doch bedürfte es dann eines ähnlich arbeitsaufwendigen Verfahrens wie beim Lohnsteuer-Jahresausgleich, wobei die elektronische Datenerfassung bislang auf die drei Zweige der Sozialversicherung verteilt sei und mit erheblichem Aufwand zusammengeführt werden müßte, ohne daß die im Interesse des Datenschutzes liegende Trennung dieser Daten aufrechterhalten werden könnte. Es bedürfte zudem der Abwicklung in zwei arbeitsaufwendigen Schritten, weil die Krankenkassen als Einzugsstellen der Gesamtsozialversicherungsbeiträge nur in der Lage wären, einen arbeitgeberbezogenen Ausgleich durchzuführen. Darüber hinaus würde ein individueller Ausgleich gegenüber dem Arbeitnehmer zu dem von ihm zu tragenden Arbeitnehmeranteil am Beitrag erforderlich, der nur den Arbeitgebern möglich wäre.

3. Die Bundesverbände der Betriebs- und der Innungskrankenkassen schließen sich in der Sache dem Bundessozialgericht an. Ergänzend teilt der Bundesverband der Innungskrankenkassen mit, ihm lägen keine Erkenntnisse darüber vor, daß durch arbeitsvertragliche Vereinbarungen Einmalzahlungen in beitragsrechtlich günstige Lohnabrechnungszeiträume verlegt würden, während der Bundesverband der Betriebskrankenkassen vorträgt, eine Anfrage bei seinen Mitgliedern habe ergeben, daß lediglich ein Arbeitgeber einmalig gezahltes Arbeitsentgelt in beitragsrechtlich günstige Lohnabrechnungszeiträume verlagert habe.

4. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger teilt mit, daß nach Inkrafttreten des § 385 Abs. 1 a RVO zwar in Einzelfällen eine Vorverlegung von Einmalzahlungen in beitragsrechtlich günstige Kalendermonate stattgefunden habe, namentlich bei einigen größeren Firmen. Diese Praxis sei aber im wesentlichen auf das Kalenderjahr 1984 beschränkt gewesen. Von Einzelfällen abgesehen, habe die Vorverlegung des Auszahlungszeitraumes seit Inkrafttreten der sogenannten März-Regel des § 385 Abs. 1 a Satz 5 RVO am 1. Januar 1985 keine wesentliche Bedeutung mehr.

5. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände ist der Ansicht, daß sich die vom Beschwerdeführer angegriffenen Rechtsfolgen nicht aus § 385 Abs. 1 a RVO, sondern aus dem Tarifrecht ergäben; die zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Modalitäten über Höhe und Fälligkeit der Einmalzahlungen bestimmten, wie sich § 385 Abs. 1 a RVO in der Praxis beitragsrechtlich auswirke. Der Bundesvereinigung seien allerdings weder tarifvertragliche Regelungen noch bedeutsame Betriebsvereinbarungen bekannt, die Einmalzahlungen im Sinne des § 385 Abs. 1 a RVO in beitragsrechtlich günstige Lohnabrechnungszeiträume verlegt hätten.

6. Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) hält die Verfassungsbeschwerde für begründet. Die DAG habe bereits in den Anhörungen zum Haushaltsbegleitgesetz 1984 deutlich gemacht, daß durch die angegriffene Bestimmung das Versicherungsprinzip insoweit verlassen werde, als den Beitragszahlungen keinerlei adäquate Leistungen gegenüberstünden. Beitrags- und Leistungsrecht klafften durch die Regelung des § 385 Abs. 1 a RVO noch weiter auseinander als bisher. Während nach bisherigem Recht die Divergenz zwischen Beitrags- und Leistungsrecht noch eine Randerscheinung gewesen sei, würden nunmehr aus Gründen der Haushaltssanierung systematisch Gehaltsbestandteile beitragsmäßig ohne leistungsrechtliche Gegenleistung erfaßt.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

Der Beschwerdeführer ist zwar hinsichtlich des unmittelbaren Anwendungsbereichs des mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen § 385 Abs. 1 a RVO nicht beschwert, denn als Angestellter mit einem Arbeitsentgelt, das über der in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Versicherungspflichtgrenze lag, war er in der Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig. Da er nicht mit Krankenversicherungsbeiträgen belastet wurde, konnte sich die Regelung des § 385 Abs. 1 a RVO insoweit von vornherein nicht nachteilig auswirken. Dies steht einer verfassungsrechtlichen Prüfung des § 385 Abs. 1 a RVO in seiner mittelbaren Anwendung auf Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung nicht entgegen. Infolge der Verweisungen in § 1400 RVO, § 122 AVG und § 175 Abs. 1 Satz 2 AFG wirkte sich die angegriffene Vorschrift auf den Beschwerdeführer belastend aus.

C.

§ 385 Abs. 1 a RVO ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar, soweit danach einmalig gezahltes Arbeitsentgelt zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wird, obwohl es bei der Berechnung kurzfristiger Lohnersatzleistungen unberücksichtigt bleibt.

I.

1. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Die Abstufung der Anforderungen folgt aus Wortlaut und Sinn des Art. 3 Abs. 1 GG sowie aus seinem Zusammenhang mit anderen Verfassungsnormen.

Da der Grundsatz, daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung (vgl. BVerfGE 55, 72 (88); 89, 365 (375)). Diese ist jedoch nicht auf personenbezogene Differenzierungen beschränkt. Sie gilt vielmehr auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sind um so engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 88, 87 (96) m.w.N.). Dieser Gesichtspunkt ist insbesondere im Hinblick auf die Zwangsmitgliedschaft der Versicherten in einem öffentlichrechtlichen Verband, die deren allgemeine Handlungsfreiheit im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG einschränkt, von Bedeutung (vgl. BVerfGE 10, 89 (102); 32, 54 (64); 38, 281 (298); 78, 320 (329); 89, 365 (376)).

Außerhalb des so umschriebenen Bereichs läßt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber weitgehende Freiheit, Lebenssachverhalte je nach dem Regelungszusammenhang verschieden zu behandeln. Die Grenze bildet insoweit allein das Willkürverbot (BVerfGE 9, 334 (337); 55, 72 (89 f.)).

2. § 385 Abs. 1 a RVO regelt die Beitragserhebung für Einmalzahlungen abweichend von den für laufendes Arbeitsentgelt geltenden Vorschriften. Zweck der Norm ist dabei die Angleichung verschiedenartiger Sachverhalte mit dem Ziel einer Beitragserhebung entsprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Insoweit beschränkt sich der Prüfungsmaßstab auf das Willkürverbot (unten II.).

Die Vorschrift führt jedoch insofern zu einer Ungleichbehandlung von Personengruppen mit gleich hoher Beitragsleistung, als sich bei den Lohnersatzleistungen für vorübergehenden Verdienstausfall (wie Krankengeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld) beitragsbelastete Einmalzahlungen nicht leistungssteigernd auswirken, während Versicherte mit laufenden Arbeitsentgelten auf oder über der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze voll in den Genuß äquivalenter Lohnersatzleistungen gelangen. Insoweit ist die Anwendung eines strengeren Prüfungsmaßstabs geboten (unten III.).

II.

Als Teil des Arbeitsentgelts tragen auch Einmalzahlungen zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Versicherten bei, die als Anknüpfungspunkt der Beitragsbelastung anerkannt ist (vgl. BVerfGE 79, 223 (237)).

Verfassungsrechtlich ist nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber sein Ziel einer gleichmäßigen Behandlung der Versicherten nach Leistungsfähigkeit unter gleichzeitiger Erhöhung der Einnahmen dadurch verwirklicht hat, daß für Einmalzahlungen in § 385 Abs. 1 a RVO nicht mehr nur die auf den Entgeltabrechnungszeitraum der Auszahlung bezogene Beitragsbemessungsgrenze, also regelmäßig die monatliche Bemessungsgrenze, sondern die anteilige Jahresarbeitsentgeltgrenze maßgebend ist. Die Regelung ist verwaltungspraktikabel und beseitigt den nach altem Recht gegebenen Anreiz der Arbeitsvertragsparteien, der Beitragspflicht in größerem Umfang dadurch zu entgehen, daß neben dem monatlichen regelmäßigen Entgelt möglichst große Einmalzahlungen, eventuell sogar mehrfache Sonderzahlungen erbracht werden, damit beim Überschreiten der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze erhebliche Teile des Arbeitsentgelts endgültig beitragsfrei bleiben. Das mit § 385 Abs. 1 a RVO sozialpolitisch verfolgte Ziel stellt keine Verletzung, sondern vielmehr eine Maßnahme zur Erfüllung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dar (vgl. Bieback, BB 1986, S. 1007 (1010)).

Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugeben, daß das Ziel einer gleichmäßigen, der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Versicherten entsprechende Heranziehung von Einmalzahlungen zur Beitragszahlung nur dann vollkommen verwirklicht wäre, wenn als Maßstab der Beitragsheranziehung nicht nur auf die im Auszahlungszeitpunkt der Einmalzahlung bereits erreichte anteilige Jahresarbeitsentgeltgrenze, sondern ausnahmslos auf die Jahresarbeitsentgeltgrenze oder Beitragsbemessungsgrenze für das gesamte Kalenderjahr abgestellt würde. Ein solches Vorgehen wäre jedoch für die Verwaltung gleichermaßen unpraktisch wie aufwendig. Das ist in den Stellungnahmen überzeugend dargelegt.

Angesichts dessen ist die unterschiedliche Beitragsbelastung, die je nach dem Auszahlungszeitpunkt der Einmalzahlung auftreten kann, verfassungsrechtlich hinzunehmen, weil eine andere Typisierung nicht verwaltungspraktikabel wäre und weil die Unterschiede nicht sehr erheblich sind (vgl. BVerfGE 44, 283 (288 f.)). Zudem ist die Zahl der Betroffenen gering, weil in der betrieblichen Praxis die denkbare Verlagerung von Einmalzahlungen in beitragsgünstigere Auszahlungszeiträume ab 1985 nicht in nennenswertem Umfang aufgetreten ist. Selbst 1984, als die sogenannte März-Regel des § 385 Abs. 1 a RVO noch nicht galt, sind nur vereinzelt Vereinbarungen getroffen worden, Sonderzuwendungen bereits im ersten Jahresdrittel auszuzahlen.

III.

Die angegriffene Vorschrift verstößt jedoch gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil Versicherte, deren Einmalzahlungen ganz oder zum Teil der Beitragspflicht unterliegen, hinsichtlich kurzfristiger Lohnersatzleistungen aus diesen Beiträgen keine Leistungen erhalten, während Versicherte, die lediglich aus laufendem Arbeitsentgelt Beiträge zahlen, voll in den Genuß äquivalenter Leistungen gelangen. Diese unterschiedliche Behandlung verschiedener Personengruppen hält der verfassungsrechtlichen Beurteilung anhand des insoweit gebotenen strengeren Prüfungsmaßstabs (vgl. C. I. 1) nicht stand.

Von Verfassungs wegen ist es zwar nicht geboten, daß bei der Bemessung kurzfristiger Lohnersatzleistungen eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen den entrichteten Beiträgen und der Höhe der Leistungen erzielt wird (vgl. BVerfGE 51, 115 (124); 53, 313 (328)). Für Äquivalenzabweichungen bei Versichertengruppen mit gleicher Beitragsleistung ist indessen ein hinreichender sachlicher Grund nicht ersichtlich.

Im Sozialversicherungsrecht ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einerseits Maßstab für die Heranziehung zu Beiträgen; andererseits ist die durch den Versicherungsfall verursachte Einbuße an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit Maßstab für die Berechnung von Lohnersatzleistungen. Rechtfertigende Gründe dafür, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit innerhalb ein und derselben Versichertengruppe im Beitrags- und im Leistungsbereich unterschiedlich zu definieren, sind nicht ersichtlich.

Solche Gründe können insbesondere nicht darin gesehen werden, daß die kurzfristigen Lohnersatzleistungen nur einen bestimmten Anteil des ausgefallenen Arbeitsentgelts ersetzen sollen. Das gilt für alle Lohnersatzleistungen einschließlich der Renten. Allerdings darf durch die Berechnung der laufenden Lohnersatzleistungen nicht die wirtschaftliche Situation des Versicherten verzerrt oder dieser gar besser gestellt werden, als er ohne Eintritt des Versicherungsfalles stünde. Insoweit ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn bei der Ermittlung der für kurzfristige Lohnersatzleistungen maßgeblichen Bemessungsgrundlage Zufälligkeiten gerade in den der Bemessung zugrunde liegenden Lohnzahlungszeiträumen nicht leistungsbestimmend werden. Der Gesetzgeber ist jedoch nicht berechtigt, bei kurzfristigen Lohnersatzleistungen sämtliche beitragspflichtigen Entgeltbestandteile außer Betracht zu lassen, die dem Versicherten zwar nicht in jedem Entgeltabrechnungszeitraum zustehen, seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit – über einen längeren Zeitraum betrachtet – aber kaum weniger beeinflussen als das laufende Arbeitsentgelt. Denn auch die sogenannten kurzfristigen Leistungen werden für Zeiträume gezahlt, die eineinhalb Jahre (Krankengeld), zwei Jahre (Übergangsgeld) und bis zu drei Jahre (Arbeitslosengeld für ältere Arbeitnehmer) umfassen. Sie decken damit Bezugszeiträume ab, die auch die Anlässe und Zeitpunkte, zu denen die Sonderzuwendungen erbracht werden, umfassen.

Hält es der Gesetzgeber – wie bei der angegriffenen Regelung für die Erhebung von Beiträgen – für angezeigt, bei der Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Versicherten auf einen größeren Zeitraum und nicht mehr ausschließlich auf die einzelnen Entgeltabrechnungszeiträume abzustellen, so gebietet es Art. 3 Abs. 1 GG, zur Vermeidung einer unterschiedlichen Behandlung von Personengruppen bei der Bemessung von Lohnersatzleistungen ebenfalls in größeren Zeitabschnitten zu rechnen. Dem Gesetzgeber steht es dabei frei, wie er die wiederkehrenden, tarif- oder einzelvertraglich vereinbarten Sonderzahlungen berücksichtigen will. Er kann die Ungleichbehandlung entweder auf der Beitragsseite durch eine Änderung der Beitragsbemessung bei Einmalzahlungen beseitigen oder auf der Leistungsseite durch Einbeziehung von Einmalzahlungen in die Bemessungsgrundlage kurzfristiger Lohnersatzleistungen. Er darf jedoch nicht relativ komplizierte Methoden der Beitragsberechnung zu Lasten der mit der Beitragsabführung befaßten Arbeitgeber einführen und zugleich Leistungen im Hinblick auf ebenso schwierige Berechnungen auf seiten der Leistungsverwaltung gänzlich verweigern. Pauschalierungsverfahren zur Lösung dieser Probleme sind ihm von Verfassungs wegen nicht verwehrt.

IV.

1. Die Vorschrift des § 385 Abs. 1 a RVO ist danach in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar zu erklären. Nach § 78 Satz 2 BVerfGG, der im Verfahren der Verfassungsbeschwerde entsprechend anwendbar ist, sind im Interesse der Rechtsklarheit auch die Nachfolgevorschriften des § 227 SGB V und des § 164 SGB VI, die keine inhaltliche Änderung aufweisen, in diesem Umfang für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar zu erklären (vgl. BVerfGE 61, 319 (356) m.w.N.).

2. Eine Unvereinbarkeitserklärung hat grundsätzlich zur Folge, daß die Normen in dem sich aus der Entscheidungsformel ergebenden Umfang nicht mehr angewendet werden dürfen (BVerfGE 37, 217 (261); 55, 100 (110)). Ausnahmsweise sind verfassungswidrige Vorschriften aber weiter anzuwenden, wenn die Besonderheit der für verfassungswidrig erklärten Norm es aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere aus solchen der Rechtssicherheit, notwendig macht, die verfassungswidrige Vorschrift als Regelung für die Übergangszeit fortbestehen zu lassen, damit in dieser Zeit nicht ein Zustand besteht, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige (vgl. BVerfGE 37, 217 (261); 61, 319 (356)).

Im vorliegenden Fall ist es geboten, ausnahmsweise im Interesse der Rechtssicherheit die weitere Anwendung der betreffenden Normen bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens bis zum 31. Dezember 1996, zuzulassen. Es muß verhindert werden, daß in der Zeit bis zur gesetzlichen Neuregelung Unsicherheit über die beitragsrechtliche Behandlung von Einmalzahlungen sowohl bei den Beitragspflichtigen als auch bei den Sozialversicherungsträgern herrscht. Wenn bis zum 31. Dezember 1996 allerdings keine gesetzliche Neuregelung in Kraft getreten ist, können § 227 SGB V und § 164 SGB VI nicht länger als Grundlage für die Heranziehung von Einmalzahlungen zu Sozialversicherungsbeiträgen über die Beitragsbemessungsgrenze des Auszahlungsmonats hinaus dienen.

3. Da die vom Beschwerdeführer angegriffene Regelung hiernach auch im Ausgangsverfahren angewendet werden durfte, ist seine Verfassungsbeschwerde zurückzuweisen. Die Verfassungsbeschwerde bleibt aber im Ergebnis nur aus den unter 2. genannten Gründen ohne Erfolg. Daher ist es billig, die Erstattung der dem Beschwerdeführer erwachsenen notwendigen Auslagen anzuordnen (§ 34 a Abs. 3 BVerfGG).

 

Fundstellen

BVerfGE MitbestG § 1, Nr. 1

BVerfGE, 53

BB 1995, 1143 (Presse)

DB 1995, 1084 (LT)

DStR 1995, 1398 (K)

NJW 1995, 2279

NJW 1995, 2279 (L)

NWB 1999, 4470

EuGRZ 1995, 429

EuGRZ 1995, 429-435 (LT)

BGBl I 1995, 855

ARST 1995, 210 (L)

DOK 1996, 372 (S)

EWiR 1995, 671 (L)

NZA 1995, 752

NZA 1995, 752-754 (LT)

USK, 9501 (ST)

VersorgW 1995, 188-189 (T)

WM IV 1995, 1042-1047 (LT)

WzS 1996, 90-91 (L)

ZAP Mitbestimmung, Entsch. 2

ZBR 1995, 250 (L)

ZTR 1995, 382-383 (LT)

AP Art. 3 GG, Nr. 209 (LT)

ArbuR 1995, 272-273 (LT)

AuA 1996, 215 (LT)

DBlR GG Art. 12, Nr. 135 (L1)

DVP 1995, 346 (T)

Die Beiträge 1995, 416-430 (LT)

EzA-SD 1995, Nr 11, 4-5 (L)

EzA GG Art. 9 Abs. 1, Nr. 30 (L1)

EzS GG Art. 14, Nr. 147 (LT1)

HVBG-INFO 1995, 1517-1528 (LT)

JZ 1996, 91

JZ 1996, 92-93 (LT)

MittLVA Oberfr 1995, 225 (T)

ND MBl 1995, 712 (L)

NJ 1995, 391 (L)

NZS 1995, 312-317 (LT)

SGb 1995, 392 (L)

SGb 1995, 547-550 (LT)

SozR MitbestG § 7, Nr. 1

SozR MuSchG 1968 § 14, Nr. 1 (LT1)

SozSich 1995, 478 (L)

SozVers 1995, 221 (LT)

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