Entscheidungsstichwort (Thema)

Besetzung der Richterbank: normative Vorausbestimmung des gesetzlichen Richters in überbesetztem Senat des BFH

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Erste Senat des BVerfG ruft gem. § 16 Abs. 1 BVerfG, § 48 Abs. 1 GeschOBVerfG das Plenum an, weil er von der Rechtsauffassung des Zweiten Senats in der Frage abweicht, inwieweit in einem überbesetzten Senat (hier des II. Senats des BFH) der gesetzliche Richter im Geschäftsverteilungsplan des Senats im voraus bestimmt werden muß.

2. Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmung des gesetzlichen Richters im Geschäftsverteilungsplan.

 

Normenkette

GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; GVG § 21g Abs. 2, § 69 Abs. 2; FGO § 4; BVerfGG § 16 Abs. 1; BVerfGGO 1986 § 48 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BFH (Urteil vom 22.06.1994; Aktenzeichen II R 13/90)

FG Münster (Urteil vom 16.11.1989; Aktenzeichen III 2500/85)

 

Tenor

Das Plenum wird gemäß § 16 Abs 1 BVerfGG, § 48 Abs 1 GeschOBVerfG angerufen, weil der Senat von der Rechtsauffassung des Zweiten Senats in BVerfGE 18, 344 ≪351≫ und 69, 112 ≪120≫ abweichen will.

 

Tatbestand

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine Heranziehung zur Erbschaftsteuer und rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde auch die senatsinterne Regelung über die Mitwirkung der Richter eines überbesetzten Senats beim Bundesfinanzhof.

1. Der Beschwerdeführer ist Kommanditist einer GmbH & Co. KG und zugleich Geschäftsführer der Komplementär GmbH. Er schenkte seinem damals minderjährigen Sohn eine Beteiligung als stiller Gesellschafter an der Kommanditgesellschaft. Entnahmen und nicht entnommene Gewinne waren über ein verzinsliches Darlehenskonto zu verbuchen. Zu Lasten dieses Darlehenskontos erwarb der Sohn Beteiligungen an zwei anderen Gesellschaften.

Der Sohn starb und hinterließ seine stille Beteiligung, ein auf dem Darlehenskonto ausgewiesenes Guthaben sowie die Beteiligungen an den beiden anderen Gesellschaften. Er wurde von dem Beschwerdeführer allein beerbt. Das Finanzamt veranlagte diesen zur Erbschaftsteuer. Es ließ die stille Beteiligung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG steuerfrei, unterwarf jedoch die Beteiligungen an den beiden anderen Gesellschaften und später in der angegriffenen Einspruchsentscheidung auch das Darlehenskonto der Erbschaftsteuer.

2. Der Beschwerdeführer erhob Klage beim Finanzgericht. Er wollte erreichen, daß die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer um den Wert des Darlehenskontos sowie der beiden zu dessen Lasten erworbenen Beteiligungen an den anderen Gesellschaften vermindert wird. Er machte im Kern geltend, das Darlehenskonto und die Beteiligungen an den beiden anderen Gesellschaften seien Bestandteil der an ihn zurückgefallenen stillen Beteiligung, denn sie seien ausschließlich aus deren Erträgen erworben worden.

Das Finanzgericht wies die Klage durch das angegriffene Urteil ab. Der Bundesfinanzhof wies die Revision des Beschwerdeführers zurück, weil der streitige Erwerb nach § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG nicht von der Erbschaftsteuer befreit sei.

3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde greift der Beschwerdeführer die Entscheidungen des Finanzamtes und der Finanzgerichte an.

a) Es verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG, aber auch gegen Art. 14 Abs. 1 GG, den Begriff Vermögensgegenstand in § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG dahin auszulegen, daß darunter nur das „Volumen” der „Ursprungszuwendung” zu verstehen sei, die Wert- und Substanzvermehrung durch Thesaurierung und Surrogaterwerbe dagegen als erbschaftsteuerpflichtige Erwerbe durch die Eltern, von denen die Zuwendung stamme, zu versteuern seien.

b) Die Besteuerung der rückfallenden Thesaurierung und der zurückfallenden Surrogate nach dem Steuersatz der Steuerklasse II verstoße gegen Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 GG.

c) Ihm sei sein gesetzlicher Richter entzogen worden. Der Senat des Bundesfinanzhofs sei überbesetzt. Nach dem senatsinternen Geschäftsverteilungsplan des Jahres 1993 würden die Richter der fünfköpfigen Urteils-Richterbank nicht zu Beginn des Geschäftsjahres abstrakt bestimmt. Es herrsche Willkür. Welcher überzählige Richter ausscheide, richte sich maßgeblich nach dem Eingang der Voten des Berichterstatters und Mitberichterstatters bei der Geschäftsstelle. Denn danach richte sich die Terminierung der Sache. Der verfassungsrechtlich bedenkliche Spielraum liege in der Freiheit der beiden Berichterstatter in der Abgabe der jeweiligen Sache an die Geschäftsstelle. Darüber hinaus gehörten nach dem Geschäftsverteilungsplan der Urteilsbesetzung des Senats stets die von der Vorsitzenden benannten Berichterstatter und Mitberichterstatter an, die von der Vorsitzenden eigenhändig und ungebunden bestimmt würden. Diese habe danach maßgeblichen Einfluß und die Möglichkeit, die Mehrheit im Senat von sich aus frei und ungebunden zu bestimmen. Das sei mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Erste Senat hält die materiellrechtlichen Rügen für offensichtlich unbegründet. Hingegen hält er die Rüge einer Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG für begründet.

1. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG soll der Gefahr vorbeugen, daß die Justiz durch eine Manipulierung der rechtsprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird, insbesondere daß im Einzelfall durch die Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter deren Ergebnis beeinflußt wird, gleichgültig, von welcher Seite die Manipulierung ausgeht (BVerfGE 17, 294 ≪299≫). Der zur Entscheidung zuständige Richter darf nicht einzelfallbezogen – ad hoc und ad personam – ausgewählt werden. Dies dient der Unabhängigkeit der Rechtsprechung und sichert das Vertrauen des Rechtsuchenden in die Unparteilichkeit des Richters. Sein Vertrauen erlitte eine Einbuße, sähe er sich einem Richter gegenüber, der mit Blick auf seinen Fall und seine Person bestellt worden ist.

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG garantiert vor diesem Hintergrund zweierlei. Wenn diese Verfassungsbestimmung verbietet, jemanden seinem gesetzlichen Richter zu entziehen, muß zunächst festgelegt sein, wer „gesetzlicher” Richter ist. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG enthält also als erstes das Gebot, durch gesetzliche Regelungen festzulegen, wer im Einzelfall Richter sein soll. Er enthält zum zweiten sodann das Verbot, von diesen Regelungen im Einzelfall abzuweichen. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG beschränkt sich mithin nicht auf die Aussage, soweit der im Einzelfall berufene Richter sich aus gesetzlichen Zuständigkeitsvorschriften ergebe, müßten diese Vorschriften eingehalten werden. Nicht erst die Abweichung von einem Regelwerk, aus dem sich der zuständige Richter ergibt, verletzt den grundgesetzlichen Anspruch auf den gesetzlichen Richter. Vielmehr verstößt auch das Fehlen eines solches Regelwerkes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Forderung nach dem „gesetzlichen” Richter setzt demnach einen Bestand von Rechtssätzen voraus, die für jeden denkbaren Streitfall im voraus den Richter bezeichnen, der für die Entscheidung zuständig ist (BVerfGE 2, 307 ≪319 f.≫).

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG stellt Anforderungen damit auch an den Charakter der Regelungen, welche den Richter im Einzelfall bestimmen. Verbürgt wird der „gesetzliche” Richter. Damit wird nicht durchgängig ein Gesetz im formellen Sinne verlangt, also ein vom Parlament im dafür vorgesehenen Verfahren beschlossenes Gesetz. Abgestellt wird vielmehr auf die inhaltlichen Kriterien, die das Gesetz vom Einzelakt unterscheiden. Das Gesetz ist inhaltlich regelmäßig durch abstrakt-generelle Regelungen gekennzeichnet. Diese inhaltliche Qualität müssen die Regelungen aufweisen, die einen Richter zum „gesetzlichen” Richter im Verständnis von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG machen. Die richterliche Zuständigkeit darf nicht durch Einzelakt von Fall zu Fall, sondern sie muß im voraus durch Rechtssatz geregelt werden. Die Zuständigkeit der Gerichte und Richter muß „gesetzlich”, d.h. rechtssatzmäßig, sie darf nicht „willkürlich”, d.h. nach freiem Ermessen bestimmt werden. Es gehört zum Begriff des gesetzlichen Richters, daß nicht für bestimmte Einzelfälle bestimmte Richter ausgesucht werden, sondern daß die einzelne Sache „blindlings” aufgrund allgemeiner Merkmale an den entscheidenden Richter kommt. Der rechtsstaatliche Grundsatz vom gesetzlichen Richter untersagt mithin die willkürliche Auswahl des im Einzelfall zur Entscheidung berufenen Richters. Willkürlich meint dabei schon eine Zuständigkeitsbestimmung von Fall zu Fall im Gegensatz zu einer normativen, abstrakt-generellen Vorherbestimmung des Richters (BVerfGE 82, 286 ≪298≫). Willkür bezeichnet in diesem Zusammenhang die Freiheit von normativer Bindung.

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG stellt noch eine weitere Anforderung an die Regelungen, die den Richter im Einzelfall zur Entscheidung berufen. Die Möglichkeit, die Richterbank zu manipulieren, wird nur durch Regelungen ausgeschlossen, die nicht nur allgemein, sondern auch mit hinreichender Bestimmtheit im vorhinein eine Zuständigkeitsordnung aufstellen, aus der sich im konkreten Einzelfall der zuständige Richter ablesen läßt. Der gesetzliche Richter muß sich möglichst eindeutig aus einer allgemeinen Norm ergeben (BVerfGE 9, 223 ≪226≫). Am gesetzlichen Richter fehlt es, wenn nicht so genau wie möglich im voraus bestimmt ist, an welchem anhängig werdenden Verfahren die einzelnen Richter mitzuwirken berufen sind (BVerfGE 23, 321 ≪325≫). Nicht jede Regelung, die auslegungsbedürftige Begriffe verwendet und deshalb bei der Festlegung des zuständigen Richters Spielräume läßt, widerspricht aber schon aus diesem Grunde dem Grundgedanken des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Regelung muß nur so geartet sein, daß sachfremden Einflüssen vorgebeugt wird (BVerfGE 9, 223 ≪227≫). Sie darf nicht in vermeidbarer Weise die Möglichkeit zum willkürlichen Manipulieren bieten, ohne daß es im Einzelfall darauf ankäme, ob Willkür vorliegt (BVerfGE 18, 345 ≪349 f.≫). Es muß insbesondere verhindert werden, daß im Einzelfall durch eine gezielte Auswahl von Richtern das Ergebnis der Entscheidung beeinflußt werden kann (BVerfGE 82, 286 ≪296≫). Das Gebot der normativen Vorausbestimmung des gesetzlichen Richters ist nicht verletzt, wenn dieser unter Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ermittelt werden muß und deshalb nicht exakt voraussehbar ist. Damit wird nicht der Weg zum beliebigen Zugriff auf die Besetzung der Richterbank eröffnet. Die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe ist eine herkömmliche richterliche Tätigkeit, die in jedem Rechtsbereich und somit auch bei der Anwendung richterlicher Zuständigkeitsregelungen unvermeidbar ist (BVerfGE 82, 286 ≪301≫). Dem Bestimmtheitsgebot ist genügt, wenn Auslegungsprobleme, die eine Vorschrift aufwirft, mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können (BVerfGE 85, 337 ≪353≫). Der Richter muß also durch die Norm nicht unmittelbar bestimmt sein, sondern anhand ihrer durch reine Rechtsanwendung bestimmbar sein; anhand der Norm muß die Besetzung der Richterbank nachvollziehbar sein. Die Forderung nach möglichster Bestimmtheit und Eindeutigkeit der Zuständigkeitsregelung ist verletzt, wenn sie mehr als notwendig unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet, oder wenn sie im Einzelfall Ermessen einräumt.

Gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist zunächst das Gericht als organisatorische Einheit, sodann das erkennende Gericht als Spruchkörper, vor dem verhandelt und von dem die Einzelsache entschieden wird, sowie schließlich der oder die Richter, die im Einzelfall zur Entscheidung berufen sind (BVerfGE 17, 294 ≪299≫; 18, 344 ≪349≫). Die abstrakt-generelle Vorausbestimmung des zur Entscheidung berufenen Richters muß sich bis auf diese letzte Stufe erstrecken, auf der es um die Person des konkreten Richters geht. Der Richter ist kein Rechtsprechungsautomat. Das Recht steht nicht derart fest, daß jeder mit dem Einzelfall befaßte Richter nur zu ein und demselben (richtigen) Ergebnis gelangen kann. Gesetze müssen vielfach mit offenen Begriffen arbeiten, die einer wertenden Ausfüllung bedürfen. Die Konkretisierung des Rechts im Einzelfall wird wegen der damit einhergehenden rechtlichen Wertungen, aber auch der Würdigung des zur Subsumtion benötigten Sachverhalts, von der Persönlichkeit des Richters (seinem „Vorverständnis”) mehr oder weniger bewußt mitgeprägt. Vor diesem Hintergrund ist der einzelne Richter nicht beliebig austauschbar. Gerade dies begründet den Anspruch des Verfahrensbeteiligten darauf, daß „sein” Richter nicht nach Belieben bestimmt oder ausgewechselt wird, sondern „ohne Ansehen der Person” oder des Falles) feststeht. Ein Interesse an der Manipulierung der Zuständigkeit, die Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verhindern will, besteht nicht mit Blick auf die abstrakte Organisationseinheit „Gericht” oder „Senat”, sondern mit Blick auf die jeweils handelnden Personen und die bei ihnen vermutete Einstellung.

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wendet sich mit seinen Vorgaben an Regelungen, die den gesetzlichen Richter bestimmen, zunächst an den Gesetzgeber. Dieser muß durch die Prozeßgesetze bestimmen, welche Gerichte für welche Verfahren sachlich, örtlich und instanziell zuständig sind. Er oder die von ihm hierzu ermächtigte Justizverwaltung muß durch organisatorische Normen die einzelnen Gerichte errichten und ihren Gerichtsbezirk festlegen.

Diese Bestimmungen des Gesetzgebers bedürfen aber notwendig der Ergänzung durch Geschäftsverteilungspläne der Gerichte, durch die die Zuständigkeit der einzelnen Spruchkörper festgelegt und ihnen die Richter zugewiesen werden. Der Vorsitzende des Spruchkörpers wiederum muß regeln, welche der diesem zugewiesenen Richter bei der Entscheidung welcher Verfahren mitwirken. Erst diese Regelungen bestimmen den gesetzlichen Richter. Präsidium und Vorsitzender des Spruchkörpers unterliegen deshalb notwendig den Bindungen aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Für alle Regelungen gilt dasselbe Erfordernis: Es muß sich um abstrakt-generelle Regelungen handeln, welche die Richter so eindeutig und genau wie möglich bestimmen müssen, die zur Entscheidung der anhängig werdenden Verfahren berufen sind (BVerfGE 17, 294 ≪300≫).

Auch der Geschäftsverteilungsplan darf deshalb mit Rücksicht auf das Gebot des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keine vermeidbare Freiheit in der Heranziehung der einzelnen Richter zur Entscheidung einer Sache und damit keine unnötige Unbestimmtheit hinsichtlich des gesetzlichen Richters lassen (BVerfGE 17, 294 ≪300≫). Auch gegenüber Präsidium und Vorsitzenden eines Spruchkörpers gilt, daß nicht erst die willkürliche Heranziehung im Einzelfall den Verfassungsverstoß ausmacht, sondern das Fehlen einer abstrakt generellen Regelung, nach der im Einzelfall die zur Entscheidung berufenen Richter bestimmt werden. Das Fehlen einer solchen generell-abstrakten Regelung kann nicht dadurch geheilt werden, daß im Einzelfall sachgerechte Erwägungen für die Heranziehung des einen und den Ausschluß des anderen Richters von der Entscheidung maßgeblich waren. Der vom Vorsitzenden zur Entscheidung herangezogene Richter wird nicht dadurch zum gesetzlichen Richter, daß er aus sachgerechten Gründen zur Mitwirkung im Einzelfall bestimmt worden ist. Das verfassungsrechtlich zu Mißbilligende liegt nicht in der Ermessensentscheidung des Vorsitzenden, sondern in der unzulänglichen Regelung der Geschäftsverteilung, die eine derartige Ermessensentscheidung unnötigerweise erforderlich gemacht hat (BVerfGE 18, 65 ≪69≫).

Im übrigen läßt sich erst aus einer im vorhinein aufgestellten generell-abstrakten Regelung über die Heranziehung der Richter ein brauchbarer Maßstab dafür gewinnen, ob die Bestimmung der mitwirkenden Richter im Einzelfall von Willkür getragen war. Die gezielte Auswahl von Richtern mit Blick auf den konkreten Fall ist jedenfalls, gemessen am Leitbild des gesetzlichen Richters, niemals sachgerecht. Willkür ist verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab erst dort, wo gesetzliche Vorschriften im Sinne abstrakt-genereller Regelungen bestehen, aus denen sich ergibt, welcher Richter hätte entscheiden müssen. Dies können gesetzliche Zuständigkeitsvorschriften sein, aber auch beispielsweise Vorschriften, die die Pflicht zur Vorlage an ein anderes Gericht begründen (beispielsweise § 541 ZPO), ferner Regelungen in Geschäftsverteilungsplänen der Gerichte oder in Mitwirkungsplänen des Spruchkörpervorsitzenden. Die Auslegung und Anwendung dieser einfachrechtlichen Vorschriften obliegt den Fachgerichten.

Zu unterscheiden ist bei der verfassungsrechtlichen Prüfung mithin zwischen Mängeln der Regelung, die den gesetzlichen Richter bestimmen sollen, und Mängeln bei der Anwendung solcher für sich verfassungsrechtlich unbedenklicher Regelungen im Einzelfall.

Danach gebietet Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, daß der Vorsitzende eines überbesetzten Spruchkörpers vor Beginn des Geschäftsjahres nach abstrakt-generellen Merkmalen zu bestimmen hat, welche Mitglieder des Spruchkörpers bei den einzelnen richterlichen Geschäften mitwirken (anders BVerfGE 18, 344 ≪351≫; 69, 112 ≪120≫). Nur diese Auslegung des § 21 g Abs. 2 GVG ist mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. Es genügt nicht, wenn er erst im einzelnen Verfahren und mit Blick auf dieses die weiteren neben ihm mitwirkenden Richter beruft. Sie werden dadurch auch dann nicht zu gesetzlichen Richtern, wenn sich diese Einzelfallentscheidung an Gesichtspunkten „Grundsätzen”) ausrichtet, die für sich gesehen sachgerecht und willkürfrei sein mögen.

Es mag sein, daß unter der Geltung von § 16 GVG und von Art. 105 WRV eine solche Folgerung (noch) nicht gezogen worden ist. Art. 101 Abs. 1 GG mag ferner an diese Bestimmungen anknüpfen, im Wortlaut sogar mit ihnen übereinstimmen. Aber auch eine in Jahrzehnten gewachsene Rechtstradition (so eines der beiden Argumente in BVerfGE 18, 344 ≪351≫) ist der Weiterentwicklung fähig und bedürftig. Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts, der die Verfahren und die zu ihrer Erledigung erforderlichen Richter den einzelnen Spruchkörpern zuweist, und der Mitwirkungsplan des Vorsitzenden, der im überbesetzten Spruchkörper die Heranziehung der einzelnen Richter zu den Verfahren regelt, bestimmen erst zusammengenommen den gesetzlichen Richter. Es ist kein sachlicher Grund dafür vorhanden, die eine hierfür erforderliche Teilregelung, nämlich den Mitwirkungsplan des Vorsitzenden, von den Bindungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG freizustellen. Die Rechtstradition stellt einen solchen Grund jedenfalls nicht dar. Mit ihr hat das Bundesverfassungsgericht im übrigen selbst gebrochen, indem es das Verbot der Richterentziehung auch gegen die rechtsprechende Gewalt kehrte. Es ist damit von der Rechtstradition abgewichen, die sich bis zum Inkrafttreten des Grundgesetzes gebildet hatte. Von daher kann nicht maßgeblich sein, welche Rechtstradition sich vor diesem Schritt des Bundesverfassungsgerichts unter der Geltung der Vorläuferregelungen gebildet hatte, die die rechtsprechende Gewalt eben noch nicht in das Verbot der Richterentziehung eingebunden hatten.

Darüber hinaus hat sich auch die einfachrechtliche Lage geändert, auf der die verfassungsrechtliche Überprüfung aufbaut.

Daß in einem überbesetzten Spruchkörper die Auswahl der zur Entscheidung des konkreten Falles berufenen Richter die Garantie des gesetzlichen Richters berührt und unter diesem Gesichtspunkt ein verfassungsrechtliches Problem darstellt, hat das Bundesverfassungsgericht auch in seinen früheren Entscheidungen nicht in Abrede gestellt. Es hat die verfassungsrechtliche Lösung allerdings darin gesehen, schon der Überbesetzung als solcher verfassungsrechtliche Grenzen zu ziehen, die es aus dem Gebot des gesetzlichen Richters gewonnen hat. In der Tat besteht das eine Problem nicht ohne das andere, und mit dem einen erledigt sich deshalb auch das andere. Nur wenn ein Spruchkörper überbesetzt ist, muß aus dem vorhandenen Überfluß an Richtern die konkrete Richterbank zusammengestellt werden, mit den daran anknüpfenden Fragen, ob es verfassungsrechtlich geboten ist, die Heranziehung der Richter im vorhinein generell-abstrakt zu regeln und welchen Anforderungen ein hierfür aufgestellter Mitwirkungsplan genügen muß. Wird die Überbesetzung verfassungsrechtlich geächtet, stellt sich die nur durch sie ausgelöste Frage nach spruchkörperinternen Mitwirkungsplänen und verfassungsrechtlichen Vorgaben für diese nicht mehr. Umgekehrt gilt dasselbe. Besteht in einem überbesetzten Spruchkörper ein im vorhinein aufgestellter generell-abstrakter Mitwirkungsplan, der mit der notwendigen Bestimmtheit die Heranziehung der einzelnen Richter zu den Verfahren festlegt, verschwindet die Überbesetzung als verfassungsrechtliches Problem des gesetzlichen Richters.

Wenn sich in den ersten Jahren nach Inkrafttreten des Grundgesetzes die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung der Überbesetzung annahm und mit deren Begrenzung das Problem zu lösen suchte, so hing dies nicht zuletzt mit der einfachrechtlichen Ausgangslage zusammen. Einfachrechtlich war der Vorsitzende – wie erwähnt – seinerzeit nicht verpflichtet, die Mitwirkung der Richter an den Verfahren vorab zu regeln. Eine solche Pflicht ist erst mit dem Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 19. Dezember 1964 als § 69 Abs. 2 in das Gerichtsverfassungsgesetz eingefügt worden. Ermächtigt war der Vorsitzende in § 69 GVG, die Geschäfte auf die Mitglieder des Spruchkörpers zu verteilen. Das Bundesverfassungsgericht hat angenommen, mit dieser Vorschrift solle nur der Verantwortung des Vorsitzenden für den ordnungsgemäßen Geschäftsablauf in seinem Spruchkörper, insbesondere für die rechtzeitige und sachgemäße Erledigung der anfallenden Geschäfte Rechnung getragen werden. Die Überbesetzung wurde also deshalb als Problem des gesetzlichen Richters gesehen, weil ihr einfachrechtlich noch keine Pflicht zur Aufstellung spruchkörperinterner Mitwirkungspläne entsprach und sie deshalb nach der einfachrechtlichen Lage zum ungebundenen Ermessen des Vorsitzenden bei der Heranziehung der Beisitzer führte.

Bei dieser einfachrechtlichen Ausgangslage knüpft das Bundesverfassungsgericht für die verfassungsrechtliche Prüfung an die Entscheidung des Gerichtspräsidiums (§ 63 Abs. 1 in Verbindung mit § 64 Abs. 1 GVG) an, einen Spruchkörper mit mehr Richtern zu besetzen, als ihm nach den einschlägigen Bestimmungen jeweils anzugehören haben. Es sieht davon ab, das einheitliche Problem von der gleichsam anderen Seite her anzugehen und eine einfachgesetzlich noch nicht vorgesehene Pflicht verfassungsrechtlich zu entwickeln, im überbesetzten Spruchkörper die Heranziehung der Richter zu den einzelnen Verfahren durch einen im vorhinein aufgestellten Mitwirkungsplan zu regeln. Es steht nichts entgegen, umgekehrt zu verfahren und auf der Grundlage des nunmehr geänderten einfachen Rechts die Überbesetzung als gegeben hinzunehmen und statt dessen nach den verfassungsrechtlichen Anforderungen an spruchkörperinterne Mitwirkungspläne zu fragen.

Die Überbesetzung mit einem, ausnahmsweise zwei Richtern, ist im übrigen inzwischen weit verbreitet und hat sich bewährt. Ob sie im Sinne der früheren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „unvermeidbar” ist, um eine geordnete Rechtsprechung zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 18, 344 ≪349 f.≫), mag dabei offen bleiben. Sie dient jedenfalls nachhaltig der Effektivität des Rechtsschutzes. Notwendige Vertretungen etwa bei Urlaub, Krankheit oder sonstigen Verhinderungen können mit Richtern des eigenen Spruchkörpers aufgefangen werden. Diese kennen die Rechtsprechung des eigenen Spruchkörpers und müssen sich nicht erst in ihnen fremde Rechtsgebiete einarbeiten. Die Arbeit anderer Senate wird nicht durch Abzug von Vertretungskräften gestört. Ohnehin machen manche Prozeßordnungen eine Überbesetzung der Senate des Revisionsgerichts nahezu zwingend erforderlich. Die Finanzgerichtsordnung ist hierfür ein Beispiel. Nach § 10 Abs. 3 FGO entscheiden die Senate des Bundesfinanzhofs grundsätzlich in der Besetzung von fünf Richtern; in der Besetzung mit nur drei Richtern entscheiden sie bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung, namentlich über die Verwerfung unzulässiger Revisionen (§ 10 Abs. 3 i.V.m. § 126 Abs. 1 FGO) und über Beschwerden wegen Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Finanzgerichts (§ 10 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 5 Satz 1 FGO). Einem Senat des Bundesfinanzhofs müssen damit notwendig mindestens fünf Richter angehören, so daß er für alle durch Beschluß zu erledigenden Sachen mit mindestens zwei Richtern überbesetzt ist. Für die Revisionssenate des Bundesverwaltungsgerichts gilt nichts anderes (§ 10 Abs. 3 i.V.m. § 133 Abs. 5 und § 144 Abs. 1 VwGO).

Darüber hinaus vermag der Versuch des Bundesverfassungsgerichts, eine Überbesetzung verfassungsrechtlich zu beschränken, nicht zu überzeugen. Verfassungswidrig soll eine Überbesetzung dann sein, wenn sie in vermeidbarer Weise die Möglichkeit zum willkürlichen Manipulieren bietet. Dies soll wiederum dann der Fall sein, wenn die Zahl der Mitglieder des Spruchkörpers es gestattet, daß sie in zwei personell voneinander verschiedenen Sitzgruppen Recht sprechen, oder wenn der Vorsitzende drei Spruchkörper mit je verschiedenen Beisitzern bilden kann (BVerfGE 18, 344 ≪349 f.≫). Die Möglichkeit willkürlichen Manipulierens bietet indes bereits die Überbesetzung mit nur einem Richter. Diese Möglichkeit ist vermeidbar, nämlich durch generell-abstrakte Mitwirkungspläne des Vorsitzenden. Soll die Möglichkeit willkürlichen Manipulierens mit Blick auf das Gebot des gesetzlichen Richters tunlichst ausgeschaltet werden, schon um den bloßen Schein unsachlicher Einwirkung auf die Richterbank zu vermeiden, andererseits aber die Überbesetzung wegen der damit verbundenen Vorteile für die Effektivität der Rechtspflege in dem hier allein in Rede stehenden Ausmaß hingenommen werden, dann bleibt als folgerichtiger Weg nur, den Vorsitzenden des überbesetzten Spruchkörpers darauf zu verpflichten, die jeweils zur Entscheidung berufene Richterbank im voraus abstrakt-generell zu bestimmen. Insoweit ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 18, 344 in sich widersprüchlich. Einerseits verlangt das Bundesverfassungsgericht, der im Einzelfall zur Entscheidung berufene Richter müsse so eindeutig wie „möglich” im voraus bestimmt werden (S. 349). Eine solche Möglichkeit bieten im überbesetzten Senat die Mitwirkungspläne, die der Vorsitzende gemäß § 69 Abs. 2 GVG a.F. einfachrechtlich ohnehin aufzustellen hat. Andererseits soll § 69 Abs. 2 GVG a.F. über das verfassungsrechtlich Gebotene hinausgehen (S. 352; ebenso BVerfG ≪Vorprüfungsausschuß≫, DRiZ 1970, S. 269). Ist aber die mögliche Eindeutigkeit verfassungsrechtlich geboten, muß auch die Aufstellung abstrakt-genereller Mitwirkungspläne nach § 69 Abs. 2 GVG a.F. (jetzt § 21 g Abs. 2 GVG) von der Verfassung geboten sein. Wo eine eindeutige Regelung möglich ist, da ist sie auch nötig.

Die effektive und sachgerechte Erledigung der Verfahren muß nicht leiden, wenn sich die im Einzelfall zur Entscheidung berufene Richterbank aus einer normativen, abstrakt-generellen Vorausbestimmung ergeben muß. Effektiver Rechtsschutz und gesetzlicher Richter dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die vorgeblichen Erfordernisse effektiven Rechtsschutzes dürfen nicht einseitig vorgeschoben werden. Das Grundgesetz gebietet den effektiven Rechtsschutz durch den gesetzlichen Richter.

2. Nach diesen dargelegten Grundsätzen verstößt die Besetzung der Richterbank des II. Senats des Bundesfinanzhofs gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

a) Die nach § 4 FGO i.V.m. § 21 g Abs. 2 Halbsatz 1 GVG von der Senatsvorsitzenden aufgestellten Grundsätze für die Mitwirkung der Senatsmitglieder an den einzelnen Verfahren sind in der Verfügung vom 15. Dezember 1993 enthalten. In dieser ist dem beisitzenden Richter die fortlaufende Nummer der Sitzung zugeordnet, in der er bei Überbesetzung des Senats ausscheidet. Diese Regelung eröffnet zwar den Mitwirkungsplan, wird der Sache nach aber von einer späteren Bestimmung überlagert; nach dieser kommt es für die Besetzung des Senats in der einzelnen Sache zunächst darauf an, welcher Richter zum Berichterstatter und zum Mitberichterstatter bestellt ist, denn der jeweils ausscheidende Richter darf weder Berichterstatter noch Mitberichterstatter in den zu entscheidenden Sachen sein. Außerdem hängt es vom Zeitpunkt der Ablieferung des Votums ab, in welcher Sitzung und damit in welcher Besetzung ein Fall beraten und entschieden wird. Welcher Richter Berichterstatter und Mitberichterstatter ist, ist in der Verfügung der Vorsitzenden erst im Zusammenhang mit der Mitwirkung der Senatsmitglieder in Beschlußsachen geregelt. Danach bestimmt die Vorsitzende den Berichterstatter nach pflichtgemäßem Ermessen, insbesondere unter Berücksichtigung von Eilbedürftigkeit und Arbeitsbelastung. Der Mitberichterstatter ergibt sich nach dieser Regelung grundsätzlich aus der Endziffer des Aktenzeichens der Sache. Jedem der beisitzenden Richter sind zwei Endziffern zugeordnet. Auszugsweise lautet der Mitwirkungsplan vom 15. Dezember 1993 wie folgt:

Im Falle der Überbesetzung scheiden als überzählige Mitglieder nach folgendem Turnus und in der angegebenen Reihenfolge aus:

Bei den Sitzungen Nr. jeweils der Richter am Bundesfinanzhof

1, 6, 11, 16, 21 usw.

Dr. Mößlang

2, 7, 12, 17, 22 usw.

Dr. Sack

3, 8, 13, 18, 23 usw.

Dr. Albrecht

4, 9, 14, 19, 24 usw.

Dr. Dötsch

5, 10, 15, 20, 25 usw.

Viskorf

Der jeweils ausscheidende Richter darf weder BE noch MBE in den zu entscheidenden Sachen sein.

An der mündlichen Verhandlung und Beratung einer Sache nehmen der BE und der MBE stets teil. Ist der Senat dadurch überbesetzt, scheidet der dienstjüngste der übrigen eingeteilten Richter aus.

Auf die Tagesordnung der jeweils nächsten Sitzung werden alle diejenigen Sachen gesetzt, die bis einschließlich Donnerstag der Woche, die der Woche, in der die Sitzung angesetzt ist, vorangeht, mit den Voten von BE und MBE bei der Geschäftsstelle eingegangen sind.

II. Beschlußverfahren außerhalb der mündlichen Verhandlung:

1. …

2. Der Berichterstatter wird durch die Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen, insbesondere unter Berücksichtigung von Eilbedürftigkeit und Arbeitsbelastung, bestimmt.

3. Der Mitberichterstatter ergibt sich grundsätzlich aus der Endziffer des Aktenzeichens des Senats.

b) Diese geschäftsinterne Regelung genügt nicht den Erfordernissen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

Der II. Senat des Bundesfinanzhofs war im Geschäftsjahr 1993 mit einer Vorsitzenden und fünf beisitzenden Richtern besetzt, also mit einem Richter überbesetzt. Die Vorsitzende hat die Mitwirkung der Richter an den einzelnen Verfahren in ihrem Mitwirkungsplan vom 15. Dezember 1993 in einer Weise geregelt, die ihr ein einzelfallbezogenes Ermessen bei der Bestimmung jedenfalls eines der mitwirkenden Richter einräumte. Es kommt danach nicht darauf an, ob die Vorsitzende des Senats im konkreten Fall des Beschwerdeführers die Besetzung des Senats sachfremd oder nach sachlich vertretbaren Kriterien zusammengestellt hat.

Nach dem Mitwirkungsplan ist für jede Sitzung festgelegt, welcher Richter als „überzählig” ausscheidet. An der mündlichen Verhandlung und Beratung einer Sache nimmt der Berichterstatter jedoch stets teil. Ist der Senat dadurch überbesetzt, scheidet der dienstjüngste der übrigen eingeteilten Richter aus. Damit hängt die konkrete Besetzung der Richterbank immer davon ab, wer Berichterstatter ist. Dessen Auswahl bestimmt zugleich jedenfalls einen der gesetzlichen Richter. Die Auswahl des Berichterstatters muß bei dieser Regelung der Mitwirkung den Anforderungen genügen, die für die Bestimmung des gesetzlichen Richters gelten. Das ist indes nicht der Fall. Der Berichterstatter wird nach dem Mitwirkungsplan durch den Vorsitzenden nach pflichtgemäßem Ermessen, insbesondere unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit und Arbeitsbelastung, bestimmt. Damit ist nicht durch unbestimmte Rechtsbegriffe eine rechtlich gesteuerte Entscheidung über den Berichterstatter vorgegeben. Gewollt ist vielmehr eine einzelfallbezogene Ermessensentscheidung bei der Auswahl des Berichterstatters. Die Stellungnahme der Vorsitzenden des II. Senats im Verfassungsbeschwerdeverfahren 2 BvR 287/92 macht dies besonders deutlich. Sie hat dort ausgeführt, von welchen schriftlich nicht fixierten Grundsätzen sie sich im Rahmen ihres Ermessens habe leiten lassen. Diese schriftlich nicht fixierten Grundsätze laufen darauf hinaus, daß tunlichst alle Richter mit allen Rechtsgebieten, die dem Senat durch den Geschäftsverteilungsplan zugewiesen waren, befaßt werden sollten. Das ist aber nichts anderes, als eine Zuteilung mit Blick auf den Einzelfall ohne Bindung an Merkmale, die die Auswahl des Berichterstatters unter Anwendung der herkömmlichen Auslegungsmethoden wenigstens bestimmbar und damit vorhersehbar gemacht hätte.

III.

Mit dieser vorstehend wiedergegebenen Rechtsauffassung weicht der Erste Senat von der des Zweiten Senats in BVerfGE 18, 344 ≪351≫; 69, 112 ≪120≫ vertretenen ab. Nach dieser bezieht sich Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur auf die Bestimmung des zuständigen Gerichts und innerhalb des Gerichts auf den zuständigen Spruchkörper. Dieses Verfahrensgrundrecht fordere hingegen nicht, daß im voraus festgelegt werden muß, welcher Richter innerhalb eines überbesetzten Senats an den einzelnen Verfahren mitzuwirken hat.

 

Fundstellen

BB 1995, 1782

NVwZ 1995, 1197

ZIP 1995, 1446

MDR 1995, 1202

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