Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulassung zum Notar

 

Verfahrensgang

OLG Hamburg (Beschluss vom 19.12.2001; Aktenzeichen VA (Not) 3/01)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

 

Tatbestand

I.

Mit der Verfassungsbeschwerde begehrt der Beschwerdeführer die Ausschreibung einer hauptamtlichen Notarstelle.

1. Der Beschwerdeführer ist seit 1992 hauptberuflicher Notar in Mecklenburg-Vorpommern. Er erstrebt ein Notariat in Hamburg, das für seine Notariate keine einzelnen Bezirke ausweist.

a) Er hatte sich bereits in den Jahren 1994 und 2000 vergeblich auf Notarstellen in Hamburg beworben. In dem zweiten Verfahren erhielten Anfang 2001 fünf Notarassessoren in Hamburg den Vorzug, obwohl sie sich noch nicht drei Jahre im Anwärterdienst befunden hatten (vgl. § 7 Abs. 1 der BundesnotarordnungBNotO). Die angekündigte Erwirkung einstweiligen Rechtsschutzes durch den Beschwerdeführer wurde von der Justizbehörde durch die umgehende Ernennung der Assessoren verhindert. Im Anschluss an dieses Verfahren erklärte die Justizbehörde gegenüber dem Beschwerdeführer, in Zukunft in der Regel nur noch Notarassessoren zu ernennen, die ihren dreijährigen Anwärterdienst geleistet hätten, sowie den unterlegenen Bewerbern Gelegenheit zu geben, gegebenenfalls einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen.

Zum 1. Juni 2001 schied ein Notar in Hamburg aus seinem Amt aus. Die Stelle wurde zunächst nicht ausgeschrieben, sondern von einem Notarassessor gemäß § 56 BNotO verwaltet. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der sofortigen Ausschreibung der Stelle wurde durch den angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts zurückgewiesen. Auch in der Hauptsache wies das Oberlandesgericht die Anträge des Beschwerdeführers zurück; der Beschwerdeführer hat angekündigt, hiergegen sofortige Beschwerde einlegen zu wollen.

Ende 2001 sind zwei weitere Notare aus ihrem Amt ausgeschieden, deren Ämter seitdem verwaltet werden.

b) Derzeit sind in Hamburg 83 Notare bestellt. Wie die – von der Justizbehörde teilweise nachträglich korrigierten – Zahlen ausweisen, bestünde bei einem Maßstab von 1.300 Beurkundungszahlen je Notar derzeit ein Bedarf von 85 Notaren. Nach einer längerfristigen Betrachtung, die der bisherigen ständigen Übung der Justizbehörde entspricht, läge der Bedarf bei 86 Notarstellen.

Während der laufenden Verfahren vor dem Oberlandesgericht und dem Bundesverfassungsgericht schrieb die Justizbehörde am 26. April 2002 zwei Notarstellen aus, um die Anzahl der Notare auf insgesamt 85 zu bringen. Man sei von der bisherigen Bedarfsermittlung abgewichen, da seit dem Jahr 2000 die Beurkundungszahlen wieder sänken (2001 war wieder der Stand von 1996 erreicht). Zudem ergäben sich Unsicherheiten hinsichtlich der rechtspolitischen Diskussion über notarielle Zuständigkeiten und die Europäisierung der Rechtsordnungen. Die Justizbehörde machte zudem bei der Ausschreibung von der Möglichkeit des § 6 b Abs. 4 Satz 2 BNotO Gebrauch und bestimmte als maßgeblichen Zeitpunkt, in dem die Bewerber sämtliche Voraussetzungen erfüllen müssen, den Zeitpunkt der Bestellung anstelle desjenigen des Ablaufs der Bewerbungsfrist.

2. Seine Verfassungsbeschwerde und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begründete der Beschwerdeführer zunächst im Wesentlichen wie folgt:

Er sei in seinen Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und Art. 33 Abs. 1 und 2 GG verletzt. Es bestehe, insbesondere nachdem zwei weitere Notare aus ihren Ämter ausgeschieden seien, ein Bedarf zur Bestellung eines Notars. Die Justizbehörde sehe nur deshalb, entgegen ihrer bisherigen Übung, von der Ausschreibung ab, weil sie die Ernennung eines „Seiteneinsteigers” verhindern wolle. Bis zum Frühjahr 2003 seien keine Notarassessoren ernennungsreif, so dass der Beschwerdeführer als Notar aus einem anderen Bundesland gute Chancen auf eine Ernennung haben müsste. Seine Aussichten verschlechterten sich jedoch mit Zeitablauf stetig.

Nachdem die Justizbehörde zwei Notarstellen ausgeschrieben hatte, ergänzte der Beschwerdeführer seine Begründung dahingehend, dass die Anzahl der Notarstellen willkürlich bestimmt worden sei. Die Gründe für ein Abweichen der Justizbehörde von ihrer ständigen Übung seien unzutreffend oder bestenfalls spekulativ. § 6 b Abs. 4 Satz 2 BNotO solle zugunsten der Notarassessoren in Hamburg angewandt werden, um im Falle einer Konkurrentenklage deren Anwartschaften mit der Prozessdauer zu steigern.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Die Voraussetzungen, nach denen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes selbständig Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein kann (vgl. BVerfGE 86, 15 ≪22 f.≫), liegen vor.

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist jedoch nicht mehr zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Die Anträge, die der angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidung zugrunde lagen, haben sich erledigt. Sie richteten sich – ebenso wie der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vor dem Bundesverfassungsgericht – auf die Ausschreibung einer Notarstelle. Dieses Ziel ist durch die inzwischen erfolgte Ausschreibung zweier Notarstellen erreicht. Dem Beschwerdeführer steht die Bewerbung auf diese Stellen offen. Eine Grundrechtsverletzung dadurch, dass nicht noch eine dritte Notarstelle ausgeschrieben wurde, ist hingegen nicht ersichtlich.

a) Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits im Jahr 1986 bezüglich der Notarauswahl in Hamburg Anlass zu der Feststellung, dass sich aus Art. 12 Abs. 1 GG Anforderungen an die Ausgestaltung des Auswahlverfahrens ergeben (BVerfGE 73, 280). In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass hinsichtlich der Anzahl auszuschreibender Notarstellen der Justizbehörde ein weites Organisationsermessen zusteht (vgl. BVerfGE 73, 280 ≪292 ff.≫). Es ist deshalb insoweit kein Verfassungsverstoß erkennbar, als die Justizbehörde von ihrer bisherigen ständigen Übung hinsichtlich der Berechnungsgrundlage abgewichen ist. Für eine willkürliche Ausübung des Organisationsermessens ist nichts hervorgetreten. Es ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es für die Verwaltung in der Regel unproblematischer ist, einen eventuellen zusätzlichen Bedarf an Notaren zu decken, als mögliche Überkapazitäten abzubauen.

b) Die Verwirklichung der Grundrechte der Notarbewerber aus Art. 12 Abs. 1 GG erfordert allerdings eine dem Grundrechtsschutz angemessene Verfahrensgestaltung. Durch die Gestaltung des Auswahlverfahrens wird unmittelbar Einfluss auf die Konkurrenzsituation und damit auf das Ergebnis der Auswahlentscheidung genommen. So lässt sich insbesondere auch durch die Terminierung von Bewerbungen und Stellenbesetzungen die Zusammensetzung des Bewerberkreises steuern (vgl. BVerfGE 73, 280 ≪296≫). Die offensichtlichen Gefährdungen, die grundrechtlich geschützten Positionen durch die Verfahrensgestaltung drohen, gaben damals Veranlassung zu diesen Hinweisen. Vor dem Hintergrund eines weiten Organisationsermessens ist eine transparente und an nachvollziehbaren rechtlichen Kriterien ausgerichtete Verfahrensweise unabdingbar.

aa) Die Justizbehörde hat aus den genannten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, wie die vom Beschwerdeführer dargelegten Auswahlverfahren belegen, bisher nicht die gebotenen Schlüsse gezogen. Es bestehen Anhaltspunkte für die Besorgnis, dass in den vorherigen Auswahlverfahren die Justizbehörde zugunsten von Notarassessoren in Hamburg Partei ergriffen hat. Trotz der Ankündigung des Beschwerdeführers, einstweiligen Rechtschutz zu beantragen, wurden fünf ausgewählte Bewerber innerhalb von vier Tagen ernannt und damit eine Überprüfung der Auswahlentscheidung anhand der §§ 6, 7 BNotO verhindert. Die Stellenausschreibung im Jahr 2001 unterblieb, obwohl sich nach dem damals vorliegenden Zahlenmaterial aus dem Jahr 2000 ein Fehlbestand von sechs Notaren ergab und die offenen Notariate auch nicht etwa eingezogen worden sind.

Dass es im Interesse der Justizverwaltung – und möglicherweise auch der faktisch bestehenden großen Notarsozietäten in Hamburg – liegt, neue Notare aus dem Kreis der bereits bekannten und eingeführten Assessoren zu rekrutieren, ist nachvollziehbar. Dies auf Kosten so genannter Seiteneinsteiger ohne Rücksicht auf deren Qualität durchzusetzen, ist mit Art. 12 Abs. 1 GG jedoch nicht vereinbar. Die Verfahrensgestaltung hat zu gewährleisten, unter allen Bewerbern Chancengleichheit herzustellen und denjenigen herauszufinden, der am ehesten den gesetzten Anforderungen entspricht. Diese ergeben sich in erster Linie aus Art. 33 GG.

bb) Ob die vom Beschwerdeführer vorliegend angegriffene Verzögerung der Ausschreibung vornehmlich der Einflussnahme auf die Bewerberlage diente und damit gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstieß, kann im jetzigen Verfahrensstand offen bleiben, da die Ausschreibung einer Notarstelle, auf die die Verfassungsbeschwerde gerichtet war, mittlerweile erfolgt ist.

cc) Auch im Rahmen des nunmehr laufenden Auswahlverfahrens sind – entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers – noch keine Grundrechtsverstöße erkennbar. Dies gilt auch für die Anwendung des § 6 b Abs. 4 Satz 2 BNotO. Diese Vorschrift soll verhindern, dass es in Einzelfällen zu einer faktischen Verlängerung der Notaranwärterzeit von drei Jahren kommt (vgl. BRDrucks 890/95, S. 20 f.), weil die Ausschreibungsfrist für Einzelne besonders ungünstig abläuft. Die Anwendung der Norm wäre aber zu beanstanden, wenn sie dazu diente, effektiven Rechtsschutz gegen eine möglicherweise rechtswidrige Auswahlentscheidung zu vereiteln, indem der Zeitablauf während des Rechtsschutzverfahrens dessen Erfolgsaussichten zunichte machte. Bislang kann aber, auch angesichts der schriftlich abgegeben Erklärung der Justizbehörde vom 30. März 2001, noch nicht davon ausgegangen werden, dass im laufenden Auswahlverfahren landesfremde Bewerber durch das Mittel der Zeitverzögerung ausgeschlossen werden sollen. Eine Steuerung des Bewerberkreises, die mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar wäre (vgl. BVerfG, a.a.O.), kann auch nach den Vorfällen in den letzten Jahren nicht ohne weiteres unterstellt werden.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).

 

Unterschriften

Jaeger, Hömig, Bryde

 

Fundstellen

Haufe-Index 771812

NJW 2002, 3090

NVwZ 2003, 471

DNotZ 2002, 889

NotBZ 2002, 331

RNotZ 2002, 505

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