Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusammentreffen von Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit Leistungen aus der Unfallversicherung. Bestandsrentner. Freibetrag. Grundrente nach dem BVG. Rentenneufeststellung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Freibetragsregelung des § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB 6 kommt im Wege einer Ergänzung von § 311 Abs 2 Nr 1 Buchst a SGB 6 durch § 266 SGB 6 mittelbar und modifiziert auch Bestandsrentnern zugute, die am 31.12.1991 nebeneinander Anspruch auf Renten aus der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung hatten.

Stand: 24. Oktober 2002

 

Normenkette

SGB VI § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 3, §§ 266, 311 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, § 300 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 15.02.1995; Aktenzeichen L 8 An 134/94)

SG Detmold (Urteil vom 16.06.1994; Aktenzeichen S 13 An 22/94)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Februar 1995, das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 16. Juni 1994 sowie der Bescheid der Beklagten vom 27. August 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 1994 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 3. Dezember 1985 in der Fassung der hierzu ergangenen Anpassungsbescheide zum 1. Februar 1992 mit der Maßgabe abzuändern, daß bei der Anrechnung der Verletztenrente ein Freibetrag gemäß § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI ausgespart bleibt, ferner die hierauf bezogenen Anpassungsbescheide entsprechend abzuändern und den Differenzbetrag nachzuzahlen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Zwischen den Parteien ist streitig, in welcher Höhe die Rente des Klägers aus der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) ab dem 1. Februar 1992 auf seine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) anzurechnen ist.

Der am 13. März 1925 geborene Kläger bezieht aufgrund eines Unfalls vom 12. Mai 1961 von der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik (BG) eine nicht auf eigener Beitragszahlung beruhende Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 vH. Mit Bescheid vom 3. Dezember 1985 gewährte ihm die Beklagte ab dem 1. Januar 1986 Altersruhegeld wegen anerkannter Schwerbehinderung und stellte den monatlichen Wert des Rentenrechts ausgehend von 470 Kalendermonaten an Pflichtbeitragszeiten, 32 Kalendermonaten an Ersatzzeiten sowie 36 Kalendermonaten an Ausfallzeiten mit ursprünglich 1.679,11 DM inklusive 22,67 DM aus der Höherversicherung fest. Hieraus ergab sich unter Anrechnung der Verletztenrente aus der UV ein monatlicher Zahlbetrag von 974,58 DM; der Bescheid enthält hierzu im einzelnen folgende Berechnung:

„Die Rente trifft mit einer Verletztenrente aus der Unfallversicherung zusammen. Nach § 55 AVG hat die Rente ohne Kinderzuschuß und Leistung der Höherversicherung insoweit zu ruhen, als sie zusammen mit der Verletztenrente sowohl 80 % des Jahresarbeitsverdienstes der Unfallversicherung als auch 80 % der Rentenbemessungsgrundlage übersteigt.

Rentenbemessungsgrundlage

29559,59 DM

Jahresarbeitsverdienst der UV

35922,00 DM

80 % des höheren Betrages

28737,60 DM

abzüglich Verletztenrente ohne Kinderzulage

16764,00 DM

Höchstbetrag für die Versichertenrente

11973,60 DM

jährliche Leistung der Höherversicherung

272,02 DM

Jahresrente

12245,62 DM

Monatliche Rente ab 1.01.86

1020,50 DM

zu erhöhen um den Beitragszuschuß zur KV von 7,3 %

74,50 DM

abzüglich abzuführender Beitrag zur KV von 11,8 %

120,42 DM

Monatlicher Zahlbetrag

974,58 DM.”

Mit „Rentenbescheiden” vom 29. Juli 1992 und 7. Juni 1993 berechnete die Beklagte die bisherige Rente wegen Erhöhung der UV-Rente jeweils neu. Bei einem monatlichen Wert der RV-Rente von brutto 2.084,49 DM ab 1. Juli 1992 bzw 2.175,44 DM ab 1. Juli 1993 (zuzüglich jeweils 22,67 DM aus der Höherversicherung) und nach Abzug der Beitragsanteile des Klägers zu seiner Krankenversicherung ergaben sich nunmehr monatliche Zahlbeträge von 1.180,69 DM bzw 1.226,42 DM. Im Bescheid vom 29. Juli 1992 findet sich hierzu folgender – in der Struktur auch nachfolgend beibehaltener – Berechnungsmodus:

„Die Rente trifft mit einer Leistung aus der Unfallversicherung zusammen. Sie ist nur insoweit zu zahlen, als sie zusammen mit der Leistung aus der Unfallversicherung den maßgebenden Grenzbetrag nicht übersteigt.

Summe der Rentenbeträge

R

ente aus der Rentenversicherung

2.084,49 DM

Rente aus der Unfallversicherung

1.731,60 DM

Summe der Rentenbeträge

3.816,09 DM

Ermittlung des Grenzbetrages

Der Grenzbetrag errechnet sich aus dem Jahresarbeitsverdienst, der der Berechnung der Leistung aus der Unfallversicherung zugrunde liegt.

Jahresarbeitsverdienst

44.524,96 DM

80 % von einem Zwölftel dieses Betrages ergibt den Grenzbetrag von

2.968,33 DM

Die Summe der Rentenbeträge von

3.816,09 DM

übersteigt den Grenzbetrag um

847,76 DM.

Die Rente der Rentenversicherung von

2.084,49 DM

ist um den Betrag von

847,76 DM

zu mindern. Sie beträgt somit

1.236,73 DM”.

Mit Schreiben vom 6. August 1993 beantragte der Kläger die Aufhebung der Bescheide vom 29. Juli 1992 und 7. Juni 1993 sowie die Neufeststellung seiner Rente ab dem 1. Januar 1992 unter Beachtung insbesondere von § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI). Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 27. August 1993 die Aufhebung des Bescheides vom 3. Dezember 1985 gemäß § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ab, da wegen § 306 Abs 1 SGB VI eine Neufeststellung nicht veranlaßt sei; bei den angeführten Schreiben vom 29. Juli 1992 und 7. Juni 1993 handele es sich lediglich um Rentenanpassungsmitteilungen und keine Rentenbescheide. Widerspruch, Klage und Berufung hiergegen – einschließlich eines während des Berufungsverfahrens ergangenen weiteren „Rentenbescheides” vom 19. Juli 1994 bezüglich der Neuberechnung für die Zeit ab 1. Juli 1994 – sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 20. Januar 1994, Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 16. Juni 1994, Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen ≪LSG≫ vom 15. Februar 1995).

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Der Zahlbetrag der Rente sei zutreffend gemäß § 311 iVm § 300 Abs 5 SGB VI berechnet worden. Die vom Kläger begehrte Anwendung der §§ 93, 266 SGB VI scheitere bereits daran, daß sich gemäß § 300 Abs 2 SGB VI der Rentenanspruch des Klägers weiterhin nach den Rentenvorschriften des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und nicht nach dem SGB VI beurteile. Dieser Grundsatz werde nur insoweit durchbrochen, als es der Gesetzgeber in den §§ 301 ff SGB VI ausdrücklich angeordnet habe. Dort sei aber keinerlei Hinweis oder Bezugnahme auf die Vorschriften der §§ 93, 266 SGB VI enthalten. Deshalb finde die Ansicht des Klägers, der Gesetzgeber habe ab 1. Januar 1992 für alle Unfallrentner einen Freibetrag in Höhe der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) eingeführt, keine Stütze im Gesetz. Eine solche Anordnung wäre aber in § 311 Abs 2 SGB VI getroffen worden, falls sie tatsächlich in der Absicht des Gesetzgebers gelegen hätte. Denn diese Vorschrift regele gerade die Ermittlung der Summe der zusammentreffenden Renten für den besonderen Fall, daß die Rentenansprüche bereits vor dem 1. Januar 1992 bestanden und zusammentrafen. Die Regelung der Altfälle durch §§ 311, 312 SGB VI sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich, insbesondere liege nicht bereits deshalb, weil die Anwendung des § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI für den Kläger günstiger sei, eine Verletzung verfassungsrechtlicher Gebote vor. Die Anordnung des Ruhens bzw der Nichtleistung der Rente, soweit die Summe der beiden Renten einen bestimmten Grenzbetrag überschreite, trage der sozialpolitischen Überlegung Rechnung, daß das Renteneinkommen des Versicherten, das auch in der gesetzlichen UV Lohnersatzfunktion habe, nicht höher sein solle, als das Nettoerwerbseinkommen bei voller Arbeitsleistung. Die Ruhens- bzw Kürzungsbestimmungen seien daher jedenfalls solange verfassungsrechtlich unbedenklich, als dem Versicherten insgesamt mindestens ein Zahlbetrag in Höhe der Rente aus der gesetzlichen RV (ohne Anwendung der Ruhens- bzw Kürzungsvorschriften) verbleibe. Der Kläger könne im Hinblick auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum nicht verlangen, daß der Gesetzgeber die für ihn jeweils günstigste Ruhens- bzw Kürzungsregelung zur Anwendung bringe.

Der Kläger hat die – vom Senat mit Beschluß vom 16. November 1995 zugelassene – Revision eingelegt und rügt zur Begründung die Verletzung der §§ 93, 266 SGB VI. Beim Zusammentreffen von „Altrenten” und Leistungen aus der UV sei im Hinblick auf dessen eindeutigen Wortlaut § 266 SGB VI anzuwenden. Die Nichtberücksichtigung der Norm verstoße gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Mit § 266 SGB VI habe der Gesetzgeber für alle Unfallrentner ab 1. Januar 1992 den Freibetrag in Höhe der Grundrente nach dem BVG eingeführt. Hiervon ausgehend ergebe sich mit diesem Zeitpunkt auch für den Kläger ein höherer Rentenzahlbetrag.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Februar 1995, das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 16. Juni 1994 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. August 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 1994 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 3. Dezember 1985 in der Fassung der hierzu ergangenen Anpassungsbescheide für Bezugszeiten bis zum 31. Januar 1992 ab 1. Februar 1992 mit der Maßgabe abzuändern, daß bei der Anrechnung der Verletztenrente ein Freibetrag gemäß § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI ausgespart bleibt, ferner die hierauf bezogenen Anpassungsbescheide entsprechend abzuändern und den Differenzbetrag nachzuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Seit dem 1. Januar 1992 sei das Zusammentreffen von Renten und Einkommen (hier: Rente und Leistungen aus der UV) grundsätzlich in § 93 SGB VI geregelt. Hiervon generell ausgenommen seien im Hinblick auf die bis dahin geltenden höheren Grenzbeträge jedoch diejenigen Renten aus der gesetzlichen RV, auf die am 31. Dezember 1991 bereits Anspruch bestanden habe (Bestandsrenten); für sie sei – bei Eintritt des Versicherungsfalls nach dem 31. Dezember 1978 – ausschließlich § 311 SGB VI maßgeblich, so daß die Regelungen des bis 31. Dezember 1991 geltenden Rechts anwendbar blieben. § 266 SGB VI erfordere demgegenüber die Neufeststellung der RV-Rente oder die Gewährung einer anderen Rente an denselben Berechtigten im unmittelbaren Anschluß an die mit Beginn vor dem 1. Januar 1992 geleistete RV-Rente. Auf diese Fallgestaltungen begrenzt komme den §§ 266, 311 SGB VI die Funktion zu, eine Schlechterstellung der Betroffenen durch den niedrigeren Grenzbetrag in § 93 SGB VI zu vermeiden und für sie insofern der Sache nach die günstigere Regelung des AVG aufrechtzuerhalten. Umgekehrt dürften die betroffenen Versicherten durch das SGB VI aber auch nicht bessergestellt werden. Für sie sei demgemäß der im neuen Recht begünstigend vorgesehene Abzug bestimmter Beträge von der Verletztenrente aus der UV durch die komplementäre Gestaltung des Grenzbetrages in § 266 SGB VI rechnerisch wieder auszugleichen. Für den Kläger führe damit die Anwendung der §§ 93, 266 SGB VI anstelle des § 311 SGB VI zu keiner höheren Rente aus der Angestelltenversicherung.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Revision des Klägers erweist sich auch sachlich als begründet.

Entgegen der Auffassung der Beklagten und der Vorinstanzen kommen die in § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI vorgesehenen Freibeträge im Ergebnis zumindest teilweise auch denjenigen Personen zugute, die am 31. Dezember 1991 neben einer Rente aus der gesetzlichen RV nach den Vorschriften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen UV gehabt hatten (Bestandsrentner). Die betroffenen Versicherten haben einen Anspruch auf zutreffende Festsetzung der ihnen aus der RV zustehenden Leistungen unter Berücksichtigung dieses Umstandes. Auf die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage des Klägers hat daher die Beklagte zum 1. Februar 1992 den Teil der Altersrente des Klägers, der mit Blick auf die Verletztenrente nicht zu zahlen ist, unter Aussparung dieser Beträge zu bestimmen und den Bescheid vom 3. Dezember 1985 in der Gestalt der hierzu ergangenen Anpassungsbescheide (Verwaltungsakte iS von § 31 Satz 1 SGB X, vgl Senat in SozR 1300 § 48 Nr 55 S 161 mwN) zu diesem Zeitpunkt entsprechend abzuändern, ferner die hierauf bezogenen Anpassungsbescheide entsprechend abzuändern und den Differenzbetrag nachzuzahlen. Dies ergibt sich aus einer Ergänzung des § 311 Abs 2 Nr 1 Buchst a SGB VI durch § 266 SGB VI mit der Folge, daß die RV-Rente in die nach § 311 Abs 1 SGB VI zu bildende Summe beider Renten nur um den Betrag vermindert einzustellen ist, um den sie ggf den Grenzbetrag des § 311 Abs 5 SGB VI abzüglich des Betrages nach § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI übersteigt.

Grundsätzlich (§ 300 Abs 1 SGB VI) regelt seit dem 1. Januar 1992 der zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretene (Art 85 Abs 1 des Rentenreformgesetzes ≪RRG≫ 1992 vom 18. Dezember 1989, BGBl I S 2261) § 93 SGB VI die Voraussetzungen, unter denen der RV-Träger im Wege der sog Anrechnung den in der Höhe des Werts des Rentenrechts entstandenen monatlichen Zahlungsansprüchen des Versicherten durch Festsetzung eines monatlichen Anrechnungsbetrages als (Dauer-)Verwaltungsakt den gleichzeitigen und partiell zweckidentischen Anspruch auf UV-Rente teilweise rechtsvernichtend entgegenhalten darf (und muß). Die RV-Rente wird dann insoweit nicht geleistet, als die Summe der zusammentreffenden Renten vor Einkommensanrechnung den Grenzbetrag (idR 70 vH eines Zwölftels des aktualisierten Jahresarbeitsverdienstes – JAV – ≪§§ 570 ff Reichsversicherungsordnung – RVO –, §§ 89, 95 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VII -≫ vervielfältigt mit dem jeweiligen Rentenartfaktor ≪§ 67 SGB VI≫, mindestens der Monatsbetrag der RV-Rente) übersteigt (§ 93 Abs 1 SGB VI). Wie seine zum 31. Dezember 1991 aufgehobenen Vorgängerregelungen (§§ 1278 bis 1279a RVO, 55 bis 56a AVG) trägt § 93 SGB VI damit ohne Verstoß gegen das Grundgesetz (GG) der sozialpolitischen Überlegung Rechnung, daß entsprechend seiner Lohnersatzfunktion das Renteneinkommen des Versicherten nicht höher sein soll als das Nettoerwerbseinkommen bei voller Arbeitsleistung (vgl insgesamt Urteil des Senats vom heutigen Tage, B 4 RA 49/96 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Im Gegensatz zur früheren Rechtslage bleibt bei der Anrechnung der Verletztenrente nunmehr allerdings ein Freibetrag unberücksichtigt, der dem Ausgleich des auf Folgen des Arbeitsunfalls/der Berufskrankheit beruhenden immateriellen Schadens des Verletzten dient (§ 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI). Das Gesetz trägt damit jedenfalls zukunftsgerichtet dem verfassungsrechtlich zur Vermeidung einer unverhältnismäßigen Schrankenbestimmung des dem Schutz der Eigentumsgarantie (Art 14 Abs 1 Satz 1 GG) unterfallenden Werts des RV-Rentenrechts und einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung der Bezieher von Unfallrenten, gebotenen Rechnung (Senatsurteil vom heutigen Tage, B 4 RA 49/96 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Hierzu setzt es den Teil der Verletztenrente, der dem Ausgleich „immaterieller Schäden” dient und damit rechnerisch nicht in die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge einzubeziehen ist, grundsätzlich pauschal demjenigen Betrag gleich, der bei gleichem Grad der MdE als Grundrente nach dem BVG geleistet würde.

Als abschließende Spezialregelung (§ 300 Abs 5 SGB VI) des Zusammentreffens von RV- und UV-Renten verdrängt allerdings § 311 SGB VI für diejenigen, die – wie der Kläger – am 31. Dezember 1991 materiell-rechtlich Anspruch auf eine Rente nach den Vorschriften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet und auf eine Rente aus der UV hatten, die für die Leistung der Rente zu berücksichtigen war (Bestandsrentner), für Bezugszeiten ab 1. Februar 1992 gleichermaßen § 93 SGB VI wie die §§ 1278 ff RVO, 55 ff AVG als dessen sonst im Einzelfall ggf weiter anzuwendende (§ 300 Abs 2 SGB VI) Vorläufer. Rentenfeststellungen nach dem 31. Dezember 1991 für Zahlungszeiträume ab Februar 1992 (vgl Senat in SozR 3-2600 § 300 SGB VI Nr 3 und Urteil vom 22. Februar 1995, 4 RA 88/94) – einschließlich solcher nach § 300 Abs 1 und 3 SGB VI iVm § 48 SGB X; vgl Senat in SozR 3-2600 § 300 Nr 10 – richten sich damit stets hiernach. Liegt daher nicht einer der in § 311 Abs 3, 8 SGB VI geregelten Ausnahmefälle vor, in denen es aus Gründen des Vertrauensschutzes auch weiterhin bei einer im früheren Recht vorgesehenen Rentenkumulation bleibt, werden Bestandsrenten aus der RV insoweit nicht geleistet, als die Summe der Renten aus RV und UV (ohne Anteile nach § 311 Abs 2 SGB VI) den Grenzbetrag nach § 311 Abs 5 bzw 6 SGB VI überschreitet (§ 311 Abs 1 SGB VI).

§ 311 SGB VI zeigt sich in Aufbau und Wortwahl an § 93 SGB VI angelehnt. Wie § 93 SGB VI ist damit rechtstechnisch auch § 311 SGB VI als rechtsvernichtende Einwendung gegen die einzelnen Zahlungsansprüche ausgestaltet. Abweichend von § 93 Abs 3 Halbsatz 1 SGB VI errechnet sich nach § 311 Abs 5 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB VI der (Regel-)Grenzbetrag für RV-Renten aus eigener Versicherung, für die die allgemeine Wartezeit in der knappschaftlichen RV nicht erfüllt ist, (anstelle von nunmehr 70 vH) weiterhin aus 80 vH eines Zwölftels des JAV, der der Festsetzung der UV-Rente zugrunde liegt, mindestens jedoch des Betrages, der sich ergibt, wenn der im Dezember 1991 zugrundeliegende persönliche Vomhundertsatz mit zwei Dritteln des aktuellen Rentenwertes vervielfältigt wird „Mindestgrenzbetrag”, der von Rundungsdifferenzen abgesehen der nach altem Recht maßgeblichen Rentenbemessungsgrundlage entspricht). Das pauschalierte Nettoarbeitsentgelt, das den betroffenen Versicherten nach beiden Regelungen als Betrag der Gesamtleistung aus beiden Sicherungssystemen in jedem Fall verbleiben soll, wird damit auch nach Inkrafttreten des SGB VI unter Zugrundelegung der günstigeren Lohnabzugsquote der §§ 1278 Abs 1 Satz 1 RVO, 55 Abs 1 Satz 1 AVG ermittelt (vgl die Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zum RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, S 207 zu § 302 des Entwurfs, derzufolge die Grenzbeträge in den Abs 5 und 6 so bestimmt sind, „daß das bis zum 31. Dezember 1991 geltende Recht aufrechterhalten bleibt”).

Allein zur Wahrung des Bestandsschutzinteresses hätte es indessen bei Personen, wie dem Kläger, bei denen der Wert des Rentenrechts wie die monatlichen Auszahlbeträge durch jeweils bindende Verwaltungsakte (§ 77 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) fixiert waren, einer zusätzlichen Garantie nicht bedurft (§ 300 Abs 4 Satz 1 SGB VI). Innerhalb der insofern immerhin in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Bestimmung mangelt es jedoch an einer zumindest naheliegenden und systematisch hier zu erwartenden Regelung, die die Bestandsrentner jedenfalls modifiziert an der Begünstigung teilhaben läßt, die Zugangsrentnern mit § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI eingeräumt wurde. Es erschließt

sich nämlich jedenfalls nicht ohne weiteres, warum der Verletztenrente aus der UV innerhalb ein und desselben rentenversicherungsrechtlichen Zusammenhangs unterschiedliche Zwecke zuerkannt bzw trotz gesetzlicher Klarstellung durch das RRG 1992 (Urteil des Senats vom 31. März 1998, B 4 RA 49/96 R) einem mit der Verletztenrente generell verbundenen Zweck allein bei Zugangsrentnern Rechnung getragen werden sollte. Insofern enthält jedoch – unter identischer Beschreibung seines persönlichen Anwendungsbereichs – § 266 SGB VI eine den § 311 Abs 2 Nr 1 Buchst a SGB VI ergänzende Regelung, die im Ergebnis dazu führt, daß – unter typisierender Berücksichtigung des ihnen mit § 311 Abs 5 SGB VI eingeräumten Vorteils und der individuellen Relation von Höhe der RV-Rente, Grenzbetrag und Grundrente nach dem BVG – auch Bestandsrentner in den Genuß einer modifizierten Freibetragsregelung gelangen. Hierzu gilt im einzelnen folgendes:

Entgegen seiner systematischen Stellung im 6. Unterabschnitt zum 5. Kapitel des SGB VI ist § 266 SGB VI nicht etwa als Sonder- oder Ausnahmeregelung zu § 93 SGB VI zu verstehen. Die hiervon abweichende und soweit ersichtlich einhellige Meinung im Schrifttum (vgl exemplarisch: Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung – SGB VI, Stand: August 1991, § 266 RdNr 1; Gürtner in: Kasseler Komm, Stand August 1992, § 266 RdNr 4; Hauck in Hauck/Haines Sozialgesetzbuch SGB VI, Stand: September 1991, § 266 RdNr 1) verkennt ersichtlich, daß § 266 SGB VI ausdrücklich den sich aus „§§ 311, 312” ergebenden Grenzbetrag in Bezug nimmt und insbesondere – wie eingangs ausgeführt – § 93 SGB VI wegen § 300 Abs 5 SGB VI für den Personenkreis der Bestandsrentner unter keinen denkbaren Umständen, demgemäß auch nicht im Fall des § 300 Abs 3 SGB VI, Bedeutung erlangen kann. Es kann folglich auch nicht dazu kommen, daß bei der Neufeststellung von Bestandsrenten bzw der Wertfestsetzung sich hieran unmittelbar anschließender Renten neben dem sich aus § 93 Abs 3 SGB VI ergebenden ein alternativer Mindestgrenzbetrag aus § 266 SGB VI zu errechnen ist (so aber Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, aaO, RdNr 3; im Ergebnis ebenso Hauck, aaO, RdNr 4; und Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, Stand November 1992, § 266 RdNr 3; und Skorzik, Die Auswirkungen beim Zusammentreffen von Renten der Rentenversicherung mit Renten der gesetzlichen Unfallversicherung, Kompaß 1990, 584, 636).

Die herrschende Literaturmeinung steht damit in der Tradition einer bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens formulierten irrigen Auffassung. § 266 SGB VI ist damals durch Beschluß des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zunächst als § 260a SGB VI eingefügt worden (BT-Drucks 11/5490 S 162). Im Ausschußbericht (BT-Drucks 11/5530 S 56) wird dies damit begründet, daß „die Regelung erforderlich sei, um den sich aus den §§ 302, 303 ≪311, 312≫ ergebenden Besitzschutz auch für den Fall der Neufeststellung und für spätere Renten desselben Berechtigten, bei denen sich der Grenzbetrag ansonsten nach § 92 ≪93≫ bestimmt, zu gewährleisten”. Abgesehen davon, daß bereits damals die fehlende Anwendbarkeit von § 93 Abs 3 SGB VI verkannt worden ist (§ 291 Abs 5 des Entwurfs), erwähnt die Begründung zudem auch mit keinem Wort, daß sich der vorgeschlagene Normtext des § 260a (§ 266) SGB VI gerade nicht auf den angegeben Zweck beschränkt, sondern – die damalige Lesart zugrunde gelegt – darüber hinaus den Betroffenen durch § 266 SGB VI wieder genommen werden sollte, was ihnen § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI zuvor zuerkannt hatte. Hieraus ergäbe sich aber schon deshalb eine verfassungsrechtlich zumindest problematische Lage, weil der Gesetzgeber dann eine Ungleichbehandlung innerhalb der originären Anwendung der SGB VI-Normen vorgenommen hätte, für die sich eine Rechtfertigung nicht ohne weiteres aufdrängt.

Ein denkbarer Anwendungsbereich für § 266 SGB VI kann sich unter diesen Umständen nur im Rahmen von § 311 SGB VI ergeben, aus dessen Kontext sich damit notwendig das Verständnis seines Regelungsgehalts bestimmt. Insofern bedarf zunächst der mißglückte Wortlaut der Norm einer Korrektur. Die Vorschrift ist nämlich insofern in sich widersprüchlich, als sie den Eindruck erweckt, es könnte unterhalb des von ihr geregelten Grenzbetrages noch einen für die Betroffenen ungünstigeren geben, an dessen Stelle sich dieser seinem Zweck entsprechend erhöhend setzt. Da das Gesetz indessen im unmittelbaren Anschluß hieran die Anweisung erteilt, den als Vergleichsgröße einzig in Betracht kommenden Grenzbetrag nach §§ 311, 312 SGB VI zu mindern, kann sich zwangsläufig ein geringerer als der nach § 266 SGB VI ermittelte Grenzbetrag nicht ergeben. § 266 SGB VI ist demgemäß ohne das Wort „mindestens” zu lesen.

Der sich aus dem damit zugrunde zu legenden bereinigten Text ergebenden Bestimmung kann darüber hinaus nicht entnommen werden, sie wolle den Grenzbetrag, von dem bei § 311 Abs 1 und 2 SGB VI für die Ermittlung des nicht zu leistenden Rententeils auszugehen ist, insgesamt ersetzen. Im Ergebnis würden dann nämlich auch die günstigen Grenzbeträge des alten Rechts herabgesetzt, obwohl sie mit § 311 Abs 5 SGB VI gerade fortgeführt werden sollten. Unter diesen Umständen verbleibt als einzig in Betracht kommende Auslegungsalternative, die ergänzende Heranziehung des § 266 SGB VI auf die in § 311 Abs 2 SGB VI geregelte Ermittlung der Rentensumme zu beschränken, während es für den dieser Summe vergleichsweise gegenüberzustellenden Grenzbetrag bei der Berechnung allein nach § 311 Abs 5 SGB VI verbleibt.

Dies hat zur Folge, daß abhängig von der Höhe des Grenzbetrages, der Höhe der RV-Rente und der für die Grundrente maßgeblichen MdE auch in Bestandsfällen ein erhöhter Anteil der RV-Rente anrechnungsfrei bleiben kann und im übrigen abermals der Wortlaut von § 266 SGB VI in dem Sinne zu korrigieren ist, daß die – vom Gesetzesbeschluß der gesetzgebenden Körperschaften mitumfaßte – Überschrift der Vorschrift nicht eine Erhöhung des Grenzbetrages sondern eine solche des Auszahlungsbetrages betrifft. Hierzu gilt im einzelnen: Ist der Grenzbetrag (vor Anwendung von § 266 SGB VI) kleiner oder gleich der RV-Rente, ergibt sich unter Zugrundelegung des modifizierten Grenzbetrages eine Erhöhung in Höhe des der Grundrente entsprechenden Freibetrages. Liegt der Grenzbetrag um einen Betrag unterhalb der Höhe der Grundrente über der RV-Rente, ergibt sich eine teilweise Erhöhung. Übersteigt schließlich der Grenzbetrag die RV-Rente um den Betrag der Grundrente oder mehr, ergibt sich keine Erhöhung. Je höher demgemäß bereits der sich aus § 311 Abs 5 SGB VI ergebende Grenzbetrag ist (und je höher demgemäß die Rentensumme sein kann, ohne zu einer – teilweisen – Nichtzahlung der RV-Rente zu führen), desto weniger werden die betroffenen Rentner durch die ergänzende Heranziehung von § 266 SGB VI begünstigt.

Das Gesetz folgt damit dem Prinzip der abnehmenden Schutzbedürftigkeit. Dieses rechtfertigt als sachlicher Grund gleichermaßen die interne Unterscheidung der Bestandsrentner nach solchen mit einer RV-Rente im Bereich des Grenzbetrages und solchen, deren RV-Rente deutlich unterhalb des Grenzbetrages liegt und die daher bei typisierender Betrachtung auch von vorne herein in geringerem Umfang von der Anrechnung betroffen sind. Ebenso rechtfertigt diese Vorgehensweise aber auch die unterschiedliche Behandlung von Bestandsrentnern, denen die günstigeren Grenzbeträge des § 311 SGB VI verbleiben, und Zugangsrentnern, die wegen des Vergleichs der Rentensumme mit dem Grenzbetrag und deren Verminderung um die nicht zu berücksichtigenden Rentenanteile (§ 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a SGB VI) früher und direkter in den Genuß der Freibetragsregelung gelangen. Ohnehin ist von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber den für die Unterstellung unter neues Recht maßgeblichen Stichtag (Rentenanspruch am 31. Dezember 1991) an das Inkrafttreten der Neuregelung koppelt (BVerfG, Beschluß vom 26. April 1995, 2 BvR 794/91 ua, NVwZ 96, 580 = DVBl 1995, 1232) und der „Struktur der Rentenversicherung” entsprechend (BVerfGE 87, 1, 44) grundsätzlich nur Neuzugänge dem dann geltenden Recht (in vollem Umfang) unterwirft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

AuA 1999, 94

SGb 1998, 361

SozR 3-2600 § 311, Nr. 2

SozSi 1999, 299

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