Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 28.06.1990; Aktenzeichen L 16 Kr 150/87)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1990 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin erstrebt als Rechtsnachfolgerin ihrer verstorbenen Mutter die Gewährung von Leistungen für Kindererziehung. Sie ist mit ihrem Begehren im sozialgerichtlichen Verfahren ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Düsseldorf vom 29. November 1989; Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ≪LSG≫ vom 28. Juni 1990). Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin ihrer im Jahre 1896 geborenen und am 4. Februar 1988 verstorbenen Mutter P. D.…. Diese lebte von 1925 bis 1944 in Frankreich/Lothringen. Hier wurden in den Jahren 1927 bzw 1929 die Schwester der Klägerin und die Klägerin geboren. D.… war Inhaberin des Vertriebenen- und Flüchtlingsausweises A.…

Den Antrag der D.… auf Gewährung von Leistungen für Kindererziehung lehnte die Beklagte durch ihren Bescheid vom 21. Oktober 1987 ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 1988).

Im Berufungsverfahren verfügte der Richter am Landessozialgericht W. … während der urlaubsbedingten Abwesenheit des Vorsitzenden des 2. Senats des LSG, daß in der anhängigen Rechtssache am 28. Juni 1990 Termin zur mündlichen Verhandlung stattfinden werde und die Verfahrensbeteiligten hiervon benachrichtigt werden sollten. Nach den Feststellungen des LSG zeichnete er die Verfügung mit seiner in dem LSG leicht identifizierbaren Namensparaphe ab.

In der mündlichen Verhandlung war die Klägerin weder zugegen noch vertrete ….

In dem Urteil des LSG heißt es ua, der Verhandlungstermin sei wirksam bestimmt worden, obwohl die Verfügung nur mit der Paraphe des zuständigen Vertreters des Senatsvorsitzenden abgezeichnet worden sei. Die gegenteilige Auffassung in dem Urteil des 5. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 5. Dezember 1989 – 5 RJ 26/89 – überzeuge nicht. Es könne dahinstehen, ob die von dem BSG herangezogenen Vorschriften der Zivilprozeßordnung (ZPO) anzuwenden seien. Das Sozialgerichtsgesetz (SGG) habe eigene Regelungen, wonach zwar Urteile und Beschlüsse zu unterschreiben seien; für Terminsbestimmungen und Ladungen fänden diese Vorschriften jedoch keine Anwendung. In § 63 SGG würden diese Maßnahmen sogar den Entscheidungen des Gerichts gegenübergestellt. Es fehle im SGG eine den § 329 Abs 1 Satz 2, § 314 Abs 2 Satz 1 und § 315 ZPO vergleichbare Bestimmung. Eine Begründung dafür, daß diese Vorschriften anzuwenden seien, enthalte das Urteil des 5. Senats aaO nicht.

In der Sache, so heißt es in dem Urteil weiter, sei der geltend gemachte Anspruch nach Art 2 § 35 Abs 1 Satz 1 des Knappschaftsrentenversicherungsneuregelungsgesetzes (KnVNG) nicht begründet, weil es um Auslandsgeburten gehe. Auch als anerkannte Vertriebene bzw Flüchtling könne die Klägerin die begehrte Leistung nicht erhalten. Es könne offenbleiben, ob die Herkunft aus Lothringen/Frankreich überhaupt zu Leistungen nach dem Fremdrentengesetz (FRG) führen könne. Jedenfalls stehe § 2b FRG der Gewährung von Leistungen für Kindererziehung entgegen. Die Anwendung der Vorschriften der Verordnung Nr 1408/71 vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (EWG-VO Nr 1408/71) habe Vorrang vor dem FRG. Nach ihnen könne für ein in Frankreich geborenes Kind Keine Leistung für Kindererziehung gewährt werden. Allgemein sei die Geburt eines Kindes im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze Voraussetzung für diese Leistung; die RVO habe in Lothringen in den Zeiträumen 1881 bis 1918 und 1939 bis 1945 Geltung gehabt. Für diese Zeiten lägen zwischenstaatliche Versicherungslastregelungen vor, welchen zu entnehmen sei, daß die Zeiträume der Geburt der beiden Kinder der D.… in die französische Versicherungslast falle. Aus diesem Grunde könne für D.… auch keine Leistung wegen Kindererziehung gewährt werden. Die Regelung sei verfassungsmäßig.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die beschriebene Terminsbestimmung zur mündlichen Verhandlung am 28. Juni 1990, weil sie nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Die Ladungsverfügung hätte nicht lediglich mit der Paraphe des zuständigen Richters abgezeichnet werden dürfen. Es handele sich bei der Terminsbestimmung um eine richterliche Entscheidung, so daß sie mit dem vollen Namen des Richters hätte unterschrieben werden müssen, Das Verfahren des LSG leide an einem rechtserheblichen Mangel.

In der Sache hält die Klägerin den Anspruch auf die Gewährung von Leistungen für Kindererziehung für begründet. Dies ergebe sich aus § 28b FRG. Die Vorschrift sei anzuwenden, weil D.… als Vertriebene und Flüchtling anerkannt gewesen sei. Die Anwendung der Vorschrift werde nicht durch § 2b FRG ausgeschlossen. § 2b FRG stelle eindeutig auf “Zeiten” ab. Es gehe daher in dieser Norm um Versicherungszeiten und deren Versicherungslast. Im vorliegenden Falle handele es sich aber um Leistungen eigener Art, welche keine Versicherungszeiten oder diesen ähnlich seien. Soweit Versicherungslastabkommen zwischen Deutschland und Frankreich geschlossen seien, seien sie nicht mehr wirksam. Da es andere Versicherungslastregelungen nicht gebe, müsse § 28b FRG im vorliegenden Falle ohne Einschränkung angewendet werden. Danach seien die Geburten der beiden Töchter der D.… in Lothringen einer Inlandsgeburt gleichzusetzen, so daß der Anspruch auf die begehrte Leistung bestehe.

Die Klägerin beantragt,

  • unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1990 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29. November 1989 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 21. Oktober 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 1988 die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin für ihre Mutter Leistungen für die Zeit vom 1. Oktober 1987 bis 4. Februar 1988 für deren Kinder Marguerite-Helene und Else zu gewähren, hilfsweise das angefochtene Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1990 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen;
  • die Beklagte zu verpflichten, die außergerichtlichen Kosten in sämtlichen Rechtszügen (Klage-, Berufungs- und Revisionsverfahren) der Klägerin zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Begründung der Revisionsklägerin nicht für überzeugend.

 

Entscheidungsgründe

II

Der Senat konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Verfahrensbeteiligten mit einer solchen Entscheidung nach wie vor einverstanden sind (§ 124 Abs 2 SGG).

Das Urteil des LSG beruht nicht auf dem behaupteten Verfahrensmangel. Nach Auffasung der Revision soll die von dem Vorsitzenden eines LSG-Senats vorgenommene Bestimmung von Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung unter Verwendung des hierfür beim LSG vorgesehenen Vordrucks unwirksam sein, wenn er die Terminsbestimmung lediglich mit der Paraphe seines Namens abzeichnet.

Es kann dahinstehen, ob dann, wenn die Terminsbestimmung als gerichtliche Entscheidung zu werten ist, hieraus deren Unterzeichnung mit vollem Namen abzuleiten .ist. Der Begriff “Entscheidung” ist vieldeutig; er umfaßt nicht nur die Entscheidungen im engeren Sinne (Urteile und Beschlüsse), sondern auch Akte der Prozeßleitung, selbst wenn sie nicht vom Gericht, sondern vom Vorsitzenden, vom beauftragten oder ersuchten Richter oder von der Geschäftsstelle ausgehen (Stein/Jonas, ZPO, 19. Aufl, Anm III vor § 300). Neben den Entscheidungen im engeren Sinne werden die vom Vorsitzenden eines Kollegialgerichts sowie die von dem ersuchten oder beauftragten Richter ausgehenden Maßnahmen als Verfügungen bezeichnet und in einen Gegensatz zu den Urteilen und Beschlüssen gebracht (Stein/Jonas aaO). Hierbei sind Anordnungen und Verfügungen, die Außenwirkung besitzen, von den innerdienstlichen Akten abzugrenzen (Stein/Jonas, Anm III, Nr 2 vor § 300).

§ 110 Abs 1 Satz 1 SGG, auf den es hier entscheidend ankommt, enthält für die Terminsbestimmung keine den Urteilen und Beschlüssen entsprechenden Formvorschriften. Vielmehr ist lediglich vorgeschrieben, daß der Vorsitzende Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung bestimmt und sie den Beteiligten in der Regel zwei Wochen vorher mitteilt. § 110 Abs 1 Satz 1 SGG spricht im Gegensatz zu § 214 ZPO, § 102 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 91 Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht von der Ladung der Beteiligten; geladen werden im sozialgerichtlichen Verfahren nach § 111 Abs 2 SGG nur Zeugen und Sachverständige. Daran ändert nichts, daß Terminsbestimmungen nach § 63 Abs 1 SGG zuzustellen sind. Denn die Mitteilung einer Terminsbestimmung durch Zustellung hat lediglich eine Sicherungsfunktion. Dies besagt aber nichts darüber, in welcher Form der Termin zu bestimmen ist und die Terminsmitteilung zu ergehen hat.

Die Terminsbestimmung als prozeßleitende Verfügung hebt sich nach dem Sozialgerichtsgesetz von den sonstigen gerichtlichen Entscheidungen auch insofern ab, als hiergegen kein Rechtsmittel gegeben ist (Meyer-Ladewig, SGG, 3. Aufl, RdNr 6 zu § 172 ) .

Daß Terminsbestimmungen entsprechend der – nunmehr aufgegebenen – Rechtsprechung des 5. Senats (aaO) mit vollem Namen zu unterschreiben sind, läßt sich nicht auf die Rechtsprechung des LAG Hamm (MDR 1982, 612, 1053) stützen. Soweit das LAG entschieden hat, daß eine richterliche Verfügung, die der Terminsbestimmung dient, nur ein Entwurf bleibe, wenn sie vom Vorsitzenden des Arbeitsgerichts nur mit einer Paraphe abgezeichnet worden sei, hat das LAG ersichtlich nur die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu speziellen richterlichen Fristen, deren Versäumung Präklusionswirkungen iS des § 296 ZPO hat, entsprechend angewendet . Es Kann dahingestellt bleiben, ob diese Rechtsfolge für die Zivilprozeßordnung oder das Arbeitsgerichtgesetz zutrifft. Denn der BGH hat bisher – soweit ersichtlich – nur den vollen Namenszug des Vorsitzenden oder des sonst zuständigen Richters als Unterschrift; unter derartige die Präklusion bewirkenden Verfügungen gefordert und es deshalb als nicht formgerecht angesehen, wenn der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle eine beglaubigte Abschrift einer nicht mit dem vollen Namen unterzeichneten, sondern nur paraphierten Verfügung des Vorsitzenden zustellt (BGHZ 76, 236, 241 = NJW 1980, 1167; NJW 1980, 1960).

Die Rechtsprechung des LAG basiert ersichtlich auf § 329 Abs 1 Satz 2 iVm § 317 Abs 2 Satz 1 ZPO. Wenn der 5. Senat des BSG hierauf verweist, hält er damit die Vorschriften der ZPO auf die Form der Terminsbestimmung und -mitteilung für entsprechend anwendbar. Dies findet in § 202 SGG keine Stütze, da das Sozialgerichtsgesetz hinsichtlich der Terminsbestimmung und -mitteilung in § 110 Abs 1 eine gesonderte und damit eigenständige Regelung getroffen hat. Das Schrifttum zum SGG (Meyer-Ladewig, aaO, RdNr 3 zu § 111; Hennig/Danckwerts/König, Sozialgerichtsgesetz 1990, Anm 2 zu § 110; Peters/Sautter/Wolf, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl, Anm 7 zu § 202) sieht daher zu Recht die analoge Anwendung des § 329 ZPO über § 202 SGG nicht vor.

Bei zweckentsprechender Auslegung des § 110 Abs 1 Satz 1 SGG ist die Terminsbestimmung auch dann wirksam, wenn der Vorsitzende sie lediglich mit einer Paraphe unterzeichnet (Hennig/Danckwerts/König aaO Anm 2.2 zu § 110 SGG). Erforderlich ist nur, daß der individuelle Schriftzug charakteristische Merkmale aufweist und somit der Unterzeichner jedenfalls innerhalb des Gerichts klar erkennbar ist. Die in § 110 Abs 1 Satz 1 SGG getroffene Regelung, daß der Vorsitzende den Beteiligten Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung mitzuteilen hat, besagt indessen nicht, daß diese Mitteilung unmittelbar durch den Gerichtsvorsitzenden zu geschehen hätte. Vielmehr kann er hierzu – wie auch sonst – die Geschäftsstelle heranziehen (§ 4 SGG). Dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle obliegt die Mitwirkung im Prozeßbetrieb sowie die Ausführung von Verfügungen des Vorsitzenden zur Vorbereitung des Termins (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, Anm 1 zu § 153 GVG Meyer-Ladewig, aaO, Anm 2 zu § 4). Verfügt der Vorsitzende den Termin zur mündlichen Verhandlung und weist er danach den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle an, den Beteiligten von seiner verfügten Terminsbestimmung Mitteilung zu machen, so kann eine solche Anordnung in Form einer internen Verfügung ergehen. Sie erlangt die erforderliche Außenwirkung dadurch, daß der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Beteiligten die Terminsbestimmung des Vorsitzenden in dessen Namen zur Kenntnis gibt. Dies geschieht in Form der Zustellung (§ 63 SGG). Der Vorsitzende genügt daher seiner Pflicht aus § 110 Abs 1 Satz 1 SGG bereits durch eine interne Anweisung an den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, den Beteiligten in seinem Namen von der Terminsbestimmung Mitteilung zu machen. Diese Anweisung kann – wie jede interne richterliche Anweisung – mit einer Paraphe unterzeichnet werden, weil sich – jedenfalls im internen Bereich des Gerichts – die bindende Wirkung von Paraphe und vollem Namenszug nicht unterscheidet. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat diese Weisung umzusetzen. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies als Ausführungsverfügung der Geschäftsstelle unter der Kennzeichnung der Ausführung einer richterlichen Verfügung des Vorsitzenden auch zur Terminsmitteilung geschieht oder ob der Urkundsbeamte eine Ausfertigung der vom Vorsitzenden gemäß § 110 Abs 1 Satz 1 SGG getroffenen Verfügung übersendet. Auch letzterenfalls ist es nicht zu beanstanden, wenn der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Beteiligten eine Ausfertigung der nur paraphierten Terminsmitteilung zustellt, in der der volle Name des verfügenden Gerichtsvorsitzenden wiedergegeben ist. Zwar stimmt damit die Ausfertigung mit der Urschrift nicht total überein. Andererseits ist aber zu beachten, daß der Urheber der Anordnung die Verantwortung für die Existenz und den Inhalt der Verfügung mit der Paraphierung übernommen hat und dies für den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle klar erkennbar ist. Es kann deshalb Kein Zweifel daran bestehen, daß es sich bei der mit einer Paraphe versehenen Terminsbestimmung und Verfügung zur Mitteilung des Termins um eine wirksame Maßnahme des Vorsitzenden iS des § 110 Abs 1 Satz 1 SGG handelt. Zudem wird der Sicherungszweck der Terminsmitteilung dadurch erreicht, daß die Urschrift bei den Gerichtsakten verbleibt und somit jederzeit nachgewiesen werden kann, daß die Terminsbestimmung durch den Vorsitzenden erfolgt ist und die Terminsmitteilung auf einer Anordnung des Vorsitzenden beruht. Gegen die Übernahme einer derartigen Verwaltungspraxis (vgl BGH, Rechtspfleger 1968, 389 mit Anm von Mes = MDR 1968, 310; ebenso BGH LM 1986, § 46 DRiG Nr 1) durch die Gerichtsverwaltung im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit bestehen daher Keine Bedenken.

Aber selbst wenn die Terminsbestimmung mit einer Paraphe als Verfahrensmangel zu deuten wäre, was der Senat – wie ausgeführt – verneint, könnte es darauf nicht ankommen. Entscheidend ist, ob der angebliche Mangel im Revisionsverfahren beachtlich ist. Dies ist nach der Rechtsauffassung des Senats nicht der Fall:

Im sozialgerichtlichen Verfahren spielen Verfahrensmängel in der nächst höheren Instanz, sei es bei der Zulassung eines Rechtsmittels oder bei der Behandlung desselben, nur eine Rolle, wenn sie “wesentlich” sind (§ 150 Nr 2 und Rspr zu § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Auch die Zurückverweisung an das SG erfolgt grundsätzlich nur, wenn dessen Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet (§ 159 Abs 1 Nr 2 SGG). Nicht anders verhält sich dies übrigens in dem Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, s § 130 Abs 1 Nr 2 VwGO. Nur wegen derartiger Verfahrensverstöße lohnt offensichtlich nach der Überzeugung des Gesetzgebers die Wiederholung des mangelhaften Verfahrens (vgl dazu Henckel, Die Verfahrensrevision im Sozialgerichtsprozeß, Festschrift für das BSG, 1965, 105, 121 mwN).

Demgegenüber kann nicht eingewendet werden, daß der Vorschrift des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG zu entnehmen sei, im Revisionsverfahren vor dem BSG sei jeder Verfahrensmangel zu beachten. Diese Vorschrift spricht zwar lediglich allgemein von Verfahrensmängeln. Sie betrifft aber nicht die Frage, welche Verfahrensmängel im Verfahren des Berufungsgerichts von der Revisionsinstanz berücksichtigt werden müssen. Vielmehr ist in § 164 Abs 2. Satz 3 SGG ausschließlich festgelegt, wie ein Verfahrensmangel geltend zu machen ist. Die Vorschrift betrifft also nur die Form, welche eine Verfahrensrüge haben muß, nicht dagegen enthält sie eine Vorschrift des Inhalts, daß alle Mängel im Verfahren. des Berufungsgerichts in der Revisionsinstanz .zu beachten sind.

Die vorstehend dargelegte Auffassung des Senats wird durch die Vorschriften der VwGO und der FGO unterstützt. Auch in diesen Verfahrensgesetzen ist bestimmt, daß nur wesentliche Verfahrensmängel beachtet werden dürfen. Wie das SGG sprechen auch die Verfahrensordnungen der Verwaltungs- und der Finanzgerichtsbarkeit, wenn es um die Frage geht, wie diese in der Revisionsinstanz geltend zu machen sind, lediglich von Verfahrensmängeln, vgl dazu § 132 Abs 2 und 3 VwGO und § 115 Abs 1 und 3 FGO. Dadurch, daß dies in jeweils ein und derselben Vorschrift geschieht, wird offensichtlich, daß es stets nur um wesentliche Verfahrensmängel geht.

Wesentliche Verfahrensmängel sind nur solche, auf denen die Entscheidung beruhen kann. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der jeweiligen Verfahrensvorschriften und insbesondere aus § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Danach muß jedenfalls die Möglichkeit bestehen, daß ein nicht ordnungsgemäßes Verfahren die Entscheidungsfindung beeinflußt hat. Es wird die Möglichkeit eines Kausalzusammenhanges zwischen dem Mangel des Verfahrens und der gefundenen Entscheidung verlangt (vgl zB BSG Breithaupt 1966, 723f; BSG USK 72152; BFH/NV 1988, 448; Kummer NJW 1989, 569, 572; Henckel, aaO, 105, 116/117; Krebs ZfS 1963, 81, 82). An diesem Zusammenhang fehlt es in einer Fallgestaltung wie der hier vorliegenden (so auch BAG SaE 1961, 193).

Der erkennende Senat hat dies bereits in seinem Urteil vom 22. August 1990 – 8 RKn 14/88 – NJW 1990, 3994, dargelegt. Nach der Auffassung des Senats wirkt sich in aller Regel nicht aus, ob der Gerichtsvorsitzende eine Terminsbestimmung mit vollem Namen oder nur mit dessen Signum unterzeichnet. Selbst wenn die nur mit Paraphe abgezeichnete Terminsbestimmung wirkungslos sein sollte, so entspricht die Festsetzung des Termins doch dem Willen des Gerichtsvorsitzenden, und die mündliche Verhandlung würde nicht anders ablaufen, wenn der Vorsitzende mit vollem Namen unterzeichnet hatte. Im übrigen ist nach den Feststellungen des LSG den Beteiligten die Terminsmitteilung mit dem vollen Namen des Vorsitzenden mitgeteilt worden. Wenn die Klägerin gleichwohl an der mündlichen Verhandlung bei dem LSG nicht vertreten und nicht zugegen war, so ist dies nicht, darauf zurückzuführen, daß die Terminsbestimmung in den Akten nur mit einer Namensparaphe unterzeichnet worden ist. Jedenfalls haben sich irgendwelche Anhaltspunkte dafür nicht ergeben, daß die Klägerin die Terminsmitteilung für belanglos ansah, weil sie in den Akten nicht mit dem vollen Namen des zuständigen Richters unterschrieben worden war.

Der erkennende Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des 5. Senats in seinem Urteil vom 5. Dezember 1989 – 5 RJ 26/89 (BSG SozR 1500 § 63 Nr 3) ab, weil der 5. Senat auf Anfrage mitgeteilt hat, daß er an dieser Rechtsprechung nicht mehr festhält.

In der Sache selbst teilt der erkennende Senat die Rechtsauffassung des LSG in dem angefochtenen Urteil. Der Klägerin steht eine Leistung wegen Kindererziehung nicht zu.

Art 2 § 35 KnVNG setzt für die Gewährung einer Leistung für Kindererziehung eine Inlandsgeburt (Abs 1 Satz 1) oder die Geburt im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze (Abs 1 Satz 2) voraus. Wegen der Geburt der beiden Töchter in Frankreich/Lothringen in den Jahren 1927 und 1929 fehlt es an diesen Voraussetzungen. Das ist unter den Beteiligten auch nicht zweifelhaft. Da die Klägerin in der Zeit von 1925 bis 1944 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich hatte und weder D.… noch ihr Ehemann seinerzeit Pflichtbeiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet haben, liegen auch die Voraussetzungen, unter denen eine Leistung für Kindererziehung nach Art § 35 Abs 3 Nrn 2 und 3 KnVNG gewährt wird, nicht vor.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtslage hat das LSG zutreffend geprüft, ob D.… gleichwohl einen Anspruch auf die begehrte Leistung hatte, weil sie Vertriebene und Flüchtling mit dem Ausweis A war. Dies hat das LSG aus überzeugenden Gründen verneint.

Für den Anspruch auf eine Leistung für kindererziehung wird allerdings gemäß § 28b Abs 2 FRG die Geburt eines Kindes im Herkunftsgebiet der Geburt im Geltungsbereich des FRG gleichgesetzt. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, braucht der erkennende Senat nicht im einzelnen zu prüfen; denn die Vorschrift ist, wie auch die sonstigen Regelungen des FRG, im vorliegenden Falle nicht anwendbar, obwohl D.… zu dem durch dieses Gesetz begünstigten Personenkreis gehörte.

In § 2 FRG hat der Gesetzgeber festgelegt, daß und in welchen Fällen ein für die Bundesrepublik Deutschland verbindliches überstaatliches oder zwischenstaatliches Recht den Vorrang vor den Vorschriften des FRG hat. Unter den in § 2 Buchst b genannten Voraussetzungen sind bestimmte Versicherungszeiten und Beschäftigungszeiten außer Betracht zu lassen. Unter anderem schließt die Anrechnungsfähigkeit einer Versicherungszeit nach einer von einer europäischen Gemeinschaft erlassenen Rechtsvorschrift, die in der Bundesrepublik Deutschland verbindlich ist und unmittelbar gilt, deren Berücksichtigung unabhängig davon aus, ob sie im Einzelfall der Berechnung einer Leistung zugrunde liegt. So liegen die Dinge hier. D.… konnte für den Zeitraum der Geburt ihrer Kinder und die anschließenden Jahre keine Versicherungszeiten nach dem FRG berücksichtigt erhalten, weil diese Zeiten nach dem Recht der europäischen Gemeinschaft in die Versicherungslast Frankreichs fallen. Dies hat das LSG in dem angefochtenen Urteil bereits im einzelnen und zutreffend dargelegt. Nach der EWG-VO Nr 1408/71 sind Versicherungszeiten aus den Geburtsjahren der beiden Kinder der D.… den Leistungen des französischen Leistungsträgers zugrunde zu legen. Nach Art 44 der EWG-VO 1408/71 löst das Vorhandensein einer Versicherungszeit grundsätzlich die Leistungsverpflichtung derjenigen Mitgliedstaaten aus, in denen Versicherungszeiten zurückgelegt sind. Danach ist der französische Leistungsträger verpflichtet, im Rahmen der dort geltenden innerstaatlichen Gesetze die Versicherungszeiten in dem hier interessierenden Zeitraum leistungsbegründend oder leistungssteigernd zu berücksichtigen. Hätte D.… in den Jahren 1927 bis 1930 Versicherungszeiten in Frankreich zurückgelegt, so würde sich aufgrund dieser Zeiten keine Leistungsverpflichtung eines deutschen Versicherungsträgers ergeben. Vielmehr fiele eine solche Pflicht in die Versicherungslast des französischen Versicherungsträgers. D.… konnte sich demnach kein Guthaben an Versicherungszeiten bzw keine eigene Anwartschaft in den fraglichen .Jahren schaffen, welche sie als Vertriebene oder Flüchtlinge aus dem Herkunftsgebiet mitnehmen konnte. Demnach liegen die Voraussetzungen des § 2 Buchst b FRG vor, wonach Versicherungszeiten nach einer verbindlichen Vorschrift der Europäischen Gemeinschaft in der Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland nicht berücksichtigt werden können.

Ausnahmen von dieser allgemeinen Regel gibt es für den vorliegenden Rechtsstreit nach der EWG-VO Nr 1408/71 nicht. Zwar sieht Art 7 Abs 2 Buchst c der Verordnung iVm. Anhang III A Nr 18 Buchst d die Weitergeltung gewisser Versicherungslastregelungen in den Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich vor. Diese betreffen jedoch nicht den hier interessierenden Zeitraum der Geburt der Töchter der D.…. Vielmehr erstreckt sich die wirksam gebliebene Regelung der Zweiten Ergänzungsvereinbarung (BGBl -II 1958, 755) auf Zeiten vor 1923 (Abschnitt 1 Art 2) bzw den Zeitraum vom 1. Juli 1940 bis zum 8. Mai 1945 (Abschnitt 1 Art 5 und 6).

Mit Recht weist die Klägerin allerdings darauf hin, daß es in dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit nicht um die Berücksichtigung von Versicherungszeiten nach den Vorschriften des FRG geht. Sie beansprucht vielmehr eine Leistung für Kindererziehung nach Art 2 § 35 KnVNG. Nach der Überzeugung des erkennenden Senats handelt es sich dabei allerdings um eine Leistung, welche der Anrechnung einer Versicherungszeit derart nahesteht, daß sie nach dem Zweck der Leistung und ihrer Berechnungsgrundlage nicht anders behandelt werden kann als Versicherungszeiten in der Rentenversicherung.

Richtig ist zunächst, daß es sich bei den Leistungen für Kindererziehung um Gewährungen besonderer Art handelt, welche insbesondere nicht zu den Rentenleistungen zählen. Dies hat der Gesetzgeber bereits dadurch unzweideutig zum Ausdruck gebracht, daß er in § 23 Abs 1 Ziff 1.g des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil – (SGB I) die Leistungen für Kindererziehung neben den anderen Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung ausdrücklich erwähnt. Allerdings hat der Gesetzgeber auch keinen Zweifel daran gelassen, daß es um Ansprüche der gesetzlichen Rentenversicherung geht. Die Besonderheit der Leistungen für Kindererziehung nach Art 2 § 35 KnVNG gegenüber den anderen Leistungen der Rentenversicherung liegt ua darin, daß ein Anspruch auf irgendeine Rentenleistung ebensowenig vorausgesetzt wird wie das Vorhandensein von Versicherungszeiten. Voraussetzung für den Anspruch auf die Kindererziehungsleistung ist lediglich, daß die Mutter einem bestimmten Geburtsjahrgang angehört und in einem der zu berücksichtigenden Gebiete ein Kind lebend geboren hat.

Trotz dieser gravierenden Unterschiede darf nicht übersehen werden, daß diese Leistung den Müttern der Geburtsjahrgänge 1920 und älter anstelle einer Gutschrift von Versicherungszeiten gewährt wird. Die streitige Leistung wird allgemein aufgrund des Gesetzes über Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung für Kindererziehung an Mütter der Geburtsjahrgänge vor 1921 (Kindererziehungsleistungsgesetz ≪KLG≫) vom 12. Juli 1937 (BGBl I, 1585) gewährt. In ihnen werden die Mütter der Geburtsjahrgänge vor 1921 in ähnlicher Weise begünstigt wie die Mütter der Geburtsjahrgänge an 1921 durch das Inkrafttreten des Hinterbliebenen- und Erziehungszeitengesetzes (HEZG) vom 11. Juli 1985 (BGBl I, 1450). An Stelle der Versicherungszeiten für die Erziehung eines Kindes erhalten die Mütter der Geburtsjahrgange vor 1921 eine Leistung, welche zwar unabhängig von sonstigen Ansprüchen gegenüber den Trägern der Rentenversicherung ist, ihnen jedoch ansonsten in der Zweckrichtung und der Berechnungsweise stark angenähert ist. Während der Gesetzgeber durch die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten nach dem HEZG eine (Neu)-Berechnung der Rentenleistungen für die begünstigten Mütter verlangt, hat er bei den Müttern der Geburtsjahrgänge vor 1921 vor allem aus praktischen Gründen auf eine derartige Einbeziehung in das allgemeine System der Rentenversicherung verzichtet. Dies beruht auf der einen Seite vor allem darauf, daß die Mütter der Geburtsjahrgänge vor 1921 durchweg die Altersgrenze für eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bereits überschritten hatten und demgemäß in aller Regel eine Neuberechnung der Rente erforderlich geworden wäre, wenn für diesen Personenkreis weitere Versicherungszeiten zur Anrechnung gekommen wären. Auf die geschehene Weise hat der Gesetzgeber verhindert, daß sämtliche Rentenleistungen neu berechnet und aufgerollt werden mußten. Auf der anderen Seite hat der Gesetzgeber durch die Vorschrift des Art 2 § 35 Abs 1 Satz 2 KnVNG erreicht, daß den Müttern der Geburtsjahrgänge vor 1921 Leistungen in etwa derselben Höhe gewährt werden, wie dies bei der Berücksichtigung eines Kindererziehungsjahres nach dem HEZG entspricht. Danach wird die Höhe der Leistung für Kindererziehung pauschal als Prozentsatz der jeweils für die Berechnung von Renten geltenden allgemeinen Bemessungsgrundlage ermittelt; sie ist wie diese dynamisch, dh sie wird entsprechend den Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepaßt. Die Leistung hat damit grundsätzlich dieselbe Höhe wie die Leistung, die nach dem HEZG Begünstigte erhalten; sie entspricht etwa dem Rentenertrag eines Versicherungsjahres.

Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, daß die Leistung für Kindererziehung ebenso wie die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten nach dem HEZG auf einen Ausgleich von Nachteilen gerichtet ist, welche die Mütter in der Regel infolge der Geburt von Kindern bei ihrer Alterssicherung erleiden. Es hat ausschließlich einen praktischen Sinn, daß der Gesetzgeber dies bei den Müttern der Geburtsjahrgänge vor 1921 auf andere Weise erreicht hat als bei den später geborenen Müttern. Da außerdem beide Leistungen in ihrer Höhe grundsätzlich übereinstimmen, ist auch die Leistung wegen Kindererziehung trotz der dargestellten Unterschiede im Rahmen von § 2 FRG einer Regelung von Versicherungszeiten gleichzuachten.

Aus den dargelegten Gründen ist es gerechtfertigt und notwendig, in § 2 Buchst b FRG die Leistungen wegen Kindererziehung den Versicherungszeiten im Sinne dieser Norm gleichzusetzen (so auch Bayer. LSG vom 23. August 1990 – L 16 Ar 938/89).

Aufgrund dessen sind die Vorschriften des FRG, und insbesondere § 28b FRG, hier nicht anwendbar.

Das LSG hat daher aus zutreffenden Gründen entschieden, daß D.… keinen Anspruch auf die begehrte Leistung hatte. Die gegen das angefochtene Urteil gerichtete Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

NJW 1992, 1188

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