Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenhilfe. Verwertbarkeit des Vermögens. Vermutung der Bedürftigkeit

 

Orientierungssatz

1. Für den Bedürftigkeitsausschluß wegen Vermögens - hier eines Hausgrundstücks - kommt es nicht auf die Liquidität des Vermögens an. Vielmehr ist der Aspekt der Liquidität des Vermögens unter dem Gesichtspunkt der "Verwertbarkeit" zu prüfen.

2. Erzielt der Arbeitslose wegen Vermutung gegen Übernahme von Instandsetzungsarbeiten an seinem Haus keine Mieteinkünfte in Geld, ist damit noch nicht ausgeschlossen, daß er Einkommen "erzielt" hat. Einkommen ist auch dann anzurechnen, wenn die Möglichkeit, Einkünfte zu erzielen, nicht genutzt wird, hier also der Mietwert nicht in angemessenem Verhältnis zu den Instandsetzungsarbeiten steht. Der Arbeitslose kann durch den Verzicht auf Mietzahlungen wegen Instandsetzungsarbeiten eine Einkommensanrechnung nicht vermeiden.

3. Zur Vermutung der Bestreitung des Lebensunterhalts auf andere Weise iS von § 10 Nr 2 AlhiV.

 

Normenkette

AFG § 134 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 1 Nr. 3, § 137 Abs. 1-2, § 138 Abs. 1 Nr. 1; AlhiV § 6 Abs. 1-2, 3 Sätze 1, 2 Nr. 7, § 10 Nr. 2

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 11.12.1987; Aktenzeichen L 1 Ar 25/87)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger für die Zeit über den 1. Dezember 1981 hinaus ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) zusteht oder ob ein solcher Anspruch mangels Bedürftigkeit zu verneinen ist.

Der 1932 geborene - alleinstehende - Kläger bezog seit 1974 Leistungen wegen Arbeitslosigkeit von der Beklagten, seit März 1974 zunächst Arbeitslosengeld (Alg), seit 31. Oktober 1974 Alhi. Die Leistung erfolgte zum Teil unter Anrechnung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, zuletzt bezog der Kläger - ohne Anrechnung - Alhi aufgrund einer Verfügung vom 1. August 1980 ab 21. Juli 1980 sowie - im Anschluß an eine Sperrzeit und eine Säumniszeit - ab 11. Oktober 1980 aufgrund eines Bescheides vom 17. Oktober 1980. Diese Bewilligung erfolgte ausdrücklich für einen bis 20. Juli 1981 befristeten Bewilligungsabschnitt.

Mit Bescheid vom 14. April 1981 idF des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 1981 entzog die Beklagte dem Kläger die Leistung zunächst deswegen, weil er wiederholt Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit gegeben habe. Diese Bescheide wurden durch Urteil des Sozialgerichts (SG) Lübeck vom 2. Dezember 1981 aufgehoben. Die dagegen gerichtete Berufung (L 1 Ar 13/82 Schl-H LSG) nahm die Beklagte am 19. Mai 1982 zurück.

Während der Zeit des Alhi-Entzugs erhielt der Kläger vom 16. April bis einschließlich August 1981 Sozialhilfe unter Vorbehalt; ab 24. September 1982 bezog er Sozialhilfe darlehensweise, die durch eine Grundschuld über 15.000,-- DM auf seinem Hausgrundstück in G.   S.    gesichert wurde.

Mit Bescheid vom 10. Februar 1982 idF des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 1982 hob die Beklagte die Bewilligung von Alhi ab 2. Dezember 1981 auf (für die Zeit davor ist eine Nachzahlung erfolgt). Der Kläger sei nicht bedürftig, weil ihm zuzumuten sei, sein Mehrfamilienhaus zu verwerten (§ 6 Arbeitslosenhilfe-Verordnung -Alhi-VO). Außerdem ließen die Umstände seiner Lebensführung während der Zeit, als er weder Alhi noch Sozialhilfe erhalten habe, den Schluß zu, daß er seinen Lebensunterhalt auf andere Weise als durch Alhi bestritten habe und bestreiten könne (§ 10 Nr 2 Alhi-VO).

Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Bundessozialgericht (BSG) hat die Revision durch Urteil vom 18. Februar 1987 (- 7 RAr 22/85 -) zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klage gegen den Bescheid vom 10. Februar 1982 sei unzulässig, da dieser Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sei, das durch Rücknahme der Berufung der Beklagten endete. Da die Rechtshängigkeit des Bescheids durch die Berufungsrücknahme der Beklagten nicht beseitigt worden sei, müsse das Landessozialgericht (LSG) nunmehr über die noch nicht erledigte Klage entscheiden.

Das LSG hat zu den Vermögensverhältnissen des Klägers folgende Feststellungen getroffen: Seit Mai 1984 erhält der Kläger von der Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein eine Rente wegen Berufsunfähigkeit, seinerzeit in Höhe von 1.180,-- DM monatlich. Ihm gehört das in G.   S.    gelegene und als mit einem Einfamilienhaus bebaut bewertete Grundstück (Einheitswert bezogen auf den 1. Januar 1974: 33.000,-- DM laut Einheitswertbescheid des Finanzamts Ratzeburg). Die Brandversicherungssumme beträgt, bezogen auf das Jahr 1914, für das Wohnhaus 30.100,-- DM, für Garage und Remise 8.100,-- DM sowie für das Zubehör 300,-- DM (Summe: 38.500,-- DM). Das 1908 oder 1910 bezugsfertig gewordene Haus bietet nach einem vom Kläger dem SG vorgelegten Mieterhöhungsgutachten vom 25. Februar 1976 im Erdgeschoß (vier Zimmer, Küche, Bad/WC, Flur) eine Wohnfläche von 103,97 qm, im Dachgeschoß - ohne Dachschrägen - von 53,83 qm (vier Zimmer, Bad/WC, Flur), insgesamt von 157,80 qm. Diese Flächen waren zeitweilig vermietet. Während dieser Zeit bewohnte der Kläger nach seinen Angaben einen Wohnraum von weiteren 24 qm im Kellergeschoß. Den Verkehrswert schätzte der Kläger 1981 im Verwaltungsverfahren über seinen Sozialhilfeanspruch auf "höchstens 200.000,-- DM". Inzwischen habe der Kläger nach seinen Angaben 98 qm der Wohnfläche an einen Mieter überlassen, der dafür das Haus renoviere, teilweise auch instandsetze.

Das LSG hat mit Urteil vom 11. Dezember 1987 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10. Februar 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 1982 verurteilt, dem Kläger Alhi über den 1. Dezember 1981 hinaus zu zahlen. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 1982, der nach § 96 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sei, habe zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf Alhi für die Zeit ab 2. Dezember 1981 abgelehnt. Denn der Kläger sei nach wie vor bedürftig. Die gemäß § 138 Abs 1 Nr 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu berücksichtigenden Mieteinnahmen in Geldeswert hätten gemäß § 138 Abs 2 Satz 2 Nr 3 AFG außer Ansatz zu bleiben. Denn sie dienten der notwendigen Erhaltung sowohl dieser Einnahmen als auch der weiteren Verwertung des Hausgrundstückes. Das Hausgrundstück des Klägers sei nicht durch Belastung zur Kreditsicherung verwertbar, weil er bei seinen - ungünstigen - Einkommensaussichten nach Verbrauch der Darlehenssumme eine entsprechende Verbindlichkeit nicht einlösen könne. Die Verwertung des Hausgrundstücks durch Verkauf sei dem Kläger zwar im Hinblick auf die Größe, den Zustand und die Ausstattung des Hauses im Verhältnis zu seinen Wohnbedürfnissen zumutbar und könne unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung billigerweise auch von ihm erwartet werden (§ 6 Abs 3 Satz 1 und Satz 2 Nr 7 Alhi-VO). Dennoch sei er weiterhin bedürftig, weil sich weder aus § 137 AFG noch aus der Alhi-VO ergebe, ab wann seine Bedürftigkeit entfalle. In diesen Bestimmungen sei die Bedürftigkeit des vermögenden Arbeitslosen "negativ" definiert; er sei hiernach nicht bedürftig, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen ... die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt sei. Solange die Alhi-Rechtfertigung nicht offenbar fehle, bleibe der Arbeitslose demnach trotz eines (gemäß Alhi-VO) zu berücksichtigenden Vermögens iS des Gesetzes zunächst einmal bedürftig. Nach dem Zweck der Alhi, den Lebensunterhalt bedürftiger Arbeitsloser durch Leistungen der Beklagten statt durch die nachrangige Sozialhilfe sicherzustellen, komme es für den Bedürftigkeitsausschluß wegen Vermögens auf die Liquidität des Vermögens an. Von welchem Zeitpunkt an der lediglich über Immobiliarvermögen verfügende Kläger keiner Alhi mehr bedurfte, hänge davon ab, wann er den gemäß § 8 Alhi-VO maßgebenden Verkehrswert hätte realisieren müssen. Dies lasse sich nicht feststellen, weil der Verwertungserfolg nicht eingetreten sei. Die Beklagte hätte daher zunächst die Leistung weitergewähren müssen und dabei durch eine Nebenbestimmung die Verwertung des Vermögens sicherstellen können. Dazu wäre beispielsweise ein Widerrufsvorbehalt für den Fall des Nichtnachweises ernstlicher Verkaufsbemühungen zum Verkehrswert jeweils zum Quartalsende in Betracht gekommen.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte Verletzung des § 137 Abs 1 AFG, hilfsweise des § 103 SGG, § 136 Abs 1 Nr 6 SGG.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG vom 11. Dezember 1987 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er bestreitet schon die Zumutbarkeit der Verwertung seines Hausgrundstücks und teilt hilfsweise die Rechtsauffassung des LSG zur Liquidität des Vermögens. - Die Rüge mangelnder Sachaufklärung greife nicht durch. Er habe zwar in der Zeit von August 1981 bis zum 24. September 1982 weder Alhi noch Sozialhilfe bezogen, sich demnach allein unterhalten und im genannten Zeitraum auch Grundschulden um insgesamt 3.048,72 DM abgetragen. Als Alleinstehender könne er sich aber mit minimalem Aufwand unterhalten und als Arbeitsloser über Vermögen bis zu 8.000,-- DM verfügen, so daß sich die Frage weiteren Vermögens nicht stelle.

Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet. Die Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend darüber zu entscheiden, ob der Kläger für die Zeit ab 2. Dezember 1981 einen Anspruch auf Alhi hat.

1.

Gegenstand des anhängigen Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 1982. Wie das BSG im Urteil vom 18. Februar 1987 (7 RAr 22/85) ausgeführt hat, sind diese Bescheide gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens (L 1 Ar 13/82) geworden, das durch Rücknahme der Berufung der Beklagten endete. Da bei Erlaß des Bescheides vom 10. Februar 1982 der Rechtsstreit wegen des hierdurch ersetzten Bescheides vom 14. April 1981 noch anhängig war, ist die Rechtshängigkeit dieses Teils des Streitgegenstandes durch die Rücknahme der Berufung der Beklagten nicht beseitigt worden, weshalb das LSG über die noch nicht erledigte Klage entscheiden mußte.

Wie das BSG in diesem Urteil ergänzend ausgeführt hat, kommt es für die rechtliche Beurteilung des Bescheides vom 10. Februar 1982 entscheidend darauf an, welchen Regelungsgehalt der aufgrund der Verfügung vom 15. Oktober 1980 ergangene Bewilligungsbescheid vom 17. Oktober 1980 hatte. Nachdem die Gewährung von Alhi - wie vom LSG festgestellt - im Bewilligungsbescheid vom 17. Oktober 1980 ausdrücklich nur die Zeit bis zum 20. Juli 1981 umfaßte, stellt sich der Bescheid vom 10. Februar 1982, obwohl sein Verfügungssatz die "Aufhebung" der Bewilligung von Alhi mit Wirkung ab 2. Dezember 1981 ausspricht, nicht als Aufhebungsbescheid, sondern als Ablehnungsbescheid dar (vgl Urteil des BSG vom 24. Juli 1986 - 7 RAr 94/84 - und das bereits zitierte Urteil des BSG vom 18. Februar 1987). Der Bewilligungsbescheid vom 17. Oktober 1980 wirkte nur bis zum 20. Juli 1981. Dies entsprach § 139a AFG, wonach Alhi längstens für ein Jahr bewilligt werden soll und vor einer erneuten Bewilligung die Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen sind. Daran ändert auch nichts, daß ausweislich der Zahlungsnachweise vom 14. Juli 1982 dem Kläger Alhi noch für die Zeit vom 21. Juli 1981 bis 1. Dezember 1981 nachgezahlt wurde.

Beurteilt sich sonach der angefochtene Bescheid nicht als Aufhebung einer zuvor bereits für die Zeit ab 2. Dezember 1981 ausgesprochenen Leistungsbewilligung, sondern als Ablehnung eines Antrags auf Gewährung von Alhi ab diesem Zeitpunkt, so war hiergegen - wie vom LSG zutreffend entschieden - die verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig (§ 54 Abs 1 und 4 SGG). Deren Begründetheit richtet sich allein danach, ob für die vom Kläger beantragte Leistung ab 2. Dezember 1981 die Anspruchsvoraussetzungen nach §§ 134 ff AFG vorgelegen haben, nicht aber nach den §§ 45 oder 48 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X).

2. a)

Der Anspruch auf Alhi setzt die Bedürftigkeit des Arbeitslosen voraus (§ 134 Abs 1 Nr 3 AFG). Bedürftig ist der Arbeitslose, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann (§ 137 Abs 1 AFG). Der Arbeitslose ist nicht bedürftig, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist (§ 137 Abs 2 AFG). Sein Vermögen muß der Arbeitslose vor Inanspruchnahme der Alhi verbrauchen, soweit es verwertbar, die Verwertung zumutbar ist und die Höhe des zumutbar verwertbaren Vermögens 8.000,-- DM überschreitet (§ 137 Abs 3 AFG iVm § 6 Abs 1 Alhi-VO vom 7. August 1974 - BGBl I 1929 -).

Vermögen ist insbesondere verwertbar, soweit seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können (§ 6 Abs 2 Satz 1 Alhi-VO). Die Verwertung ist zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann (§ 6 Abs 3 Satz 1 Alhi-VO). Nicht zumutbar ist insbesondere die Verwertung eines Hausgrundstücks in angemessener Größe, das der Eigentümer bewohnt (§ 6 Abs 3 Satz 2 Nr 7 Alhi-VO).

Das LSG hat das Hausgrundstück des Klägers als zumutbar verwertbares Vermögen angesehen. Es meint, das Hausgrundstück sei durch Verkauf verwertbar. Es hat hierzu jedoch bisher keine weiteren Feststellungen getroffen. Solche Feststellungen sind jedoch - wie das BSG bereits in seinem Urteil vom 18. Februar 1987 bemerkt hat - selbst dann nicht entbehrlich, wenn dem LSG darin zugestimmt wird, daß ein Verkauf des Hausgrundstücks nicht nach § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 7 Alhi-VO ausgeschlossen ist. Denn auch dann steht nicht fest, "ob und ggf zu welchem Zeitpunkt und zu welchen Bedingungen ein Verkauf tatsächlich möglich war oder ist, folglich auch nicht, ob ein solcher Verkauf iS des § 6 Abs 3 Satz 1 Alhi-VO offensichtlich unwirtschaftlich wäre oder nicht" (BSG aa0). Das LSG hat tatsächliche Feststellungen zur Verwertbarkeit des Hausgrundstücks von seinem Rechtsstandpunkt aus deshalb nicht getroffen, weil es nach seiner Rechtsauffassung für den Bedürftigkeitsausschluß wegen Vermögens auf die Liquidität des Vermögens ankommt. Dieser Rechtsauffassung, die das LSG dem Wortlaut und der Systematik der Absätze 1 und 2 des § 137 AFG entnimmt, kann indes nicht gefolgt werden.

Der Sinn des Absatzes 1 erschließt sich am ehesten - in Anlehnung an Abs 2 - durch seine Umsetzung in die negative Form (der Arbeitslose ist nicht bedürftig ..., soweit er seinen Lebensunterhalt ... auf andere Weise ... bestreitet oder bestreiten kann ...). Nach Abs 2 des § 137 AFG wird ferner eine Bedürftigkeit des Arbeitslosen verneint, solange mit Rücksicht auf anrechenbares Vermögen die Zahlung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist. Je nach den Umständen des Falles ist also die völlige Verneinung der Bedürftigkeit auch nur für eine bestimmte Zeit ("... solange mit Rücksicht auf das Vermögen ...") möglich.

Die wechselnde Wortwahl in § 137 AFG, nämlich "soweit" in Absatz 1 und "solange" in Absatz 2 bedeutet also nicht, daß es für den Bedürftigkeitsausschluß wegen Vermögens - wie das LSG meint - auf die Liquidität des Vermögens ankommt. Vielmehr ist der Aspekt der Liquidität des Vermögens unter dem Gesichtspunkt der "Verwertbarkeit" zu prüfen. Denn nach § 6 Abs 1 Alhi-VO ist Vermögen nur zu berücksichtigen, soweit es "verwertbar" und die Verwertung zumutbar ist (vgl BSGE 46, 271, 275). Zwar ist Vermögen, das in einer Geldsumme besteht, grundsätzlich verwertbar, da es verbraucht werden kann. Vom Arbeitslosen wird nämlich verlangt, daß er verwertbares Vermögen - bis auf bestimmte Freibeträge (vgl §§ 6 Abs 1 und 7 Abs 1 Alhi-VO) - zur Behebung seiner Bedürftigkeit verbraucht. Hat der Arbeitslose jedoch auch Schulden, so kann die Verwertbarkeit des Vermögens iS des § 6 Abs 1 Alhi-VO aufgehoben sein. Der Begriff des Vermögens ist also vieldeutig und die Liquidität des Vermögens besagt noch nichts darüber, ob und wann ein Arbeitsloser sein Vermögen verwerten muß (vgl BSG aa0, 276). Dabei kommt es entsprechend dem Zweck der Alhi, den Lebensunterhalt sicherzustellen, für die Feststellung der Bedürftigkeit nicht - wie die Beklagte meint - allein auf den Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung an. Die Anspruchsvoraussetzung der Bedürftigkeit kann vielmehr während der Dauer der Arbeitslosigkeit wegfallen oder neu eintreten. Entscheidend ist, ob der Lebensunterhalt während des jeweiligen Zeitraums gesichert ist, für den Alhi beansprucht wird (BSG SozR 4100 § 134 Nr 16).

b)

Das LSG wird bei seinen nachzuholenden Feststellungen zur Verwertbarkeit des Vermögens des Klägers - also des Hausgrundstücks - nicht nur die Verwertung durch Verkauf, sondern auch durch Belastung in Betracht zu ziehen haben. Es hat dies mit der Erwägung abgelehnt, daß der Kläger nur eine Belastung zur Kreditsicherung erwägen könne und damit eine Verbindlichkeit eingehen müsse, die er bei seinen - ungünstigen - Einkommensaussichten nach Verbrauch der Darlehenssumme nicht würde einlösen können. Das LSG hat sich dabei auf Ausführungen im Urteil des BSG vom 18. Februar 1987 (aa0) bezogen. Diese Ausführungen betrafen jedoch eine andere Fallgestaltung. Das BSG hat dort dargelegt, daß eine - in der damaligen Entscheidung des LSG für zumutbar gehaltene - weitere Belastung mit Grundschulden zugunsten des beigeladenen Sozialhilfeträgers als Deckung für Darlehen, die der Kläger von diesem erlangen könnte, schwerlich mit dem Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe in Einklang stehen würde. Das Urteil sagt jedoch nichts darüber, inwieweit beim Kläger eine Belastung in Form dinglicher Sicherung von Privatdarlehen in Betracht kommt.

Hierzu hätte das LSG zunächst einmal feststellen müssen, welche Schulden der Kläger hat und insbesondere, wie hoch die bereits auf dem Hausgrundstück lastenden Grundschulden sind bzw welche aktuellen Zahlungsverpflichtungen sich hieraus für den Kläger ergeben. So ist beispielsweise nach den Feststellungen des LSG die darlehensweise Gewährung der Sozialhilfe unter Stundung von Zins und Tilgung, abgesichert durch eine Grundschuld über 15.000,-- DM, erfolgt. Aktuelle Rückzahlungsverpflichtungen ergeben sich hieraus also nicht. Wollte man die Konfliktlage - einerseits Verwertung des Vermögens zur Beseitigung der Bedürftigkeit und Abwendung der Alhi, andererseits die Verpflichtung zur Rückzahlung privater Darlehen - stets im Sinne der Auffassung des LSG dahin lösen, daß die Eingehung einer solchen Verbindlichkeit für den Kläger gemäß § 6 Abs 3 Satz 1 Alhi-VO unzumutbar sei, so wäre damit eine Verwertung des Vermögens durch Belastung praktisch ausgeschlossen.

So ist indes § 6 Abs 2 iVm Abs 3 Satz 1 Alhi-VO nicht zu verstehen. Dies ergibt sich bereits aus § 6 Abs 2 Satz 2 Alhi-VO, wonach Vermögen als nicht verwertbar bezeichnet wird, soweit der Inhaber des Vermögens in der Verfügung beschränkt ist und die Aufhebung dieser Beschränkung nicht erreichen kann. Der bezeichneten Vorschrift ist außerdem zu entnehmen, daß von einer Verwertbarkeit dann nicht ausgegangen werden soll, wenn das Vermögen gebunden ist, wenn also der arbeitslose Vermögensinhaber im Zeitpunkt der grundsätzlich gebotenen Verwertung zur Tilgung der Schulden verpflichtet ist (so ausdrücklich BSGE 46, 271, 276). Darüber hinaus ist eine Verwertbarkeit des Vermögens - hier des Hausgrundstücks - durch Belastung grundsätzlich nicht ausgeschlossen.

c)

Sollte nach den vom LSG zu treffenden Feststellungen das Hausgrundstück des Klägers nicht durch Belastung verwertbar oder jedenfalls eine solche Verwertung nicht zumutbar sein (§ 6 Abs 3 Satz 1 Alhi-VO), so wäre vom LSG weiter zu prüfen, ob und ggf zu welchem Zeitpunkt und zu welchen Bedingungen ein Verkauf des Hausgrundstücks tatsächlich möglich war oder ist. Hierzu sind Nachforschungen nur erforderlich, soweit sie der Sachverhalt nahelegt. So können etwa weitere Ermittlungen überflüssig sein, wenn gerichtskundig ist, daß für das zu beurteilende Hausgrundstück ein bzw kein Markt vorhanden ist. Bei der abschließenden Beweiswürdigung kann das Gericht § 287 Zivilprozeßordnung (ZPO) berücksichtigen (vgl BSG SozR 4100 § 115 Nr 2).

Erst wenn feststeht, ob, wann und zu welchen Bedingungen ein Verkauf des Hausgrundstücks tatsächlich möglich war oder ist, kann letztlich auch die Frage der zumutbaren Verwertung nach § 6 Abs 3 Satz 1 Alhi-VO abschließend beurteilt werden. Zugestimmt werden kann dem LSG darin, daß ein Verkauf des Hausgrundstücks nicht durch § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 7 Alhi-VO ausgeschlossen wird. Denn es handelt sich nicht um ein vom Eigentümer bewohntes Hausgrundstück von nur angemessener Größe iS der Vorschrift (vgl auch BSGE 49, 30, 31). Zu Recht hat das LSG die Vorschrift des § 88 Abs 2 Nr 7 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und die hierzu ergangene Rechtsprechung herangezogen, die Angemessenheit einzelfallbezogen eingegrenzt und zutreffend auf die gesamte Wohnfläche des Hauses - nicht nur auf die vom Kläger bewohnte Wohnfläche - abgehoben. Selbst wenn wegen der schlechten Wohnqualität die Wohnfläche im Dachgeschoß außer Ansatz zu bleiben hätte, liegt allein die im Erdgeschoß zur Verfügung stehende Wohnfläche hier über der Angemessenheitsgrenze. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, diese Wohnfläche nicht aufteilen zu können, ist ihm entgegenzuhalten, daß er nach den Feststellungen des LSG einen Teil der Wohnfläche vermietet hat.

d)

Sollten die Ermittlungen des LSG ergeben, daß das Hausgrundstück des Klägers in der streitigen Zeit ab 1. Dezember 1981 nicht nach § 6 Alhi-VO berücksichtigungsfähig war, bleibt im Rahmen der speziellen Bedürftigkeitsprüfung zu klären, ob der Kläger in dieser Zeit berücksichtigungsfähiges Einkommen erzielt hat.

Nach § 138 Abs 1 Satz 1 AFG ist das Einkommen des Arbeitslosen einschließlich der Leistungen zu berücksichtigen, die er von Dritten erhält oder beanspruchen kann. Als Einkommen gelten alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert (§ 138 Abs 2 Satz 1 AFG). Abzusetzen sind ua die notwendigen Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 138 Abs 2 Satz 2 Nr 3 AFG).

Das LSG hat die Berücksichtigung von Mieteinnahmen - nach dem Vortrag des Klägers renoviert der derzeitige Mieter das Haus des Klägers bzw setzt es instand - mit der Begründung abgelehnt, diese Mieteinnahmen dienten der notwendigen Erhaltung sowohl der Einnahmen als auch der weiteren Verwertung des Hausgrundstücks. Dem kann nicht gefolgt werden. Von einem Ausgleich des Mietwerts durch die hierauf entfallenden notwendigen Ausgaben kann nur dann ausgegangen werden, wenn es um den Mietwert eines selbst bewohnten Eigenheims geht (vgl BSG SozR 4100 § 138 Nr 15). Dies trifft hier nicht zu, weil der Kläger nicht nur selbst im Haus wohnt, sondern einen Teil des Hauses vermietet hat.

Das LSG hat nicht festgestellt, ob und ggf in welcher Höhe der Kläger in der Zeit ab 1. Dezember 1981 Mieteinnahmen aus seinem Haus gehabt hat. Im Tatbestand des Berufungsurteils ist lediglich festgehalten, daß der Kläger das Haus "zeitweilig" vermietet habe und "inzwischen" nach seinem Vortrag einen Teil der Wohnfläche einem Mieter überlassen habe, der dafür das Haus renoviere bzw teilweise auch instandsetze. Das LSG hat damit die Feststellungen aus seinem früheren Urteil vom 16. November 1984 wörtlich übernommen, ohne weitere Feststellungen zu treffen. Ebenso fehlen Feststellungen zur Höhe der Werbungskosten iS des § 138 Abs 2 Nr 3 AFG.

Sollte sich ergeben, daß wegen Vermietung gegen Übernahme der Instandsetzungsarbeiten an seinem Haus der Kläger in der Zeit ab 1. Dezember 1981 keine Mieteinkünfte in Geld erzielt hat, ist damit noch nicht ausgeschlossen, daß er Einkommen "erzielt" hat. Einkommen ist auch dann anzurechnen, wenn die Möglichkeit, Einkünfte zu erzielen, nicht genutzt wird, hier also der Mietwert nicht in angemessenem Verhältnis zu den Instandsetzungsarbeiten steht. Der Kläger kann durch den Verzicht auf Mietzahlungen wegen Instandsetzungsarbeiten eine Einkommensanrechnung nicht vermeiden. Denn nach § 138 Abs 1 Nr 1 AFG wird auch Einkommen angerechnet, das der Arbeitslose von Dritten nur beanspruchen kann. Das anzurechnende Vermögen und Einkommen des Arbeitslosen richtet sich also nicht allein nach den "Ist-Verhältnissen". Es sind vielmehr auch die "Soll-Verhältnisse" zu berücksichtigen. Das wirtschaftliche Verhalten des Arbeitslosen ist nicht einfach hinzunehmen. Es ist von ihm zu verlangen, daß er seine Fähigkeiten und Möglichkeiten zum Erwerb von Einkommen und zum Einsatz von Vermögen für den Einkommenserwerb nutzt. Dies hat das BSG aus der Bestimmung des § 137 Abs 1 AFG ("... bestreiten kann ...") gefolgert, aber auch aus § 138 Abs 1 Nr 1 AFG, wonach auch Einkommen angerechnet wird, das der Arbeitslose von Dritten beanspruchen kann (vgl SozR 4100 § 134 Nr 16; § 138 Nr 2).

e)

Schließlich ist zur Frage, ob der Kläger seinen Lebensunterhalt in der strittigen Zeit auf andere Weise als durch Alhi bestritten hat oder bestreiten konnte, § 10 Nr 2 Alhi-VO heranzuziehen. Dies ist dann anzunehmen, wenn sich zwar nicht feststellen läßt, ob oder in welcher Höhe der Arbeitslose Einkommen oder Vermögen hat, die Gesamtumstände seiner Lebensführung jedoch den Schluß zulassen, daß er nicht oder nur teilweise bedürftig ist.

Ob diese Voraussetzungen beim Kläger gegeben sind, hat das LSG bisher nicht ermittelt. Wie die Beklagte zu Recht geltend macht, liegt dies deshalb nahe, weil der Kläger selbst - auch im Revisionsverfahren - einräumt, daß es ihm "ohne weiteres möglich war" seinen Lebensunterhalt in der Zeit vom August 1981 bis zum 24. September 1982 ohne Alhi und Sozialhilfe zu bestreiten, zumal er im genannten Zeitraum bestehende Grundschulden um insgesamt 3.048,72 DM reduzieren konnte. Auch die darauf zu zahlenden Zinsen hat der Kläger offenbar entrichtet (vgl die Feststellungen im Urteil des SG Lübeck vom 15. Dezember 1983 - S 6 Ar 188/82 -). Allein mit dem Hinweis, jeder Arbeitslose dürfe über Vermögen bis zu 8.000,-- DM verfügen (§ 6 Abs 1 Alhi-VO), läßt sich die Vermutung des § 10 Nr 2 Alhi-VO nicht widerlegen, zumal der Kläger nicht behauptet, sein unter 8.000,-- DM liegendes Vermögen angegriffen zu haben.

Das Urteil des LSG vom 11. Dezember 1987 enthält mithin zu den genannten materiell-rechtlichen Fragen keine ausreichenden Feststellungen. Ferner ist für die Zeit ab Mai 1984 unklar, ob und inwieweit wegen des als Einkommen nach § 138 Abs 2 AFG zu berücksichtigenden Rentenbezuges noch ein zahlbarer Leistungsbetrag verbleibt.

Auf die Revision der Beklagten war daher das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Dieses wird auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1666639

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