Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletztengeld an Stelle von Arbeitslosengeld. arbeitsunfähiger Arbeitsloser

 

Leitsatz (amtlich)

Anspruch auf Verletztengeld nach § 560 RVO hat der iS der Krankenversicherung arbeitsunfähige Arbeitslose (vgl § 539 Abs 1 Nr 4 RVO) jedenfalls dann, wenn die Leistung an die Stelle des Arbeitslosengeldes tritt.

 

Normenkette

RVO § 560 Abs. 1, § 539 Abs. 1 Nr. 4

 

Tenor

Die Sprungrevision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Mai 1971 wird zurückgewiesen.

Anwendungen der Beteiligten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Am 14. Oktober 1969 brach sich die bei der Klägerin gesetzlich gegen Krankheit versicherte Arbeitslose, Charlotte H (H), den rechten Arm auf dem Wege zum Arbeitsamt zu einem dort vorgesehenen Beratungsgespräch. Wegen der Folgen des als Arbeitsunfall anerkannten Wegeunfalles gewährte die Beklagte der Verletzten H. eine vorläufige Unfallrente in Höhe von 20 v. H. der Vollrente ab 5. Februar 1970. Während der Zeit ambulanter berufsgenossenschaftlicher Heilbehandlung wegen des Armbruchs vom 14. Oktober 1969 bis 4. Februar 1970 erhielt die arbeitsunfähig kranke H. von der Klägerin Krankengeld in Höhe des Arbeitslosengeldes.

Die Beklagte ersetzte der Klägerin das von ihr ab 2. November 1969 gezahlte Krankengeld. Den Ersatz des Krankengeldes für die Zeit vom 14. Oktober 1969 bis 1. November 1969 verweigerte sie jedoch mit der Begründung, daß der arbeitslosen Verletzten H. ein Anspruch auf Verletztengeld nicht zugestanden habe.

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte am 11. Mai 1971 verurteilt, an die Klägerin 450,84 DM zu zahlen (Verletztengeld für die Zeit vom 14. Oktober bis 1. November 1969 von insgesamt 442,- DM zuzüglich 2 % Verwaltungskosten von 8,84 DM); die Berufung hat es zugelassen. Es war der Auffassung, dem Ersatzanspruch der Klägerin stehe § 1504 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht entgegen, weil hier die Berufsgenossenschaft - durch ihren Durchgangsarzt - die Heilbehandlung gem. § 565 Abs. 2 RVO übernommen habe. Dann müsse die Beklagte sämtliche Kosten einschließlich der erbrachten Geldleistungen tragen §§ 1510 RVO). Dem Ersatzanspruch könne auch nicht entgegengehalten werden, daß während der fraglichen Zeit kein Anspruch auf Verletztengeld nach § 560 RVO bestanden hätte. Im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten könne arbeitsunfähig auch werden, wer - wie z. B. der Arbeitslose - nicht im Erwerbsleben stehe.

Die Beklagte hat mit beigefügter Einwilligungserklärung der Klägerin Sprungrevision eingelegt. Sie rügt mit näherer Begründung die Verletzung des § 560 RVO. Der Unfallverletzten H. habe ein der Klägerin zu ersetzendes Verletztengeld nicht zugestanden. Im Hinblick auf § 560 RVO könne begrifflich Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung nur vorliegen, wenn der Verletzte eine zur Zeit des Arbeitsunfalles ausgeübte Tätigkeit wegen der Unfallfolgen nicht mehr verrichten könne. Während der Geltungsdauer des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) habe sich die Ansicht durchgesetzt, daß Arbeitslose nicht arbeitsunfähig im Sinne des § 560 RVO werden könnten. Daran habe sich auch durch das Inkrafttreten des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) nichts geändert, weil auch danach die unverändert gebliebene Vorschrift des § 560 Abs. 1 RVO anzuwenden sei. Insbesondere könne aus § 118 AFG nicht gefolgert werden, Arbeitslose hätten seit der Gültigkeit des AFG einen Anspruch auf Verletztengeld. Diese Vorschrift, die ein Verletztengeld für Arbeitslose erwähnt, bilde nicht die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Verletztengeld an Arbeitslose.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Mai 1971 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Sprungrevision der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Auf Anfrage des erkennenden Gerichts haben die Beteiligten eingeräumt, daß im vorliegenden Fall die Verwaltungsvereinbarung über die Berechnung und Auszahlung des Verletztengeldes der Unfallversicherung in der Fassung der Vierten Änderungsvereinbarung vom 10. November 1967 zumindest dem Grunde nach anwendbar sei. Die Beklagte ist aber im Gegensatz zur Klägerin, der Auffassung, daß auch aufgrund der genannten Verwaltungsvereinbarung ein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Kosten nicht bestehe, weil die Klägerin ein erhebliches Verschulden an der nach Meinung der Beklagten unrichtigen Auszahlung des Verletztengeldes treffe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Da die Voraussetzungen der §§ 165, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erfüllt waren, konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

Die Sprungrevision der Beklagten ist nach § 161 SGG statthaft; sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Die somit zulässige Revision hatte aber keinen Erfolg.

Der Ersatzanspruch beruht allerdings - entgegen der Auffassung des SG - nicht auf § 1510 RVO. Diese Vorschrift setzt vielmehr einen bestimmten Auftrag der Beklagten, verbunden mit bestimmten Anweisungen an die Klägerin zu Art und Umfang der Leistungsgewährung voraus. Daran fehlt es hier.

Das SG ist jedoch zutreffend davon ausgegangen, daß der Ersatzanspruch nicht bereits durch § 1504 Abs. 1 RVO ausgeschlossen ist. Nach dieser Vorschrift wären allerdings die hier geltend gemachten Geldleistungen der Klägerin während der ersten 18 Tage nach dem Arbeitsunfall einschließlich des Unfalltages nicht von der Beklagten zu ersetzen gewesen. Sie ist aber im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Der Ersatzanspruch der Klägerin folgt vielmehr, da der Fall einer berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung gegeben ist, aus § 1501 RVO in Verbindung mit den "Bestimmungen über die Unterstützungspflicht der Krankenkassen und Unternehmer gegenüber den Trägern der Unfallversicherung und über Ersatzleistungen zwischen Krankenkassen, Ersatzkassen und Trägern der Unfallversicherung (§§ 1504 bis 1510) sowie im Falle des § 1543 b der RVO vom 19. Juni 1936" (AN 1936, S. 195) - RVA-Bestimmungen vom 19. Juni 1936 -; sie gelten als Bundesrecht weiter (BSG 14, 233 (235) und sind bei der Entscheidung des vorliegenden Falles zu beachten (vgl. auch Lauterbach, Unfallversicherung, Komm., 3. Aufl., Anm. 5 zu § 1501 RVO; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 7. Aufl., 1972, Bd. III S. 961, 962). Denn nach den nicht angegriffenen und das Bundessozialgericht (BSG) gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des SG ist wegen der Folgen des Arbeitsunfalles die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung - und zwar offenbar bereits am Unfalltage - eingeleitet und durchgeführt worden, ohne daß die Gewährung von Geldleistungen an die Verletzte H. ausgeschlossen worden ist.

Gemäß § 1501 RVO sind die Krankenkassen verpflichtet, die Träger der Unfallversicherung bei der Durchführung der Unfallversicherung gegen angemessene Entschädigung zu unterstützen; dies gilt insbesondere bei der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung nach einem im Durchgangsarztverfahren erteilten Auftrag (§§ 4, 5 der RVA-Bestimmungen). Die Kosten, welche zunächst der Klägerin aus der Wahrnehmung dieser Verpflichtung erwachsen sind, sind nach § 11 der RVA-Bestimmungen Aufwendungen der Beklagten und müssen deshalb ersetzt werden. Zu den ersatzfähigen Aufwendungen gehört gemäß den RVA-Bestimmungen das während der ambulanten berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung gewährte Krankengeld, welches die Klägerin mangels entgegenstehender Anweisungen der Beklagten an die Verletzte nach § 10 aaO zu erbringen hatte.

Entgegen der Ansicht der Beklagten führt § 560 RVO zu keinem anderen Ergebnis. Diese Vorschrift, die durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz - UVNG - vom 30. April 1963 (BGBl I S. 241) Gesetz geworden ist, hat die Vorschriften der §§ 10, 11 RVA-Bestimmungen vom 19. Juni 1936 nicht als entgegenstehendes Recht gemäß Art. 4 § 16 Abs. 2 UVNG aufgehoben. Durch § 560 RVO sind die Anspruchsvoraussetzungen für das früher aus der Unfallversicherung zu gewährende Kranken-, Tage- und Familiengeld (vgl. §§ 559 Abs. 2, 559 d, 559 e RVO aF) neu geregelt worden, indem an Stelle dieser Leistungen das Verletztengeld nach § 560 RVO nF getreten ist. Dabei ist zur Unterscheidung von dem Krankengeld der Krankenversicherung der Ausdruck "Verletztengeld" eingeführt worden und in Verbesserung des alten Rechtes das Verletztengeld nach Anspruchsgrund und - höhe (vgl. §§ 560, 561 RVO) dem Krankengeld der Krankenversicherung angepaßt worden, dem es nach Sinn und Zweck entspricht (BT-Drucks. IV/120, S. 55 ff; vgl. Lauterbach, aaO., Anm. 1, 2 f zu § 560 RVO, Keller SV, 1966, 244). Dies geschah unter anderem auch in Hinblick darauf, daß für den Regelfall eine besondere Berechnung des Verletztengeldes entfallen sollte, wenn anstelle des von der Krankenkasse zu zahlenden Krankengeldes ein Verletztengeld zu gewähren ist (vgl. BT-Drucks. IV/120, S. 56). Im allgemeinen besteht daher für den Verletzten ein Anspruch auf Verletztengeld während der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung (§ 565 Abs. 2 RVO), wenn er bei einer Heilbehandlung auf Rechnung der Krankenkasse wegen der Arbeitsunfallfolgen einen Anspruch auf Krankengeld gehabt hätte (§ 565 Abs. 1 RVO). Der enge Zusammenhang zwischen dem Verletztengeld der Unfallversicherung und dem Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung wird insbesondere auch dadurch deutlich, daß der Anspruch auf die letztere Leistung insoweit einen Anspruch auf Verletztengeld ausschließt (§ 565 Abs. 1 RVO), sofern nicht § 565 Abs. 2 RVO - wie hier - zum Zuge kommt.

Etwas anderes könnte nur gelten, wenn § 560 RVO die Gewährung eines Verletztengeldes an arbeitslose Verletzte schlechthin ausschlösse. Das ist jedoch nicht der Fall. Nach Ansicht der Beklagten soll Arbeitsunfähigkeit i. S. des § 560 RVO nur dann vorliegen, wenn der Verletzte eine zur Zeit des Arbeitsunfalles ausgeübte Erwerbstätigkeit wegen der Unfallfolgen nicht mehr verrichten könne (in diesem Sinne auch: Trachte in BG 1966, 150 (152); Bescheid des BMA vom 12.11.1964, mitgeteilt in Lauterbach, aaO, Anm. 5 c zu § 560 RVO - S. 366 -; Rundschreiben des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften v. 22.12.1964 - Gesch.-Z.: VB 204/64 - mitgeteilt bei Schimanski in SozSich. 1970, S. 107 und Anm. 4; Lauterbach, aaO, Anm. 5 c zu § 560 RVO; vgl. ferner Boller in SV 1965, 217 und dagegen: BSG in BSGE 27, 188, 190 , ohne aber die hier zu erörternde Frage zu entscheiden). Dem kann in dieser allgemeinen Form nicht zugestimmt werden.

Wie das SG mit Recht angenommen hat, war die Verletzte H. während der fraglichen Zeit arbeitsunfähig i. S. der Krankenversicherung. Bei § 560 RVO ist das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit "im Sinne der Krankenversicherung" ebenfalls eine Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung des Verletztengeldes. Für das Recht der Krankenversicherung ist anerkannt, daß auch ein Arbeitsloser bzw. Nichterwerbstätiger (Rentner) arbeitsunfähig im Sinne der Krankenversicherung werden kann (s. statt anderen GE Nr. 3722 in AN 1930, 197 (197, 198); GE Nr. 3925 in AN 1931, 9; ferner GE 4903 in AN 1935, 308, 309, wo betont worden ist, daß für das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit bei einem Arbeitslosen eine "Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Zweiten Buches der RVO" genügt (§ 182 Abs. 1 Nr. 2 RVO); siehe hierzu ferner Noell-Breitbach, Landwirtschaftliche Unfallversicherung, Anm. 2 b zu § 560 RVO, S. 63 und Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 7. Aufl., Bd. II, S. 390 e).

Der Schutz der Krankenversicherung erschöpfte sich somit nicht allein in der Absicherung des Krankheitsrisikos bei bestehenden Arbeitsverhältnissen. Er erfaßt sowohl den Fall vorübergehender Erwerbslosigkeit (vgl. § 214 Abs. 1 RVO) als auch die Fälle, in denen bei längerer Arbeitslosigkeit die Arbeitsunfähigkeit die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses oder die Aufnahme einer neuen Beschäftigung unmöglich macht (vgl. Töns, Die wirtschaftliche Sicherung der Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit, 1970, S. B 19, der in DOK 1968, S. 347, 353 unter Hinweis auch auf § 17 Abs. 4 des Bundesversorgungsgesetzes - BVG - mit Recht betont, daß der Gesetzgeber den Begriff der "Arbeitsunfähigkeit" nicht mit der Einschränkung auf Personen verwendet, die einer Arbeit nachgehen - vgl. z. B. zum Fall des Arbeitslosen § 17 Abs. 4 Buchst. d BVG -). Hier hat nun die arbeitslose Verletzte durch die Folgen des Arbeitsunfalles ihre Fähigkeit zur Arbeitsleistung eingebüßt und stand dadurch der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung (§ 103 Abs. 1 AFG). Sie hat somit die Möglichkeit verloren, in der Zeit ihrer Arbeitsunfähigkeit einen ihr zumutbaren Arbeitsplatz zu finden bzw. in einen solchen vermittelt zu werden. Insoweit ist sie in gleichem Maße wie der in der Krankenversicherung versicherte Erwerbstätige schutzbedürftig. Um diesen Schutz zu gewähren, stellt das Gesetz in § 560 RVO entscheidend auf das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung ab. Ist diese gegeben, so ist der Anspruch auf Verletztengeld - auch bei einem Arbeitslosen - dem Grunde nach erfüllt (so im Ergebnis auch: Schimanski in SozSich. 1970, 106 (107), Keller in SV 1966, 244; Strecker in SV 1965, 347; Mogg in ZfS 1964, 128 (129, 130), der allerdings einen eigens für die Unfallversicherung geltenden Begriff der Arbeitsunfähigkeit entwickelt; Töns in DOK 1965, 229, 231 ; vgl. ferner DOK 1968, 347, 353 und im Grundsatz: Podzun in BG 1966, 26; vgl. weiter zum Krankengeldanspruch des Arbeitslosen: BSG v. 20.10.1964 in Breithaupt 1965, 624).

Etwas Gegenteiliges ist insbesondere nicht aus § 118 AFG zu folgern, der u. a. das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Bezug eines Verletztengeldes aus der gesetzlichen Unfallversicherung anordnet. Auch wenn diese Vorschrift nicht die Rechtsgrundlage für den Anspruch eines Arbeitslosen auf Verletztengeld bildet, so wird doch daraus deutlich, daß der Gesetzgeber keinen Zweifel daran hatte, daß Verletztengeld auch für arbeitslose Verletzte durchaus in Betracht kommt.

Nach § 560 Abs. 1 Satz 1 RVO wird Verletztengeld allerdings nicht gewährt, soweit der Verletzte Arbeitsentgelt erhält (vgl. §§ 100, 118 AFG und §§ 74 Abs. 1, 110 Satz 1 AVAVG). Dies ist hier nicht der Fall. Mit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit fällt das Arbeitslosengeld, das Lohnersatzfunktion hat, weg. Deshalb kann unerörtert bleiben, ob es dem Arbeitsentgelt i. S. des § 560 Abs. 1 Satz 1 RVO gleichzuerachten ist.

Die Gewährung eines Verletztengeldes an Arbeitslose widerspricht auch nicht der im Schrifttum vertretenen Annahme einer Lohnersatzfunktion dieser Leistung. Auch wenn man dieser Meinung ohne Einschränkung folgen wollte, so wäre vorliegend zu beachten, daß das Verletztengeld - wie oben dargelegt worden ist - an die Stelle des Krankengeldes getreten ist und letzteres ebenfalls eine Lohnersatzfunktion besitzt, wie Trachte in BG 1966, 152 ausdrücklich einräumt und in BSG 5 S. 283, 288 klargestellt worden ist. Die gegenteilige Ansicht verkennt darüber hinaus, daß auch bei dem Arbeitslosen das Verletztengeld an die Stelle des weggefallenen Arbeitslosengeldes tritt und daß demnach auch bei ihm das Verletztengeld immer noch eine Lohnersatzfunktion hat. Wird sonach - wie hier - das Verletztengeld anstelle des Arbeitslosengeldes gezahlt, so ersetzt es jedenfalls dann den Lohn, was das Arbeitslosengeld bis dahin getan hat, wenn es - wie hier - nicht höher als das Arbeitslosengeld ist (vgl. dazu insbes. Keller in SV 1966, 244; ferner zu gelegentlicher Beschäftigung; Strecker in SV 1965, 347 und allgemein: Schimanski in Soz.Sich 1970, 106, (108), Töns in DOK 1965, 229 (232)); a. A.: Lauterbach aaO, Anm. 5 c zu § 560 RVO; Podzun in BG 1966, 26 (27); Boller in SV 1965, 217 (218); Trachte in ZfS 1964, 367 (368) und BG 1966, 150 (152); ferner sinngemäß: Rienau in SV 1968, 150 (151)).

Da über die Höhe der zu ersetzenden Leistungen zwischen den Beteiligten kein Streit besteht, ist der Ersatzanspruch der Klägerin nach alledem begründet.

An dem gewonnenen Ergebnis ändert schließlich auch § 12 der RVA-Bestimmungen vom 19. Juni 1936 nichts, wonach der Anspruch der Krankenkasse sich mindert, wenn sie schuldhaft gegen dort näher genannte Vorschriften der RVA-Bestimmungen verstößt.

Zwar hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 8. September 1972 nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist auf eine Anfrage des erkennenden Gerichts vom 4. August 1972 bezüglich der Anwendung der Verwaltungsvereinbarung über die Berechnung und Auszahlung des Verletztengeldes darauf hingewiesen, sie habe mit Schreiben vom 3. November 1969 der Klägerin mitgeteilt, daß ein Verletztengeld nicht zu zahlen sei. Abgesehen davon, daß es sich dabei um einen neuen und somit in der Revisionsinstanz unbeachtlichen Tatsachenvortrag handelt, hat die Klägerin im Schriftsatz vom 26. September 1972 - unwidersprochen - vorgetragen, daß das Schreiben der Beklagten vom 3. November 1969 erst am 5. November 1969, d. h. nachdem das Verletztengeld für die Zeit vom 14. Oktober bis 31. Oktober 1969 gezahlt worden war, bei ihr eingegangen sei.

Selbst wenn aber die Beklagte eine dahingehende Weisung rechtzeitig erteilt hätte, wäre sie unbeachtlich, weil diese aus den oben genannten Gründen rechtswidrig gewesen wäre und es deshalb an einem Verschulden der Klägerin fehlen würde.

Das S hat somit im Ergebnis zu Recht ohne Verletzung des § 560 RVO die Beklagte zum Ersatz des in der fraglichen Zeit gewährten Verletztengeldes (Krankengeldes) verurteilt. Deshalb konnte dahinstehen, ob der Ersatzanspruch nach der Verwaltungsvereinbarung über die Berechnung und Auszahlung des Verletztengeldes idF der Vierten Änderungsvereinbarung vom 10. November 1967 ebenfalls begründet wäre. Im übrigen hatte sich, wie die Beklagte am 8. September 1972 vorgetragen hat, "bisher" auch keiner der Beteiligten auf diese Verwaltungsvereinbarung berufen.

Da das angefochtene Urteil sonach nicht zu beanstanden ist, war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Aufwendungen folgt aus § 193 Abs. 4 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1650007

BSGE, 65

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