Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückständige Winterbauumlagen. Einziehungspauschale. Säumniszuschlag. Verzugszinsen. Rückständige Beiträge. Masseschulden. Anmeldung zur Konkurstabelle wie rechtskräftiges Urteil. Verzicht der Forderungsinhaber. Einschränkung entsprechend Rangfolge und Quote. Zwischenurteil. Einschränkung des Umlagebescheids. Beitrags- und Umlageforderungen wie Konkursforderungen zur Tabelle anmelden

 

Leitsatz (redaktionell)

  • Der Anspruch der Bundesanstalt für Arbeit auf Winterbauumlage und damit zusammenhängende Nebenforderungen wie Einziehungspauschale, Säumniszuschlag, Verzugszinsen und rückständige Beiträge für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung ist eine Masseforderung, auch wenn die BA zunächst irrtümlich ihre Forderung aus dem Winterbauförderungsrecht zur Konkurstabelle als bevorrechtigte Konkursforderung angemeldet hat.
  • Reicht die Masse nicht aus, um alle Masseforderungen voll zu befriedigen, haben die Massegläubiger nur einen Anspruch entsprechend des Rangs ihrer Forderung, ggf. entsprechend der Quote nach § 60 KO. Läßt sich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht feststellen, wie hoch dieser Anteil ist, ist mit einem Zwischenurteil festzustellen, ob und ggf. in welcher Höhe der Versicherungsträger ohne Rücksicht auf den Rang und die Quote des § 60 KO eine Masseforderung gegen den Konkursverwalter hat. Ein solches Urteil ist entbehrlich, wenn die BA erklärt, dass ihre Forderung nur mit dem sich aus § 60 KO ergebenden Rang und Anteil geltend gemacht wird. Damit wird der angefochtene Umlagebescheid der BA eingeschränkt. Diese Einschränkung wird als Änderung des Verwaltungsakts Gegenstand des Verfahrens.
 

Normenkette

KO § 145 Abs. 2, §§ 146, 59 Abs. 1 Nr. 3e, § 60; RVO a.F. § 28 Abs. 3; SGG §§ 96, 153; AFG § 141n

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 10.12.1980)

SG Köln (Urteil vom 30.05.1979)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Dezember 1980 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch der Bundesanstalt für Arbeit (BA) auf Winterbauumlage und Nebenforderungen für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung eine Masseforderung ist.

Für die Zeit von einem Jahr bis zur Konkurseröffnung am 11. Februar 1975 schuldete die Gemeinschuldnerin der Beklagten 30.912,94 DM (Winterbauumlage, Einziehungspauschale, Säumniszuschlag, Verzugszinsen). Diesen Betrag meldete die beklagte BA zunächst zur Konkurstabelle als bevorrechtigte Konkursforderung an.

Mit Bescheiden vom 12. April und 28. Oktober 1976 (Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 1976) machte die Beklagte den auf die Zeit von einem halben Jahr vor der Konkurseröffnung entfallenen Teil der Forderung – 17.263,18 DM – als Masseforderung geltend.

Mit der Klage hat der Konkursverwalter ua darauf hingewiesen, die Konkursmasse reiche nicht zur Erfüllung sämtlicher Masseforderungen aus. Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben, weil die Eintragung in die Konkurstabelle wie ein rechtskräftiges Urteil wirke (Urteil des SG Köln vom 30. Mai 1979). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Klage abgewiesen (Urteil des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Dezember 1980).

Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.

Er beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts vom 10. Dezember 1980 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 30. Mai 1979 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen ist.

Der Senat hat bereits mehrfach entschieden (vgl Urteil vom 5. Juni 1981 – 10/8b RAr 15/80 – ZIP 1981, 1108; teilweise veröffentlicht in DB 1981, 1524; Ersk 1981, 331; vgl auch die Urteile vom selben Tage 10/8b RAr 7/80, 10/8b RAr 14/80, 10/8b RAr 13/80, 10/8b RAr 12/80, 10 RAr 4/81 – ZIP 1981, 1111 –, 10 RAr 8/81), daß rückständige Winterbauumlagen und die damit zusammenhängenden Nebenforderungen wie Einziehungspauschale, Säumniszuschlag und Verzugszinsen ebenso wie rückständige Beiträge seit dem Inkrafttreten des Konkursausfallgeldgesetzes nach § 28 Abs 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) aF Masseschulden sind (vgl nunmehr § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e Konkursordnung -KO- idF vom 23. Dezember 1976 – BGBl I 3845 –). Diese Qualität konnte nicht dadurch beeinflußt werden, daß die Beklagte zunächst irrtümlich ihre Forderungen aus dem Winterbauförderungsrecht zur Konkurstabelle anmeldete. Nach § 145 Abs 2 KO gilt zwar die Eintragung in die Tabelle “rücksichtlich der festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Vorrechte nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber allen Konkursgläubigern”. Es besteht jedoch kein Anhalt dafür, daß die Forderungsinhaber nicht auf diese Wirkung verzichten können. Nach Böhle-Stamschräder/Kilger, KO, 13. Aufl, § 145 Anm 4 und nach Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, KO, 9. Aufl, § 145 Anm 10 hat die Eintragung von Masseforderungen keine Bedeutung.

Wie der Senat ebenfalls entschieden hat (aaO), darf jedoch ein Bescheid, der eine Masseforderung feststellt, nicht bestätigt werden, wenn die Masse nicht ausreicht, um alle Masseforderungen voll zu befriedigen. In diesem Fall werden die Forderungen entsprechend der Rangfolge und den Quoten des § 60 KO eingeschränkt. Die Massegläubiger haben sodann nur einen Anspruch entsprechend dem Rang ihrer Forderung, ggf entsprechend der Quote nach § 60 KO. Wendet der Konkursverwalter daher – wie hier – im Anfechtungsverfahren gegen den Leistungsbescheid ein, die Masse reiche nicht zur vollen Befriedigung der geltend gemachten Forderung aus, ist festzustellen, wie hoch der nach der Rangfolge und der Quote des § 60 KO zu befriedigende Anteil der geltend gemachten Forderung ist. Läßt sich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht feststellen, wie hoch dieser Anteil ist, so ist mit einem Zwischenurteil festzustellen, ob und ggf in welcher Höhe der Versicherungsträger ohne Rücksicht auf den Rang und die Quote des § 60 KO eine Masseforderung iS von § 28 Abs 3 RVO aF (jetzt § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e KO) gegen den Konkursverwalter hat (vgl dazu auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, AP § 60 KO Nr 1 Bl 40). Ein solches Urteil ist entbehrlich, wenn die Beklagte erklärt, daß ihre Forderung nur mit dem sich aus § 60 KO ergebenden Rang und Anteil geltend gemacht wird. Damit wird der angefochtene Umlagebescheid entsprechend dem Einwand des Konkursverwalters eingeschränkt. Diese Einschränkung wird als Änderung des Verwaltungsakts Gegenstand des Verfahrens der Tatsacheninstanzen (vgl §§ 96, 153 SGG). Freilich hat der 16. Senat des LSG des Landes Nordrhein-Westfalen durch Urteil vom 9. Juli 1981 – L 16 Kr 51/81 – (ZIP 1981, 1007) entschieden, die Beklagte könne nicht durch Leistungsbescheid regeln, an welche Haftungsmasse eine auf sie nach § 141n Arbeitsförderungsgesetz übergegangene Beitragsforderung gerichtet ist. Er weicht ausdrücklich von den Entscheidungen des Bundessozialgerichts ab, nach denen die Berufsgenossenschaft verpflichtet ist, durch Verwaltungsakt zu bestimmen, ob Unfallversicherungs-Beitragsforderungen Masseforderungen sind (Urteile vom 30. Oktober 1980 – 8a RU 96/79 – SozR 2200 § 28 Nr 4 = ZIP 1981, 39 und vom 30. April 1981 – 8/8a RU 42/80 – ZIP 1981, 998). Das LSG weicht damit unausgesprochen auch von der Rechtsprechung des erkennenden Senats ab (Urteil vom 5. Juni 1981 – 10/8b RAr 15/80 –), wonach die Beklagte Winterbau-Umlageforderungen in gleicher Weise wie Unfallversicherungs-Beitragsforderungen im Konkurs durch Verwaltungsakt geltend machen muß.

Der Senat hat deshalb geprüft, ob an seiner Rechtsprechung festzuhalten ist oder ob die dagegen vorgebrachten Gründe des LSG zu einer Änderung nötigen. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, daß an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist. Das LSG legt zwar unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Dezember 1980 (ZIP 1981, 132) zutreffend dar, in welcher Beziehung Beitrags- bzw Umlageforderungen aus der Zeit vor der Konkurseröffnung trotz ihrer gesetzlich festgelegten Qualität als Masseforderungen wie Konkursforderungen zu behandeln sind. Es legt aber nicht dar, inwiefern das Vorgehen durch Verwaltungsakt die Durchführung des Konkursverfahrens derart stören könnte, daß daran zu denken wäre, vom Wortlaut des Gesetzes abzuweichen und von der Beklagten zu verlangen, ihre Masseforderungen wie Konkursforderungen nach § 146 KO zur Konkurstabelle anzumelden. Da die Beklagte die Einwendungen des Konkursverwalters nach § 60 KO beachten muß, nimmt sie durch ihr hoheitliches Vorgehen keinen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber den anderen Massegläubigern in Anspruch.

Das LSG wird zu prüfen haben, ob unter Beachtung dieser Rechtslage der noch uneingeschränkte Leistungsbescheid zu ändern ist.

Die Kostenentscheidung bleibt dem das Verfahren abschließenden Urteil des LSG vorbehalten.

 

Fundstellen

ZIP 1982, 191

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