Leitsatz (amtlich)

Wird erst nach Ablauf der Fristen für die Einlegung und die Begründung der Revision das Armenrecht bewilligt, wird aber dann gegenüber der Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und Revision eingelegt, so ist auch gegenüber der Versäumung der Frist für die Begründung der Revision Wiedereinsetzung zu bewilligen, wenn die Begründung innerhalb eines Monats nach Einlegung der Revision beim BSG eingegangen ist.

 

Normenkette

SGG § 67 Fassung: 1953-09-03, § 167 Fassung: 1953-09-03, § 164 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 5. September 1956 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Der Kläger wurde am 29. August 1943 zum Wehrdienst eingezogen, vom 23. September 1943 bis 8. Mai 1945 war er bei der Wehrmacht in Strafhaft. Er beantragte am 17. Januar 1949 wegen "Lungen-Tbc, Ermüdungserscheinungen, Aortenanomalie" als Folgen der Strafhaft Rente nach dem (Hessischen) Körperbeschädigten-Leistungsgesetz (KBLG) vom 8. April 1947 (GVOBl. für das Land Hessen, 1947, S. 19 ff.). Die Landesversicherungsanstalt Hessen lehnte den Antrag zunächst durch Bescheid vom 27. April 1949 ab, weil die Schädigungen nicht durch militärischen Dienst verursacht seien. Auf die Berufung des Klägers hob das Oberversicherungsamt Wiesbaden durch Urteil vom 27. August 1951 diesen Bescheid auf; das Urteil wurde rechtskräftig. Durch Bescheid vom 27. März 1953 gewährte das Versorgungsamt Frankfurt/Main dem Kläger wegen "doppelseitiger Lungen-Tbc" Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) um 30 v.H. nach dem KBLG vom 1. Februar 1947 an und durch einen weiteren Bescheid vom gleichen Tage - Umanerkennung - nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 1. Oktober 1950 an; über die anderen Leiden, die der Kläger geltend gemacht hatte, sagten beide Bescheide nichts. Der Kläger legte am 14. April 1953 beim Oberversicherungsamt Wiesbaden Berufung ein; er beantragte, auch die Aortenanomalie als Schädigungsfolge anzuerkennen und Rente nach einer MdE. um 60 v.H. zu gewähren. Das Landesversorgungsamt Hessen beantragte, dieses Verfahren auszusetzen; es sei dem Kläger wegen der "Aortenanomalie" noch ein Bescheid zu erteilen. Am 18. September 1953 teilte das Versorgungsamt dem Kläger durch "Bescheid nach § 62 BVG" unter Bezug auf die Ausführungen in der Berufungsschrift mit, es bestehe bei ihm keine Aortenanomalie; der Kläger leide an einer "Reizleitungs- bzw. Reizbildungsstörung des Herzens ohne Leistungsminderung"; Ursache dieses Leidens sei wahrscheinlich eine chronische Mandelentzündung, die nicht Folge einer Schädigung im Sinne von § 1 BVG sei. Der Kläger wandte sich auch gegen diesen Bescheid. Mit dem Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ging das Berufungsverfahren als Klage auf das Sozialgericht (SG.) Frankfurt über. Durch Urteil vom 1. April 1955 wies das SG. die Klage ab. Der Kläger legte Berufung ein; das Landessozialgericht (LSG.) Darmstadt wies die Berufung durch Urteil vom 5. September 1956, das ohne mündliche Verhandlung erging, zurück. Der Bescheid vom 18. September 1953 ist im Tatbestand des Urteils des LSG. in vollem Umfang wiedergegeben; in den Gründen wird ausgeführt, das Lungenleiden sei mit einer MdE. von 30 v.H. richtig bewertet, eine Aortenanomalie liege nicht vor, das kombinierte Mitralvitium sei nach der Ansicht der ärztlichen Sachverständigen keine Folge des Wehrdienstes; soweit der Kläger beantragt habe, auch dieses Mitralvitium und eine chronische Mandelentzündung als Schädigungsfolge anzuerkennen, habe bisher der Beklagte noch keinen Verwaltungsakt erlassen; deshalb fehle ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers; der Beklagte werde für diese beiden Leiden noch einen Bescheid erlassen; bei dieser Sach- und Rechtslage seien die Bescheide vom 27. März 1953 und vom 18. September 1953 nicht zu beanstanden. Das Urteil wurde dem Kläger am 14. September 1956 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt.

Am 24. September 1956 beantragte der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG.) das Armenrecht; das Armenrechtszeugnis ging am 29. September 1956 beim BSG. ein. Mit Beschluß vom 9. November 1956 - dem Kläger zugestellt am 15. November 1956 - bewilligte das BSG. das Armenrecht und ordnete dem Kläger Rechtsanwalt Isele als Vertreter bei. Dieser beantragte am 10. Dezember 1956 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte Revision ein; er beantragte mit der Revision,

das Urteil des LSG. abzuändern und - entsprechend den im Berufungsverfahren gestellten Anträgen - wegen der doppelseitigen Lungen-Tbc Rente nach einer MdE. von 70 v.H. zu gewähren.

die Aortenanomalie und - als Folge der Aortenanomalie und der Lungen-Tbc - das kombinierte Mitralvitium mit Unausgeglichenheit des Kreislaufes sowie "aus Präventivgründen" die chronische Mandelentzündung als mittelbare Folge der Lungen-Tbc anzuerkennen.

Hilfsweise beantragte er,

die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Am 10. Januar 1957 begründete der Kläger die Revision: Das LSG. habe zu Unrecht nicht darüber entschieden, ob die chronische Mandelentzündung Schädigungsfolge sei, weil nach seiner Meinung der Beklagte insoweit noch keinen Verwaltungsakt erlassen habe und es deshalb an einem Rechtsschutzbedürfnis fehle; das LSG. habe dabei verkannt, daß schon in dem Bescheid vom 18. September 1953 der Antrag des Klägers, auch die Mandelentzündung als Schädigungsfolge anzuerkennen, abgelehnt worden sei, der Kläger habe sich ausdrücklich auch gegen diesen Bescheid gewandt; das LSG. habe, wenn es über diesen Antrag nicht entschieden habe, gegen § 123 SGG verstoßen. Das LSG. habe aber auch die Beweiswürdigungsregeln verletzt und damit gegen § 128 SGG verstoßen; es habe festgestellt, daß nach dem Gutachten der II. Medizinischen Universitätsklinik Frankfurt eine Aortenanomalie nicht vorliege, obwohl dieses Gutachten höchst unvollständig sei, weder die Gutachter noch das LSG. hätten sich mit den Befunden der Ärzte, die zu anderen Ergebnissen gekommen seien, auseinandergesetzt, insbesondere sei nicht geprüft worden, ob die chronische Mandelentzündung Schädigungsfolge sei. Das LSG. habe aber auch gegen § 103 SGG verstoßen; es habe nicht geprüft, ob die chronische Mandelentzündung nicht die Ursache der Herzbeschwerden des Klägers - welcher Art sie auch sein mögen - sei und es habe weiter nicht aufgeklärt, ob der Grad der MdE. für die Lungen-Tbc, der schon im Jahre 1948 mit 30 v.H. bewertet worden sei, wegen des von den Ärzten später festgestellten Fortschreitens des Prozesses an der Lunge höher zu bewerten sei. Wegen dieser Verfahrensmängel sei die Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft. Sie sei aber auch nach § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG statthaft; das LSG. habe bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs das Gesetz verletzt, es habe über die Frage, ob die Herzbeschwerden des Klägers Schädigungsfolgen seien, nicht entscheiden dürfen, bevor die Vorfrage entschieden worden sei, ob diese Schädigungsfolgen nicht eine Folge der chronischen Mandelentzündung und ob diese Mandelentzündung nicht Schädigungsfolge sei. Die Revision sei auch begründet, das LSG. habe infolge der Mängel seines Verfahrens gegen § 1 Abs. 3 BVG verstoßen; es habe verkannt, daß es wahrscheinlich sei, daß die Lungen-Tbc und die anderen gesundheitlichen Schäden des Klägers eine Folge der jahrelangen Strafhaft des Klägers seien; auch diese Strafhaft sei aber nach dem rechtskräftigen Urteil des Oberversicherungsamts Wiesbaden als Schädigung durch militärischen Dienst im Sinne von § 1 BVG anzusehen.

Der Beklagte trat dem Hilfsantrag des Klägers nicht entgegen, er war der Meinung, der Kläger habe mit Recht gerügt, das LSG. habe nicht über alle Ansprüche des Klägers entschieden.

Beide Beteiligte beantragten, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

II

Die Voraussetzung für die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung - Einverständnis der Beteiligten (§§ 124 Abs. 2, 153, 165 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) - ist gegeben.

1. Die Revision ist zulässig.

a) Die Revision ist in gehöriger Form und Frist eingelegt und begründet worden. Das Urteil des LSG. vom 5. September 1956 ist dem Kläger mit vollständiger und richtiger Rechtsmittelbelehrung am 14. September 1956 zugestellt worden. Die Revisionsfrist hat daher am 15. September 1956 begonnen und sie hat - der 14. Oktober 1956 fiel auf einen Sonntag - am 15. Oktober 1956 geendet; die Frist für die Revisionsbegründung hat einen weiteren Monat betragen (§ 164 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Revisionsschrift ist am 10. Dezember 1956 beim BSG. eingegangen, die Revisionsfrist ist sonach nicht eingehalten worden. Der Kläger ist jedoch ohne sein Verschulden verhindert gewesen, diese Frist einzuhalten. Der Beschluß des BSG. vom 9. November 1956, mit dem dem Kläger für das Verfahren vor dem BSG. das Armenrecht bewilligt und Rechtsanwalt I... als Prozeßbevollmächtigter beigeordnet worden ist, ist dem Kläger am 15. November 1956 zugestellt worden; mit dem folgenden Tag beginnt die Monatsfrist, binnen der die versäumte Prozeßhandlung nachzuholen ist (§§ 67 Abs. 2 Satz 3, 64 Abs. 1 SGG); denn an diesem Tage ist das Hindernis, das in der Armut des Klägers gelegen ist, weggefallen. Der Kläger hat durch seinen Prozeßbevollmächtigten am 10. Dezember 1956, sonach rechtzeitig, Wiedereinsetzung beantragt; er hat auch gleichzeitig die versäumte Rechtshandlung, nämlich die Revision, in gehöriger Form nachgeholt. Es ist ihm daher wegen Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung zu gewähren (§ 67 Abs. 1 SGG). Die Wiedereinsetzung besteht nicht in der erneuten Eröffnung der Frist, sondern in der Feststellung, daß die nachgeholte Prozeßhandlung noch als fristgerecht bewirkt zu gelten hat (Stein-Jonas-Schönke, ZPO, 18. Aufl., Anm. I 3 bei § 233; Wieczorek, ZPO, 1957 Anm. B II a 2 bei § 554; Rosenberg, 2. Aufl., § 77 II 4 S. 344). Im Falle der Versäumung der Revisionsfrist wird also der Revisionskläger mit der Wiedereinsetzung so gestellt, als ob er die Revision noch am letzten Tage der normalen Revisionsfrist eingelegt hätte. Da die Revision nach § 164 Abs. 1 Satz 1 SGG "binnen eines weiteren Monats" zu begründen ist, muß dem Kläger auch in Fällen der vorliegenden Art für die Revisionsbegründung noch ein Monat zur Verfügung stehen; er darf insoweit nicht schlechter gestellt sein als der Kläger, der nicht verhindert gewesen ist, die Revisionsfrist einzuhalten; nur diese Auffassung wird einerseits dem Sinn der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, andererseits dem Umstand gerecht, daß die Revision grundsätzlich aus zwei Teilen besteht, der Revisionseinlegung und der Revisionsbegründung, und daß für beide besondere Fristen laufen (vgl. Beschluß des Großen Senats des BVerwG vom 5.7.1957, DVBl. 1957 S. 644 = NJW. 1957 S. 1571 = BVerwGE 5, 178). Dem Revisionskläger ist deshalb auch gegenüber der Versäumung der Frist für die Begründung der Revision Wiedereinsetzung zu bewilligen, wenn die Begründung innerhalb eines Monats nach Einlegung der Revision beim BSG. eingegangen ist. Im vorliegenden Fall gilt deshalb nicht nur die Frist für die Einlegung der Revision, sondern auch die Frist für die Begründung der Revision noch als gewahrt; die Revisionsbegründung ist am 10. Januar 1957, also innerhalb eines Monats nach Einlegung der Revision, beim BSG. eingegangen.

b) Die Revision ist auch statthaft; der Kläger hat zu Recht gerügt, das Urteil des LSG. leide an Mängeln des Verfahrens (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG).

Der Kläger hat wegen der Gesundheitsschäden, die nach seiner Meinung auf die Strafhaft zurückzuführen sind, Versorgung beantragt; er hat diese "Haftschäden" zunächst mit "Lungen-Tbc, Ermüdungserscheinungen, Aortenanomalie" bezeichnet. Der Beklagte hat durch die Bescheide vom 27. März 1953 die "doppelseitige Lungen-Tbc" als Schädigungsfolge anerkannt und Rente wegen einer MdE. von 30 v.H. bewilligt. Es kann dahingestellt bleiben, ob nicht schon durch diese Bescheide darüber entschieden gewesen ist, daß sonstige gesundheitliche Folgen der Haft nicht vorliegen; es kann auch dahingestellt bleiben, ob der Antrag eines Versorgung Begehrenden nicht in der Regel dahin zu verstehen ist, die Versorgungsbehörde möge feststellen, welche Schädigungsfolgen bei ihm vorliegen und ihm wegen dieser festzustellenden Schädigungsfolgen Rente gewähren. Es kommt im vorliegenden Falle weiter auch nicht darauf an, ob es sich bei diesem Begehren um einen einheitlichen Versorgungsanspruch handelt oder um mehrere Ansprüche, von denen der eine auf Erteilung eines Bescheids über die Gewährung von Rente, der andere auf Feststellung der Schädigungsfolgen gerichtet ist (vgl. hierzu auch Tietgen, DVBl. 1958 S. 471; Ule, Zeitschrift für Beamtenrecht, 1958 S. 209). Das Klagebegehren erstreckt sich jedenfalls hier nicht nur auf das Gewähren einer höheren Rente wegen der anerkannten Lungen-Tbc, sondern auch auf die Anerkennung der Herzstörungen als Schädigungsfolge. Der Beklagte hat durch den Bescheid vom 18. September 1953 - unbeschadet der Tatsache, daß der Kläger auch diesen Bescheid rechtzeitig angefochten hat (vgl. § 1608 Abs. 1 RVO) - ausdrücklich entschieden, daß eine Aortenanomalie nicht vorliege, daß die Reizleitungs- und Reizbildungsstörungen des Herzens wahrscheinlich Folge einer chronischen Mandelentzündung gewesen seien, daß aber diese Mandelentzündung nicht Folge des Wehrdienstes sei. Der Beklagte hat damit nicht nur die chronische Mandelentzündung nicht als Schädigungsfolge anerkannt, aus dem Bescheid vom 18. September 1953 ergibt sich vielmehr - was das LSG. verkannt hat - eindeutig, daß er damit die Störungen am Herzen, die nach diesem Bescheid wahrscheinlich Folge der chronischen Mandelentzündung sind, ebenfalls nicht als Schädigungsfolge anerkannt hat. Es kommt bei der Entscheidung darüber, ob die Revision statthaft ist, nicht darauf an, welcher Art diese Herzstörungen sind, ob es sich - wie der Kläger behauptet - um Auswirkungen einer nach seiner Meinung durch den Wehrdienst bedingten Aortenanomalie oder um Folgen des kombinierten Mitralvitiums bzw. um Reizleitungs- oder Reizbildungsstörungen des Herzens handelt. Jedenfalls hat das LSG., obwohl es im "Tatbestand" des Urteils den Bescheid vom 18. September 1953 in seinem vollen Wortlaut aufgeführt hat, in den "Entscheidungsgründen" ausgeführt, ein Verwaltungsakt des Beklagten, in dem über die Anerkennung des Mitralvitiums und der chronischen Mandelentzündung entschieden werde, liege noch nicht vor, der Beklagte werde hierüber noch einen Bescheid erteilen, "insoweit" fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers. Das LSG. hat also erkennbar über das Klagebegehren, soweit es auf die Anerkennung der chronischen Mandelentzündung und des möglicherweise auf ihr beruhenden Mitralvitiums gerichtet war, nicht entscheiden wollen, obwohl auch das SG. in dem Urteil vom 1. April 1955 hierüber bereits entschieden gehabt hat. Das LSG. hat damit den Streitfall nicht in gleichem Umfang geprüft wie das SG. (§ 157 SGG), und es hat nur über einen Teil des Klagebegehrens entschieden (§ 123 SGG). Dem steht nicht entgegen, daß in den Entscheidungsgründen, wiederum im Widerspruch zu den eigenen Darlegungen des LSG., ausgeführt ist, auch der Bescheid vom 18. September 1953 - den das LSG. gar nicht gewürdigt hat und bezüglich der Mandelentzündung und des Mitralvitiums nicht würdigen wollte - sei nicht zu beanstanden. Das Urteil des LSG. leidet jedenfalls schon deshalb, weil das LSG. gegen die §§ 123, 157 SGG verstoßen hat, an einem Mangel des Verfahrens. Der Kläger hat diesen Mangel auch gerügt. Da die Revision sonach gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft ist, bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob sie auch nach § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG statthaft wäre.

2. Die Revision ist auch begründet, das Urteil des LSG. beruht auf diesem Verfahrensmangel (§ 162 Abs. 2 SGG). Das LSG. hätte, wenn es richtig verfahren wäre, auch darüber entscheiden müssen, ob beim Kläger eine chronische Mandelentzündung vorliegt, ob diese Mandelentzündung, wenn sie vorliegt, eine Schädigungsfolge ist, ob es wahrscheinlich ist, daß sie zu Herzbeschwerden oder zu einem Herzleiden geführt hat und ob der Kläger, wenn weitere Schädigungsfolgen festzustellen wären, eine höhere Rente zu beanspruchen hat. Das LSG. hat, wenn es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG. vom 1. April 1955 zurückgewiesen hat, die Bescheide vom 27. März 1953 und vom 18. September 1953 nicht als rechtswidrig angesehen. Insoweit ist aber der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif gewesen. Das Urteil des LSG. ist deshalb aufzuheben. Der Senat hat in der Sache nicht selbst entscheiden können; das LSG. hat bezüglich des ursächlichen Zusammenhanges der Herzbeschwerden mit dem Wehrdienst und damit auch mit der Haft (vgl. hierzu auch BSG. 3, 131) jedenfalls insoweit, als sie nicht auf eine Aortenanomalie, sondern auf andere Ursachen zurückzuführen wären, keine ausreichenden Feststellungen und bezüglich der chronischen Mandelentzündung überhaupt keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Die Sache ist daher an das LSG. zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Das LSG. wird bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung auch zu prüfen haben, ob es nicht die Akten oder doch weitere Auskünfte des Stadtgesundheitsamts Frankfurt (vgl. dessen Schreiben vom 22.7.1952, Bl. 20 der Versorgungsakten) wird beiziehen müssen, ob ausreichende Unterlagen über den derzeitigen Stand des Lungenleidens vorliegen und ob das Gutachten der II. Medizinischen Universitätsklinik Frankfurt vom 18. Januar 1955 nicht deshalb noch der Ergänzung bedarf, weil darin nicht auf die Frage eingegangen ist, ob der von den Gutachtern festgestellte Herzklappenfehler etwa die Folge einer chronischen Mandelentzündung ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 207

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