Entscheidungsstichwort (Thema)

Wesensgehalt eines Verwaltungsakts. Änderung des Verwaltungsakts. unzulässiges Nachschieben von Gründen

 

Orientierungssatz

1. Der Verwaltungsakt darf sich dadurch, daß er auf andere Gründe gestützt wird, nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Wirkung nicht wesentlich verändern. Außerdem darf die Rechtsverteidigung des Betroffenen nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt oder eingeschränkt werden (vgl BSG vom 26.9.1974 - 5 RJ 140/72 = BSGE 38, 157 = SozR 2200 § 1631 Nr 1).

2. Das Wesen eines Bescheides ist dann grundlegend geändert, wenn ein dem Bescheid unterstellter und aus seiner Begründung hervorgehender Sachverhalt durch einen anderen widersprechenden und erst später geltend gemachten Sachverhalt ersetzt wird (vgl BSG vom 22.9.1981 - 1 RA 109/76 = SozR 1500 § 77 Nr 56).

 

Normenkette

SGG § 54

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 18.10.1985; Aktenzeichen L 1 Ar 101/83)

SG Kiel (Entscheidung vom 20.04.1983; Aktenzeichen S 6 Ar 158/81)

 

Tatbestand

Der 1937 geborene Kläger begehrt höhere Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Er war bis Oktober 1979 mit Unterbrechungen als Landarbeiter, Rohrschlosserhelfer, Kraftfahrer, Bauhelfer, Bauwerker und Baufacharbeiter beschäftigt. Vom 30. September bis 2. Oktober 1980 war er ohne Entgelt als Wachmann tätig. Nach der Arbeitsbescheinigung handelte es sich um einen mißglückten Arbeitsversuch des "fachlich ungeeigneten" Klägers. Zuvor hatte der Kläger Anschluß- Alhi bezogen. Der Leistung lag - wie bei dem Arbeitslosengeld (Alg) - das Bemessungsentgelt aus einer Tätigkeit als Bauwerker zugrunde (gerundet 465,-- DM wöchentlich). Ab 3. Oktober 1980 bewilligte die Beklagte die Alhi, nach dem bisherigen Bemessungsentgelt wieder. Der Bewilligungsabschnitt endete am 31. Oktober 1980.

Aufgrund einer amtsärztlichen Untersuchung gelangte das Arbeitsamt zu dem Ergebnis, der Kläger sei nicht mehr in der Lage, als Bauwerker zu arbeiten. Er könne nur noch mittelschwere Arbeiten, jedoch nicht auf Leitern oder Gerüsten oder in der Nähe von gefährdenden Maschinen und auch nicht im Straßenverkehr verrichten. Da er das der Bemessung der Leistung zugrundeliegende Entgelt wegen seines Gesundheitszustandes nicht mehr erzielen könne, sei die Alhi nach § 112 Abs 7 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) neu zu berechnen. Unter Berücksichtigung seines Lebensalters, seiner Leistungsfähigkeit, seines bisherigen Berufsschicksals und der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes kämen für ihn nunmehr Lager- und Platzarbeiten im Groß- und Einzelhandel in Betracht. Das tarifliche Entgelt betrage insoweit pro Stunde 7,28 DM. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden ergäbe dies ab 1. November 1980 ein Bemessungsentgelt von 290,-- DM wöchentlich (Bescheid vom 18. November 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 1981). - Das bisherige Bemessungsentgelt hätte dynamisiert 485,-- DM wöchentlich betragen. Für welche Dauer die Alhi bewilligt worden ist, ist nicht festgestellt.

Vor dem Sozialgericht (SG) hat der Kläger beantragt, den Bescheid vom 18. November 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 1981 und die anschließenden Bemessungsbescheide hinsichtlich der Höhe des Bemessungsentgelts abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Alhi unter Zugrundelegung eines monatlichen Arbeitsentgelts von 1.950,51 DM (Lohngruppe IV, Manteltarifvertrag der Länder, Lebensaltersstufe 10) zu gewähren. Das SG hat die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 18. November 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 1981 verurteilt, dem Kläger Alhi nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 450,-- DM vom 1. November 1981 an unter Berücksichtigung der Dynamisierungsvorschriften zu gewähren. Es hat die Berufung zugelassen (Urteil vom 20. April 1983). Seiner Auffassung nach müßte bei der Berechnung der Alhi entsprechend dem Manteltarifvertrag für die Arbeiter der Länder ein höheres Bemessungsentgelt zugrunde gelegt werden. Danach sei selbst in der niedrigsten Lohngruppe (II) unter Berücksichtigung des Lebensalters des Klägers (Altersstufe 10) ein monatlicher Tabellenlohn von 1.833,83 DM zu erzielen. Hinzu komme der Sozialzuschlag von 98,35 DM für das zu berücksichtigende Stiefkind. Außerdem müsse ein Zweiundfünfzigstel des im öffentlichen Dienst gezahlten 13. Monatsgehalts hinzugerechnet werden, was die Kammer übersehen habe. Insgesamt ergäbe sich insoweit ein wöchentliches Arbeitsentgelt von 483,05 DM, das gerundet 485,-- DM betrage. Eine entsprechende Tätigkeit des Klägers im öffentlichen Dienst scheitere nicht an seinen gesundheitlichen Leistungseinschränkungen. Sie scheitere auch nicht daran, daß er womöglich die Einstellungsvoraussetzungen für den öffentlichen Dienst nicht erfülle. Zumindest im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach den §§ 91 ff AFG stehe dem Kläger der öffentliche Dienst offen. Dies genüge, auch wenn Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wohl überwiegend nicht in eine Dauerbeschäftigung mündeten.

Die Beklagte hat sich mit ihrer Berufung gegen die Auffassung des SG gewandt und Klagabweisung beantragt. Der Kläger hat mit der unselbständigen Anschlußberufung geltend gemacht, ihm müsse ab 1. November 1980 Alhi nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 485,-- DM unter Berücksichtigung der Dynamisierungsvorschriften gewährt werden. Er hat sich insoweit auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils berufen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger sei durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert. Ihm habe die ab November 1980 gekürzte Alhi überhaupt nicht zugestanden. Er sei von diesem Zeitraum ab wegen seines Verhaltens nach der im Arbeitsleben herrschenden Auffassung für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer nicht in Betracht gekommen und habe somit eine Voraussetzung für die Gewährung von Alhi nicht erfüllt. Er sei nämlich, wie schon zuvor, auch in der streitigen Leistungszeit ab November 1980, wie die Beweisaufnahme ergeben habe, Gewohnheitstrinker gewesen. Wegen seines durch jahrelangen Alkoholmißbrauch geminderten Leistungsvermögens seien dem Kläger seit November 1980 Bauberufe völlig verschlossen. Wer wie der Kläger ständig Alkoholmißbrauch getrieben habe und dadurch im Arbeitsleben aufgefallen sei, komme bis zu einer glaubhaften Verhaltensänderung nach der im Erwerbsleben herrschenden Auffassung jedenfalls außerhalb der Baubranche überhaupt nicht mehr als Arbeitnehmer in Betracht. Der gewohnheitsmäßige Alkoholmißbrauch des Klägers sei auch auf ein Verhalten iS von § 103 Abs 1 Satz 2 AFG zurückzuführen und nicht etwa auf ein gesundheitlich gemindertes Leistungsvermögen im Sinne einer Suchterkrankung. Die wegen seines Trinkverhaltens fehlende Verfügbarkeit sei deshalb nicht etwa gleichwohl bis zu einer bislang ausstehenden Entscheidung des dafür allein zuständigen Rentenversicherungsträgers über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Berufsunfähigkeit gesetzlich unwiderlegbar vermutet. Auf sich beruhen könne, ob der Kläger nach dem Monat Mai 1982, als bei ihm noch erhebliche alkoholvergiftete Blutwerte festgestellt worden seien, mittlerweile seine Haltung geändert habe. Insoweit wären seine etwaigen Ansprüche auf Alhi erloschen. Für einen rechtmäßigen Alhi-Bezug fehle es - jedenfalls von November 1980 bis Mai 1982 - an der Verfügbarkeit des Klägers. Die Rechtmäßigkeit des tatsächlichen Alhi-Bezuges lasse sich auch nicht aus der Bestandskraft der bisherigen Alhi-Bewilligung ableiten. Der Anspruch des Klägers auf Alhi sei daher gemäß § 135 Abs 1 Nr 2 AFG erloschen. Für den nachträglichen Neuerwerb eines solchen Anspruches fehle dem Kläger die hierfür erforderliche Beschäftigungszeit von zumindest 150 Kalendertagen.

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er macht geltend, dem angefochtenen Urteil könne schon deshalb nicht gefolgt werden, weil das LSG über etwas entschieden habe, was weder streitig noch Streitgegenstand gewesen sei. Über das, worüber die Parteien gestritten hätten, nämlich welches Arbeitsentgelt der Kläger ab 1. November 1980 noch hätte erzielen können, sei keine Entscheidung getroffen worden. Dem LSG habe hinsichtlich der Frage nach dem Grund des Anspruches kein Prüfungsrecht zugestanden. Die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil, der Kläger sei Gewohnheitstrinker, als solcher sei er bereits im Arbeitsleben auffällig geworden und stehe deshalb ab November 1980 der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung, seien verfahrensfehlerhaft zustandegekommen. Dies treffe auch für die Feststellung zu, der angebliche gewohnheitsmäßige Alkoholmißbrauch des Klägers sei auf sein Verhalten und nicht etwa auf ein gesundheitlich gemindertes Leistungsvermögen im Sinne einer Suchterkrankung zurückzuführen. Gerügt werde eine Verletzung der §§ 62, 103, 106 und 128 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie der Grundsätze eines fairen Gerichtsverfahrens, was des näheren ausgeführt wird.

Der Kläger beantragt,

1. das angefochtene Urteil aufzuheben; 2. unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils, des Bescheides vom 18. November 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 1981 sowie des anschließenden Bemessungsbescheides die Beklagte zu verurteilen, der dem Kläger ab 1. November 1980 bewilligten Arbeitslosenhilfe ein wöchentliches Arbeitsentgelt von 485,-- DM zugrunde zu legen und von diesem Betrag die jährlichen Anpassungen vorzunehmen; 3. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen;

hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Eine Stellungnahme zur Revisionsbegründung gibt sie nicht ab.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das Landessozialgericht begründet.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein der Anspruch des Klägers auf Alhi ab 1. November 1980 unter Zugrundelegung eines wöchentliches Arbeitsentgelts von 485,-- DM, das entsprechend zu dynamisieren wäre. Das LSG hat diesen Anspruch verneint und die Auffassung vertreten, daß der Kläger durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert sei. Da der Kläger den Anspruch auf höhere Alhi auch bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des LSG begehrt hat, erstreckt sich dessen Urteil auf den Zeitraum vom 1. November 1980 bis 18. Oktober 1985. Das LSG hat auch insoweit über das Leistungsbegehren des Klägers entschieden. Im Hinblick darauf, daß nach dem Inhalt der Verwaltungsakten in der dem Bescheid vom 18. November 1980 zugrundeliegenden Verfügung der Bewilligungsabschnitt mit dem 31. Oktober 1981 endete und weitere Bescheide über den Anspruch des Klägers ergangen sind, hätte das LSG prüfen müssen, ob für den Leistungsanspruch des Klägers für die Zeit nach dem 31. Oktober 1981 die Prozeßvoraussetzungen gegeben waren. Die Klage wäre insoweit nur zulässig, wenn die Beklagte über die geltend gemachten Ansprüche zuvor gemäß § 54 SGG durch Verwaltungsakt entschieden hätte und dieser im Vorverfahren nachgeprüft oder gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens der Vorinstanzen geworden wäre. Das LSG wird dies bei seiner endgültigen Entscheidung zu berücksichtigen haben und insbesondere feststellen müssen, welche Bescheide außer den ausdrücklich genannten noch Gegenstand des Verfahrens geworden sind. Der Senat sieht davon ab, insoweit eigene Feststellungen zu treffen, wozu er, da es das Vorliegen von Prozeßvoraussetzungen angeht - hier die Zulässigkeit der Klage gegen die auf den Bescheid vom 18. November 1980 folgenden Verwaltungsakte - befugt wäre. Unabhängig vom Ergebnis dieser Überprüfung ist nämlich eine Zurückverweisung der Sache erforderlich, da die tatsächlichen Feststellungen des LSG eine abschließende Entscheidung des BSG nicht zulassen, ob der Kläger durch den Bescheid vom 18. November 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 1981 dadurch beschwert ist, daß ihm Alhi unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von nur 290,-- DM wöchentlich bewilligt worden ist. Ob dies bereits deshalb der Fall ist, weil - wie der Kläger rügt - die tatsächlichen Feststellungen des LSG, auf die es seine Entscheidung stützt, verfahrensfehlerhaft zustandegekommen sind, kann dahingestellt bleiben. Diese tatsächlichen Feststellungen können das Ergebnis, zu dem das LSG gekommen ist, nicht stützen.

Wie das BSG bereits wiederholt entschieden hat, ist bei einer Anfechtungsklage die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes grundsätzlich auch hinsichtlich solcher tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zu prüfen, auf die die Verwaltungsbehörde ihre Entscheidung nicht gestützt hat. Umgekehrt ist nicht nur solchen Einwänden gegen die angefochtene Entscheidung nachzugehen, mit denen der Kläger seine Klage begründet hat. Der Verwaltungsakt darf sich allerdings dadurch, daß er nun auf andere Gründe gestützt wird, nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Wirkung nicht wesentlich verändern. Außerdem darf die Rechtsverteidigung des Betroffenen nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt oder eingeschränkt werden (BSGE 29, 129, 132 = SozR Nr 123 zu § 54 SGG; BSGE 38, 157, 159 = SozR 2200 § 1631 Nr 1; BSGE 57, 1, 9 = SozR 2200 § 1237a Nr 25; BSG SozR Nr 25 zu § 41 VerwVG; BSG SozR 4100 § 119 Nr 12; SozR 4100 § 115 Nr 1; Urteil vom 17. März 1981 - 7 RAr 16/80 -, insoweit in SozR 1700 § 31 Nr 1 nicht abgedruckt; Urteil vom 22. Februar 1984 - 7 RAr 55/82 -, insoweit in SozR 4100 § 118 Nr 13 nur verkürzt abgedruckt). Dies hat das LSG nicht beachtet. Die angefochtenen Bescheide werden durch die Berücksichtigung neuer Tatsachen und die anderweitige rechtliche Begründung in ihrem Wesensgehalt geändert. Darüber hinaus wird auch die Rechtsverteidigung des Klägers erschwert.

Das Wesen eines Bescheides ist dann grundlegend geändert, wenn ein dem Bescheid unterstellter und aus seiner Begründung hervorgehender Sachverhalt durch einen anderen widersprechenden und erst später geltend gemachten Sachverhalt ersetzt wird (BSGE 29, 129, 132 = SozR Nr 123 zu § 54 SGG; BSG SozR Nr 25 zu § 41 VerwVG; BSG SozR 1500 § 77 Nr 56). Das war hier der Fall. Die Beklagte ist bei Erlaß des Bescheides vom 18. November 1980 erkennbar davon ausgegangen, daß der Kläger zwar in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt, er aber dennoch gemäß § 103 AFG der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand. Demgegenüber meint das LSG, der Kläger könne schon deshalb keine höhere Alhi verlangen, weil er wegen seines alkoholbedingten Verhaltens nicht mehr der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe. Mit dieser Begründung wird der Bescheid in seinem Wesensgehalt angetastet. Der Anspruch des Klägers auf Alhi, der in dem Bescheid vom 18. November 1980 als gegeben anerkannt wird, wird durch die neue Argumentation dem Grunde nach negiert. Im Ergebnis läuft die Begründung des LSG für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes auf eine inhaltliche Veränderung hinaus, die dahin geht, daß dem Kläger die gewährte Alhi nur noch wegen der Verbindlichkeit des Bewilligungsbescheides gemäß § 77 SGG gezahlt wird und er deshalb auch keinen höheren Alhi-Anspruch haben kann. Inhaltlich tritt an die Stelle eines Herabbemessungsbescheides nach § 136 Abs 2 Satz 2 AFG ein Ablehnungsbescheid hinsichtlich der Leistung dem Grunde nach (vgl BSGE 29, 129, 132 = SozR Nr 123 zu § 54 SGG; BSG SozR Nr 25 zu § 41 VerwVG; BSG SozR 1500 § 77 Nr 56). Abgesehen davon unterlegt das LSG den angefochtenen Bescheiden auch einen völlig anderen Sachverhalt als den, auf dem der Bescheid vom 18. November 1980 beruhte. Während die Beklagte bei Erlaß dieses Bescheides davon ausgegangen ist, der Kläger könne noch Lager- und Platzarbeiten im Groß- und Einzelhandel verrichten, geht das LSG nunmehr davon aus, der Kläger komme überhaupt nicht mehr als Arbeitnehmer in Betracht. Das Wesen eines Verwaltungsaktes ist aber grundlegend verändert, wenn ein dem Bescheid zugrunde liegender Sachverhalt durch einen anderen, dem ursprünglichen widersprechenden Sachverhalt ersetzt wird. Dies hätte außerdem zur Folge, daß dann, wenn einem Verwaltungsakt unterschiedliche Sachverhalte unterlegt werden, im Falle seiner Unanfechtbarkeit nicht beurteilt werden kann, zu welchem Sachverhalt die Rechtsfolge ausgesprochen und verbindlich geworden ist. Das wird im vorliegenden Fall noch besonders dadurch deutlich, daß das LSG es dahingestellt gelassen hat, ob die in dem Bescheid vom 18. November 1980 gegebene Begründung für die Herabbemessung der Alhi zutreffend ist.

Darüber hinaus wird die Rechtsverteidigung des Klägers durch die vom LSG nachgeschobene Begründung beeinträchtigt. Der Kläger muß nämlich, da das LSG die Begründung der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden nicht für unzutreffend hält, sich nunmehr statt gegen eine gegen zwei anspruchshindernde Einwendungen wehren, die in tatsächlicher Hinsicht auf unterschiedlichen Sachverhalten beruhen. Nicht nur die rechtliche Position des Klägers ist also durch die vom LSG nachgeschobenen Gründe beeinträchtigt; auch sein tatsächliches Vorbringen ist erschwert. Er muß sich jetzt auf unterschiedliche Sachverhalte einstellen, wobei hinzukommt, daß sich diese Sachverhalte an sich ausschließen. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide kann hiernach einer Nachprüfung allein im Hinblick auf die von der Beklagten geltend gemachte Herabsetzung des Alhi-Anspruches für die Zeit ab 1. November 1980 wegen der Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers unterliegen. Da das LSG hierzu von seinem rechtlichen Standpunkt aus keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, muß das angefochtene Urteil gemäß § 170 Abs 2 SGG aufgehoben und die Sache an dieses Gericht zurückverwiesen werden, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben wird.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663796

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