Leitsatz (amtlich)

1. Die sichere Erwartung der späteren Hofübernahme durch einen mitarbeitenden Familienangehörigen schließt nicht aus, daß dieser in einem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis steht (vgl BSG 1956-04-05 3 RK 65/55 = BSGE 3, 30). Ein die Versicherungspflicht begründendes "eigentliches Arbeitsverhältnis" mit Entgeltzahlung (vgl RVO § 176 Abs 1 Nr 2) ist jedoch nicht anzunehmen, wenn die Mitarbeit überwiegend auf Grund familienhafter Bindung geleistet wird und der freie Unterhalt nicht Gegenleistung für die Arbeit ist.

2. Werden dem in der Familiengemeinschaft lebenden Angehörigen im Rahmen seines freien Unterhalts neben Kost, Wohnung und Kleidung nur geringfügige Barbeträge (Taschengeld) gewährt, so wird im allgemeinen kein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis vorliegen. Erhält er dagegen neben freiem Unterhalt laufend feste Barbezüge, die sich dem ortsüblichen Barlohn vergleichbarer fremder Arbeitskräfte nähern, so spricht dies für das Bestehen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses. Ein Indiz dafür ist die steuerliche Behandlung der Bezüge der mitarbeitenden Familienangehörigen, insbesondere die Abführung von Lohnsteuer.

3. Auch 2 Söhne können auf dem Hof ihres Vaters familienhafte Mitarbeit leisten, ohne daß ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Dabei ist nicht entscheidend, welcher von ihnen voraussichtlich den Hof übernehmen wird.

4. Auch der Schwiegersohn eines Hofbesitzers kann ohne "eigentliches Arbeitsverhältnis" und ohne Entgelt auf dem Hof seines Schwiegervaters mitarbeiten und daher versicherungsfrei sein.

5. Legt in einem Rechtsstreit, der die Rechtmäßigkeit eines mehrere Versicherungszweige betreffenden Beitragsbescheides einer KK zum Gegenstand hat, nur der Träger der RV ein Rechtsmittel ein, so ist Gegenstand des Rechtsmittelverfahren nur der Streit über die Beiträge zur RV. Die KV bleibt, obwohl die Beiträge zur KV nicht mehr Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens sind, an diesem Verfahren als Beklagte beteiligt.

 

Normenkette

RVO § 160 Fassung: 1941-07-01, § 165 Abs. 2 Fassung: 1945-03-17, § 176 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1957-07-27, § 1226 Fassung: 1945-03-17, § 1227 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23, § 1228 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1957-02-23, § 1399 Fassung: 1957-02-23; BGB §§ 1617, 611 Fassung: 1896-08-18; SGG § 75 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Die Revision der beigeladenen Landesversicherungsanstalt ... gegen das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 26. Mai 1959 wird zurückgewiesen.

Die Landesversicherungsanstalt hat dem Kläger und dem Beigeladenen S. die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Versicherungspflicht des am 27. Mai 1927 geborenen Landwirts S. der seit 1954 mit der einzigen Tochter des Klägers verheiratet ist. Der jetzt 59-jährige Kläger ist Eigentümer eines Hofes in der Größe von etwa 17 ha, auf dem er Land- und Viehwirtschaft betreibt. Im allgemeinen werden auf dem Hof 8 Milchkühe, etwa 30 Schweine und 2 Pferde gehalten. Der Beigeladene S. arbeitet auf dem Hof seit seiner Eheschließung mit der Tochter des Klägers Er stammt selbst von einem etwa 15 ha großen Hof aus G. und ist der einzige wirtschaftsfähige Sohn seiner Eltern (ein Bruder ist Malermeister). Er will das ihm zustehende gesetzliche Hoferbrecht zugunsten seiner einzigen Schwester nicht geltend machen. Der Kläger führte für seinen beigeladenen Schwiegersohn vom 1. Oktober 1956 an Sozialversicherungsbeiträge an die beklagte Landkrankenkasse (LKK) ab, meldete ihn jedoch im September 1957 mit der Begründung ab, er sei seit 1. März 1955 bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen Krankheit versichert. Durch Bescheid vom 22. Oktober 1957 "wies die Beklagte die Abmeldung zurück" und forderte die Weiterzahlung der Sozialversicherungsbeiträge, weil sich an der Art der Beschäftigung nichts geändert habe. Die Überprüfung des Beschäftigungsverhältnisses, die auf Veranlassung der Landesversicherungsanstalt (LVA) vorgenommen worden sei, habe ergeben, daß ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliege; Versicherungspflicht bestehe daher auch über den 1. Oktober 1956 hinaus. Der Widerspruch des Klägers, mit dem er geltend machte, sein Schwiegersohn erhalte außer freier Kost und Wohnung nur ein Taschengeld, wurde durch Bescheid vom 30. Dezember 1957/2. Januar 1958 zurückgewiesen: Als Versicherungsbeginn komme spätestens der 1. März 1955 in Frage; die noch nicht verjährten Beiträge zur Rentenversicherung seien vom 1. Januar 1956, die zur Krankenversicherung vom 1. Januar 1957 an zu entrichten; der Kläger sei im Januar 1957 ausreichend über die Versicherungspflicht unterrichtet worden.

Der Kläger erhob beim Sozialgericht (SG) ... Klage mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 1957 und den Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 1958 aufzuheben. Diesem Antrag entsprach das SG durch Urteil vom 28. April 1958: Dem Kläger sei nicht zu widerlegen, daß er seinem Schwiegersohn unregelmäßig und je nach Bedarf Taschengeld bis zur Höhe von 60.- DM monatlich gebe, er habe für seinen Schwiegersohn auch keine Lohnsteuer abgeführt. Da er keine Bücher führe, seien Zahlungen an den Schwiegersohn als Betriebsausgaben nicht festzustellen. Deshalb bestehe zwischen dem Kläger und seinem Schwiegersohn kein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis.

Gegen dieses Urteil legten sowohl die Beklagte als auch die beigeladene LVA rechtzeitig Berufung ein. Sie machten geltend, daß grundsätzlich ein Familienangehöriger, der auf dem Hof fremde Arbeitskräfte ersetze, versicherungspflichtig sei. Der Schwiegersohn sei zu einer familienhaften Mitarbeit im Sinne des § 1617 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht verpflichtet. Ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis sei anzunehmen, weil der Kläger seit dem 1. Dezember 1951 auf seinem Hofe kein fremdes Personal beschäftige und sein Schwiegersohn unter Berücksichtigung des Unterhalts für sich und seine Familie (Frau und Kind) einschließlich des Taschengeldes monatlich Bezüge im Werte von etwa 300.- DM habe. Das Landessozialgericht (LSG) wies nach Anhörung des Beigeladenen S. und Vernehmung des Hofbesitzers Witt als Sachverständigen die Berufungen der beiden Versicherungsträger durch Urteil vom 26. Mai 1959 zurück und ließ die Revision zu.

Zur Begründung seiner Entscheidung führte es im wesentlichen aus: Die Ehefrau des Beigeladenen sei als einziges Kind des Klägers kraft Höferechts als Hoferbin berufen. Wenn sie einmal den Hof erbe oder vertraglich übernehme, werde der Beigeladene versicherungsfrei sein (§ 1228 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Bis dahin sei die Versicherungspflicht nach §§ 165, 165 a i.V.m. § 1227 Abs. 1 Nr. 1 RVO zu beurteilen. Zwar werde ein versicherungsrechtlich erhebliches Beschäftigungsverhältnis nicht durch Verwandtschaft ausgeschlossen, Voraussetzung für die Versicherungspflicht sei jedoch eine Beschäftigung gegen Entgelt. Unter Berücksichtigung der natürlichen Verhältnisse sei es schwierig festzustellen, ob es sich bei dem Weisungsrecht des Betriebsinhabers um Auswirkungen eines Arbeitsverhältnisses oder familienhafter Mitarbeit handele. Aber auch die Frage der Entgeltlichkeit sei häufig schwer zu beantworten. Jedenfalls stelle ein "Taschengeld", das den Naturalunterhalt ergänze und zur Bestreitung kleinerer Ausgaben bestimmt sei, keine Gegenleistung für die Mitarbeit von Angehörigen dar. Als Taschengeld und damit nicht als Entgelt im Sinne der RVO könne bei einem verheirateten Schwiegersohn zur Zeit ein Betrag bis zu 100.- DM monatlich angesehen werden, wobei es unerheblich sei, ob dieses Taschengeld in einem Betrag oder bei Gelegenheit in Teilbeträgen gezahlt werde. In der Landwirtschaft werde im Hinblick auf die Landflucht der Arbeitnehmer zunehmend familienbetrieblich gearbeitet. Demgemäß bewirtschafte der Hofbesitzer seinen Hof vorwiegend mit seinen Angehörigen. Für diese stehe nicht der Lohnerwerb, sondern die Erhaltung und Verbesserung des Hofes im Vordergrund. Der Ertrag und die Belastungsfähigkeit des Hofes seien darüber hinaus für die Höhe der Ausstattung der vom Hof weichenden Kinder, für die Abfindung der Miterben des Hofes und die Höhe des Altenteils des Hofbesitzers und seiner Frau von Bedeutung. Diese Umstände führten nach den Ausführungen des Sachverständigen ... dazu, daß der Hofbesitzer bestrebt sei, seine Kinder zur landwirtschaftlichen Arbeit intensiv anzulernen. Bei der weiteren Mitarbeit ergebe sich ein Hand-in-Hand-Arbeiten des Hofbesitzers und seiner Familienangehörigen. Mit dem Nachlassen der Mitarbeit und Wirtschaftsführung durch den Hofbesitzer gehe das Schwergewicht der Arbeit und der Wirtschaftsführung im allgemeinen zunehmend auf den Hoferben über. Dessen Aufgaben übernehme in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem künftige Hoferbin die Tochter ist, der Schwiegersohn. Von seiner Leistungskraft und bäuerlichen Gesinnung hänge die Ergiebigkeit und Wirtschaftskraft des Hofes nicht weniger als bei einem Hoferben ab. Dabei werde der Hofbesitzer auf einen Schwiegersohn eher noch mehr Rücksicht nehmen müssen als auf den Hoferben, weil von der guten wirtschaftlichen Zusammenarbeit und den persönlichen Beziehungen zwischen dem Hofbesitzer und seiner Frau einerseits und dem Schwiegersohn andererseits vor allem der Frieden auf dem Hof und damit eine wichtige Voraussetzung gedeihlichen bäuerlichen Zusammenlebens abhänge. Deshalb pflege der Hofbesitzer seinen Schwiegersohn, der praktisch die Stellung eines natürlichen Hoferben einnehme, wie einen solchen zu behandeln. Der Kläger sei gesund und bei seinem Alter auch in der Lage, seinen kleinen Hof mit Hilfe seiner Angehörigen (Frau und Tochter) weitgehend selbst zu bewirtschaften. Der Beigeladene, der nach seiner Eheschließung mit der Tochter des Klägers in verhältnismäßig jungen Jahren (25) auf den Hof gekommen sei, sei im Laufe der folgenden Jahre von dem Kläger in den Betrieb eingearbeitet worden und es erscheine den Umständen nach glaubhaft, daß beide (Kläger und Schwiegersohn) bei der Bewirtschaftung des Hofes vertrauensvoll Hand-in-Hand zusammenarbeiteten. Von einem Abhängigkeitsverhältnis zum Kläger könne um so weniger die Rede sein, als der beigeladene Schwiegersohn selbst gesetzlicher Hoferbe des landwirtschaftlichen Anwesens seines Vaters sei. Deshalb sei im vorliegenden Fall eine familienhafte Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und seinem Schwiegersohn anzunehmen. Diese Feststellung werde noch dadurch erhärtet, daß der Beigeladene nicht gegen Entgelt beschäftigt werde. Da seine Ehefrau auf dem Hof mitarbeite, sei das Taschengeld von durchschnittlich weniger als 60.- DM monatlich für die Frage der Versicherungspflicht unerheblich. Zumindest sei der Beigeladene im Sinne des § 1228 Abs. 1 Nr. 2 RVO nF als versicherungsfrei anzusehen.

Die LVA wendet sich mit ihrer Revision gegen diese Rechtsauffassung. Sie macht vor allem geltend, die Voraussetzungen des § 1617 BGB lägen schon deshalb nicht vor, weil der Beigeladene kein Sohn des Klägers sei und weil er von diesem nicht unterhalten werde, sondern im Betrieb seinen Beruf ausübe, so daß seine Arbeitsleistung die Ursache des als Entgelt anzusehenden Unterhalts sei. Der Beigeladene erhalte für sich, seine Ehefrau und das gemeinschaftliche Kind alles, was er zur Deckung des Lebensbedarfs benötige. Daß er der Ehemann der künftigen Hoferbin ist, sei für die Beurteilung der Versicherungspflicht ohne Bedeutung. Die Verhältnisse in der Landwirtschaft erforderten im Hinblick auf den Mangel an fremden Arbeitskräften den Einsatz der Kinder des Hofeigentümers, die eine landwirtschaftliche Ausbildung genossen hätten. Deshalb sei auch der künftige Hoferbe, der seine volle Arbeitskraft einsetze, grundsätzlich versicherungspflichtig, denn er sei auf die Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesen und ersetze eine fremde Arbeitskraft. Die Kinder des Hofbesitzers seien in aller Regel auch nicht freier gestellt als fremde landwirtschaftliche Arbeiter, sie seien in besonders starkem Maße den Weisungen ihrer Eltern unterworfen. Daß der Hofbesitzer seinen Schwiegersohn als eigenen Sohn ansehe, entspreche nicht der allgemeinen Auffassung; es widerspreche auch der Lebenserfahrung, daß der Hofbesitzer seinem Schwiegersohn gegenüber mehr Rücksicht nehme als gegenüber dem Hoferben; denn gerade in ländlichen Verhältnissen komme es immer wieder vor, daß der Schwiegersohn nicht den Erwartungen der Schwiegereltern entspreche, so daß es zu Auseinandersetzungen komme, die zur Auflösung der Ehe mit der Tochter des Hofbesitzers führten. Die geringe Neigung der Landwirte, ihren Hof frühzeitig abzugeben, bestehe in erhöhtem Maße, wenn durch die Hofübergabe ein Schwiegersohn praktisch zum Herrn des Hofes werde. Deshalb könnten die Schwiegersöhne in ihrer Stellung auf dem Hof des Schwiegervaters nur mit besonderen Einschränkungen den Kindern des Hofbesitzers gleichgestellt werden. Die LVA hat ferner unter Vortrag neuer Sachverhalte darauf hingewiesen, daß der beigeladene Schwiegersohn des Klägers sich nach seinen eigenen Angaben vor der Heirat auf dem Hof seines Vaters durch Mitarbeit seinen Lebensunterhalt verdient habe; er sei dort nicht geblieben, weil seine Schwester den väterlichen Hof erhalten solle. Da dem Beigeladenen der väterliche Hof nicht zustehe, sei er auf Lohnarbeit angewiesen.

Er müsse den Umständen nach, wenn er den Hof des Klägers verlasse, seinen Lebensunterhalt bei fremden Arbeitgebern verdienen. Er arbeite, um den Lebensunterhalt seiner Familie sicherzustellen, jetzt auf dem Hof seines Schwiegervaters an Stelle einer fremden Arbeitskraft. Wenn der Beigeladene auch mit seinem Schwiegervater vertrauensvoll Hand-in-Hand arbeite, so hätte das LSG doch nicht ohne weiteres folgern dürfen, daß er in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zum Kläger stehe. Dieser Schluß beruhe auf der irrigen Ansicht des Berufungsgerichts über die allgemeinen Verhältnisse bei der Zusammenarbeit von Familienangehörigen in der Landwirtschaft. Da der Kläger noch rüstig und tatkräftig sei, arbeite der Beigeladene S. auf dem Hof wie eine fremde Arbeitskraft nach den Weisungen des Klägers, auch wenn diese Weisungsgebundenheit, wie allgemein bei der Mitarbeit von Verwandten, gemildert sei. Der Mitarbeit entspreche auch der Entgelt, den S. vom Kläger erhalte. Die Geld- und Sachbezüge, die er als Gegenleistung für seine Mitarbeit erhalte, entsprächen zusammen mindestens dem Lohn eines landwirtschaftlichen Gehilfen. Wenn er keine höheren Sach- und Bargeldforderungen stelle, als dies nach seinen eigenen Angaben der Fall sei, weil er für sich und seine Familie derzeit nicht mehr brauche, so ändere dies nichts daran, daß er für seine Mitarbeit vollen Entgelt erhalte. Die Auffassung des LSG, Barzuwendungen von durchschnittlich weniger als 60.-- DM monatlich seien unerheblich, stehe mit der gesetzlichen Regelung ebensowenig in Einklang wie die Meinung, daß bei einem verheirateten Schwiegersohn 100.- DM monatlich als "Taschengeld" unselbständiger Bestandteil des freien Unterhalts seien. Für die Annahme eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses spreche auch die Regelung des Steuerrechts über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft und die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs.

Die LVA beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und der Beigeladene S. beantragen,

die Revision der beigeladenen LVA zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II.

1.) Die Revision der beigeladenen LVA ist form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden. Da die Beigeladene durch das angefochtene Urteil beschwert ist, bestehen gegen die Zulässigkeit der Revision keine Bedenken (vgl. BSG 8, 291, 292 und BSG 10, 176, 178 mit weiteren Nachweisen).

2.) Die LVA ist als notwendig Beigeladene im Sinne des § 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) anzusehen, weil die vom Kläger angefochtenen Bescheide der beklagten LKK auch die Versicherungs- und Beitragspflicht zur Rentenversicherung der Arbeiter betreffen. Insoweit kann die Entscheidung beiden am Verfahren beteiligten Versicherungsträgern gegenüber - der LKK als Einzugsstelle und der LVA als beitragsberechtigtem Versicherungsträger - nur einheitlich ergehen. Die beiden Versicherungsträger sind insoweit auch notwendige Streitgenossen im Sinne des § 62 der Zivilprozeßordnung (ZPO). Das von der LVA eingelegte Rechtsmittel wirkt daher auch zugunsten der beklagten LKK, jedoch nur, soweit es sich um die Versicherungs- und Beitragspflicht zur Rentenversicherung der Arbeiter handelt. Dagegen ist die LVA nicht notwendiger Streitgenosse der Einzugsstelle (LKK), soweit der Rechtsstreit die von dieser geforderten Beiträge zur Krankenversicherung betrifft. Da die beklagte LKK das Urteil des LSG nicht angefochten hat, ist diese Entscheidung, soweit sie die Beiträge zur Krankenversicherung betrifft, rechtskräftig geworden. Dem steht auch nicht entgegen, daß vor Inkrafttreten der §§ 1227 ff RVO, nämlich dem 1. März 1957 (Art. 3 § 8 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - ArVNG -), die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung grundsätzlich von der Krankenversicherungspflicht abhing (§ 1226 i.V.m. §§ 165, 165 a RVO idF der Ersten Vereinfachungsverordnung - 1. VereinfVO - vom 17.3.1945). Die LKK hat im Revisionsverfahren auch keine Anträge gestellt. Ihre erst am 6. November 1959 - also nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangene Erklärung vom 4. November 1959, daß sie sich den Ausführungen der LVA anschließe, kann, da die LKK selbst kein Rechtsmittel eingelegt hat, auf die von ihr im eigenen Namen und für eigene Rechnung geltend gemachte Beitragsforderung zur Krankenversicherung keinen Einfluß haben. Dem steht auch, wie der Senat in seinem Urteil vom heutigen Tage in der Sache LVA gegen Schümann - 3 RK 83/59 - dargelegt hat, die Entscheidung des Senats vom 23. Juli 1959 (BSG 10, 176 ff) nicht entgegen. Da nur die LVA Revision eingelegt hat, hat der Senat nur über die Versicherungs- und Beitragspflicht in der Rentenversicherung der Arbeiter zu urteilen.

3.) Die Entscheidung hängt davon ab, ob der auf dem Hof beschäftigte Schwiegersohn des Klägers in der Zeit vom 1. Oktober 1956 an in einem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat. Die Versicherungspflicht setzt nach § 1226 RVO aF i.V.m. § 165 Abs. 2 RVO ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis voraus. Auch nach § 1227 Abs. 1 Nr. 1 RVO nF, der vom 1. März 1957 an Anwendung findet, ist Voraussetzung der Versicherungspflicht das Vorliegen einer Beschäftigung gegen Entgelt (§ 160 RVO). Zum Entgelt gehören neben Gehalt oder Lohn auch Sach- und andere Bezüge, die der Versicherte, wenn auch nur gewohnheitsmäßig, statt des Gehaltes oder Lohnes oder neben ihm von dem Arbeitgeber oder einem Dritten erhält; jedoch bestimmt § 1228 Abs. 1 Nr. 2 RVO nF, daß ausnahmsweise versicherungsfrei ist, wer als Entgelt für eine Beschäftigung, die nicht zur Berufsausbildung ausgeübt wird, nur freien Unterhalt erhält.

Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 5. April 1956 (BSG 3, 30 ff), das die Frage der Versicherungspflicht eines im Handwerksbetrieb seines Schwiegervaters tätigen Bäckermeisters betrifft, ausgesprochen, daß auch bei "Meistersöhnen", d.h. im Betrieb der Eltern mitarbeitenden Kindern oder anderen Verwandten, die Versicherungspflicht nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen ist, die allgemein für das Bestehen der Versicherungspflicht gelten. Auch die sichere Erwartung späterer Betriebsübernahme durch einen Sohn, Schwiegersohn oder sonstigen Familienangehörigen des Betriebsinhabers rechtfertigt - wie in dieser Entscheidung näher dargelegt ist - für sich allein nicht die Vermutung, daß kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis besteht. Ebenso schließt in der Landwirtschaft die sichere Erwartung der späteren Hofübernahme durch einen mitarbeitenden Familienangehörigen nicht aus, daß dieser in einem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis steht, und sie begründet für sich allein keine Vermutung, daß der "künftige Hofbesitzer" nicht gegen Entgelt auf dem Hof abhängige Arbeit leistet. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Familienangehöriger zu dem Betriebsinhaber in einem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis steht, hat der Senat in der genannten Entscheidung insbesondere die Höhe der dem Familienangehörigen gewährten Leistungen (Geld- und Sachbezüge) sowie ihr Verhältnis zu Umfang und Art der im Betrieb verrichteten Tätigkeit als entscheidend angesehen.

Wie der Senat in Fortführung dieser Rechtsprechung in seinem Urteil vom heutigen Tage in der Sache LVA gegen Schümann - 3 RK 83/59 - ausgeführt hat, kommt es auch bei der Beurteilung der Frage, ob ein in der Landwirtschaft beschäftigter Angehöriger des Betriebsinhabers zu diesem in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht, entscheidend darauf an, ob nach den gesamten Umständen des Einzelfalles abhängige, d.h. weisungsgebundene Arbeit gegen Lohn oder ob "nur" Mithilfe auf Grund der Familienzugehörigkeit ohne Entgeltzahlung geleistet wird. Zwischen dem Hofeigentümer und seinen mitarbeitenden Familienangehörigen können, wie auch der Bundesfinanzhof in seiner Rechtsprechung betont (Urteil vom 17.2.1955 in NJW 1955, 1615, vgl. auch zur Frage des Arbeitsverhältnisses zwischen Eltern und Kindern - Urteil vom 6.10.1961 in NJW 1962, 79), Arbeitsverhältnisse und damit versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bestehen, und häufig wird die Interessenlage der Beteiligten dafür sprechen, daß die Mitarbeit der Söhne oder sonstiger Anverwandten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses unter dem damit gegebenen gesetzlichen Versicherungsschutz geleistet wird. Andererseits darf jedoch bei der Prüfung, ob ein "eigentliches Arbeitsverhältnis" vorliegt (vgl. § 176 Abs. 1 Nr. 2 RVO), die erfahrungsgemäß bestehende enge familienhafte Bindung der auf dem Hof mitarbeitenden Familienangehörigen - wie sie auch im Höferecht sowohl im Verhältnis zu dem künftigen Hoferben als auch gegenüber den weichenden Miterben zum Ausdruck kommt (vgl. §§ 5, 12 Höfeordnung) - nicht unberücksichtigt bleiben. Es bedarf daher in jedem Fall sorgfältiger Abwägung, ob es dem Willen des Hofbesitzers und des mitarbeitenden Familienangehörigen entsprochen hat, miteinander ein Arbeitsverhältnis einzugehen - was am deutlichsten durch Abschluß eines Arbeitsvertrages zum Ausdruck kommt -, oder ob der Familienangehörige ohne Arbeitsentgelt und deshalb nicht als Arbeitnehmer, lediglich auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Familie und vielleicht auch in Erwartung der späteren Hofübernahme durch ihn selbst oder seine Frau die Arbeit leistet. Unter Berücksichtigung der besonderen ländlichen Verhältnisse wird, sofern nicht ein Arbeitsvertrag abgeschlossen ist und nicht besondere Umstände des Einzelfalles dagegen sprechen, im allgemeinen familienhafte Mitarbeit ohne Bestehen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses anzunehmen sein, wenn der in der Familiengemeinschaft lebende Angehörige im Rahmen seines freien Unterhalts neben Kost, Wohnung und Kleidung nur geringfügige Barbeträge (Taschengeld)erhält. Werden ihm dagegen neben freiem Unterhalt laufend feste Barbezüge gewährt, die sich dem ortsüblichen Barlohn vergleichbarer fremder Arbeitskräfte nähern, so spricht dies für das Bestehen eines abhängigen, entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses, auch wenn ein Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich vereinbart ist. Ein wesentliches Anzeichen für das Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ist ferner in dem Umstand zu erblicken, daß der Betriebsinhaber für den Familienangehörigen Lohnsteuer abführt und den gewährten Entgelt als Betriebsausgabe verbucht. Diese in der angeführten Entscheidung des Senats vom heutigen Tage - 3 RK 83/59 - für einen auf dem Hofe mitarbeitenden Sohn aufgestellten Grundsätze gelten auch für Schwiegersöhne des Hofbesitzers, sofern sie in der Familie und auf dem Hofe im wesentlichen die gleiche Stellung wie Söhne einnehmen.

4.) Nach den vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen arbeitet der jetzt etwa 33-jährige Beigeladene S. seit seiner Eheschließung (1954) mit der Tochter des Klägers auf dessen Hof. Die Ehefrau des Beigeladenen ist als einziges Kind des Klägers nach § 5 der Höfeordnung als Hoferbin kraft Gesetzes berufen, sofern der Kläger keine andere Bestimmung trifft. Will der Kläger seine einzige Tochter als Hoferbin übergehen, so bedarf er dazu der gerichtlichen Zustimmung (§ 7 Abs. 2 der Höfeordnung). Das LSG hat festgestellt, daß der - etwa 59-jährige - Kläger gesund und bei seinem Alter auch in der Lage ist, seinen Hof mit Hilfe seiner Angehörigen (Frau und Tochter) weitgehend selbst zu bewirtschaften. Die gegen diese Feststellung erhobene Rüge der Revisionsklägerin entspricht nicht den Erfordernissen des § 164 Abs. 2 SGG, denn sie läßt weder erkennen, inwiefern das LSG die Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung überschritten hat (§ 128 SGG), noch ist aus dem Vorbringen der Revision ersichtlich, welche weiteren Ermittlungen das LSG zur Aufklärung des Sachverhalts noch hätte durchführen müssen (§ 103 SGG). Der Senat ist daher an die tatsächlichen Feststellungen des LSG gebunden und kann die neu in der Revisionsbegründung vorgetragenen Tatsachen nicht Berücksichtigen. Den Feststellungen des LSG ist zu entnehmen - und davon geht auch die Revision aus -, daß auch die Tochter des Klägers auf dem Hof mitarbeitet und daß sein Schwiegersohn für seine Mitarbeit außer freiem Unterhalt (für sich, seine Ehefrau und das gemeinschaftliche Kind) ein Taschengeld von im Durchschnitt weniger als 60.- DM monatlich erhält. Dies ergibt sich aus den Ausführungen S. 9 des angefochtenen Urteils, daß "unter Berücksichtigung der Mitarbeit der Ehefrau des Beigeladenen" das Taschengeld von im Durchschnitt weniger als 60.- DM monatlich für die Versicherungspflicht unerheblich sei. Das LSG hat ferner festgestellt - auch dies wird von der Revision nicht angegriffen -, daß der Beigeladene und der Kläger "Hand in Hand" arbeiten und daß im vorliegenden Streitfall mit dem Nachlassen der Hofarbeit und Wirtschaftsführung durch den Hofbesitzer der Schwiegersohn das Schwergewicht der Arbeit und Wirtschaftsführung in gleicher Weise übernehme, wie es im allgemeinen der Hoferbe zu tun pflege. Der Schwiegersohn stehe zum Kläger um so weniger in einem Abhängigkeitsverhältnis, als er selbst gesetzlicher Erbe des Hofes seines Vaters sei. Wenn das LSG auf Grund dieser Feststellungen und Erwägungen das Bestehen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Kläger und seinem Schwiegersohn verneint hat, so hat es sich im Rahmen der angeführten Rechtsprechung des Senats gehalten. - Da der Beigeladene S. wie dargelegt, keine abhängige Arbeit geleistet hat, bedarf es keines Eingehens auf § 1228 Abs. 1 Nr. 2 RVO nF; denn diese am 1. März 1957 in Kraft getretene Vorschrift über Versicherungsfreiheit einer nur gegen freien Unterhalt ausgeübten Tätigkeit setzt das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses voraus.

Die Revision der beigeladenen LVA ist somit als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2603741

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