Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. September 1982 geändert. Soweit das Landessozialgericht auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 8. Oktober 1981 geändert und die Klage auf Hinterbliebenenrente abgewiesen hat, wird das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin ist die Witwe des Metzgers und Gastwirtes K H.. Am 25. November 1979 (Sonntag) wurde H. auf dem Hof seines Metzger- und Gaststättenbetriebes – nach Zeugenaussagen – gegen 23.30 Uhr im bewußtlosen Zustand liegend aufgefunden. Er starb am 24. Dezember 1979 an einer Funktionslähmung des Gehirns bei ausgedehnten Gewebsuntergangszonen im Bereich des linken Stirnhirns und der Schläfenpole als Folge einer Gewalteinwirkung auf den Schädel im Sinne einer Sturzverletzung, die zu einer ausgedehnten Impressionsfraktur mit zahlreichen weiteren Berstungsbrüchen der rechten Schädelkalotte geführt hat (Gutachten über die Obduktion der Leiche durch Prof. Dr. H. und Dr. R. vom Institut für Rechtsmedizin der Universität M. vom 27. Dezember 1979).

Durch Bescheid von 20. November 1980 lehnte die Beklagte Entschädigungsansprüche ab, weil H. keinen Arbeitsunfall erlitten habe. Trotz Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten habe sich nicht aufklären lassen, aus welchem Grund sich H. zum Zeitpunkt des Vorfalls im Hof seines Anwesens aufgehalten habe und wodurch er zu Fall gekommen sei. Es sei durchaus möglich, daß er damals gerade einen Kontrollgang gemacht habe; ebenso möglich sei aber auch, daß er aus privatem Anlaß unterwegs gewesen sei. Wesentlich bedeutungsvoller sei jedoch die Ungewißheit über die Ursache des Sturzes. Ein Sturz durch äußere Einwirkung sei zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nicht wahrscheinlich. Die Unfallstelle habe keine besondere Unfallgefahr aufgewiesen. Die fehlende Unfallgefahr sowie die Tatsache, daß H. unmittelbar vor dem Unfall über Unwohlsein geklagt habe, spreche für einen Unfall aus innerer Ursache. H. habe sich wegen zahlreicher behandlungsbedürftiger Erkrankungen in den letzten Jahren vor seinem Tod ohnehin nicht in einem guten Gesundheitszustand befunden. Hinzu komme, daß H. in der Zeit zwischen dem Unfall und seinem Tod keine auf einen Arbeitsunfall hindeutende Angaben gemacht habe, obwohl er zeitweise bei Bewußtsein gewesen sei. Der für den Entschädigungsanspruch erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis sei somit nicht erwiesen. Ein etwaiger Unfall aus innerer Ursache würde kein Arbeitsunfall sein, weil weder eine Betriebseinrichtung noch die Beschaffenheit der Unfallstelle zur Entstehung oder Schwere der Verletzung beigetragen haben.

Das Sozialgericht (SG) Fulda hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin wegen des Todes des H. Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren (Urteil vom 8. Oktober 1981). Es hat als erwiesen angesehen, daß sich H. auf einem Kontrollgang befunden habe und nicht aus innerer Ursache, sondern infolge Glatteisbildung auf dem Hof gestürzt und an den Folgen des Sturzes gestorben sei. Auf die Berufung der Beklagten hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage hinsichtlich des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente abgewiesen. Im übrigen hat es die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen (Urteil vom 8. September 1982). Zur Begründung hat das LSG zunächst ausgeführt, daß es nunmehr der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) folge, daß die Berufung hinsichtlich der Ansprüche auf Sterbegeld, Überbrückungshilfe und Überführungskosten nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch dann nicht zulässig sei, wenn sie daneben auch den Anspruch auf Hinterbliebenenrente betreffe. In der Sache hat das LSG als erwiesen angesehen, daß H. sich die im Obduktionsgutachten erwähnten Verletzungen bei einem Sturz während eines Kontrollganges im Hof seines Unternehmens zugezogen habe und daran gestorben sei. Fremdverschulden sei auszuschließen. Jedoch sei ein äußeres Unfallereignis nicht feststellbar. Den Sturz habe niemand gesehen. Daß H. aufgrund von Glatteis oder wegen einer welligen Beschaffenheit des Hofes gestürzt sei, könne nicht als erwiesen angesehen werden. Der Sturz könne sich aber aus innerer Ursache ereignet haben, wenn auch nicht infolge Alkoholbeeinflussung. Für einen Sturz aus innerer Ursache spreche, daß H. Zeugen gegenüber angegeben habe, daß ihm nicht wohl sei. Zudem habe H. seit 1976 an verschiedenen Krankheiten, ua auch Kreislaufbeschwerden, gelitten. Ein Sturz aufgrund von Kreislaufschwäche könne plötzlich und unvermittelt erfolgen, so daß keine Chance zur Einleitung von Abwehrmaßnahmen bestehe. Das sei allgemeinkundig und bedürfe keines Beweises. Die Tatsache, daß H. auf dem Rücken gelegen habe, spreche mithin nicht gegen einen Sturz aufgrund von Kreislaufschwäche. Die Folgen, daß eine weitere Sachaufklärung nicht möglich und eine äußere Einwirkung nicht erweislich sei, gehe zu Lasten der Klägerin.

Durch Beschluß vom 23. Februar 1983 (2 BU 183/82) hat das BSG die Revision zugelassen.

Die Klägerin hat dieses Rechtsmittel eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet: Entgegen der Ansicht des LSG sei ihr Ehemann wegen Glatteises gestürzt. Ein Sturz aus innerer Ursache wegen Kreislaufschwäche habe nicht vorgelegen, denn ihr Ehemann sei nicht kreislaufkrank gewesen. Zudem sei es entgegen den Ausführungen des LSG nicht allgemeinkundig, daß Personen, die infolge einer Kreislaufschwäche stürzen, nach hinten fielen und keine Chance zur Einleitung von Abwehrmaßnahmen hätten. Das LSG habe bei der Beweiswürdigung nicht darauf Rücksicht genommen, daß sie sich in einem Beweisnotstand befinde. Es widerspreche dem staatlichen Auftrag der gesetzlichen Unfallversicherung in Fällen wie dem vorliegenden, die Möglichkeit einer inneren Ursache zu „konstruieren”, um der Hinterbliebenen sodann den Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente abzuschlagen. Hinzu komme, daß die Personen, die eine medizinische Aufklärung der Unfallursache unmittelbar nach dem Unfall versucht hätten, Gäste in der Gaststätte ihres Ehemannes waren, wodurch eine vollständige Klärung unmöglich gewesen sei. Es lägen ausreichende Hilfstatsachen vor, die darauf schließen ließen, daß der Unfall ihres Ehemannes betriebliche Gründe gehabt habe. Hinsichtlich der Verfahrensfehler werde auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug genommen. Das LSG habe seiner Entscheidung einen Erfahrungssatz zugrunde gelegt, den es nicht gebe und zu dem sie sich nicht habe äußern können. In der Berufungserwiderung vom 1. März 1982 habe sie darauf hingewiesen, daß ein Mensch, der aus innerer Ursache zusammenzubrechen drohe, sich instinktiv nach vom beuge, um sich niederzulegen oder abzufangen. Das LSG habe das Vorliegen einer inneren Ursache allein aus Auskünften der Krankenversicherung entnommen; es hätte diesen Punkt durch Antrage an den behandelnden Arzt näher aufklären müssen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. September 1982 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 8. Oktober 1981 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor, es habe sich nicht feststellen lassen, daß der Ehemann der Klägerin infolge Glatteises oder einer welligen Beschaffenheit des Hofes gestürzt sei. Der Zustand der Unfallstelle habe die Unfallfolgen auch nicht verschlimmert. Zutreffend habe das LSG ausgeführt, daß ein äußeres Unfallereignis nicht feststellbar sei, dagegen eine ausreichende Anzahl von Gründen vorhanden seien, die den Sturz aus innerer Ursache zu erklären vermögen. In bezug auf die vom LSG für allgemeinkundig gehaltene Tatsache, daß Stürze aufgrund von Kreislaufschwäche plötzlich und unvermittelt erfolgen könnten, so daß keine Chance zum Einleiten von Abwehrmaßnahmen bestehe, sei der Klägerin nicht das rechtliche Gehör versagt worden. Sie habe in ihrer Revisionsbegründung selber darauf hingewiesen, daß sie zu diesen Dingen im instanziellen Schriftwechsel Stellung genommen habe.

 

Entscheidungsgründe

II.

Da das LSG die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Fulda bezüglich ihrer Verurteilung zur Gewährung von Sterbegeld, Überbrückungshilfe sowie etwa entstandener Überführungskosten als unzulässig verworfen und die Beklagte dagegen kein Rechtsmittel eingelegt hat, ist im Revisionsverfahren nur noch über den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu entscheiden, der nach Meinung des LSG unbegründet ist.

Die Revision der Klägerin hat insofern Erfolg, als das Urteil des LSG hinsichtlich seiner Entscheidung über den Anspruch auf Hinterbliebenenrente aufzuheben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.

Die Feststellungen des LSG reichen für eine Entscheidung, ob der Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente zu verneinen oder zu bejahen ist, nicht aus.

Bei Tod durch Arbeitsunfall ist vom Todestag an Witwenrente zu gewähren (§§ 589 Abs. 1 Nr. 3, 590 Reichsversicherungsordnung – RVO–). Arbeitsunfall ist nach § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet.

Der Ehemann der Klägerin war als selbständiger Unternehmer nach § 543 Abs. 1 RVO iVm § 39 Abs. 1 der Satzung der Beklagten gegen Arbeitsunfall versichert. Nach den Feststellungen des LSG ist er am 25. November 1979, als er sich nach Schließung seiner Gaststätte auf dem Hof seines Metzger- und Gaststättenbetriebes auf einem Kontrollgang befand, gestürzt und an den Folgen des Sturzes am 24. Dezember 1979 verstorben. Der Begriff des Unfalls ist zwar in der RVO nicht bestimmt. Wie der Senat jedoch wiederholt entschieden hat (SozR 2200 § 550 Nr. 35; Urteil vom 26. Januar 1982 – 2 RU 45/81 – und vom 22. März 1983 – 2 RU 14/82 –), ist nach der in Rechtsprechung und Schrifttum seit langem und im wesentlichen einhellig vertretenen Auffassung der Unfall ein körperlich schädigendes, zeitlich begrenztes Ereignis (vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Aufl S 479 mwN; Gitter in SGB-Sozialversicherung-Gesamtkommentar, § 548 Anm. 6). Soweit daneben zum Teil auch gefordert wird, das Ereignis müsse „von außen” auf den Menschen einwirken, soll damit lediglich ausgedrückt werden, daß ein aus innerer Ursache, aus dem Menschen selbst kommendes Ereignis nicht als Unfall anzusehen ist (Brackmann a.a.O. S 479b mwN; Gitter a.a.O. Buchst a). Für eine Einwirkung von außen genügt zudem, daß zB der Boden beim Auffallen des Verletzten gegen seinen Körper stößt. Auch dadurch wirkt ein Teil der Außenwelt auf den Körper des Versicherten ein.

Danach hat der Ehemann der Klägerin, als er am 25. November 1979 auf dem Hof stürzte einen Unfall erlitten. Da der Kontrollgang seinem Metzger- und Gaststättenunternehmen diente, verrichtete er eine versicherte Tätigkeit. Mit dem Sichfortbewegen auf dem Hof stand der Sturz in einem ursächlichen Zusammenhang. Der Feststellung einer bestimmten Ursache für den Sturz, wie zB ein Ausgleiten oder Stolpern bedarf es nicht (BSG SozR 2200 § 550 Nr. 35; BSG Urteil vom 30. November 1972 – 2 RU 119/71 –; Podzun, ZfS 1974, 101; BVerwGE 17, 59, 61).

Der ursächliche Zusammenhang des Sturzes mit der versicherten Tätigkeit wäre aber dennoch zu verneinen, wenn festgestellt werden kann, daß der Sturz infolge nicht betriebsbedingter krankhafter Erscheinungen, also aus innerer Ursache eingetreten ist und zur Schwere der Verletzungen nicht betriebsbedingte Gefahren mitgewirkt haben, denen der Ehemann der Klägerin auf seinem Weg ausgesetzt war (BSG SozR Nr. 18 zu § 543 RVO aF und Nr. 28 zu § 548 RVO).

Den Ausführungen des LSG kann nicht hinreichend klar entnommen werden, ob das Gericht einen Sturz aus innerer Ursache bejaht. Zwar hat es als erwiesen angesehen, daß der Kläger nicht infolge Alkoholeinflusses gestürzt ist und auch kein Fremdverschulden vorgelegen hat. Andererseits erörtert das LSG Umstände, die seiner Meinung nach den Sturz des Ehemannes der Klägerin aus innerer Ursache zu erklären vermögen, so zB daß der Ehemann der Klägerin nach Aussagen von Zeugen sich am Abend des Unfalls unwohl gefühlt habe, bereits seit 1976 ua wegen Kreislaufbeschwerden behandelt worden sei und nach dem Sturz auf dem Rücken liegend aufgefunden wurde, was entgegen der Meinung der Klägerin nicht gegen einen Sturz aus innerer Ursache spreche. Das LSG hat jedoch nicht zum Ausdruck gebracht, daß es aufgrund dieser Umstände, einen Sturz aus innerer Ursache als erwiesen ansieht. Die Möglichkeit, daß der Ehemann der Klägerin aus innerer Ursache gestürzt sein kann, reicht für die Verneinung des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente nicht aus.

Da das Revisionsgericht eine Würdigung der vom LSG dargelegten Umstände nicht selbst vornehmen kann, muß die Sache an das LSG zurückverwiesen werden. Die Klägerin hat dabei auch Gelegenheit, ihre im Revisionsverfahren vorgetragenen Rügen dem LSG gegenüber zur Geltung zu bringen, um die ihr erforderlich erscheinende Beweise über den Gesundheitszustand ihres Ehemannes vor dem Unfall am 25. November 1979 erheben zu lassen. Ein Eingehen auf die Rügen im Revisionsverfahren erübrigt sich daher.

Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1064914

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