Leitsatz (redaktionell)

Hat der Kläger dem Gericht mitgeteilt, daß er zum Verhandlungstermin nicht erscheinen werde, und hat er gleichzeitig beantragt, "nach Aktenlage" zu entscheiden, so ist er nach SGG § 126 zu einem solchen Antrag nicht befugt.

Der von ihm gestellte Antrag ist sinngemäß dahin auszulegen, das Gericht möge durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Wenn der Kläger seinen Antrag nicht schriftlich, sondern fernmündlich gestellt hat, muß es als genügend angesehen werden, daß die Geschäftsstelle des Gerichts den fernmündlich gestellten Antrag entgegengenommen und ihn schriftlich niedergelegt hat.

Hat der zur Sitzung erschienene Beklagte, ohne in der Sache zu verhandeln, jenem Antrag des Klägers zugestimmt, dann kann das Gericht durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

 

Normenkette

SGG § 124 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03, § 126 Fassung: 1958-06-25

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 31. Januar 1964 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger besaß im Jahre 1961 in Berlin vier Mietshäuser. Diese liegen örtlich voneinander getrennt. Jedes der Mietshäuser hat einen eigenen Hauswart. Die Mietgrundstücke werden von dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers verwaltet.

Im Unternehmerverzeichnis der Beklagten ist der Kläger als Eigentümer jedes dieser Mietshäuser jeweils unter einer besonderen Nummer eingetragen. Die Beklagte erhebt seit jeher für jeden Hauswart einen Kopfbeitrag in voller Höhe in Form eines Mindestbeitrages.

Durch (getrennte) Bescheide vom 29. Juni 1961 forderte die Beklagte den Kläger auf, für das Jahr 1960 viermal den Mindestbeitrag von 20,- DM und für 1961 einen Mindestvorschuß von je 24,- DM zu zahlen.

Hiergegen legte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers Widerspruch mit der Begründung ein, daß die Hauswarte nur stundenweise tätig seien und insgesamt sich kaum die Stundenzahl einer voll beschäftigten Arbeitskraft ergebe. Deshalb dürfe die Beklagte für das Jahr 1960 nur einen Beitrag mit dem Mindestsatz von 20,- DM und für 1961 einen einmaligen Vorschuß von 24,- DM verlangen. Da für 1960 bereits Beitragsvorschüsse von viermal 20,- DM gezahlt worden seien, liege eine Überzahlung vor; diese sei nach Abzug des Beitragsvorschusses für 1961 (24,- DM) von der Beklagten zu erstatten.

Die Beklagte wies durch Bescheid vom 20. November 1961 den Widerspruch mit folgender Begründung zurück: Zu Unrecht richte sich der Widerspruch gegen die gesonderte Beitragsberechnung für jede einzelne Hausbesorgung, denn die Einzelveranlagung für jede Hausbesorgung sei berechtigt. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Berlin, wonach mehrere Mietgrundstücke eines Eigentümers keinen Gesamtbetrieb bildeten, sondern jedes Grundstück für sich eine wirtschaftlich selbständige und von den anderen Grundstücken unabhängige Betriebseinheit darstelle; jedes Grundstück habe seine eigenen Mieterträge und werde selbständig zu den öffentlichen Abgaben herangezogen. Die Festsetzung des vollen Kopfbeitrages für jede Hausbesorgung sei nach den vom Vorstand beschlossenen Richtlinien für die Beitragsberechnung gerechtfertigt. Die beanstandeten Zahlungsaufforderungen für 1960 und 1961 seien somit sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach berechtigt. Es müsse ferner besonders beachtet werden, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers in seiner Eigenschaft als Verwalter auch anderer Mietgrundstücke nachweisbar Hausverkäufe entweder gar nicht oder nur mit mehrmonatiger Verspätung und jeweils nur nach Erhalt einer Zahlungsaufforderung anzeige. Würden sämtliche Häuser eines Eigentümers gemeinsam erfaßt und nur einmal zur Beitragszahlung veranlagt werden, sei damit zu rechnen, daß mangels rechtzeitiger Benachrichtigung von Eigentumsänderungen der Beitragseinzug erschwert würde.

In der hierauf beim Sozialgericht (SG) Berlin eingereichten Klageschrift vom 28. November 1961 hat der Kläger beantragt, die Zahlungsaufforderung und die Beitragsberechnung für 1961 sowie den Widerspruchsbescheid dahin abzuändern, daß der Kläger für die vier Grundstücke für 1960 insgesamt nur einen Beitrag von 20,- DM und für 1961 an Vorschuß nur einmal 24,- DM zu entrichten habe, und die Beklagte zu verurteilen, die bereits gezahlten Mehrbeträge zurückzuzahlen. Zur Begründung hat der Kläger die Ausführungen in der Widerspruchsschrift wiederholt. Auf die Begründung des Widerspruchsbescheides eingehend hat er ausgeführt, die Beschäftigung der vier Hauswarte sei als einheitlicher Gesamtbetrieb zu behandeln, zumal die Hausverwaltung für alle vier Grundstücke einheitlich geführt werde.

Im Schriftsatz vom 20. Januar 1962 hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers auf die Einwendungen der Beklagten erwidert, die Grundstücke des Klägers stellten wirtschaftlich eine Einheit dar, weil ihre Verwaltung in einer Hand zusammengefaßt sei und ihre Erträge für alle Grundstücke zusammen verwendet würden.

Das SG Berlin hat durch Urteil vom 7. März 1963 die Klage abgewiesen.

Im Tatbestand seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Klagantrag sei "aus den Akten ... dahin zu verstehen, unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 29. Juni 1961 und des Widerspruchsbescheides vom 20. November 1961 die Beklagte zu verurteilen, die Hausbesorgungen der aus dem Schriftsatz des Klägers vom 28. November 1961 ersichtlichen vier Grundstücke unter einer Mitgliedsnummer im Betriebsverzeichnis einzutragen".

Das SG hat sein Urteil damit begründet, daß die vier gemeinsam verwalteten Grundstücke keinen Gesamtbetrieb darstellten, so daß eine Verpflichtung der Beklagten zur Gesamtveranlagung nicht bestehe. Es liege zwar in ihrem Ermessen, eine Gesamtveranlagung auch vorzunehmen, wenn deren Voraussetzungen nicht gegeben seien. Die Beklagte habe aber nicht ermessensfehlerhaft gehandelt, da sie berechtigte Gründe habe, im Falle des Klägers von einer Gesamtveranlagung abzusehen.

Gegen das Urteil des SG hat der Kläger durch seinen Prozeßbevollmächtigten Berufung zum LSG Berlin mit dem Antrag eingelegt, das angefochtene Urteil abzuändern und dem in der ersten Instanz gestellten Klagantrag zu entsprechen. Die Entscheidungsgründe erster Instanz seien nicht überzeugend. Es müsse genügen, daß die Grundstücke des Klägers und deren Erträge einheitlich verwaltet würden. Sei eine Gesamtveranlagung in das Ermessen der Beklagten gestellt, wie das SG annehme, müßten die von der Beklagten angeführten Gründe für die Ausübung ihres Ermessens als fehlerhaft und ihre bisherige Handhabung als nicht haltbar angesehen werden.

In der Niederschrift über die Sitzung des LSG am 31. Januar 1964 ist folgendes vermerkt: Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers habe der Geschäftsstelle, wie sich aus einem Aktenvermerk ergebe, fernmündlich mitgeteilt, daß er zum Verhandlungstermin nicht erscheinen könne; er habe beantragt, nach Lage der Akten zu entscheiden. Der erschienene Vertreter der Beklagten habe diesem Antrag zugestimmt. Daraufhin habe das Gericht Beschluß verkündet, nach Lage der Akten zu entscheiden. Diese Niederschrift ist vom Vorsitzenden des Senats und vom Schriftführer unterschrieben. Darunter befindet sich ein Vermerk folgenden Inhalts:

"Nach der Beratung wurde folgender Urteilstenor festgelegt:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. März 1963 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen."

Dieser Vermerk ist von den fünf Richtern des Berufungsgerichts, die in der Streitsache des Klägers das Urteil gefällt haben, unterschrieben.

Das Urteil des Berufungsgerichts ist mit einer Urteilsformel obigen Inhalts den Beteiligten zugestellt worden. In den Entscheidungsgründen hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Es habe bereits im Urteil vom 5. November 1959 in einer gleichgelagerten Sache entschieden, bei Prüfung des geltend gemachten Anspruchs auf Eintragung sämtlicher Mietgrundstücke eines Hauseigentümers unter einer Nummer im Betriebsverzeichnis des beklagten Unfallversicherungsträgers und dementsprechend einheitlicher Gesamtveranlagung zur Beitragsentrichtung sei davon auszugehen, daß die gesetzliche Unfallversicherung keine Personen-, sondern eine Betriebsversicherung sei. Die Versicherungspflicht eines Betriebes sei deshalb von der Person des Unternehmers unabhängig. Die Zusammenfassung mehrerer Betriebe in der Hand eines Unternehmers stehe somit der Erfassung jedes einzelnen Betriebes unter einer besonderen Nummer im Betriebsverzeichnis des zuständigen Unfallversicherungsträgers nicht entgegen. Die Eintragung mehrerer Betriebe desselben Unternehmers unter einer Nummer und dementsprechend eine Gesamtveranlagung sei nur gerechtfertigt, wenn die einzelnen Betriebe einen einheitlichen Gesamtbetrieb in dem Sinne bildeten, daß der eine Betrieb den Zwecken des anderen diene. Die Grundstücke des Klägers stellten jedoch keinen Gesamtbetrieb dar, sondern seien jedes für sich eine wirtschaftlich selbständige Einheit. Jedes Grundstück habe seine eigenen Mieterträge und werde selbständig zur Grundsteuer sowie zu den übrigen öffentlichen Abgaben, die sich aus dem Einheitswert oder der Größe des einzelnen Grundstücks ergäben, herangezogen. Die Verwaltung aller Grundstücke nach einheitlichen Gesichtspunkten durch einen Verwalter nehme den Grundstücken nicht ihre wirtschaftliche Selbständigkeit. Die Einheitlichkeit der Leitung bilde kein Kriterium für das Vorliegen eines Gesamtbetriebes. Dem stehe nicht entgegen, daß die aus einem Grundstück erzielten Überschüsse für Instandsetzungsarbeiten an einem anderen, weniger ertragreichen Grundstück verwendet würden. Ein Gesamtbetrieb liege nur vor, wenn außer einer zentralen Leitung die einzelnen Betriebe einander benachbart seien und zwischen ihnen mit gewisser Regelmäßigkeit ein Austausch von Arbeitskräften stattfinde. All dies treffe vorliegendenfalls nicht zu. Die Beklagte sei deshalb zu einer Gesamtveranlagung der Grundstücke des Klägers nicht verpflichtet. Dies schließe allerdings nicht aus, daß die Beklagte im Einzelfall eine Gesamtveranlagung vornehme. Doch liege dies in ihrem Ermessen. Die Beklagte habe indessen nicht ermessensmißbräuchlich gehandelt. Der von ihr angeführte verwaltungstechnische Grund, bei einer Gesamtveranlagung sei nicht gewährleistet, daß sie von Eigentumsänderungen der Grundstücke in angemessener Zeit erfahre, sei durchaus vertretbar. Der Einwand des Klägers, ein beitragspflichtiger Eigentümer werde bei einer Gesamtveranlagung von sich aus Wert darauf legen, bei Veräußerung eines Grundstücks seiner Beitragspflicht ledig zu werden, und die Beklagte deshalb davon verständigen, sei nicht stichhaltig, denn bei einer Gesamtveranlagung trete in diesem Falle gerade keine Änderung der Beitragspflicht ein. Es sei auch nicht vertretbar, einen Eigentümer mit mehreren Grundstücken in der Beitragsbelastung günstiger zu stellen als den - wirtschaftlich schwächeren - Eigentümer eines einzigen Grundstücks.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat Revision eingelegt und diese durch seinen Prozeßbevollmächtigten im wesentlichen wie folgt begründet: Er betrachte seinen Grundbesitz als wirtschaftliche Einheit, die einheitlich verwaltet werde. Darauf, ob zwischen den in den einzelnen Häusern beschäftigten Arbeitskräften ein Austausch stattfinde, könne es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht ankommen, denn für den Ertrag aus Mietshausbesitz sei das Vorhandensein von Arbeitskräften unwesentlich. Dem Hauswart obliege nur die Reinigung des Treppenhauses und der Hoffläche, das Aus- und Einschalten der Treppenbeleuchtung sowie das Öffnen und Abschließen der Haustür zur Morgen- und Abendzeit. Manches Haus sei aus Mangel an Arbeitskräften zeitweise sogar ohne Hauswart. Die Beklagte gestehe selbst zu, daß sie nach ihrem freien Ermessen darüber befinde, ob sie eine Gesamtveranlagung durchführe. Das Berufungsgericht habe den von der Beklagten insoweit geübten Ermessensmißbrauch zu Unrecht verneint. Insbesondere sei eine völlige Gleichbehandlung von Hauseigentümern nie gewährleistet, denn der Eigentümer eines einzigen kleinen Grundstücks müsse ebenso den Mindestbeitrag zahlen wie der Eigentümer eines größeren Grundstücks.

Die Beklagte hat auf die Revision wie folgt erwidert: Es sei nicht zweifelsfrei, ob das mit der Revision angefochtene Urteil des Berufungsgerichts als existent anzusehen sei, denn das Urteil sei, wie sich aus der Sitzungsniederschrift ergebe, nicht verkündet worden. Die Beteiligten hätten aber nicht Antrag nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gestellt, sondern beantragt, daß nach Lage der Akten entschieden werden solle. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts liege es nicht im Ermessen der Beklagten, ob sie die verschiedenen Grundstücke des Klägers als Gesamtbetrieb ansehen wolle. Es komme vielmehr auf die tatsächlichen Verhältnisse und die darin verkörperte rechtliche Stellung des Unternehmers an. Ein Gesamtunternehmen liege nicht vor, weil zwischen den einzelnen Grundstücken des Klägers ein örtlicher Zusammenhang nicht gegeben sei und auch kein regelmäßiger Austausch von Arbeitskräften stattfinde. Die vom Kläger begehrte Gesamtveranlagung würde sich für die Bezirksverwaltung Berlin der Beklagten außerordentlich unbillig und ungerecht auswirken, denn angesichts der geringen in Berlin an Hausbesorger gezahlten Löhne brauchte der Kläger in einem solchen Fall nur einen Mindestbeitrag zu bezahlen; ein Hauseigentümer mit nur einem Grundstück und folglich nur einer Hausbesorgung würde demgegenüber erheblich schlechter gestellt.

Der Kläger hat darauf entgegnet, diese Ungleichheit sei darauf zurückzuführen, daß nach der Beitragsregelung der Beklagten nicht die Höhe des an den Hauswart gezahlten Lohnes maßgebend sei, die Beitragsbemessung vielmehr nach einem Mindestsatz erfolge.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG dahin abzuändern, daß dem in der Berufungsinstanz gestellten Antrag stattgegeben wird.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II

Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung entschieden; die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 SGG liegen vor.

Die Revision ist entgegen der Ansicht der Beklagten zulässig, denn sie richtet sich gegen ein rechtswirksam erlassenes Urteil des Berufungsgerichts. Dieses hat zwar, wie sich aus der Niederschrift über die Sitzung vom 31. Januar 1964 sowie aus dem Kopf des an diesem Tag vom LSG gefällten Urteils ergibt, in der Streitsache des Klägers nach Lage der Akten entscheiden wollen. Einen nach § 126 SGG hierzu erforderlichen Antrag hätte indessen nur der vor dem LSG allein erschienene Vertreter der Beklagten stellen können. Dieser hat jedoch - entgegen der Annahme des LSG - einen solchen Antrag nicht gestellt. Wohl hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers dem LSG mitgeteilt, daß er zum Verhandlungstermin nicht erscheinen werde, und gleichzeitig beantragt, "nach Aktenlage" zu entscheiden. Wie sich aus § 126 SGG ergibt, war der Prozeßbevollmächtigte des Klägers zu einem solchen Antrag aber nicht befugt. Der von ihm gestellte Antrag ist sinngemäß dahin auszulegen, das LSG möge durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. Brackmann Handbuch der Sozialversicherung, Stand 15.6.1966, Band I, S. 237, 238 mit Nachweisen). Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat seinen Antrag zwar nicht schriftlich gestellt; es muß aber als genügend angesehen werden, daß die Geschäftsstelle des LSG seinen fernmündlich gestellten Antrag entgegengenommen und ihn - wenn auch nicht in einer ihrem prozessualen Zweck gerecht werdenden Fassung - schriftlich niedergelegt hat (vgl. Brackmann, aaO, S. 236 x). Wie sich aus der Sitzungsniederschrift des Berufungsgerichts ergibt, hat der zur Sitzung erschienene Vertreter der Beklagten, ohne in der Sache zu verhandeln, jenem Antrag des Prozeßbevollmächtigten des Klägers zugestimmt. Das LSG hat deshalb durch Urteil ohne mündliche Verhandlung, wie es auch verfahren hat, entscheiden können. Das von ihm gefällte Urteil ist durch Zustellung rechtswirksam geworden (§ 133 Satz 1 SGG).

Die sonach zulässige Revision ist aber nicht begründet.

Das vorliegende, nunmehr in der Revisionsinstanz anhängige Verfahren hat damit begonnen, daß der Kläger gegen die vier Beitragsbescheide der Beklagten vom 29. Juni 1961 Widerspruch mit der Begründung erhoben hat, er sehe es als rechtens an, für die vier von ihm in seinen Mietgrundstücken beschäftigten Hauswarte für das Jahr 1961 insgesamt nur einen Mindestbeitrag von 20,- DM und nicht für jeden dieser Hauswarte 20,- DM Jahresbeitrag zahlen müssen, weil deren Arbeitsleistung von so geringem Umfang sei, daß - ihre Arbeitsstunden zusammengerechnet - sich nicht einmal die Leistung einer vollen Arbeitskraft ergebe. Dieses Vorbringen hat die Beklagte indessen mit Recht als nicht geeignet angesehen, die Rechtswidrigkeit ihrer Beitragsbescheide darzutun. Die Beklagte ist davon ausgegangen, daß der Kläger im Jahre 1961 als Unternehmer von vier selbständigen Unternehmen insgesamt viermal in ihrem Unternehmerverzeichnis eingetragen gewesen ist und sich daraus zwangsläufig seine viermalige Heranziehung zur Beitragsleistung in diesem Jahr ergibt. Liegen katasterrechtlich vier selbständige Unternehmen des Klägers vor, beschäftigt also jedes Unternehmen des Klägers je einen Hauswart, ist, wie die Beklagte zutreffend angenommen hat, für die Beitragspflicht des Klägers nicht entscheidend, daß die von ihm beschäftigten Hauswarte nicht ganztägig arbeiten. Für den Kläger wirkt sich diese Tatsache deshalb nachteilig aus, weil - wogegen der Kläger sich nicht wendet - die Beklagte von der gesetzlichen Möglichkeit (§ 734 Abs. 2 Halbs. 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO - in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes - RVO aF; § 728 Abs. 2 RVO nF -) Gebrauch gemacht hat, die Beiträge nicht nach dem Entgelt der in dem Unternehmen beschäftigten Versicherten, sondern nach der Zahl der Versicherten zu erheben und sie außerdem, was das Gesetz ebenfalls zuläßt (§ 734 Abs. 1 Satz 1 RVO aF, § 728 Abs. 1 RVO nF), für jedes Unternehmen des Klägers einen einheitlichen Mindestbeitrag fordert (vgl. § 16 der im Jahre 1961 geltenden Satzung der Beklagten).

Nachdem die Beklagte im Widerspruchsbescheid darauf hingewiesen hatte, daß nach ihrer - wie sie meint, durch die Rechtsprechung bestätigten - Handhabung mehrere Mietgrundstücke eines Hauseigentümers als jeweils selbständige Unternehmen angesehen werden, hat der Kläger zur Begründung seiner Klage - unter Wiederholung seines Widerspruchsvorbringens - zusätzlich geltend gemacht, daß die ihm gehörenden Mietshäuser wirtschaftlich eine Einheit bildeten und deshalb von der Beklagten im Rahmen der Beitragserhebung als nur ein Unternehmen behandelt werden müßten. Mit dieser - seitdem vom Kläger in allen Rechtszügen wiederholten und auch von den Vorinstanzen zur Grundlage ihrer Entscheidungen gemachten - Begründung können jedoch die Beitragsbescheide der Beklagten nicht rechtswirksam angegriffen werden. Nach § 758 Abs. 2 RVO aF war die Beitragsfestsetzung nur unter bestimmten, im Gesetz aufgeführten Voraussetzungen anfechtbar. Ob diese Einschränkung der Anfechtungsgründe seit dem Inkrafttreten des SGG noch rechtswirksam gewesen ist, bedarf vorliegendenfalls keiner Entscheidung. Jedenfalls können im Beitragsstreit nicht Umstände geltend gemacht werden, welche die Eintragungen im Unternehmerverzeichnis (§ 658 RVO aF, § 664 RVO nF) grundlegend berühren und - würden sie zutreffen - die Beklagte veranlassen müßten, ihre Eintragungen im Unternehmerverzeichnis hinsichtlich des Klägers dahin zu ändern, daß dieser nur als Unternehmer eines einzigen Unternehmens in das Verzeichnis einzutragen wäre, ein Umstand, der sich zwangsläufig auf die Beitragsverpflichtung des Klägers zu dessen Gunsten auswirken würde (EuM 18, 219; 45, 168, 171; RVO-Mitglieder-Kommentar, 2. Aufl., 1930, Anm. 2 d zu § 670 RVO). Dies macht auch § 746 RVO nF deutlich, indem er vorschreibt, daß der Beitragsbescheid die Angaben enthalten muß, nach denen der Beitragsschuldner die "Berechnung" der Beiträge und der Beitragsvorschüsse prüfen kann. Die Frage, ob jemand nur ein oder mehrere selbständige Unternehmen betreibt, bildet dagegen die Rechtsgrundlage für die Mitgliedschaft des Unternehmers - nicht des Unternehmens (Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 4 c zu § 663 RVO) - zu einem bestimmten Unfallversicherungsträger (§ 649 RVO aF; § 658 RVO nF); davon hängt es ab, ob der Unternehmer als Inhaber mehrerer selbständiger Unternehmen im Unternehmerverzeichnis mehrfach, nämlich unter verschiedenen Nummern aufgeführt ist, auch wenn ihm nur ein Mitgliedsschein (§ 659 RVO aF, § 664 RVO nF) ausgestellt wird (Handbuch der Unfallversicherung, Band I, S. 342; Krohn, BG 1951, S. 227, 228; Lauterbach aaO, Anm. 7 b zu § 664 RVO). Dies ist aber vom Versicherungsträger in einem besonderen Verfahren zu prüfen (§§ 657 ff RVO aF, §§ 663 ff RVO nF). Die Prüfung endet mit der Aufnahme des Unternehmers in das vom Unfallversicherungsträger zu führende Unternehmerverzeichnis oder der förmlichen Ablehnung einer begehrten Aufnahme (§ 659 RVO aF, § 664 RVO nF). Sie kann aber auch dazu führen, daß ein in dieses Verzeichnis bereits aufgenommener Unternehmer, sei es auf Antrag oder von Amts wegen, gelöscht wird (§§ 670 ff RVO aF, §§ 667 ff RVO nF). Die mit einer Löschung verbundenen - auch die Beitragspflicht des Unternehmers berührenden - Rechtswirkungen treten aber nicht ohne weiteres mit dem Tage ein, an dem die diesem Rechtsvorgang zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse vorgelegen oder sich geändert haben; das Gesetz (§ 671 RVO aF, § 668 RVO nF) läßt vielmehr insoweit eine andere Regelung gelten.

Der Umstand, daß die Eintragung eines Unternehmers in das Unternehmerverzeichnis eines Unfallversicherungsträgers zugleich die Grundlage für seine Beitragspflicht - im Falle des Klägers im Jahre 1961 als eingetragener Unternehmer von vier selbständigen Unternehmen: vermehrter Beitragsverpflichtungen - bildet, ist für sich allein also nicht geeignet, im Rahmen eines Beitragsstreits Einwendungen zu erheben, für deren Nachprüfung im Gesetz ein besonderes Verfahren (§§ 664 ff RVO aF, §§ 665 ff RVO nF) vorgesehen ist. Zwar beginnt die Mitgliedschaft eines Unternehmers bei dem für ihn sachlich zuständigen Versicherungsträger ohne Rücksicht darauf, ob er sein Unternehmen bei diesem angemeldet hat und in deren Unternehmerverzeichnis eingetragen ist (materielles Mitgliedschaftsverhältnis). Andererseits äußert ein durch Aufnahme in ein solches Verzeichnis entstandenes - formelles - Mitgliedschaftsverhältnis auch Rechtswirkungen, wenn in Wirklichkeit kein Unternehmen vorliegt oder - worauf es im Fall des Klägers ankommt - statt mehreren als selbständig angesehenen Unternehmen tatsächlich nur ein einziges Unternehmen vorhanden ist. Nach der Rechtsprechung des Senats (BSG 15, 282, 287 ff) ist es zwar Aufgabe der Unfallversicherungsträger, dahin zu wirken, daß materielles und formelles Mitgliedschaftsverhältnis sich decken. Solange dies aber nicht der Fall ist, hat ein - entgegen der wahren Rechtslage - erlassener Verwaltungsakt, durch den jemand in das Unternehmerverzeichnis aufgenommen worden ist, Rechtswirkungen erzeugt, die nicht einfach übergangen, sondern erst durch Aufhebung oder Änderung dieses Verwaltungsakts in dem hierfür nach dem Gesetz bestimmten Verfahren beseitigt werden können. Dies bedeutet im Falle des Klägers, daß die Beklagte im Jahre 1961 zur viermaligen Forderung der Beiträge und Beitragsvorschüsse berechtigt war, weil der Kläger seinerzeit als Unternehmer von vier selbständigen Unternehmen in ihr Unternehmerverzeichnis eingetragen gewesen ist.

Die Vorinstanzen sind zwar der Meinung, daß die Beklagte ungeachtet dieses Umstandes nach ihrem Ermessen berechtigt gewesen wäre, beim Kläger eine "Gesamtveranlagung" mit der Folge vorzunehmen, daß er nur je einen Beitrag und Beitragsvorschuß hätte zu entrichten brauchen. Dem steht jedoch entgegen, daß kraft Gesetzes jedes von einem Unternehmer betriebene Unternehmen seine Mitgliedschaft zu einem Unfallversicherungsträger begründet und deshalb der Unternehmer, getrennt nach jedem von ihm selbständig betriebenen Unternehmen, beitragspflichtig ist, gleichgültig, ob er wegen der einzelnen Unternehmen nur einer Berufsgenossenschaft oder - wegen der unterschiedlichen gewerblichen Art der Unternehmen - verschiedenen Unfallversicherungsträgern als Mitglied angehört.

Das SG und ihm folgend das LSG haben den Klagantrag - über die in der Klageschrift gebrauchte Antragsfassung hinaus - allerdings dahin ausgelegt, daß der Kläger nicht nur die Aufhebung (in Wirklichkeit wohl Änderung) der Beitragsbescheide vom 29. Juni 1961 und des Widerspruchsbescheides vom 20. November 1961, sondern außerdem - im Wege der Klagenhäufung - begehre, daß die Hausbesorgungen seiner vier Grundstücke nur unter einer Mitgliedsnummer im Unternehmerverzeichnis einzutragen seien. Durch einen solchen Antrag wäre der Rechtsstreit jedoch - über einen dem Widerspruchsbescheid ersichtlich allein zugrunde liegenden Beitragsstreit hinaus - auf einen Katasterstreit dahin ausgedehnt worden, daß der Kläger seine teilweise Löschung im Unternehmerverzeichnis der Beklagten mit dem Ziel fordert, nur einmal, nämlich als Unternehmer eines einzigen Unternehmens, in dieses Verzeichnis eingetragen zu sein. Beitragsstreit und Katasterstreit können - im Falle des Klägers - jedoch nicht in der selben Klageart durchgeführt werden. Das Beitragsstreitverfahren hat im Wege einer Anfechtungsklage (Änderungsklage), der Katasterstreit hätte dagegen im Rahmen einer zusammengefaßten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu erfolgen. Diese Klage würde - ebenso wie der Beitragsstreit - voraussetzen, daß ihr ein Verwaltungsverfahren vorangegangen ist. Es liegt aber weder ein Erstbescheid noch ein Widerspruchsbescheid (§ 79 Nr. 2 SGG) der Beklagten über eine vom Kläger etwa beantragte teilweise Löschung im Unternehmerverzeichnis oder eine von Amts wegen durchgeführte Prüfung dieser Frage (§ 671 Abs. 1 RVO aF, § 667 Abs. 2 Satz 2 RVO nF) vor. Die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 20. November 1961 lassen nicht erkennen, daß die Beklagte hier von Amts wegen die Frage einer teilweisen Löschung des Klägers im Unternehmerverzeichnis geprüft und diese abgelehnt hat. Die Beklagte hat in diesem Bescheid den Kläger unter Hinweis auf die Rechtsprechung des LSG Berlin lediglich darauf aufmerksam gemacht, daß mehrere Grundstücke eines Hauseigentümers nicht ein Gesamtunternehmen, sondern selbständige Unternehmen darstellten. Sie hat damit ersichtlich in Bezug auf jene Rechtsfrage nicht ein einzelnes strittiges Rechtsverhältnis neu geregelt (Brackmann, aaO, S. 232 d mit Nachweisen). Dazu ist sie gar nicht imstande gewesen, weil die möglicherweise ein Löschungsbegehren begründenden Tatumstände ihr erst durch das Klagevorbringen, also nach Erlaß des Widerspruchsbescheides, bekannt geworden sind. Der Widerspruchsbescheid nimmt auch nur dazu Stellung, ob die Mietgrundstücke des Klägers ein "Gesamtunternehmen" bilden. Diese Frage stellt sich hier aber gar nicht, denn bei den Mietgrundstücken des Klägers handelt es sich nicht um Unternehmen unterschiedlicher Art oder Zwecksetzung, welche, wären sie nicht Bestandteil eines Hauptunternehmens, an sich die Mitgliedschaft des Unternehmers bei verschiedenen Unfallversicherungsträgern begründen würden (§ 631 RVO aF, § 647 RVO nF). Der Kläger macht vielmehr geltend, er betreibe nur ein aus mehreren Unternehmenseinheiten bestehendes Unternehmen (vgl. hierzu Lauterbach, aaO, Anm. 3 c zu § 643 RVO nF).

Die Beklagte hat, wie sich ua aus ihrem Festhalten am Begriff des "Gesamtunternehmens" ergibt, auch nicht während des Rechtsstreits vor den Vorinstanzen durch eine ihrer Prozeßäußerungen zugleich einen katasterrechtlichen Verwaltungsakt gesetzt (vgl. BSG 10, 218, 221). Es braucht deshalb nicht entschieden zu werden, ob in einer vorverfahrenspflichtigen Streitsache, in der - wie hier - die Voraussetzungen des § 96 SGG nicht vorliegen, der Erlaß eines Widerspruchsbescheides durch die dafür zuständige Stelle erforderlich, somit eine ohne ein solches Vorverfahren durchgeführte Klage nicht zulässig ist (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl., Stand Juli 1967, Anm. 1 d - am Ende des ersten Absatzes - zu § 96 SGG).

Soweit die Vorinstanzen das Begehren des Klägers als Klage auf teilweise Löschung im Unternehmerverzeichnis angesehen haben, muß diesem Begehren somit schon deshalb der Erfolg versagt bleiben, weil es insoweit an den erforderlichen Verwaltungsakten der Beklagten fehlt. Die angefochtenen Beitragsbescheide der Beklagten - in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. November 1961 - sind indessen, da die von der Revision hiergegen erhobenen Einwendungen nicht begründet sind, rechtmäßig.

Die Revision war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2365138

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