Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 20.05.1976; Aktenzeichen L 5 K 35/75)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. Mai 1976 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen wird.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Unter den Beteiligten ist streitig, ob der beklagte Landkreis durch sein Versicherungsamt zu Recht die Durchführung eines Vorstandsbeschlusses der klagenden Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) über die Gewährung eines Urlaubsgeldes an ihre Dienstordnungs(DO)-Angestellten untersagt hat.

Der Vorstand der Klägerin beschloß am 18. Mai 1973, durch den Vorstandsvorsitzenden zugunsten der Bediensteten der AOK (ausgenommen die DO-Angestellten) mit Wirkung ab 1. Januar 1973 einen Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld in Höhe von 25,– DM für jeden Normalurlaubstag abzuschließen und den DO-Angestellten ab dem Jahre 1973 eine Zuwendung nach der Formel „Normalurlaubstage des Jahres × 25,– DM” zu gewähren. Der Beklagte erachtete die durch die DO nicht gedeckte Zuwendung für unzulässig und ordnete gemäß § 30 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) mit Schreiben vom 15. Oktober 1973 an:

  1. „Die Zahlung einer Zuwendung (Urlaubsgeld) an die DO-Angestellten gemäß Vorstandsbeschluß vom 18. Mai 1973 wird untersagt.
  2. Eventuell bereits gezahlte Beträge sind zurückzufordern.”

Die AOK begehrte mit der Klage die Aufhebung der Aufsichtsanordnung sowie die Feststellung der Rechtmäßigkeit ihres Vorstandsbeschlusses, weil der Beklagte den Tarifvertrag über die Gewährung von Urlaubsgeld in Höhe von 25,– DM für jeden Normalurlaubstag nicht beanstandet habe, die DO der Gewährung einer gleichen Leistung an die DO-Angestellten nicht entgegenstehe, Vorschriften über Urlaubsgeld für Landesbeamte nicht bestünden und der beanstandete Beschluß haushaltsmäßig abgesichert worden sei. Somit fehle ein nach § 355 Abs. 2 RVO als Voraussetzung der Beanstandung zu fordernder wichtiger Grund. Das Sozialgericht (SG) Speyer wies die Klage ab (Urteil vom 6. November 1975). Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat die Berufung durch Urteil vom 20. Mai 1976 zurückgewiesen und die Auffassung des SG bestätigt, die Gewährung eines regelmäßigen, jährlich wiederkehrenden Urlaubsgeldes könne nicht durch Vorstandsbeschluß geregelt werden, sondern bedürfe auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der Aufnahme in die DO. Auf das 2. Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern komme es deshalb hier nicht an.

Mit der zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, die angefochtene Aufsichtsanordnung überschreite die der Aufsichtsbehörde in den §§ 30 und 377 Abs. 1 der RVO eingeräumten Befugnisse einer Rechtskontrolle. Wie das BSG wiederholt bestätigt habe, umfasse der Besoldungsplan als Bestandteil der DO nur die regelmäßig wiederkehrenden Bezüge. Deshalb bedürfe das hier zu beurteilende Urlaubsgeld als einmalige Leistung so wenig der Aufnahme in die DO, wie nach der Rechtsprechung des BSG die nur für das jeweilige Jahr beschlossene Weihnachtszuwendung. Aus der Formulierung, das Urlaubsgeld „ab” 1973 zu gewähren, sei nicht auf eine regelmäßig wiederkehrende Zahlung zu schließen. Denn „ab” 1973 sei die Sonderleistung auch beschlossen, wenn die Entscheidung über ihre Aufrechterhaltung von Jahr zu Jahr erneut zu treffen war. Davon sei der Vorstand der Klägerin schon deshalb ausgegangen, weil die haushaltsmäßige Bereitstellung der erforderlichen Mittel von Jahr zu Jahr erfolgen müsse. Auch wegen der damals bestehenden Unsicherheit, ob sich die Urlaubsgeldgewährung im öffentlichen Dienst durchsetzen werde, sei es unzweckmäßig gewesen, eine auf Dauer angelegte Regelung in der DO zu treffen. Der beanstandete Vorstandsbeschluß über eine von Jahr zu Jahr zu regelnde einmalige Sonderzuwendung habe mithin keiner Festlegung in der DO bedurft und sei vom Beklagten nur auf Ermessensfehlgebrauch zu prüfen gewesen. Insoweit ergäben die Niederschriften über die Vorstandssitzung vom 18. Mai 1973 und die Sitzung der Vertreterversammlung vom 25. Mai 1973 jedoch sachgerechte Erwägungen. Dem 2. Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern komme für den Rechtsstreit keine Bedeutung zu, weil nicht angenommen werden könne, daß es sich in den darin enthaltenen Regelungen um bereits im Jahre 1973 allgemein anerkannte Grundsätze handele.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 20. Mai 1976 und des SG Speyer vom 6. November 1975 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. Oktober 1973 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.

Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Aufsichtsanordnung hätte die Klägerin, wenn die Beklagte dabei die Grenzen ihres Aufsichtsrechts überschritten hätte. Das trifft indes nicht zu. Das Aufsichtsrecht der Versicherungsbehörden erstreckt sieh nach dem bei Erlaß der Aufsichtsanordnung vom 15. Oktober 1973 noch maßgebenden § 30 Abs. 1 der RVO darauf, daß Gesetz und Satzung beachtet werden (nunmehr nach § 87 Abs. 1 SGB IV darauf, daß Gesetz und sonstiges für die Versicherungsträger maßgebendes Recht beachtet werden). Die Grenzen dieses Aufsichtsrechts hat der Beklagte nicht überschritten.

Für die von den Krankenkassen besoldeten Angestellten, die nicht nach Landesrecht staatliche oder gemeindliche Beamte sind, wird nach § 351 Abs. 1 RVO eine DO aufgestellt. Diese regelt die Rechts- und die allgemeinen Dienstverhältnisse der Angestellten (§ 352 RVO) und enthält einen Besoldungsplan (§ 353 Abs. 1 RVO). Die Klägerin ist somit verpflichtet, die Rechts- und die allgemeinen Dienstverhältnisse der Angestellten in der DO zu regeln. Dazu gehört ua der Urlaubsanspruch der DO-Angestellten (vgl. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: Januar 1978, Anm. 2 zu § 352). Ansprüche, die an diesen in der DO zu regelnden Anspruch anknüpfen, können grundsätzlich nicht anders behandelt werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn es sich um abstrakt-generelle Regelungen ohne zeitliche Begrenzung und nicht etwa nur um einmalige Leistungen für einen feststehenden konkreten Personenkreis handelt. Das letzteres auf den hier beanstandeten Vorstandsbeschluß zutrifft, haben die Beklagte und die Vorinstanzen zu Recht verneint.

Dafür spricht in erster Linie die der Niederschrift über die Vorstandsbeschlüsse vom 18. Mai 1973 zu entnehmende Absicht, den nicht der DO unterliegenden Bediensteten durch Abschluß eines entsprechenden Tarifvertrages den Anspruch auf Urlaubsgeld einzuräumen und, wie die Klägerin betont, zur Gleichbehandlung aller Angestellten auch den DO-Angestellten diese Leistungen zu gewähren. Die durch Tarifvertrag vereinbarten Leistungen sind nämlich in aller Regel auf Wiederkehr angelegt; sie eröffnen Leistungsansprüche bis zur Änderung des Tarifvertrages, die regelmäßig nur die Höhe der zu gewährenden Leistungen, nicht aber ihren Abbau betrifft. Gerade bei der von der Klägerin beabsichtigten Gleichbehandlung aller Bediensteten fehlt im Vorstandsbeschluß zum Tarifvertragsabschluß jeder Anhalt dafür, daß das Urlaubsgeld nur mit der ausdrücklichen zeitlichen Begrenzung auf das Jahr 1973 vereinbart werden sollte.

Aber auch der Wortlaut des Vorstandsbeschlusses deutet auf die Gewährung wiederkehrender Leistungen hin. Denn der Vorstand der Klägerin hat beschlossen, „den DO-Angestellten ab dem Jahre 1973 vor Weihnachten, zahlbar im November, eine Zuwendung, die sich nach der Formel Normalurlaubstage des Jahres × 25,– DM errechnet, zu gewähren”. Dabei deuten die Worte „ab dem Jahre 1973” darauf hin, daß eine in jedem Jahre wiederkehrende Leistung eingeführt werden sollte. Denn andernfalls wäre die Verwendung der Worte „für das Jahr 1973” zu erwarten gewesen. Schließlich spricht die Tatsache, daß die Gewährung des Urlaubsgeldes an die DO-Angestellten nicht auf die Normalurlaubstage des Jahres 1973 bezogen worden ist, sondern schlechthin auf die „Normalurlaubstage des Jahres”, gegen die Gewährung eines Urlaubsgeldes nur für 1973 und für die Einführung einer zeitlich unbegrenzten Leistung.

Waren somit nach Wortlaut und Sinn des Vorstandsbeschlusses vom 18. Mai 1973 mit der Gewährung des Urlaubsgeldes ab 1973 jährlich wiederkehrende Leistungen beabsichtigt, so handelte es sich um eine abstrakt-generelle Regelung der Rechts- und allgemeinen Dienstverhältnisse der Angestellten, die gemäß § 352 RVO in die DO aufzunehmen war.

Demgegenüber vermag die Klägerin nicht überzeugend darzutun, daß die Zuwendung schon deshalb nur eine einmalige Leistung sein sollte, weil die Bereitstellung der für das Urlaubsgeld erforderlichen Mittel für jedes Jahr gesondert von der Vertreterversammlung habe bewilligt werden müssen. Denn die haushaltsmäßige Bereitstellung der erforderlichen Mittel hat für alle Verbindlichkeiten des Versicherungsträgers ohne Unterschied darauf zu erfolgen, ob daraus wiederkehrende oder auf ein Jahr beschränkte Ausgaben erwachsen (vgl. nunmehr §§ 67 bis 70 SGB IV). Anspruchsbegründende Wirkung kommt dem Haushaltsplan nicht zu (vgl. § 68 Abs. 2 SGB IV); diese Wirkung geht vielmehr, was die Besoldung der DO-Angestellten anlangt, entweder – für wiederkehrende Leistungen – von der Regelung in der DO oder – für einmalige Leistungen – vom Vorstandsbeschluß aus. Darauf hat nach der Niederschrift über die Beschlüsse der Vertreterversammlung der Klägerin vom 25. Mai 1973 deren stellvertretender Geschäftsführer in der Diskussion über die Höhe des Urlaubsgeldes zutreffend hingewiesen. Die Tatsache, daß die für das Urlaubsgeld erforderlichen Mittel durch Beschluß der Vertreterversammlung bereitzustellen waren, bietet somit keinen Anhalt dafür, daß es sich nur um eine einmalige Leistung handeln sollte.

Dem steht die Rechtsprechung des BSG zur Gewährung von Weihnachtsgeld nicht entgegen. Schon im Urteil vom 4. Dezember 1958 (BSGE 8, 291, 298) hat das BSG im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts die Bewilligung von Weihnachtsgratifikationen als regelmäßig wiederkehrende Bezüge für regelungspflichtig im Besoldungsplan der DO erachtet. Nur dieser Grundsatz hat es erlaubt, in dem dort entschiedenen Einzelfall die Bewilligung der Weihnachtsgratifikation für ein bestimmtes Jahr ohne Aufnahme in den Besoldungsplan der DO durch bloßen Vorstandsbeschluß mit der Begründung für zulässig zu erklären, die Zuwendung sei keine wiederkehrende Leistung. Dem entsprach der vom BSG im Urteil vom 31. Juli 1970 (BSGE 31, 247) entschiedene Fall. Auch dort bezog sich der Vorstandsbeschluß auf eine einmalige Zuwendung. Der genannte Grundsatz ist auch in dem durch Urteil des BSG vom 24. Mai 1973 entschiedenen Fall einer Urlaubsabgeltung (BSGE 36, 12) nicht in Frage gestellt worden. Dort war die Urlaubsabgeltung in dem konkreten Einzelfall eines Geschäftsführers zu regeln. Zu beurteilen war nicht eine ihrer abstrakt-generellen Natur nach wiederkehrende Leistung, sondern vielmehr eine in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren erfolgte Entschädigung für aus dienstlichen Gründen nicht realisierte Urlaubsansprüche des Geschäftsführers. Solche aus konkretem Anlaß im speziellen Einzelfall zugebilligten Ersatzleistungen gehören aber nicht zu den regelmäßig an DO-Angestellte zu erbringenden wiederkehrenden Leistungen und bedürfen deshalb nicht der Aufnahme in den Besoldungsplan der DO. Der hier zu entscheidende Fall des jährlich wiederkehrenden Urlaubsgeldes für alle DO-Angestellten ist damit nicht zu vergleichen. Der Anspruch auf diese wiederkehrende Leistung kann vielmehr nach dem Willen des Gesetzgebers nur durch Aufnahme in den Besoldungsplan der DO rechtswirksam begründet werden.

Nach alledem verstößt der Beschluß des Vorstandes der Klägerin vom 18. Mai 1973, ein Urlaubsgeld an die DO-Angestellten der Klägerin ab 1973 zu gewähren gegen § 352 RVO, weil die Gewährung einer wiederkehrenden allgemeinen Sonderzuwendung in der DO zu regeln war (vgl. hierzu auch Kastner-Immand, Das Personalrecht der Krankenkassen Stand: Juli 1977, Anm. 1 zu § 352 RVO); sie ist deshalb von der beklagten Aufsichtsbehörde gemäß § 30 Abs. 1 RVO (vgl. nunmehr § 87 Abs. 1 SGB IV) zu Recht als gesetzwidrig beanstandet worden. Damit ist die von der Klägerin in erster Linie erhobene Anfechtungsklage unbegründet. Soweit die Klägerin darüber hinaus noch begehrt hat, die Rechtmäßigkeit des beanstandeten Vorstandsbeschlusses festzustellen (vgl. hierzu den in erster Instanz gestellten Antrag, über den nicht ausdrücklich befunden worden ist), fehlt der damit erhobenen Feststellungsklage das Rechtsschutzbedürfnis. Denn im Falle der Aufhebung der angefochtenen Aufsichtsanordnung hätte es zur Rechtswirksamkeit des beanstandeten Vorstandsbeschlusses nicht der Feststellung seiner Rechtmäßigkeit bedurft. Die Revision der Klägerin ist daher gemäß § 170 Abs. 1 Satz 1 SGG mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß ihre Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 926296

BSGE, 155

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