Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungsrechtliche Beurteilung von Lehrbeauftragten an Hochschulen. Lehrbeauftragter. Unternehmer. (Entgelt-)risiko. persönliche Abhängigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Lehrbeauftragter einer Fachhochschule, der in den Jahren 1976/77 für jeweils ein Semester als "freier Mitarbeiter" mit der Abhaltung von Vorlesungen und Übungen beauftragt war, eine Vergütung aber nur für die tatsächlich erteilten Unterrichtsstunden erhielt, stand während dieser Zeit nicht in einem versicherungspflichtigen Angestelltenverhältnis (vgl § 40 Abs 2 S 2 des Berliner Hochschullehrergesetzes idF vom 1971-05-06).

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine weisungsgebundene und damit unselbständige Beschäftigung liegt vor, wenn die Beschäftigung in ihrer gesamten Durchführung vom Weisungsberechtigten (Arbeitgeber) - namentlich durch Einzelanordnungen - bestimmt werden kann; als weisungsfrei und damit selbständig gelten dagegen solche Tätigkeiten, bei denen zwar die Ziele der Tätigkeit durch Regeln oder Normen, die die Grenzen der Handlungsfreiheit mehr in generell-abstrakter Weise umschreiben, vorgegeben sein können, jedoch die Art und Weise wie diese Ziele erreicht werden, der Entscheidung des Tätigen überlassen bleibt.

2. Das für eine selbständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko ist nicht gleichzusetzen mit einem Kapitalrisiko; ein Unternehmerrisiko kann - insbesondere bei freiberuflichen Tätigkeiten schon dann angenommen werden, wenn der Erfolg des Einsatzes der Arbeitskraft ungewiß ist, wenn also beispielsweise die Garantie eines Mindesteinkommens fehlt.

 

Orientierungssatz

1. Muß ein Lehrbeauftragter seine Tätigkeit tatsächlich ausüben um sein Honorar zu erhalten, so trägt er in diesem Sinne auch ein Unternehmer- (Entgelt-)risiko.

2. Daß Lehrbeauftragte hinsichtlich Zeit, Ort und äußerem Rahmen ihrer Tätigkeit den Anordnungen der Hochschule unterliegen, muß nicht in jedem Falle für eine abhängige Beschäftigung sprechen, wie der erkennende Senat im Falle einer Volkshochschul-Dozentin ausgeführt hat; deren Tätigkeit sei nicht allein aus dem Grunde als abhängige Beschäftigung zu begreifen, weil sie zu einer vom Beschäftigenden festgesetzten Zeit und an einem von diesem bestimmten Ort zu erbringen sei (Urteil vom 1979-02-01 12 RK 7/77 = SozR 2200 § 165 Nr 36). Ähnlich wie an einer Volkshochschule kann auch der Lehrbetrieb an einer Hochschule nur dann sinnvoll vonstatten gehen, wenn die vielfältigen Lehrveranstaltungen in einem Gesamtplan räumlich und zeitlich aufeinander abgestimmt werden. Aus dieser geminderten "Autonomie" der Dozenten darf deswegen nicht schon auf den abhängigen Charakter ihrer Tätigkeit geschlossen werden.

 

Normenkette

RVO § 165 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1970-12-21; AVG § 2 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; HSchulLehrG BE § 40 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1971-05-06; RVO § 1227 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 31.05.1978; Aktenzeichen L 9 Kr 183/77)

SG Berlin (Entscheidung vom 21.09.1977; Aktenzeichen S 74 Kr 235/77)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1) Dr W aufgrund seiner Tätigkeit als Lehrbeauftragter bei der Klägerin der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung und in der Rentenversicherung der Angestellten unterlag.

Die Klägerin erteilte W am 13. September 1976 für das Wintersemester 1976/77 (1. Oktober 1976 bis 31. März 1977) einen schriftlichen Lehrauftrag für eine acht Wochenstunden umfassende Vorlesung und eine zwei Wochenstunden umfassende Übung in Mathematik. Nach dem Lehrauftrag hatte W die Lehrveranstaltung zu den von der Klägerin festgesetzten Zeiten und an dem von der Klägerin festgesetzten Ort durchzuführen und an erforderlichen Prüfungen mitzuwirken. Als Vergütung sollte er 35,-- DM je Vorlesungsstunde und 32,-- DM je Übungsstunde unter der Voraussetzung erhalten, daß die Lehrveranstaltung stattfand und die einzelne Unterrichtsstunde tatsächlich erteilt wurde. Schließlich war festgelegt, daß Lehrbeauftragte "freie Mitarbeiter" seien, die ihren "steuer- und versicherungsrechtlichen Verpflichtungen selbst nachkommen" müßten.

Am 11. Oktober 1976 übersandte die Beklagte dem Beigeladenen W eine Mitgliedschaftsbescheinigung nach § 518 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und forderte von ihm mit Bescheid vom 11. Januar 1977 die für Oktober bis Dezember 1976 in der Kranken- und Rentenversicherung für Angestellte fälligen Beiträge. Mit Schreiben vom 11. Januar 1977 wandte sich die Klägerin gegen die ihr durch Übersendung der Mitgliedschaftsbescheinigung mitgeteilte Versicherungs- und Beitragspflicht des Beigeladenen W. Die Beklagte half dem Widerspruch, der sich auch gegen den der Klägerin abschriftlich zugegangenen Bescheid vom 11. Januar 1977 richtete, nicht ab (Widerspruchsbescheid vom 31. März 1977). Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Berlin die Bescheide der Beklagten vom 11. Oktober 1976 und 11. Januar 1977 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 1977 aufgehoben und festgestellt, daß der Beigeladene W während seiner Tätigkeit als Lehrbeauftragter nicht der Versicherungspflicht nach § 165 Abs 1 Nr 2 RVO unterliege, weil er seine Tätigkeit aufgrund eines freien Dienstvertrages ausübe (Urteil vom 21. September 1977).

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 31. Mai 1978). Es hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Der Beigeladene W übe eine abhängige Beschäftigung aus, da er in die Verwaltungsorganisation der Klägerin eingegliedert sei und darin eine klar abgegrenzte Funktion auszuüben habe. Daß er wegen der Bestimmungen des Berliner Hochschulrechts nicht als Arbeitnehmer anzusehen sei, stehe einer sozialversicherungsrechtlichen Stellung als abhängig Beschäftigter nicht entgegen, denn der sozialrechtliche Begriff "Beschäftigungsverhältnis" stimme - wie nunmehr § 7 Abs 1 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) zeige -, mit dem Begriff "Arbeitsverhältnis" nicht überein. Unter Würdigung aller Umstände seiner Tätigkeit stelle sich diese als Beschäftigung nichtselbständiger Art dar. Zwar genieße der Beigeladene W Lehrfreiheit; er müsse sich jedoch bei deren Ausübung an der von der Klägerin erlassenen Prüfungsordnung ausrichten und sei mithin in deren Lehrbetrieb eingegliedert. Auch trage er kein Unternehmerrisiko, denn er könne nicht durch Eigeninitiative seine Unterrichtsvergütung steigern; deren Umfang sei von vornherein festgelegt worden. Schließlich müsse er deshalb als ein in den Betrieb der Klägerin eingegliederter Beschäftigter angesehen werden, weil ihm versagt sei, Ort und Zeit seiner Lehrtätigkeit allein zu bestimmen, und er ferner die Unterrichtsräume und Betriebsmittel der Klägerin nutze.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision vertritt die Klägerin die Ansicht, nach § 165 Abs 1 Nr 2 RVO seien lediglich Arbeitnehmer in die Sozialversicherung einbezogen. Da der Beigeladene W aber kein weisungsgebundener Arbeitnehmer sei, unterfalle er nicht der Versicherungspflicht nach dieser Vorschrift. Ferner sei auch für das Sozialversicherungsrecht der Wille der vertragsschließenden Parteien zu berücksichtigen; danach habe W als freier Mitarbeiter tätig sein sollen. Schließlich habe das Berufungsgericht nicht beachtet, daß W gegebenenfalls der Versicherungspflicht für selbständige Lehrer (§ 166 Abs 1 Nr 2 RVO) unterliege oder seine Tätigkeit als Nebenbeschäftigung geringfügiger Art mit der Folge ihrer Versicherungsfreiheit (§ 168 RVO) zu qualifizieren sei. Die hierzu erforderliche Sachaufklärung sei aber unterblieben, so daß das Urteil auch auf einem Verfahrensfehler beruhe.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des LSG Berlin vom

31. Mai 1978 das Urteil des SG Berlin vom

21. September 1977 wiederherzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Beigeladene W habe bei der Klägerin fremdbestimmte Arbeit verrichtet, da er in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen sei. § 40 Abs 2 Satz 2 des Berliner Hochschullehrergesetzes habe, wie das LSG ausgeführt habe, lediglich arbeitsrechtliche Folgen. Auch komme eine Versicherungsbefreiung nach § 168 RVO nicht in Betracht, weil W während des fraglichen Zeitraums neben der Unterrichtsvergütung kein weiteres Einkommen bezogen habe.

Der Beigeladene W hat sich in diesem Rechtszug in der Sache nicht geäußert; die Beigeladene zu 2) hat sich den Rechtsaufführungen der Beklagten angeschlossen.

Alle Verfahrensbeteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet.

Der Beigeladene W war bei der Klägerin als Lehrbeauftragter nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern als selbständiger freier Mitarbeiter tätig und unterlag deshalb nicht der Versicherungspflicht nach § 165 Abs 1 Nr 2 RVO und § 2 Abs 1 Nr 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- (vgl zuletzt Urteil vom 24. Oktober 1978 - 12 RK 58/76 - SozR 2200 § 1227 Nr 19; Urteil vom 1. Februar 1979 - 12 RK 7/77 - SozR 2200 § 165 Nr 36 mwN) setzt jede Angestelltentätigkeit (§§ 165 Abs 1 Nr 2, Abs 2 RVO; 2 Abs 1 Nr 1 AVG) ein Beschäftigungsverhältnis voraus. Dieses ist - im Unterschied zur Tätigkeit eines Selbständigen - dadurch gekennzeichnet, daß der Beschäftigte bei seiner Tätigkeit entweder an Weisungen des Beschäftigenden gebunden ist oder aufgrund einer ihrem Inhalt nach frei gestalteten Tätigkeit ("Dienste höherer Art") funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozeß des Beschäftigenden teilhat und damit auch ohne Weisungsgebundenheit in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist (insoweit grundlegend BSGE 16, 289, 294). Als eingegliedert gilt nach ständiger Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 31. August 1976 - 12/3/12 RK 20/74 = SozR 2200 § 1227 Nr 4; BSGE 20, 6, 7 f mwN), wer sich dienstbereit der Verfügungsbefugnis eines Arbeitgebers über seine Arbeitskraft unterwirft. Der Begriff des sozialrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses stimmt sonach im wesentlichen mit dem des Arbeitsverhältnisses überein (BSG SozR 2200 § 1227 Nr 19; dazu grundlegend Seiter VSSR 1976, 180 ff). Ob ein Lehrbeauftragter an einer Fachhochschule als Angestellter versicherungspflichtig ist, richtet sich mithin danach, ob er die Stellung eines persönlich abhängigen Arbeitnehmers innehat.

In Rechtsprechung und Schrifttum des Hochschulrechts ist umstritten, ob Lehrbeauftragte aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses eigener Art (so VG Kassel, Urteil vom 7. September 1971 - III E 131/70 = DVBl 1972, 345, 346 f; Leinemann und Seibert, JZ 1971, 638 ff) oder eines freien Dienstvertrages iS des bürgerlichen Rechts (BAG Urteil vom 16. Dezember 1957 - AP Nr 3 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten mit zust Anm von Götz Hueck ebenda; Laeverenz, JZ 1972, 621 ff) tätig sind. Auch den aufgrund des Hochschulrahmengesetzes novellierten Landeshochschulgesetzen kann eine übereinstimmende Regelung der Frage nicht entnommen werden, ob Lehrbeauftragte an Fachhochschulen in einem öffentlich-rechtlichen oder einem privatrechtlichen Dienstverhältnis stehen. Welcher Rechtsauffassung der Vorzug gebührt, kann hier offenbleiben, da beide Anschauungen darin übereinstimmen, daß Lehrbeauftragte nicht Arbeitnehmer und mithin nicht abhängig Beschäftigte sind. Diese Auffassung hat auch in die für den Rechtsstatus des Beigeladenen W maßgebliche Bestimmung des § 40 Abs 2 Satz 2 Berliner Hochschullehrer-Gesetz Eingang gefunden, wonach Lehraufträge kein Angestelltenverhältnis begründen.

Demgegenüber begriff die bisher ergangene sozialrechtliche Judikatur die Lehrbeauftragten als abhängig Beschäftigte und rechtfertigte dies vor allem damit, daß Lehraufträge nur semesterweise vergeben und Ort und Zeit der Lehrveranstaltung einseitig von der Hochschule bestimmt würden; Lehrbeauftragte hätten auch im Vergleich zu den beamteten Hochschullehrern einen geminderten mitgliedschaftsrechtlichen Status (Hess LSG Urt vom 28. März 1979 - L 8 Kr 842/75 - unveröffentlicht - nicht rechtskräftig -). Da ihnen ferner die Themenstellungen ihrer Lehrveranstaltung vorgegeben seien und sie - namentlich wenn sie Prüfungen abnehmen müßten - ihren Unterricht an den von der Hochschule normierten Prüfungsanforderungen auszurichten hätten, seien sie auch wegen des Inhalts ihrer Tätigkeit als eingegliederte Hochschullehrerkräfte anzusehen (Hess LSG Urt vom 5. Dezember 1962 - L 6 Kr 21/61 -, Die Krankenversicherung in Rechtsprechung und Schrifttum -KVRS-, 1000/92). Da sie kein eigenes Kapital investierten, trügen sie kein Unternehmerrisiko und seien daher auch aus diesem Grunde nicht als Selbständige anzusehen (LSG Berlin Urt vom 17. Dezember 1975 - L 9 Kr 84/74 -, KVRS 1340/5).

Diese Gründe reichen nach Ansicht des Senats nicht aus, der Tätigkeit des Lehrbeauftragten das Gepräge einer abhängigen Beschäftigung zu geben. Daß Lehrbeauftragte nur semesterweise mit Lehrverpflichtungen betraut werden und gegenüber beamteten Hochschullehrern einen geringeren mitgliedschaftsrechtlichen Status haben, spricht nicht für, sondern gegen ihre Eingliederung in die Hochschule. Die Vergabe von Lehraufträgen für den Zeitraum von jeweils einem Semester verdeutlicht, daß Lehrbeauftragte nur eine zeitlich und sachlich begrenzte Dienstleistung für die Hochschule zu erbringen haben. Gegenstand ihrer Tätigkeit an der Hochschule ist allein die Erteilung akademischen Unterrichts für ein sachlich und thematisch begrenztes Gebiet. Weitere Pflichten haben Lehrbeauftragte in der Hochschule nicht zu erfüllen; sie nehmen weder an der Forschung teil - die auch an Fachhochschulen betrieben werden kann -, noch sind sie nach der ganz überwiegenden Zahl der Landeshochschulgesetze in die akademische Selbstverwaltung einbezogen. Der Lehrbeauftragte ist zwar "Angehöriger" einer Hochschule, hat also das Recht, deren Einrichtungen zu benutzen; er ist aber im allgemeinen nicht deren "Mitglied" und kann deshalb nicht auf die Ausgestaltung der Hochschule mitgliedschaftsrechtlich einwirken. Abweichend von dieser in nahezu allen deutschen Ländern geltenden Regelung hat zwar der Gesetzgeber des Landes Berlin in seinem Fachhochschulgesetz vom 27. November 1970 (GVBl 1970, S 1915) der Gruppe der Lehrbeauftragten und Honorarprofessoren ein eigenes Mitwirkungsrecht in den verschiedenen Vertretungsorganen der akademischen Selbstverwaltung eingeräumt (§ 4 Abs 1 Satz 3). Mit der Bestimmung, daß dieser Gruppe unter der Hochschullehrerschaft mindestens eine Stimme, höchstens aber ein Drittel der Stimmen gebühren solle, hat er jedoch verdeutlicht, daß Lehrbeauftragte auch in Berlin in einer weniger engen Beziehung zur Hochschule stehen.

Daß Lehrbeauftragte hinsichtlich Zeit, Ort und äußerem Rahmen ihrer Tätigkeit den Anordnungen der Hochschule unterliegen, muß nicht in jedem Falle für eine abhängige Beschäftigung sprechen, wie der erkennende Senat im Falle einer Volkshochschul-Dozentin ausgeführt hat; deren Tätigkeit sei nicht allein aus dem Grunde als abhängige Beschäftigung zu begreifen, weil sie zu einer vom Beschäftigenden festgesetzten Zeit und an einem von diesem bestimmten Ort zu erbringen sei (Urt vom 1. Februar 1979 - 12 RK 7/77 = SozR 2200 § 165 Nr 36). Ähnlich wie an einer Volkshochschule kann auch der Lehrbetrieb an einer Hochschule nur dann sinnvoll vonstatten gehen, wenn die vielfältigen Lehrveranstaltungen in einem Gesamtplan räumlich und zeitlich aufeinander abgestimmt werden. Dabei liegt es auf der Hand, daß der einzelne Unterrichtende dann nicht mehr selbst bestimmen kann, wann und wo er seine Unterrichtsleistung erbringt. Aus dieser geminderten "Autonomie" der Dozenten darf indessen nicht schon auf den abhängigen Charakter ihrer Tätigkeit geschlossen werden. Auch ein Reiseleiter, der an einem ausländischen Zielort für einen Reiseveranstalter tätig wird, oder ein Bezirksstellenleiter einer Wettgesellschaft, die beide nach der Rechtsprechung des BSG (BSGE 36, 7, 10 f; Urt vom 1. Dezember 1977 - 12/3/12 RK 39/74 = SozR 2200 § 1227 Nr 8) selbständig tätig sind, werden in den äußeren Umständen ihrer Tätigkeit in vergleichbarer Weise geprägt wie der Lehrbeauftragte durch die Hochschule. Daß sie dennoch nicht Arbeitnehmer sind, folgt daraus, daß sie sich gegenüber ihrem Vertragspartner nicht verpflichtet haben, sich zur Erledigung der von ihm noch zu bestimmenden Tätigkeiten bereitzuhalten, sondern lediglich im Vertrag selbst niedergelegte und abschließend definierte Pflichten zu erfüllen versprochen haben.

Auch aus der Tatsache, daß der Beigeladene W an Prüfungen mitwirken und sich bei der Gestaltung seines Unterrichts an Prüfungserfordernissen ausrichten mußte, kann nicht ohne weiteres auf seine Weisungsgebundenheit geschlossen werden. Eine Tätigkeit gilt als weisungsgebunden, wenn sie in ihrer gesamten Durchführung vom Weisungsberechtigten bestimmt werden kann (BSGE 8, 278, 282 f; 11, 257, 259 f; 13, 130, 132 f; 35, 20, 24); dagegen sind weisungsfrei solche Tätigkeiten, bei denen einem Beschäftigten zwar die Ziele seiner Tätigkeit vorgegeben sein können, jedoch die Art und Weise zu bestimmen, wie er diese erreicht, seiner eigenen Entscheidung überlassen bleibt (BSGE 36, 7, 10 f). Selbständige und abhängige Beschäftigungen unterscheiden sich also nicht darin, daß erstere im Gegensatz zu diesen frei von jeglicher Bindung wären. Auch Selbständige sind in ihren Handlungsmöglichkeiten begrenzt, allerdings nicht durch Einzelanordnungen, sondern durch Regeln oder Normen, die die Grenzen ihrer Handlungsfreiheit mehr in generell-abstrakter Weise umschreiben. Das traf für den Beigeladenen W zu, der seine Lehrveranstaltung in einer Weise zu gestalten hatte, daß seine Hörer befähigt wurden, den Prüfungsanforderungen zu genügen. Diese Verpflichtung wurde ihm jedoch nicht durch Einzelweisungen der Klägerin auferlegt, sondern ergab sich aus den allgemeinen pädagogisch-didaktischen Zielsetzungen seiner Lehrtätigkeit.

Gegen seine Stellung als Selbständiger kann auch nicht eingewandt werden, er habe kein Unternehmerrisiko getragen. Dieser Einwand wäre nur berechtigt, wenn das Unternehmerrisiko mit einem Kapitalrisiko gleichzusetzen wäre, wie es für gewerbliche Unternehmer kennzeichnend ist. Eine solche Betrachtungsweise würde indessen den vielen freiberuflichen Tätigkeiten nicht gerecht werden, die von Selbständigen ausgeübt werden, deren Leistung nicht oder nicht wesentlich im Einsatz von Geldkapital, sondern von Wissen, Fertigkeiten oder geistigem Können besteht (so zu Recht Bley, SGb, 1973, 241). In seiner neueren Rechtsprechung hat der erkennende Senat deshalb ein auch diese freiberuflichen Tätigkeiten mitberücksichtigendes Verständnis des Unternehmerrisikos entwickelt und darauf hingewiesen, daß jemand ein Unternehmerrisiko schon dann tragen könne, wenn der Erfolg des Einsatzes seiner Arbeitskraft ungewiß sei (BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17; BSG SozR 2200 § 165 Nr 36); das gelte namentlich, wenn ihm kein Mindesteinkommen garantiert sei. Das Risiko, das der Selbständige in solchen Fällen trägt, betrifft die Verwertbarkeit seiner Arbeitskraft. Er kann eine Vergütung nur beanspruchen, wenn er eine bestimmte Leistung auch erbringt, wogegen dem abhängig Beschäftigten ein Lohnanspruch schon dann zusteht, wenn er sich arbeitsbereit hält. Aus der zwischen Klägerin und Beigeladenem W getroffenen Vergütungsregelung ergibt sich, daß diesem ein Anspruch auf Bezahlung nur zustehen sollte, wenn seine Lehrveranstaltung überhaupt zustande kam und er die einzelne Unterrichtsstunde auch erteilte. Das bloße Anerbieten, zur Erteilung von Unterricht bereit zu sein, reichte somit noch nicht hin, um einen Vergütungsanspruch zu begründen. Der Beigeladene W mußte vielmehr die Lehrtätigkeit tatsächlich ausüben, um sein Honorar zu erhalten. In diesem Sinne trug auch er ein Unternehmerrisiko.

Nach dem schriftlichen Lehrauftrag sollte seine Tätigkeit die eines "freien Mitarbeiters" sein. Durch Regelungen dieser Art kann zwar eine eindeutig selbständige nicht zu einer abhängigen oder umgekehrt eine eindeutig abhängige nicht zu einer selbständigen Tätigkeit gemacht werden (BSG SozR 2200 § 165 Nr 32; BSGE 35, 20, 21 f). Weil aber die Beteiligten eines Rechtsverhältnisses grundsätzlich die Macht haben, dieses als abhängiges oder selbständiges auszugestalten, so ist auch einer Kennzeichnung des beabsichtigten Rechtsverhältnisses in dem einen oder anderen Sinne in Zweifelsfällen eine gewisse Indizwirkung nicht abzusprechen.

Im übrigen hat auch der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 17. Juli 1958 (BStBl III, 1958, 360 f) den Lehrbeauftragten an einer Hochschule als selbständig Beschäftigten angesehen, weil es ihm "an einer festen Eingliederung in den Organismus der Hochschule mangelt" (BFH BStBl III, 1958, 360, 361). Zwar ist die sozialversicherungsrechtliche Einordnung eines Beschäftigungsverhältnisses unabhängig von der Entscheidung der Finanzbehörden zu treffen (BSGE 3, 30, 41; BSG Urt vom 30. November 1978 - SozR 2200 § 165 Nr 32). Da dem Steuer- und dem Sozialversicherungsrecht indessen weitgehend übereinstimmende Maßstäbe für den Begriff der Selbständigkeit zugrundeliegen, ist für das Sozialversicherungsrecht auch die steuerrechtliche Einordnung eines Sachverhalts von Belang (BSGE 3, 30, 40; 16, 289, 295; 20, 6, 9; 35, 20, 29).

Zusammenfassend ist hiernach festzustellen: Eine persönliche Abhängigkeit in der für Arbeitnehmer typischen Gestalt der Weisungsunterworfenheit unter das Direktionsrecht eines Arbeitgebers hat beim Beigeladenen W während seiner Tätigkeit als Lehrbeauftragter der Klägerin nicht vorgelegen. In der inhaltlichen Gestaltung seiner Lehrertätigkeit war er frei, soweit sich Einschränkungen, wie bei Hochschuldozenten auch sonst, nicht schon daraus ergaben, daß W den Stoff seiner Vorlesungen und Übungen an den Prüfungsanforderungen für die Studenten auszurichten hatte. Der äußere Ablauf seiner Lehrtätigkeit ( Zeit und Ort des Unterrichts) war im schriftlichen Lehrauftrag und den darin genannten Bestimmungen des Fachbereichs im voraus entsprechen den sachlichen Notwendigkeiten eines geordneten Studienbetriebs geregelt, erforderte also keine konkretisierenden Einzelanweisungen während des Semesters mehr (vgl dazu Urteil des Senats vom 19. Dezember 1979, 12 RK 52/78, S 6, und Urteil des 8a Senats vom 28. Februar 1980, 8a RU 88/78, S 6; ferner Leinemann und Seibert, JZ 1971, 638, 643, linke Spalte).

Eine Eingliederung in den Betrieb eines Arbeitgebers, die allerdings in Ausnahmefällen, besonders bei Leistung von Diensten "höherer Art", allein schon eine persönliche Abhängigkeit begründen kann (vgl BSGE 16, 289, 294; 47, 201, 205), hat bei W nur in einer so lockeren Form bestanden, daß der erkennende Senat sie im Gegensatz zum LSG nicht als ausreichend für die Annahme einer persönlichen Abhängigkeit angesehen hat. Als Lehrbeauftragter war W - trotz der den Lehrbeauftragten sehr entgegenkommenden Regelung des Berliner Fachhochschulgesetzes vom 27. November 1970 (vgl dessen § 4 Abs 1) - den anderen Lehrkräften der Hochschule mitgliederschaftsrechtlich nicht gleichgestellt.

Die fehlende Gleichstellung kam auch in der zeitlichen Befristung seiner Tätigkeit (auf jeweils ein Semester) und in der Beschränkung ihres zeitlichen Umfangs (zunächst auf die - noch ungewöhnlich hohe - Zahl von 10, später von 4 Wochenstunden) zum Ausdruck. Vor allem in Beschränkungen dieser Art zeigt sich die - das Lehrangebot der Hochschule lediglich ergänzende - Funktion der Lehrbeauftragten. Als eine in der Regel nur nebenamtlich ausgeübte Tätigkeit entspricht sie nicht dem Leitbild eines berufsmäßigen, auf die Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesenen und deshalb in den Betrieb eines Arbeitgebers eingegliederten Arbeitnehmers, wie ihn die Rechtsprechung des BSG, soweit sie sich mit der selbständigen Bedeutung des Merkmals der betrieblichen Eingliederung befaßt hat, im allgemeinen voraussetzt (vgl insbesondere die grundlegende Entscheidung in BSGE 16, 289 zur Stellung des Predigers einer freikirchlichen Gemeinde, der "im wesentlichen seine volle Arbeitskraft" für den Dienst der Gemeinde einzusetzen hatte, aaO S 295).

Die Abhängigkeit des Beigeladenen W von den sachlichen und persönlichen Betriebsmitteln der Klägerin, auf die das LSG Gewicht gelegt hat, war - anders als in dem vom Senat entschiedenen Fall einer Rundfunksprecherin (BSGE 36, 262) - nicht so ausgeprägt, daß W seine Lehrtätigkeit nicht notfalls auch ohne jene Mittel hätte ausüben können (etwa im Falle einer Körperbehinderung durch Erteilung von Unterricht in seiner Wohnung, vgl das vom Hessischen Landessozialgericht im Urteil vom 5. Dezember 1962 angeführte Beispiel, KVRS 1000/92, S 336).

Das Entgeltrisiko, das W nach dem Lehrauftrag zu tragen hatte, und zwar nicht nur im Falle einer in seiner Person liegenden Verhinderung an der Unterrichtserteilung, sondern auch in anderen Fällen, etwa bei Störungen des Vorlesungsbetriebs, wäre für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer ganz ungewöhnlich gewesen; es war dagegen für eine selbständige Tätigkeit durchaus charakteristisch.

Daß W bei dieser Gestaltung seines Dienstverhältnisses im schriftlichen Lehrauftrag als "freier Mitarbeiter" bezeichnet wurde - in Übereinstimmung mit einer Vorschrift des Berliner Hochschullehrergesetzes idF vom 6. Mai 1971, wonach Lehraufträge kein Angestelltenverhältnis begründen (§ 40 Abs 2 Satz 2) -, kann hiernach nicht als eine mit den tatsächlichen Verhältnissen unvereinbare und deshalb für das Sozialversicherungsrecht unbeachtliche Wertung der Beteiligten angesehen werden; sie ist vielmehr - als ein in den Tatsachen ausreichend begründeter Ausdruck des gemeinsamen Parteiwillens - auch von den Trägern der Sozialversicherung und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit hinzunehmen. Dabei kann im Interesse einer möglichst einheitlichen Beurteilung der Rechtsstellung von Lehrbeauftragten nicht unberücksichtigt bleiben, daß diese auch von anderen obersten Gerichten des Bundes nicht zu den abhängig beschäftigten Arbeitnehmern gerechnet werden (vgl außer dem schon genannten Urteil des BFH vor allem die Entscheidungen des BAG in AP § 611 BGB Lehrer, Dozenten Nr 3 und Nr 10, Bl 471 Rs).

Auch der Beigeladene W war hiernach bei Würdigung des Gesamtbildes seiner Lehrtätigkeit kein abhängig beschäftigter Angestellter der Klägerin und deshalb nicht nach § 165 Abs 1 Nr 2 RVO, § 2 Abs 1 Nr 1 AVG versicherungspflichtig.

Ob er als selbständiger Lehrer der Versicherungspflicht nach § 166 Abs 1 Nr 2 RVO, § 2 Abs 1 Nr 3 AVG unterlag, war nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens.

Der Senat hat nach allem das Urteil des LSG aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Beigeladenen W auf § 193 Abs 1 SGG, im übrigen auf Abs 4 dieser Vorschrift.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654843

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