Entscheidungsstichwort (Thema)

MdE. Gleichbewertung. gesetzliche Unfallversicherung. soziales Entschädigungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Bewertung der MdE nach § 581 Abs 1 RVO ist auch nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand der allgemeine Erfahrungssatz zu beachten, daß - mit Ausnahme des Daumens - den Schädigungen der Haupt- oder Gebrauchshand regelmäßig eine höhere Bedeutung zukommt als denen der Hilfs- oder Beihand.

2. Auch dabei läßt sich der konkrete Beruf des Verletzten nur unter den Voraussetzungen des § 581 Abs 2 RVO berücksichtigen.

 

Orientierungssatz

Die MdE-Bewertung in den vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) herausgegebenen "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (Ausgabe 1983) verlangt nicht nach einer Gleichbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung.

 

Normenkette

RVO § 581 Abs 1; RVO § 581 Abs 2

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 26.02.1987; Aktenzeichen L 2 U 2197/85)

SG Reutlingen (Entscheidung vom 29.04.1985; Aktenzeichen S 3 U 51/85)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Dauerrente.

Der im Jahre 1951 geborene Kläger ist Rechtshänder. In seinem Beruf als angelernter Maurer erlitt er am 1. März 1983 schwere Quetschungen des vierten und fünften Fingers seiner linken Hand. Die erforderliche Amputation und Nachamputation führten zum Verlust beider Finger am Übergang vom mittleren zum körperfernen Drittel. Das entspricht jeweils funktionell dem Verlust des ganzen Fingers. Nach dem Ende der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit war der Kläger weiterhin als Maurer erwerbstätig.

Zunächst gewährte die Beklagte dem Kläger eine Verletztenrente als vorläufige Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH ab 25. April 1983. Mit Ablauf des Monats Januar 1985 entzog sie ihm diese Entschädigung, weil die Unfallfolgen keine MdE mehr in rentenberechtigendem Grade bedingten; die Gewährung einer Dauerrente lehnte sie ab (angefochtener Bescheid vom 21. Dezember 1984).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. April 1985). Dagegen hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG und den angefochtenen Bescheid der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 26. Februar 1987): Zwar entsprächen die umstrittenen Unfallfolgen nach dem üblichen Tabellensatz nur einer MdE von 15 vH. Im vorliegenden Fall sei jedoch keine Unterscheidung zwischen Gebrauchshand und Beihand gerechtfertigt. Deshalb sei auf den MdE-Wert von 20 vH für die Gebrauchshand abzustellen, wie es im Recht der sozialen Entschädigung anerkannt sei. Denn die unterschiedliche Bewertung der MdE bei rechts- und linksseitigen Fingerverletzungen stelle darauf ab, daß bei der überwiegenden Anzahl der auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorkommenden Verrichtungen die Gebrauchshand führe und die Beihand lediglich unterstütze. Dieser Grundsatz brauche nicht in Frage gestellt zu werden. Davon sei jedoch eine Ausnahme für diejenigen Berufsgruppen zuzulassen, deren Tätigkeitsmerkmale von der linken Hand nicht lediglich eine Hilfsfunktion forderten, sondern eine erhöhte Arbeitsleistung. Das sei bei den üblichen Maurerarbeiten der Fall. Indem dies bei der MdE-Bewertung nach § 581 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) berücksichtigt werde, bedürfe es keiner Prüfung des zweiten Absatzes dieser Vorschrift mehr.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 581 Abs 1 Nr 2 und Abs 2 RVO sowie des § 128 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Rechtsirrig habe das LSG bei der Bemessung der MdE im ganzen Bereich des wirtschaftlichen Lebens nach § 581 Abs 1 Nr 2 RVO auf die Anforderungen des konkret vom Kläger ausgeübten Berufs abgestellt, wie es nur der zweite Absatz dieser Vorschrift zulasse. Dabei habe es das LSG versäumt, die weiteren Voraussetzungen des § 581 Abs 2 RVO zu prüfen und festzustellen; sie seien auch nicht erfüllt.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen, hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Er hält die Rechtsauffassung des LSG für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat insofern Erfolg, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist. Für eine Entscheidung über den umstrittenen Anspruch auf Verletztenrente als Dauerrente hat das LSG nicht die erforderlichen Tatsachen festgestellt; dies ist nachzuholen.

Streitig ist allein und unabhängig von den Verhältnissen, die der Gewährung der vorläufigen Rente zugrunde lagen (§ 1585 Abs 2 RVO), ob die Unfallfolgen des Klägers seine Erwerbsfähigkeit noch über den 31. Januar 1985 hinaus in rentenberechtigendem Grade mindern.

Unfallfolgen sind nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) funktionell gesehen der Verlust des ganzen vierten und des ganzen fünften Fingers der linken Hand eines Rechtshänders.

Nach § 581 Abs 1 Nr 2 RVO wird dem Verletzten als Verletztenrente der Teil der Vollrente (§ 581 Abs 1 Nr 1 RVO) gewährt, der dem Grade der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit entspricht, solange seine Erwerbsfähigkeit infolge des Arbeitsunfalls um wenigstens ein Fünftel (20 vH) gemindert ist.

Wenn der Verletzte zusätzlich Nachteile dadurch erleidet, daß er bestimmte, von ihm erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Unfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfange nutzen kann, so sind diese Nachteile bei der Bemessung der MdE zu berücksichtigen, soweit sie nicht durch sonstige Fähigkeiten ausgeglichen werden, deren Nutzung ihm zugemutet werden kann (§ 581 Abs 2 RVO).

Die darin zu einem wesentlichen Teil geregelte Entschädigung in der gesetzlichen Unfallversicherung wird von dem Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung beherrscht (vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 10. Aufl, S 566y II ff mwN). Das bedeutet in diesem Zusammenhang, daß sich die Bemessung der unfallbedingten MdE einerseits individuell nach dem Umfang der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung des Verletzten durch die Unfallfolgen richtet und andererseits nach dem Umfang der dem Verletzten dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (vgl zuletzt das Urteil des Senats vom 23. April 1987 - 2 RU 42/86 - mwN, HV-Info 1987, 1210). Der letztgenannte Maßstab gilt jeweils so umfassend und so aktuell wie möglich. Darin liegt gerade seine besondere Bedeutung in der Gegenwart und für die Zukunft der technischen Entwicklung und wirtschaftlichen Umwälzung (vgl Brackmann, aaO, S 567a). Bei der Aufstellung dieses Maßstabes wirkte die Verwendung eines "Leitberufs" zwangsläufig einschränkend; sie verbietet sich deshalb von selbst. Ebenso hat der konkrete, von dem Verletzten vor dem Unfall ausgeübte Beruf zunächst unter den Voraussetzungen des § 581 Abs 1 RVO außer Betracht zu bleiben.

Unter Wahrung des Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung erfaßt dagegen § 581 Abs 2 RVO nach den dort angeführten Voraussetzungen zusätzlich eine angemessene Berücksichtigung des Berufs des Verletzten, wenn die Nichtberücksichtigung von Ausbildung und Beruf bei der Bewertung der MdE im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führte (BSG SozR 2200 § 581 Nr 18 mwN). Das betrifft - entgegen der Ansicht des Klägers - auch Fähigkeiten, die durch den Arbeitsunfall verloren gegangen sind. Ihr Ausfall könnte iS dieser Vorschrift bewirkt haben, daß der Verletzte besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Unfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfange nutzen kann.

Danach ist bei der MdE-Bewertung stets zwischen den allgemeinen Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens iS des Abs 1 und den besonderen Umständen der Ausbildung und des Berufs des Verletzten unter den Voraussetzungen des Abs 2 zu unterscheiden. Darin, daß das LSG im vorliegenden Einzelfall auf den angelernten und ausgeübten Beruf des Klägers als Maurer zur Bestimmung des Grades der MdE nach § 581 Abs 1 RVO abstellt, vermag der Senat ihm nicht zu folgen. Zutreffend ist lediglich der Ausgangspunkt des LSG, daß die Unfallfolgen ohne Berücksichtigung des klägerischen Berufs eine MdE von 15 vH bedingen.

Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (vgl das Urteil des Senats vom 23. April 1987, aaO, mwN). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit des Verletzten auswirken, sind für die Gerichte nicht verbindlich. Sie bilden aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind.

Darüber hinaus sind bei der Beurteilung der MdE auch die von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten. Zwar sind sie nicht im Einzelfall bindend, aber sie sind geeignet, die Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis zu bilden (vgl das Urteil des Senats vom 23. April 1987, aaO, mwN). Der Senat hat bereits entschieden, daß jene allgemeinen Erfahrungssätze als Rechtssätze von dem Revisionsgericht auf ihre inhaltliche Richtigkeit nachgeprüft werden können (vgl das Urteil des Senats vom 23. April 1987, aaO, mwN).

Zu diesen überwiegend anerkannten allgemeinen Erfahrungssätzen der gesetzlichen Unfallversicherung gehört, daß seit jeher dem Verlust der Haupt- oder Gebrauchshand eine höhere Bedeutung zugemessen wird als dem der Bei- oder Hilfshand. Dieser Erfahrungssatz geht von der Beobachtung aus, daß auf dem maßgebenden Arbeitsmarkt die Haupt- oder Gebrauchshand führt, während die Hilfs- oder Beihand unterstützt. Mit Ausnahme des Daumens werden Schädigungen der Gebrauchshand insgesamt höher angesetzt als Verletzungen der Beihand (vgl Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 3. Aufl 1984, S 458; zustimmend auch Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl, 500 S 2). Danach wird die MdE für den Verlust des Ring- und Kleinfingers einer Hand links - wie im vorliegenden Fall - mit 15 vH, dagegen rechts mit 20 vH bewertet (vgl Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO, S 891, Abb 2.38; Günther/Hymmen/Izbicki, Unfallbegutachtung, 8. Aufl 1987, S 125 und Tafel VIII, Abb 95; Mollowitz, Der Unfallmann, 10. Aufl 1986, S 251 und 254; Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 4. Aufl, Anhang 12, S J 054, Abb 2.38; Rompe/Erlenkämper, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, Stuttgart 1978, S 162).

Der Unterscheidung zwischen Gebrauchs- und Hilfshand haben seit vielen Jahren Krösl und Zrubecky widersprochen (Die Unfallrente, 3. Aufl 1980, S 39; vgl auch Zrubecky, Funktion der Hand und Höhe der MdE, Hefte zur Unfallheilkunde 141 -1980-, S 310). Sie gehen davon aus, daß sich die angeborene und später manifest werdende Händigkeit des Rechts- bzw Linkshänders ausschließlich auf die Geschicklichkeit der jeweiligen Hand und auf die dadurch bedingte Bevorzugung als Gebrauchs- oder Hilfshand beziehe. Durch Erziehung und die Form bestimmter Werkzeuge sei das Leben in Haus und Beruf zwar auf Rechtshändigkeit eingestellt. Aber die erhöhte Geschicklichkeit der Gebrauchshand gegenüber der Hilfshand könne bei einem Verlust oder einer schweren Verletzung der Gebrauchshand fast ausnahmslos durch Training und Anpassung weitgehend auf die primäre Hilfshand transportiert werden. Die bisher geübte Annahme, daß grundsätzliche gleiche Schäden bei einem Rechtshänder höher zu bewerten seien als bei einem Linkshänder, sei nicht mehr haltbar. Am Beispiel des vollständigen Verlusts eines Daumens könne dies überzeugend dargestellt werden. Sie schlagen deshalb vor, die MdE nach den erhöhten Werten für die Gebrauchshand auch bei Verletzungen der Hilfshand zu bemessen.

Diese Meinung ist in Schrifttum und Rechtsprechung diskutiert und differenziert aufgenommen worden.

Inzwischen ist überwiegend anerkannt, daß beide Daumen eine überragende funktionelle Bedeutung haben. Ohne sie ist kein Spitz- oder Feingriff möglich. Kein anderer Finger kann sie ersetzen. Deshalb wird der Daumenverlust links ebenso wie rechts einheitlich mit einer MdE von 20 vH bewertet (Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften -HVGBG-, Anhaltspunkte für die gutachterliche Beurteilung von Handverletzungen in der gesetzlichen Unfallversicherung, Anlage zum Rundschreiben des HVGBG VB 154/81 vom 9. Juli 1981 unter Bezugnahme auf Haas, Die Begutachtungs- und Beurteilungskriterien bei Handverletzungen aus berufsgenossenschaftlicher Sicht, Heft 43, S 1 ff, der vom HVGBG herausgegebenen Schriftenreihe "Unfallmedizinische Tagungen der Landesverbände der gewerblichen Berufsgenossenschaften"; Günther/Hymmen/Izbicki, aaO; Mollowitz, aaO; Urteile des Senats vom 8. Dezember 1983 - 2 RU 72/82 - Meso B 250/110 - und vom 23. April 1987 - 2 RU 42/86 -, aaO; aA Bilow und Weller in: Marx, Medizinische Begutachtung, 5. Aufl 1987, S 354).

Dasselbe kann von anderen Handverletzungen und Fingerverlusten nicht festgestellt werden. Krösl-Zrubecky (aaO, S 35) unterscheiden an der Hand zwei gleichwertige funktionelle Einheiten: 1. Daumen und Zeigefinger bei der Spitzgriffbildung und 2. Mittel-, Ring- und Kleinfinger bei der Grobgriffbildung (Faustschluß). Schon aus dieser Beschreibung ist zu ersehen, daß der Verlust des vierten und fünften Fingers links bei vollkommen erhaltener Funktion des Mittelfingers nicht ebenso wie ein Daumenverlust eine ganze Funktionseinheit ausfallen läßt.

Außerdem wird nach wie vor medizinisch und arbeitsphysiologisch bestritten, daß in der Regel die Hilfshand den Funktionswert der Gebrauchshand erreichen kann, wenn die Gebrauchshand ihrer Rolle nicht mehr gerecht zu werden vermag (vgl Haas, aaO, S 3).

Abgesehen davon müßte noch geklärt werden, ob bei einer unterschiedslosen Bewertung entsprechender Handverletzungen an verschiedenen Seiten nicht auch auf die Höherbewertung der Gebrauchshand zu verzichten und deshalb die MdE-Bewertung nach dem Maßstab der Hilfshand vorzunehmen wäre (vgl Arens in: Marx, Medizinische Begutachtung, 4. Aufl 1981, S 288; dagegen geben Krösl/Zrubecky -aaO- für ihre gegenteilige Auffassung keine Begründung).

Der auf die Praxis des sozialen Entschädigungsrechts gestützten ebenfalls gegenteiligen Meinung des LSG vermag der Senat nicht zu folgen. Die MdE-Bewertung in den vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) herausgegebenen "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (Ausgabe 1983) verlangt nicht nach einer Gleichbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung. Das hat der Senat bereits entschieden und ausführlich begründet (SozR 2200 § 581 Nr 23). Das System der Entschädigung im sozialen Entschädigungsrecht unterscheidet sich nicht nur durch bindend vorgeschriebene Mindestvomhundertsätze der MdE für erhebliche äußere Körperschäden von demjenigen der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl § 30 Abs 1 Satz 2 Bundesversorgungsgesetz -BVG-, Verwaltungsvorschriften -VVNr 5 zu § 30 BVG), sondern auch durch die Mindest-MdE rentenberechtigenden Grades (ab 25 vH gemäß § 31 Abs 1 und Abs 2 BVG gegenüber 20 vH gemäß § 581 Abs 1 Nr 2 RVO). Es ist nicht auszuschließen, daß diese Überlegungen Einfluß auf die zum Teil unterschiedlichen Tabellensätze gehabt haben.

Die Ansicht von Krösl/Zrubecky und Arens ist jedenfalls nicht allgemein anerkannt worden (vgl auch das Urteil des Senats vom 8. Dezember 1983, aaO; LSG Rheinland-Pfalz, Breith 1986, 488; LSG NRW, Breith 1986, 855). Deshalb kann eine Unrichtigkeit des bisherigen, überwiegend anerkannten allgemeinen Erfahrungssatzes nicht festgestellt werden (vgl BSG SozR 2200 § 622 Nr 19). Bilow und Weller geben in der 5. Auflage (1987) des Handbuchs von Marx, Medizinische Begutachtung, S 349, die von Arens in der Vorauflage vertretene Ansicht einer gleichen Bewertung bei Verletzungen der Gebrauchs- oder Hilfshand auf, weil sich der Vorschlag aus praktischen Erwägungen trotz vieler Diskussionen nicht durchgesetzt habe (vgl ebenso Günther/Hymmen/Izbicki, aaO; Mollowitz, aaO; HVGBG, Anhaltspunkte für die gutachterliche Beurteilung von Handverletzungen in der gesetzlichen Unfallversicherung, aaO; Haas, aaO). Den Feststellungen des LSG sind auch keine vom bisherigen Schrifttum nicht beachtete oder neue Erkenntnisse der ärztlichen Wissenschaft oder der gutachterlichen Praxis zu entnehmen, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.

Die Unfallfolgen des Klägers müßten also nach § 581 Abs 1 Nr 2 RVO mit einer MdE von 15 vH bewertet werden, falls nicht eine Erhöhung nach § 581 Abs 2 RVO vorzunehmen ist. Für diese Beurteilung fehlen jedoch jegliche Feststellungen, weil das LSG sich einer Prüfung dieser Vorschrift ausdrücklich enthalten hat.

Es wird dies nachzuholen und auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1666476

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