Leitsatz (amtlich)

Der "Lebensunterhalt" eines Angehörigen iS des AVAVG § 89 Abs 6 Nr 1 ist nicht in jedem Falle sichergestellt, wenn das Einkommen des Angehörigen oder die ihm gewährten Leistungen Dritter den Richtbetrag übersteigen, der in den gemäß AVAVG § 89 Abs 8 erlassenen Richtlinien des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung für die Gewährleistung des Lebensunterhalts benannt wird. Maßgebend ist jeweils der tatsächlich notwendige Lebensbedarf des betroffenen Angehörigen (Fortsetzung und Ergänzung zu BSG 1963-01-25 7 RAr 32/61 = SozR Nr 3 zu § 89 AVAVG).

 

Orientierungssatz

1. Zur Rechtsnatur der vom Verwaltungsrat der BA gemäß AVAVG § 89 Abs 8 erlassenen Richtlinien.

2. Zur Auslegung des Begriffs " notwendiger Lebensunterhalt".

 

Normenkette

AVAVG § 89 Abs. 6 Nr. 1 Fassung: 1959-12-07, Abs. 8 Fassung: 1957-04-03, Abs. 1 Fassung: 1957-04-03

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 28. Februar 1964 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

Der im Jahre 1912 geborene Kläger ist verheiratet; er hat ein Kind. Seine im Jahre 1918 geborene Ehefrau bezieht wegen eines Bronchialasthmas mit dadurch verursachten schweren Herz- und Kreislaufleiden Berufsunfähigkeitsrente, die im April 1961 monatlich 123,80 DM betrug. Sie leidet außerdem an einer chronischen Magenschleimhautentzündung.

Der Kläger, der vom 1. April 1961 bis zum 2. Januar 1962 arbeitslos war, beantragte am 17. April 1961 beim zuständigen Arbeitsamt die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) einschließlich zweier Familienzuschläge. Dabei gab er an, die Leiden seiner Ehefrau verursachten erhöhte Lebenshaltungskosten; infolgedessen erhalte er auch einen steuerfreien Pauschbetrag von jährlich 780,- DM.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger unter Anerkennung eines Familienzuschlags für seine Tochter ab 20. April 1961 Alg für 234 Tage in Höhe von 76,20 DM wöchentlich. Dagegen lehnte sie (Bescheid vom 31. Mai 1961) die Gewährung eines weiteren Familienzuschlags für die Ehefrau wegen der Höhe ihres Renteneinkommens ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde unter Hinweis auf den in den zu § 89 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) erlassenen Richtlinien des Verwaltungsrates der Beklagten vom 13. Mai 1957 enthaltenen Richtsatz von 91,- DM im Monat zurückgewiesen (Bescheid vom 11. Juli 1961).

Mit seiner Klage machte der Kläger abermals geltend, durch die Erkrankung seiner Ehefrau entständen unausweichbar näher umschriebene Sonderkosten, die er einmal mit 64,85 DM, später mit 82,25 DM monatlich bezifferte. Diese müßten ebenso wie die jährliche steuerliche Werbungskostenpauschale von 780,- DM vom Renteneinkommen seiner Ehefrau abgesetzt werden, womit der Richtsatz der Beklagten von 91,- DM erheblich unterschritten werde.

Das Sozialgericht (SG) hat Befundberichte der behandelnden Ärzte, nämlich des praktischen Arztes Dr. Sch, Goslar, vom 9. November 1961 und des Facharztes für Lungenkrankheiten Dr. G II, G, vom 24. Januar 1962 eingeholt. Auf seine Veranlassung hat ferner Oberregierungs- und -medizinalrat Dr. R, B, über die Angemessenheit der geltend gemachten Kosten ein schriftliches Gutachten vom 21. Februar 1962 erstattet.

Mit Urteil vom 28. Januar 1963 wies das SG die Klage ab, da von den behaupteten krankheitsbedingten Mehrkosten lediglich die für Diäternährung in Höhe von 30,- DM anerkannt werden könnten. Alle anderen Ausgaben, insbesondere die Kosten für einen Wintermantel sowie Werbungskosten seien nicht zu berücksichtigen. Berufung wurde zugelassen. Die vom Kläger eingelegte Berufung blieb erfolglos. Nach Auffassung des Landessozialgerichts - LSG - (Urteil vom 28. Februar 1964) seien zwar die Richtlinien der Beklagten zu § 89 Abs. 6 AVAVG für die Richter nicht bindend. Sie ermöglichten es der Beklagten aber, einen Richtsatz anzuwenden, der für das ganze Bundesgebiet gelte und eine einheitliche Handhabung des Begriffs "Sicherstellung des Lebensunterhalts" gewährleiste. Denn der Gesetzgeber gehe davon aus, daß der Lebensunterhalt eines Angehörigen des Versicherten von einer bestimmten Einkommensgrenze ab ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Lebensumstände als gesichert anzunehmen sei. Der Richtsatz von 91,- DM im Monat sei auch nicht durch die zwischenzeitlich gestiegenen Lebenshaltungskosten überholt. Mehrkosten für Diäternährung der Ehefrau des Klägers seien zwar nach dem ärztlichen Gutachten Dr. R mit 30,- DM anzuerkennen, nicht dagegen die mit 82,25 DM bezifferten laufenden Ausgaben, da diese einerseits nur zu einem geringen Bruchteil durch die besonderen Verhältnisse der Krankheit bedingt und andererseits in ihnen auch Kosten für Heilmittel enthalten seien, die im notwendigen Umfang von der Krankenkasse gewährt würden. Kosten für die Anschaffung eines Wintermantels seien nicht zu berücksichtigen. Werbungskosten, die nach den Richtlinien der Beklagten von dem Renteneinkommen der Ehefrau abgesetzt werden könnten, seien nicht nachgewiesen. Aus der für das Lohnsteuerrecht vorgesehenen Werbungskostenpauschale könne der Kläger nichts zu seinen Gunsten herleiten.

Revision wurde zugelassen.

Der Kläger legte Revision ein und beantragte, nachdem die Beklagte ihn durch Bescheid vom 19. August 1964 teilweise klaglos gestellt und für die Zeit vom 20. April bis zum 31. Mai 1961 den bisher versagten Familienzuschlag für seine Ehefrau zuerkannt hatte,

das Urteil des LSG Niedersachsen vom 28. Februar 1964 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn für seine Ehefrau einen Familienzuschlag zum Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 1961 - ausgenommen die Zeit eines Heilverfahrens des Klägers - zu zahlen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Er habe vor seiner Arbeitslosigkeit seiner Ehefrau entsprechend der ihm obliegenden Unterhaltspflicht laufend Unterhalt gewährt; die Voraussetzungen des § 89 Abs. 2 AVAVG seien daher erfüllt. Zu Unrecht habe jedoch das LSG angenommen, daß der Lebensunterhalt seiner Ehefrau durch ihre eigene Berufsunfähigkeitsrente von 123,80 DM monatlich sichergestellt und damit ein Anspruch auf Familienzuschlag für sie nach § 89 Abs. 6 AVAVG ausgeschlossen sei. Zwar habe das LSG selbst ausgeführt, die vom Verwaltungsrat der Beklagten nach § 89 Abs. 8 AVAVG erlassenen Richtlinien seien für die Gerichte nicht bindend, doch habe es fälschlicherweise angenommen, daß der Lebensunterhalt von der durch den Richtbetrag bestimmten Grenze an ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Lebensumstände als gesichert anzusehen sei. Damit komme es im Ergebnis doch zu einer bindenden Wirkung der Richtlinien. Zudem habe es übersehen, daß der seinerzeit darin aufgestellte Satz von 91,- DM durch die in der Zwischenzeit angestiegenen Lebenshaltungskosten überholt sei. Dies ergebe sich auch aus der Tatsache, daß die Berufsunfähigkeitsrente seiner Ehefrau, die im Jahre 1960 nur 117,60 DM monatlich betragen habe, im Wege der Rentenanpassung erhöht worden sei. Im übrigen entfalle nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der Anspruch auf Familienzuschlag erst dann, wenn der notwendige, nicht aber schon dann, wenn nur der notdürftige Lebensunterhalt des Angehörigen gesichert sei. Der notdürftige Unterhalt, der durch den Fürsorgerichtsatz gewährleistet werden solle, habe aber seinerzeit für seine Ehefrau 84,- DM betragen. Schon ein Vergleich damit zeige, daß für den notwendigen Lebensunterhalt allgemein von einer höheren Summe als 91,- DM auszugehen gewesen wäre. Ferner müßten, da die von der Beklagten aufgestellten Richtlinien nur Durchschnittsfälle erfaßten, die durch die körperlichen Leiden seiner Ehefrau bedingten notwendigen Mehrausgaben zusätzlich berücksichtigt werden. Selbst wenn das LSG außer den gestiegenen Lebenshaltungskosten lediglich die unbestrittenen Mehraufwendungen für die Diätkost in Höhe von 30,- DM berücksichtigt hätte, wäre die Berufsunfähigkeitsrente von 123,80 DM zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts nicht ausreichend gewesen. Schließlich habe das LSG hinsichtlich der übrigen von ihm geltend gemachten Sonderausgaben keine Ermittlungen angestellt. Deren Höhe habe zusammen mit den unstreitig anfallenden Diätkosten bewirkt, daß der notwendige Lebensunterhalt seiner Ehefrau im Sinne des § 89 Abs. 6 AVAVG nicht mehr gewährleistet gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie verweist diesbezüglich auf die nach ihrer Auffassung zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils.

Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet. Unschädlich ist hierbei, daß der nach § 164 Abs. 2 Satz 1 SGG erforderliche Antrag des Klägers in der Revisionsschrift vom 24. April 1964 in der Zukunfts- statt in der Gegenwartsform gestellt wurde (BSG in SozR SGG § 164 Bl. Da 2 Nr. 13). Mithin ist die Revision zulässig. Sie ist auch begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 1961 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 1961, der den Antrag des Klägers auf Zahlung eines Familienzuschlags zum Alg für seine Ehefrau ablehnte. Dies gilt jedoch nur insoweit, als der Familienzuschlag für die Ehefrau des Klägers vom 1. Juni 1961 an streitig ist, da die Beklagte den Kläger (Bescheid vom 19. August 1964) für die Zeit ab 20. April bis zum 31. Mai 1961 klaglos gestellt hat.

Nach § 89 Abs. 1 Satz 1 AVAVG werden Familienzuschläge neben dem Hauptbetrag als Bestandteil des Alg für Angehörige des Arbeitslosen gewährt, zu denen nach § 89 Abs. 2 Nr. 2 AVAVG auch der Ehegatte gehört. Weitere Voraussetzung ist nach Abs. 3 Nr. 1 der gleichen Vorschrift, daß der Arbeitslose dem Angehörigen bis zum Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht nur vorübergehend und nicht nur geringfügig auf Grund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht Unterhalt gewährt hat. Letzteres dürfte im Fall des Klägers zwar wahrscheinlich sein, doch hat das LSG hierüber keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen, da es den Anspruch auf Familienzuschlag für die Ehefrau bereits als durch § 89 Abs. 6 Nr. 1 AVAVG ausgeschlossen ansah. Danach besteht ein Anspruch auf Familienzuschlag u. a. dann nicht, wenn der Lebensunterhalt des Angehörigen durch Leistungen sichergestellt werden kann, die ein Dritter für ihn gewährt. Zu der Frage, wann der Lebensunterhalt durch Leistungen Dritter gesichert ist, hat der Verwaltungsrat der Beklagten gemäß der ihm in § 89 Abs. 8 AVAVG erteilten Ermächtigung die Richtlinien vom 13. Mai 1957 (BABl 1957, 582) erlassen, nach deren Abschnitt II der Lebensunterhalt im Sinne des § 89 Abs. 6 Nr. 1 AVAVG dann als gewährleistet gilt, wenn das Einkommen des Angehörigen einschließlich der Leistungen Dritter nach Abzug von Steuern, Sozialbeiträgen und Werbungskosten 91,- DM im Monat übersteigt.

Diese Richtlinien haben jedoch, wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 25. Januar 1963 (Berndt/Draeger, Arbeitsvermittlung, Berufsberatung, Arbeitslosenversicherung, Bd. I R 43 zu § 89) mit ausführlicher Begründung und Literaturnachweis dargelegt hat, keinen normativen Charakter, sondern sind typische Verwaltungsvorschriften, die eine einheitliche Handhabung des Begriffs "Sicherstellung des Lebensunterhalts" durch alle Dienststellen der Beklagten ermöglichen sollen.

Sie sind also für die Gerichte nicht bindend. Zwar hat das LSG dies erkannt, jedoch gleichzeitig die Ansicht vertreten, der Lebensunterhalt sei von einer bestimmten Einkommensgrenze - nämlich dem in den Richtlinien der Beklagten genannten Richtbetrag - ab ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Lebensumstände als gesichert anzunehmen. Diese Auffassung ist aber, worauf die Revision zu Recht hinweist, widerspruchsvoll, da sie letztlich doch zu einer weitgehenden Bindung an den von der Beklagten aufgestellten Richtsatz führt.

Demgegenüber hat der erkennende Senat bereits in seinem oben zitierten Urteil ausgeführt, daß die Gerichte bei § 89 Abs. 6 AVAVG unabhängig von den Richtlinien der Beklagten in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der gesamten Verhältnisse zu prüfen haben, ob der Lebensunterhalt des Angehörigen durch die Leistungen Dritter gesichert ist. Hierbei ist unter Lebensunterhalt nach jener Entscheidung nicht etwa der notdürftige oder der standesgemäße, sondern der notwendige Lebensunterhalt zu verstehen. Dieser umfaßt nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG 3, 124, 128; 4, 70, 73; 6, 125, 126) die gesamten zwingenden Ausgaben des täglichen Lebens, insbesondere die Aufwendungen für Nahrung, Wohnung, Bekleidung, Beschaffung von Gebrauchsgegenständen, ärztliche Behandlung und dergleichen. Solche notwendigen Ausgaben sind naturgemäß nicht einheitlich für eine Vielzahl von Personen feststellbar, sondern ergeben sich jeweils aus den besonderen Gegebenheiten und Bedürfnissen des betroffenen Einzelmenschen. Hiervon geht übrigens die Beklagte selbst in ihrem Runderlaß 274/62 vom 9. Juli 1962 (abgedruckt bei Berndt/Draeger, "Arbeitsvermittlung, Berufsberatung, Arbeitslosenversicherung" Bd. 1, Erlaß 35 zu § 89) aus, wenn sie darauf hinweist, daß die Richtlinien zu § 89 Abs. 8 AVAVG nur die Regelfälle ansprechen, weshalb nichts entgegenstehe, im Einzelfall von dem dort genannten Richtbetrag nach oben abzuweichen, wenn er wegen besonderer Umstände, wie zB Krankheit, offenbar unangemessen sei.

Da somit für die Frage, ob ein Familienzuschlag nach § 89 Abs. 6 AVAVG ausgeschlossen ist, für die Gerichte nicht der von der Beklagten benannte Richtbetrag, sondern jeweils der tatsächlich notwendige Lebensbedarf des einzelnen Angehörigen entscheidend ist, hätte das LSG hier nicht den Richtbetrag zugrunde legen dürfen, womit auch eine Prüfung entfiel, ob dieser den Lebenshaltungskosten des Jahres 1961 noch angemessen war, ob und welche Werbungskosten von ihm nach den Richtlinien absetzbar waren und welche Beträge ihn möglicherweise erhöhen konnten. Das LSG hätte vielmehr den gesamten notwendigen Lebensbedarf der Ehefrau des Klägers unter Berücksichtigung der bei ihr vorhandenen besonderen Umstände, vor allem also ihrer schweren Leiden und aller dadurch bedingter Mehraufwendungen von Amts wegen feststellen und prüfen müssen, ob dieser notwendige Lebensbedarf durch die Berufsunfähigkeitsrente von 123,80 DM gedeckt wurde. Statt dessen ist das LSG vom Richtbetrag der Beklagten von 91,- DM als den Lebensunterhalt allgemein gewährleistend ausgegangen und hat daneben nur die unstreitigen Mehraufwendungen für die von der Ehefrau des Klägers einzuhaltende Diät in Höhe von 30,- DM als steigernd anerkannt. Weitere Mehrausgaben wurden trotz der durch übereinstimmende ärztliche Gutachten nachgewiesenen schweren Leiden der Ehefrau des Klägers nicht angerechnet und die vom Kläger selbst vorgetragenen Sonderausgaben ohne nähere Prüfung nicht berücksichtigt. Die vom LSG hierfür verwendete Begründung, daß sie einerseits nur zu einem geringen Bruchteil durch die besonderen Verhältnisse der Krankheit bedingt, andererseits in ihnen auch Kosten für Heilmittel enthalten seien, die im notwendigen Umfang von der Krankenkasse gewährt würden, ist nicht durchgreifend. Ihr steht u. a. entgegen, daß der die Ehefrau des Klägers behandelnde Arzt Dr. med. G II bereits in der Vorinstanz außergewöhnliche Umstände biologischer und physiologischer Natur dargelegt und wörtlich erklärt hatte, "ohne Herz- und Atemmittel ist die Patientin nicht mehr lebensfähig". Da somit das LSG, was der Kläger zu Recht rügt, keine hinreichende eigene Prüfung des gesamten notwendigen Lebensbedarfs der Ehefrau des Klägers vorgenommen hatte, verletzte es die ihm gemäß § 103 SGG obliegende Aufklärungspflicht. Deshalb ist sein Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung zurückzuverweisen. Hierbei wird das LSG zu beachten haben, daß im Hinblick auf Eigenart und Schwere der Leiden der Ehefrau des Klägers, die allein auf dem engeren Gebiet der Ernährung einen bestätigten Mehrbedarf von monatlich 30,- DM an Diätkosten im Vergleich zu einem Gesunden verursachen, nach der Lebenserfahrung auf anderen, von der Ernährung nicht unmittelbar abhängigen Lebensbereichen gleichfalls krankheits- oder schicksalsbedingte Mehrausgaben entstehen können. Als solche kommen beispielsweise Aufwendungen für die - ebenfalls von dem Gutachter Dr. G bereits gekennzeichnete - Substitutionstherapie, also für Stärkungs-, Kompensations- und Linderungsmittel, für die erforderlichen Fahrten zu den behandelnden Ärzten, für gesteigerten Bedarf an Wäsche und hygienischen Artikeln und ähnliches in Betracht. Derartige krankheitsabhängige Mehrausgaben wird das LSG als notwendigen Lebensbedarf anzuerkennen und dann zu prüfen haben, ob dieser nach den Umständen des vorliegenden Falles aus der der Ehefrau des Klägers gewährten Berufsunfähigkeitsrente zu bestreiten ist. Vom Ausgang dieser Ermittlung und Prüfung wird es abhängen, ob dem Kläger für seine Ehefrau ein Familienzuschlag zu dem Alg ab 1. Juni 1961 zu gewähren ist oder nicht.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil des LSG vorbehalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2380167

BSGE, 280

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