Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragsfreiheit der Praktikanten in einphasiger Ausbildung

 

Orientierungssatz

1. § 172 Abs 1 Nr 5 RVO erfaßt seinem Regelungsgehalt nach auch eine Fachschulausbildung, wie die für Erzieher/ Erzieherinnen in Rheinland-Pfalz (vgl BSG 15.5.1984 12 RK 46/81 = SozR 2200 § 172 Nr 17).

2. Das in Rheinland-Pfalz im Rahmen der Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher zu absolvierende einjährige Berufspraktikum ist nicht beitragspflichtig in der Arbeitslosenversicherung.

3. Bei der einphasigen Ausbildung von Erziehern/Erzieherinnen nach der SozFSchulV RP gibt der Fachschülerstatus der Gesamtausbildung das Gepräge; der Fachschüler bleibt damit auch während des zweiten Ausbildungsabschnitts seinem Erscheinungsbild Studierender iS des § 172 Abs 1 Nr 5 RVO.

4. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Auslegung im Hinblick auf Art 3, 30, 31, 70 und 74 Nr 12 GG bestehen nicht.

 

Normenkette

AFG § 168 Abs 1 S 1, § 169 Nr 1; RVO § 172 Abs 1 Nr 5; SozFSchulV RP; GG Art 3 Abs 1; GG Art 30; GG Art 31; GG Art 70; GG Art 74 Nr 12

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 13.04.1984; Aktenzeichen L 6 Ar 28/84)

SG Mainz (Entscheidung vom 09.01.1984; Aktenzeichen S 1 Ar 28/83)

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Versagung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit.

Die 1959 geborene Klägerin hat eine dreijährige Fachschulausbildung als staatlich anerkannte Erzieherin abgeschlossen. Im Anschluß an den zwei Jahre umfassenden sog ersten Ausbildungsabschnitt bestand sie die erste Teilprüfung. Danach war sie vom 1. August 1981 bis 31. Juli 1982 als Erzieherin zur Ableistung des Berufspraktikums (sog zweiter Ausbildungsabschnitt) ohne Entgelt beschäftigt; jedoch führte die Beschäftigungsstelle, eine katholische Kirchengemeinde, für sie bis 30. April 1982 Sozialversicherungsbeiträge an die Krankenkasse nach einem (fiktiven) monatlichen Bruttobetrag von 30,- DM ab. Vom 29. Juni 1982 bis 30. September 1982 war die Klägerin außerdem in einer KinderKurklinik als Erzieherin angestellt. Nach Bestehen der Abschlußprüfung meldete sie sich am 1. Oktober 1982 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg).

Durch Bescheid vom 9. November 1982 (Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 1983) lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab, da sie weder für einen Anspruch auf Alg noch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) die Voraussetzungen einer ausreichend langen beitragspflichtigen Beschäftigung erfülle. Sie habe nur in der Zeit vom 29. Juni 1982 bis 30. September 1982, also für 94 Kalendertage, in beitragspflichtiger Beschäftigung gestanden; die Zeit der Ableistung des Berufspraktikums sei beitragsfrei gewesen.

Das Sozialgericht (SG) hat die vorgenannten Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 1. Oktober 1982 Alg zu gewähren (Urteil vom 9. Januar 1984). Es hat die Berufung zugelassen.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 13. April 1984). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Die Klägerin erfülle nicht die nach § 104 Abs 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erforderliche Anwartschaftszeit von 360 Tagen beitragspflichtiger Beschäftigung in der Rahmenfrist. Die hierfür in Betracht kommende Praktikantenzeit sei keine zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) beitragspflichtige Beschäftigung gewesen.

Dies folge aus Charakter und Zielsetzung des Praktikums nach den für die Ausbildung für staatlich anerkannte Erzieher/Erzieherinnen geltenden Bestimmungen der rheinland-pfälzischen Landesverordnung über die Bildungsgänge für Sozialwesen der Fachschule vom 14. März 1978 (GVBl Rhl-Pf 1978, 196 - FachschulVO - Sozialwesen -). Danach dauere der Bildungsgang für Erzieher drei Schuljahre. In den ersten beiden Schuljahren (erster Ausbildungsabschnitt) erfolge eine vorwiegend theoretische Ausbildung in Vollzeitunterricht, im dritten Schuljahr ein gelenktes, durch Teilzeitunterricht der Fachschule begleitetes Berufspraktikum (zweiter Ausbildungsabschnitt). Die FachschulVO - Sozialwesen - bestimme, daß der Bildungsgang für Erzieher mit einer Prüfung abschließe, bestehend aus zwei Teilprüfungen. Die erste Teilprüfung finde am Ende des ersten Ausbildungsabschnitts statt. Die zweite Teilprüfung erfolge nach Zulassung am Ende des zweiten Ausbildungsabschnitts als mündliche Prüfung; sie diene der Feststellung, ob der Schüler die im ersten Abschnitt erworbenen theoretischen Kenntnisse in der praktischen Berufstätigkeit anwenden könne.

Entsprechend den Regelungen in § 3 Abs 3, § 5 Abs 1, 3, 4 der FachschulVO - Sozialwesen - bezeichne die Verwaltungsvorschrift des Kultusministeriums von Rheinland-Pfalz vom 1. Oktober 1981 (Amtsblatt Nr 24/1981 S 485) den zweiten Ausbildungsabschnitt als ein gelenktes, durch Teilzeitunterricht in der Fachschule begleitetes Praktikum, das nach einem Rahmenplan durchgeführt und von der ausbildenden Fachschule überwacht werde. Das Praktikum diene der fachgerechten Einarbeitung in die Berufspraxis und sei wesentlicher Bestandteil der Ausbildung; während seiner Laufzeit sei ein Lehrer der Fachschule als Ausbildungsbetreuer für den Schüler eingesetzt.

Durch die FachschulVO - Sozialwesen - sei die früher zweiphasige Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher in eine einphasige umgewandelt worden mit der Maßgabe, daß an die Stelle des bisherigen selbständigen Praktikums (sog Anerkennungsjahr) ein gelenktes, durch Teilzeitunterricht begleitetes Berufspraktikum als Schüler getreten sei. Dieses sei nach Sinn- und Zweckregelung wie nach tatsächlicher Ausgestaltung schulische Veranstaltung. Das LSG verweist dazu auf die Erlasse des Kultusministeriums von Rheinland-Pfalz vom 11. Juni 1982 und 17. Februar 1982 sowie auf dessen Auskunft vom 5. Januar 1984.

Aufgrund dieser Ausgestaltung des Praktikums sei fraglich, ob es ein Beschäftigungsverhältnis mit der Folge der Beitragspflicht nach § 168 Abs 1 Satz 1 AFG sei. Ausbildungsverhältnisse erfasse diese Vorschrift nur bei betrieblicher Berufsbildung, dh solcher nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG). Infolgedessen liege ein Berufsausbildungsverhältnis nicht vor, wenn und soweit ein berufliches Praktikum Bestandteil einer schulischen Ausbildung sei. Für den hier streitigen zweiten Ausbildungsabschnitt sei deshalb ausschlaggebend, daß er am Status des Auszubildenden als Schüler der Fachschule nichts ändere. Es handele sich um ein Berufspraktikum im klassischen Sinn; der Auszubildende bleibe seinem Erscheinungsbild nach der Fachschule zugehöriger Schüler; ihn treffe im Unterschied zu dem in betrieblicher Berufsbildung stehenden Auszubildenden nicht das Risiko des Verlustes des Ausbildungsplatzes, denn die Fachschule als Ausbildungsstätte gewährleiste nach dem Landesrecht auch die praktische Ausbildung.

Selbst bei Annahme einer beitragspflichtigen Beschäftigung zur Berufsausbildung nach § 168 Abs 1 Satz 1 AFG während des hier streitigen Praktikums ergäbe sich dann Beitragsfreiheit jedenfalls aus § 169 Nr 1 AFG iVm § 172 Abs 1 Nr 5 Reichsversicherungsordnung (RVO) idF des Gesetzes über die Krankenversicherung der Studenten vom 24. Juni 1975 (BGBl I 1536 -KVSG-). Danach seien versicherungsfrei ua Personen, die während der Dauer ihres Studiums an einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule gegen Entgelt beschäftigt sind. Maßgebend dafür seien die tatsächlichen objektiven Gegebenheiten, die nach Ausgestaltung und Sinn- sowie Zweckregelung des Ausbildungsabschnitts vorliegen. Entscheidend sei allein, ob das Studium oder die Ausbildung die Hauptbeschäftigung sei, der "Beschäftigte" seinem Erscheinungsbild nach Student oder Schüler bleibe. Auf die wöchentliche Arbeitszeit und ein etwa erzieltes Entgelt komme es ebensowenig an, wie auf die Frage, ob die Tätigkeit neben dem Studium oder als dessen Bestandteil ausgeübt werde. Versicherungspflicht bestehe seit dem KVSG nur in der Krankenversicherung, nicht jedoch in der Arbeitslosen- und Rentenversicherung.

Im vorliegenden Fall seien die Auszubildenden auch während des Praktikums ihrem Erscheinungsbild nach Schüler geblieben, wie sich aus der Ausgestaltung der Ausbildung in der Landesverordnung ergebe. Dies auch mit Auswirkungen auf die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Praktikantenzeit zu regeln, sei Sache des Landesgesetzgebers gewesen, ohne daß er deswegen seine Kulturhoheits-Kompetenz (Art 30, 70 Grundgesetz -GG-) überschritten hätte. Es verstoße auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 GG, wenn andere Länder an der zweiphasigen Ausbildung mit der Folge der Beitragspflicht im selbständigen, bezahlten Praktikum festhielten.

Die Rechtsprechung zur Versicherungspflicht von Praktikanten, die nicht an einer Hoch-, Fachhoch- oder Fachschule immatrikuliert sind, sei nicht anwendbar; denn hier folge aus dem Landesrecht, daß konkret zwei voneinander unabhängige, getrennte Ausbildungsabschnitte nicht vorlägen. Das streitige Praktikum sei kein "Nachpraktikum", das lediglich der Erlangung der staatlichen Erlaubnis oder Anerkennung zur Ausübung des Erzieherberufs diene. Dem stehe schon entgegen, daß die schulische Gesamtausbildung erst durch die abschließende Prüfung vor Lehrern der Fachschule beendet sei.

Der Versicherungsfreiheit stehe es schließlich nicht entgegen, daß während der früheren zweiphasigen Ausbildung das Praktikum - wie gegenwärtig in einigen anderen Bundesländern - als beitragspflichtig angesehen worden sei. Dies gewähre ebensowenig Vertrauensschutz wie eine vom Träger der Ausbildung und vom Versicherungsträger früher vertretene andere Auffassung zur beitragsrechtlichen Beurteilung des streitigen Praktikums. Auch die Abführung von Beiträgen sei ohne Belang, da es für die Gewährung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung nicht hierauf, sondern lediglich auf den beitragspflichtigen Charakter einer Beschäftigung ankomme. Ebensowenig gewähre die fehlerhafte Gewährung von Leistungen an andere Personen einen Anspruch auf Wiederholung.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von §§ 100, 104 Abs 2 und 3, 168, 169, 173 AFG, § 172 Abs 1 Nr 5 RVO, Art 3, 30, 70 GG, Art I § 45 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB 10). Sie trägt dazu vor: Der Klageanspruch sei gerechtfertigt, weil die Klägerin sich während des Berufspraktikums in beitragspflichtiger Beschäftigung befunden habe. Die FachschulVO - Sozialwesen - verstoße insoweit gegen das Grundgesetz, als sie das streitige Praktikum als schulische Veranstaltung regele. Aus einer Gesamtschau der Art 74 Nr 12, 70, 30, 31 GG iVm § 5 Abs 1 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), § 2 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) folge, daß es dem Landesgesetzgeber verwehrt sei, über den Begriff des Arbeitnehmers zu befinden. Ob ein Arbeitsverhältnis vorliege, richte sich lediglich nach tatsächlichen objektiven Gegebenheiten. Diese zeigten hier die Beitragspflicht auf. Die Klägerin sei während des Praktikums gegenüber der katholischen Kirchengemeinde weisungsgebunden gewesen. Der Arbeitgeber habe Art und Weise, Ort, Zeit und Umfang der Arbeiten bestimmt. Der Teilzeitunterricht habe nur an einem Tag im Monat stattgefunden. Nicht anders sei es bei einem Berufsschulunterricht, der sogar mehrmals monatlich erfolge. In beiden Fällen liege betriebliche Ausbildung vor. Die vom LSG herausgestellte Frage des Arbeitsplatzrisikos sei dem bundesrechtlichen Begriff des Arbeitnehmers nicht wesensimmanent. Die auszubildende Stelle habe im vorliegenden Fall nicht die öffentlich-rechtliche Pflicht, den Praktikanten auszubilden. Der Landesgesetzgeber dürfe zwar die Rahmenbedingungen für die Erzieherausbildung selbständig regeln; er sei jedoch nicht befugt, die Praktikantenzeit einer schulischen Veranstaltung zu unterstellen, wenn faktisch und objektiv ein Arbeitnehmerstatus begründet sei. Dies verletze Art 74 Nr 12 GG. Auch Art 3 GG sei verletzt; für die unterschiedliche Gestaltung der gleichen Ausbildung - einphasige in Rheinland-Pfalz, zweiphasige in anderen Bundesländern - liege kein sachlicher Grund vor, solange trotz der Regelung weiterhin in Rheinland-Pfalz die zweistufige Ausbildung betrieben werde.

Das Praktikum sei auch nicht nach § 169 Nr 1 AFG iVm § 172 Abs 1 Nr 5 RVO beitragsfrei gewesen. § 172 Abs 1 Nr 5 RVO idF des KVSG beziehe sich nur auf eine entgeltliche Beschäftigung neben dem Studium. Dies folge aus der Rechtsänderung durch das KVSG; denn zuvor habe die Vorschrift Versicherungsfreiheit bestimmt für Beschäftigungen, "zu oder während" einer Ausbildung. Mit dem KVSG habe der Gesetzgeber das Wort "zu" gestrichen, um Übereinstimmung mit den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung herbeizuführen; dies gelte auch für die Änderung des § 169 Nr 1 AFG. In der Rentenversicherung seien nämlich alle entgeltlich beschäftigten Arbeitnehmer versichert, ebenso Lehrlinge oder sonst zur Berufsbildung Beschäftigte. Die Klägerin sei dementsprechend beitragspflichtig, weil nicht neben dem Studium beschäftigt gewesen. Soweit die FachschulVO - Sozialwesen - diesem Status der Praktikanten entgegenstehe, verstoße sie gegen Art 74 Nr 12 GG und sei nichtig.

Auf die tatsächliche Beitragsentrichtung an die Einzugsstelle komme es zwar nicht an; gleichwohl folge daraus eine Bindungswirkung für die Pflicht der Beklagten zur Leistungsgewährung. Die Erstattungsregelung des § 186 AFG biete dafür keinen hinreichenden Ausgleich.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die ihrer Meinung nach zutreffende Begründung der angefochtenen Entscheidung.

Beide Beteiligte haben erklärt, daß sie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden sind (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Sie besitzt für die Zeit ab 1. Oktober 1982 weder einen Anspruch auf Alg noch auf Alhi.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 9. November 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 1983 (§ 95 SGG). Die Beklagte hat darin zutreffend Ansprüche der Klägerin auf Alg und Alhi abgelehnt. Das LSG hat zwar ausdrücklich nur den Bestand eines Anspruchs auf Alg verneint. Seine Feststellungen ergeben jedoch, daß auch ein Anspruch auf Alhi nicht vorliegt. Hierüber ist ebenfalls zu entscheiden, weil der Antrag auf Alg nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung den Antrag auf Alhi einschließt und Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Antrags auf den ausschließlich genannten Alg-Anspruch nicht vorliegen (vgl dazu BSGE 44, 164, 167 = SozR 4100 § 134 Nr 3; BSGE 49, 114, 115 = SozR 4100 § 100 Nr 5).

Sowohl für einen Anspruch auf Alg wie für einen solchen auf Alhi ab 1. Oktober 1982 fehlt es an der Voraussetzung einer ausreichend langen beitragspflichtigen Beschäftigung in der vorangehenden Zeit. Auszugehen ist von den Vorschriften des AFG idF des am 1. Januar 1982 in Kraft getretenen Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497 -AFKG-). Der Anspruch auf Alg setzt danach die Erfüllung der Anwartschaftszeit durch mindestens 360 Kalendertage beitragspflichtiger Beschäftigung in der Rahmenfrist voraus (§§ 100 Abs 1, 104 Abs 1 AFG). Die Rahmenfrist beträgt drei Jahre und geht dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit unmittelbar voraus, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Alg-Anspruch erfüllt sind oder nach § 105 AFG als erfüllt gelten (§ 104 Abs 2 und 3 AFG). Für den erhobenen Alg-Anspruch läuft die Rahmenfrist folglich vom 1. Oktober 1979 bis 30. September 1982. Für den Alhi-Anspruch muß der Antragsteller im letzten Jahr vor der maßgeblichen Arbeitslosmeldung - sofern er keinen vorangehenden Alg-Anspruch besessen und ausgeschöpft hat - mindestens 150 Kalendertage in beitragspflichtiger Beschäftigung gestanden haben (§ 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b AFG; vgl dazu BSG vom 12. Dezember 1985 - 7 RAr 75/84); das ist hier die Zeit vom 1. Oktober 1981 bis 30. September 1982.

Die Klägerin war weder in der Zeit vom 1. Oktober 1979 bis 30. September 1982 mindestens 360 Kalendertage, noch in der Zeit vom 1. Oktober 1981 bis 30. September 1982 mindestens 150 Kalendertage beitragspflichtig beschäftigt. In beide Zeiträume fällt lediglich ihre jeweils kürzere beitragspflichtige Beschäftigung vom 29. Juni 1982 bis 30. September 1982. Damit fehlt es an den oa gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg oder Alhi ab 1. Oktober 1982. Die Zeit des Berufspraktikums vom 1. August 1981 bis 31. Juli 1982 kann insoweit insgesamt nicht berücksichtigt werden; denn durch die Ausübung dieser Praktikantentätigkeit ist keine Beitragspflicht zur Beklagten entstanden.

Das LSG hat festgestellt, daß der hier in Rede stehende Bildungsgang für Erzieher/Erzieherinnen drei Schuljahre umfaßt und der streitige zweite Ausbildungsabschnitt im dritten Schuljahr ein gelenktes, durch Teilzeitunterricht begleitetes Berufspraktikum darstellt. Dieses wird nach einem Rahmenplan durchgeführt. Es dient der Feststellung, ob der Schüler/die Schülerin die im ersten Abschnitt erworbenen Kenntnisse berufspraktisch anwenden kann, und wird von der die Gesamtausbildung tragenden Fachschule sowohl gewährleistet als auch überwacht. Das Praktikum ist wesentlicher Bestandteil der Ausbildung zum Erzieher, die erst durch Bestehen der abschließenden Prüfung am Ende des zweiten Ausbildungsabschnitts vollständig beendet wird. Das Praktikum ist deshalb nach Auffassung des LSG wie der erste Ausbildungsabschnitt eine schulische Veranstaltung, es ändert am Status des Auszubildenden als Schüler der Fachschule nichts.

Das LSG hat diese Feststellungen aus dem Inhalt der landesrechtlichen Bestimmungen, insbesondere der FachschulVO - Sozialwesen - hergeleitet. Bei seiner Auslegung dieser Bestimmungen ist es von deren Sinn und Zweck unter Heranziehung der tatsächlichen Ausgestaltung des Praktikums ausgegangen. Der Senat ist an diese Auslegung und die darauf fußenden Feststellungen gebunden. Abgesehen davon, daß die Klägerin die Feststellungen nicht in der nach § 163 SGG erforderlichen Weise angegriffen hat, sie sich vielmehr lediglich gegen die Berechtigung des Landesgesetzgebers zu derartigen Regelungen wendet, unterfällt die Auslegung des LSG schon deshalb nicht der Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts, weil sie Landesrecht und insoweit nicht Bundesrecht betrifft (§ 162 SGG). Die vom LSG ausgelegten Landesvorschriften gelten nur im Bereich des Landes Rheinland-Pfalz, wie keiner weiteren Begründung bedarf. Sie wären allenfalls revisibel, wenn bewußt und gewollt inhaltlich gleiche Vorschriften in anderen Ländern bestünden. Dazu ist von der Klägerin jedoch nichts vorgetragen worden, so daß der Senat dies nicht zu prüfen hat (BSGE 56, 45, 50 = SozR 2100 § 70 Nr 1; BSG SozR 4100 § 117 Nr 14).

Aufgrund seiner Feststellungen hat das LSG es für zweifelhaft gehalten, ob das Praktikum der Klägerin überhaupt eine Beschäftigung, bzw ein Beschäftigungsverhältnis mit der Folge seiner Beitragspflicht war. Nach § 7 Abs 1 SGB 4, der nach § 173a AFG auch für die Beitragspflicht zur BA gilt, ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs 2 SGB 4 gilt als Beschäftigung auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung. Für eine derartige Berufs(aus)bildung sieht § 168 Abs 1 Satz 1 AFG grundsätzlich Beitragspflicht vor. Es erscheint allerdings in der Tat fraglich, ob das streitige Praktikum als Beschäftigung in Form betrieblicher Berufsbildung iS des § 7 Abs 2 SGB 4 angesehen werden kann, wenn es - zugleich - als schulische Veranstaltung im Rahmen einer Fachschulausbildung gilt; dagegen spricht zudem, daß das Praktikum unentgeltlich abgeleistet worden ist, während für die Beschäftigung iS des § 7 SGB 4 grundsätzlich deren Entgeltlichkeit vorausgesetzt wird, wie nicht nur aus dem Begriff der Beschäftigung als solcher folgt (vgl dazu Peters, Handbuch der Sozialversicherung, Erl 13 f zu § 165, 76. Nachtrag), sondern auch aus den Bestimmungen des SGB 4 selbst (vgl § 8 Abs 1, § 14 SGB 4). Jedoch bedarf dies keiner Entscheidung. Denn selbst wenn während des Praktikums eine Beschäftigung iS von § 7 SGB 4, § 168 Abs 1 Satz 1 AFG vorgelegen haben sollte, war die Klägerin während dieser Zeit beitragsfrei nach § 169 Nr 1 AFG iVm § 172 Abs 1 Nr 5 RVO. Damit entfiel jedenfalls auch die Beitragspflicht nach § 168 Abs 1 Satz 1 AFG, wie der Wortlaut dieser Vorschrift aufzeigt. Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, ob die Auffassung des LSG zutrifft, eine betriebliche Berufsbildung liege nur dann vor, wenn es sich um Ausbildungsverhältnisse nach dem BBiG handelt.

Nach § 172 Abs 1 Nr 5 RVO sind versicherungsfrei Personen, die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule oder einer sonstigen der wissenschaftlichen oder fachlichen Ausbildung dienenden Schule gegen Entgelt beschäftigt sind. § 172 Abs 1 Nr 5 RVO erfaßt seinem Regelungsgehalt nach auch eine Fachschulausbildung, wie die für Erzieher/Erzieherinnen in Rheinland-Pfalz (vgl BSG SozR 2200 § 172 Nr 17). Ausgehend von der Unterstellung, daß überhaupt eine Beschäftigung iS des § 7 SGB 4 vorliegt, scheitert seine Anwendung im vorliegenden Fall nicht an der Unentgeltlichkeit des von der Klägerin ausgeübten Praktikums. Denn wenn selbst eine entgeltlich ausgeübte Praktikantenbeschäftigung nach § 172 Abs 1 Nr 5 RVO versicherungsfrei ist, kann für eine unentgeltlich ausgeübte nichts anderes gelten; die Unentgeltlichkeit spricht im Gegenteil noch verstärkt dafür, daß der Praktikant für Zwecke der Ausbildung beschäftigt wird und nicht zur Verwertung seiner Arbeitskraft (vgl dazu BSGE 30, 248, 249 = SozR Nr 12 zu § 172 RVO). Das fehlende Entgelt ist mithin unerheblich (BSG vom 20. März 1986 - 11a RA 64/84 und 11a RA 52/85 -). Maßgebend ist allein, ob die Klägerin im Praktikum während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule beschäftigt war. Dies ist zu bejahen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kommt es für die Versicherungsfreiheit einer Beschäftigung während eines Studiums iS des § 172 Abs 1 Nr 5 RVO darauf an, ob der Student seinem Erscheinungsbild nach Student geblieben oder als abhängig beschäftigter Arbeitnehmer anzusehen ist. Dies beruht auf der Erwägung, daß ein Student seinem Status nach grundsätzlich nicht zu dem von der Sozialversicherung erfaßten Personenkreis gehört und deshalb auch nicht aufgrund einer Beschäftigung während des Studiums, die diesen Status nicht verändert, in diese einbezogen werden soll. Auf dieser Grundauffassung beruhen zahlreiche Entscheidungen des BSG über die Versicherungs- und Beitragsfreiheit berufspraktischer Tätigkeiten innerhalb eines Studiums, selbst soweit sie entgeltlich erfolgten (vgl die Nachweise in den Urteilen des BSG vom 20. März 1986 - 11a RA 64/84, 11a RA 32/85 und 11a RA 52/85 -; zur berufspraktischen Tätigkeit im Rahmen der einphasigen Juristenausbildung vgl zuletzt die Urteile des Senats vom 17. April 1986 - 7 RAr 127/84 und 7 RAr 133/84 -). Diese Rechtsprechung beruht übrigens auf der Fassung des § 172 Abs 1 Nr 5 RVO durch das KVSG. Sie ergibt sich folgerichtig aus der Erkenntnis, daß diese Änderung nicht - wie die Klägerin meint - bewirkt hat, daß nur noch entgeltliche Beschäftigungen neben einem Studium von ihr erfaßt würden. Entscheidend ist der Gedanke der versicherungsrechtlichen Kontinuität, der einen Wechsel des Versicherungsgrundes während eines Studiums vermeiden will (vgl BT-Drucks 7/3614, Begr zu § 1 Nr 3 - S 5 -). Für die Anwendung des § 172 Abs 1 Nr 5 RVO alter wie neuer Fassung richtet sich die Beurteilung der Versicherungspflicht oder -freiheit einer Beschäftigung folglich danach, ob sie geeignet ist, den Status als Student dahin zu ändern, daß der Student nunmehr zum Kreis der Beschäftigten gehört (vgl BSG vom 17. April 1986 aaO). Nach den oa Entscheidungen des 11. Senats des BSG vom 20. März 1986 ist ausschlaggebend, ob die Praktika Teile einer Gesamtausbildung sind, "bei der das erst mit dem Schlußexamen abgeschlossene Studium die Klammer bildet und deshalb im Vordergrund steht". Das ist der Fall, wenn die theoretischen und praktischen Teile derart verzahnt sind, daß kein Teil ohne den anderen ausbildungsmäßig denkbar ist. Infolgedessen ist hier ein Vergleich mit praktischen Ausbildungsteilen in herkömmlich zweiphasigen Ausbildungsgängen (wie zB der zweiphasigen Juristenausbildung: Studium und anschließende Referendarzeit) nicht zulässig; denn dort liegt im Gegensatz zur einphasigen Ausbildung ein durch entsprechenden Examensnachweis abgeschlossenes Studium vor. Ist das Studium hingegen erst nach Ableistung von Praktikumszeiten endgültig abschließbar, verleiht dieses der gesamten Ausbildung das Gepräge, zumal wenn die Dauer der theoretischen Studienzeit diejenige der praktischen Ausbildung deutlich überwiegt.

Eine derartige Sachlage ist auch vorliegend gegeben. Der Senat stimmt der Auffassung des LSG zu, daß bei der einphasigen Ausbildung von Erziehern/Erzieherinnen nach der FachschulVO - Sozialwesen - der Fachschülerstatus der Gesamtausbildung das Gepräge gibt; der Fachschüler bleibt damit auch während des zweiten Ausbildungsabschnitts seinem Erscheinungsbild Studierender iS des § 172 Abs 1 Nr 5 RVO. Insoweit obliegt dem Senat eine eigenständige Rechtsbeurteilung, da der Begriff des Erscheinungsbildes bei der Auslegung von Bundesrecht entwickelt worden ist (BSG vom 17. April 1986 - 7 RAr 127/84 und 7 RAr 133/84 -). Die schon erwähnten Feststellungen des LSG zeigen auf, daß die Klägerin sich auch während des Praktikums nicht nur nach den schulrechtlichen Bestimmungen in einem einheitlichen Ausbildungsgang befunden hat, sondern auch tatsächlich zwischen dem ersten und zweiten Ausbildungsabschnitt eine ungelöste Beziehung zur Fachschule bestand. Besonderes Gewicht kommt dafür der inhaltlichen Verknüpfung der beiden Ausbildungsabschnitte mit ihrer jeweiligen Unselbständigkeit für das Erreichen des Ausbildungszieles zu, der fortbestehenden Verantwortlichkeit und Aufsicht der Fachschule, dem eindeutig zeitlichen Überwiegen der reinen Schulausbildung gegenüber der praktischen Tätigkeit und letztendlich der Tatsache, daß die Klägerin erst durch das Schlußexamen am Ende des Praktikums die Gesamtausbildung abschließen konnte und abgeschlossen hat. War aber die Klägerin deshalb ihrem Erscheinungsbild nach auch während der Praktikantenzeit Schülerin der Fachschule geblieben, konnte diese Zeit ungeachtet der Frage ihrer sonstigen tatsächlichen Gestaltung nicht Beitragspflicht zur BA auslösen.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin gegen dieses Ergebnis vermag der Senat nicht zu teilen. Art 3 GG ist nicht verletzt; denn es liegt keine willkürliche Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte vor, wenn das Praktikum der Klägerin als versicherungsfrei anzusehen ist. Diese Folge gilt für alle praktischen Ausbildungszeiten im Rahmen einheitlicher Studiengänge, in denen das Studium das Erscheinungsbild des Studenten oder Schülers prägt. Soweit praktische Beschäftigungen im Rahmen zweistufiger Ausbildungsgänge - innerhalb oder außerhalb des Landes Rheinland-Pfalz - anders behandelt werden, rechtfertigt sich dies aus anderen Sachverhalten (ebenso 11. Senat des BSG aaO). Im übrigen kann die Verfassungsmäßigkeit eines Landesgesetzes grundsätzlich nicht deshalb in Zweifel gezogen werden, weil dieses von verwandten Regelungen in anderen Bundesländern abweicht (vgl die Nachweise aus der Rechtsprechung des BVerfG bei Leibholz/Rinck, Komm zum GG, Anm 20 zu Art 3).

Für die von der Klägerin behauptete Verletzung von Art 74 Nr 12, Art 70, 30, 31 GG iVm § 5 Abs 1 Satz 1 ArbGG und § 2 BUrlG sind keine Anhaltspunkte gegeben. Die beiden letztgenannten Vorschriften beschreiben den Begriff des Arbeitnehmers. Die oa Artikel des GG betreffen die Gesetzgebungskompetenz des Bundes und deren Abgrenzung zur Gesetzgebungskompetenz der Länder. Die von der Klägerin beanstandeten Regelungen der FachschulVO - Sozialwesen - sind ihrem Charakter nach Schulrecht. Das Schulrecht ist aber vom GG ausschließlich dem Hoheitsbereich der Länder zugewiesen. Der Bund hat für diesen Gegenstand weder eine Gesetzgebungsbefugnis nach Art 70 ff GG noch eine Verwaltungshoheit nach Art 30 GG (BVerfGE 6, 309, 354; vgl auch Leibholz/Rinck, aaO, Anm 2 zu Art 20). Infolgedessen ist es allein Sache des Landesgesetzgebers, den Status eines Schülers im Rahmen einer schulischen Ausbildung zu bestimmen. Soweit dies zur Folge hat, daß ein Schüler auch während einer tatsächlichen Beschäftigung nicht als sozialversicherter Arbeitnehmer gilt, kann dies bundesgesetzliche Regelungen über den Begriff des Arbeitnehmers nicht verletzen. Im übrigen steht vorliegend nicht die Arbeitnehmereigenschaft als solche im Vordergrund, sondern deren Bedeutung für eine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung. Diese ist hier aber gerade nicht im Landesrecht, sondern im Bundesrecht (§ 172 Abs 1 Nr 5 RVO) geregelt.

Der Klageanspruch rechtfertigt sich schließlich nicht aus einer tatsächlichen Beitragsentrichtung zugunsten der Klägerin. Die Ausführungen des LSG, daß es für den Anspruch auf Alg oder Alhi ua ausschließlich auf die Frage ankommt, ob die erforderliche Beschäftigung der Beitragspflicht zur BA unterlag, entspricht der vom LSG angeführten Rechtsprechung des BSG. Dasselbe gilt für die Ausführungen des LSG, daß die Klägerin sich nicht auf fehlerhafte Entscheidungen der Beklagten in gleichgelagerten anderen Fällen berufen kann.

Fehlt es nach allem bereits daran, daß die Klägerin während des Praktikums nicht in einer der Beitragspflicht zur Beklagten unterliegenden Beschäftigung gestanden hat, bedarf es keiner Prüfung mehr, ob die Erfüllung der Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg oder Alhi auch deshalb scheitert, weil die Klägerin nach den Feststellungen des LSG in dieser Zeit kein Arbeitsentgelt erhalten hat (vgl § 104 Abs 1 Satz 2 Nr 1, § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG).

Die Revision muß nach allem als unbegründet zurückgewiesen werden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1662330

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