Leitsatz (redaktionell)

Die zu Unrecht als Pflichtbeiträge zur Angestelltenversicherung entrichteten Beträge können nicht als wirksame freiwillige Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung gelten.

 

Orientierungssatz

Ein Streitverfahren in der Angestelltenversicherung unterbricht nicht die Verjährung von Beiträgen zur Arbeiterrentenversicherung.

 

Normenkette

AVG § 143 Abs. 3 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1421 Abs. 3 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 27. Januar 1961 und das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 9. Dezember 1959 aufgehoben; die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten darüber, ob in der irrigen Annahme einer Versicherungspflicht zur Angestelltenversicherung entrichtete Beiträge im vorliegenden Falle als freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter gelten.

Der Kläger war von 1914 bis 1924 in der Invalidenversicherung pflichtversichert und setzte die Versicherung bis 1947 freiwillig fort. Für die Zeit nach dem 1. Juli 1947 lehnte die Gemeinde Niebüll die Ausstellung einer weiteren Quittungskarte für die Weiterversicherung in der Invalidenversicherung mit dem Hinweis ab, der Kläger unterliege, da er in der Handwerksrolle eingetragen sei, als Handwerker der Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung. Daraufhin entrichtete er für die Zeit vom 1. Mai 1947 bis 31. August 1955 Pflichtbeiträge zur Angestelltenversicherung. Im April 1956 beanstandete die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) diese Beiträge mit der Begründung, der Kläger sei nur mit einem handwerklichen Nebenbetrieb in die Handwerksrolle eingetragen; eine Versicherungspflicht des Klägers zur Angestelltenversicherung habe nicht bestanden; er sei in der Angestelltenversicherung auch nicht zur Selbst- oder Weiterversicherung berechtigt gewesen. Seine hiergegen erhobene Klage nahm der Kläger zurück.

Im September 1958 überwies die BfA im Einverständnis mit dem Kläger den Gegenwert der beanstandeten Beiträge an die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA), damit diese die irrtümlich an die BfA entrichteten Pflichtbeiträge als freiwillige Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung anrechne. Die Beklagte lehnte die Entgegennahme und Anrechnung von freiwilligen Beiträgen für die Zeit vor dem 1. Januar 1956 durch Bescheid vom 6. Oktober 1958 ab, weil für diese Zeit die Nachentrichtungsfrist des § 1418 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) abgelaufen sei, die unwirksame Beitragsentrichtung zur Angestelltenversicherung auch nicht als Bereiterklärung zur Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen zur Arbeiterrentenversicherung angesehen und die Vorschrift des § 143 Abs. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) nicht angewandt werden könne. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.

Das Sozialgericht (SG) hat unter Aufhebung der Bescheide der Beklagten dem Antrag des Klägers festzustellen, daß die in der Zeit vom 1. Mai 1947 bis 31. August 1955 in der irrtümlichen Annahme der Versicherungspflicht zur Angestelltenversicherung entrichteten Beiträge als zu Recht entrichtete freiwillige Beiträge in der Rentenversicherung der Arbeiter gelten, entsprochen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Es hat angenommen, der Kläger sei zwar nicht in der Angestelltenversicherung, wohl aber in der Rentenversicherung der Arbeiter zur Weiterversicherung berechtigt gewesen. Dies genüge, um die irrtümlich zur Angestelltenversicherung entrichteten Pflichtbeiträge als freiwillige Beiträge in der Rentenversicherung der Arbeiter gelten zu lassen. Diese Rechtsfolge ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sie sei aber dem Grundgedanken zu entnehmen, der sich aus den §§ 143 Abs. 1 und Abs. 3, 144 AVG ergebe, nämlich daß Irrtümer sowohl in der Zuständigkeit als auch in der Beitragsart dem Versicherten nicht zum Nachteil gereichen sollen. Soweit der hier gegebene Fall im Gesetz nicht geregelt sei, bestehe eine Gesetzeslücke, die in Anwendung dieses Grundgedankens in der Weise ausgefüllt werden müsse, daß irrtümlich zu dem einen Versicherungszweig entrichtete Pflichtbeiträge als freiwillige Beiträge zu dem anderen Versicherungszweig zu gelten haben, sofern in dem anderen Versicherungszweig zur Zeit der Beitragsentrichtung das Recht zur Weiterversicherung bestanden habe. Seien die Pflichtbeiträge als freiwillige Beiträge anzusehen, so sei § 143 Abs. 3 AVG verwirklicht, so daß sie als in der Rentenversicherung der Arbeiter entrichtet zu gelten hätten.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt.

Sie rügt Verletzung der §§ 143 AVG, 1421 RVO und meint, in diesen Vorschriften sei ausdrücklich bestimmt, daß nicht alle, sondern nur spezielle Fälle der Fehlversicherung - zum falschen Versicherungszweig - korrigierbar seien. § 143 Abs. 3 AVG (§ 1421 Abs. 3 RVO) lasse es nicht zu, daß schlechthin alle freiwilligen Beiträge, die zum falschen Versicherungszweig gezahlt worden seien, in dem richtigen Versicherungszweig als entrichtet gelten. Im Absatz 3 beider Vorschriften sei ausdrücklich auf die Zuständigkeitsregelung zur Weiterversicherung Bezug genommen (§ 10 Abs. 3 AVG, § 1233 Abs. 3 RVO). Danach sei nur die fehlsame Weiterversicherung eines Wanderversicherten zum falschen Versicherungszweig auszugleichen; nur die fehlsam entrichteten Beiträge eines solchen Versicherten könnten als zu Recht entrichtete Beiträge des zuständigen Versicherungszweiges gelten. Habe der Gesetzgeber aber durch die genannten Vorschriften nur bestimmt geartete Fälle der Fehlversicherung geregelt, so bestehe im Gesetz - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - für den vorliegenden Fall keine Gesetzeslücke, die auszufüllen sei. Das angefochtene Urteil beruhe deshalb auf einer unzulässigen Gesetzesergänzung durch das Berufungsgericht.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil und das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Revision ist zulässig und auch begründet.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts können die zu Unrecht zur Angestelltenversicherung entrichteten Pflichtbeiträge des Klägers nicht als wirksame freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter gelten. Das Berufungsgericht hat die Frage der Wirksamkeit dieser Beiträge vornehmlich unter Anwendung der §§ 143, 144 AVG, also nach neuem Recht beurteilt. Dem konnte der Senat nicht beipflichten. Diese Vorschriften des neuen Rechts sind nach Art. 3 § 7 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) erst am 1. Januar 1957 in Kraft getreten. Sie können mithin nur für Beiträge gelten, die nach dem Inkrafttreten des AnVNG entrichtet worden sind. Das folgt aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß neue Rechtssätze, welche die Rechtswirkung von Tatsachen bestimmen, sich nur auf nach Inkrafttreten der neuen Rechtssätze eintretende Tatsachen beziehen (BSG 1, 52, 54). Etwas anderes könnte nur gelten, wenn in den Übergangsvorschriften der Art. 2 und 3 AnVNG bestimmt wäre, daß die §§ 143, 144 AVG auch auf vor dem 1. Januar 1957 entrichtete Beiträge anzuwenden seien. Das ist aber nicht geschehen. Soweit daher Beiträge in der Zeit und für die Zeit vor dem Inkrafttreten des AnVNG entrichtet worden sind, richtet sich ihre Wirksamkeit nach dem alten, bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Recht (vgl. auch Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, § 1422 RVO Anm. Abs. 2; VerbKomm. zur RVO, 6. Aufl., § 1422 RVO Anm. 1). Nur um solche Beiträge handelt es sich hier. Die Wirksamkeit der vom Kläger für die Zeit vom 1. Mai 1947 bis 31. August 1955 fehlentrichteten Angestelltenversicherungsbeiträge beurteilt sich somit gemäß § 190 AVG aF nach den Vorschriften der §§ 1445 b, 1446 RVO aF. Die Voraussetzungen weder der einen noch der anderen Vorschrift sind hier jedoch erfüllt.

§ 1445 b RVO aF, die Vorschrift über Beiträge an den falschen Versicherungszweig, betrifft, wie das Bundessozialgericht (BSG) in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung mit eingehender Begründung bereits entschieden hat (BSG SozR RVO § 1445 b aF Nr. 1), nur Beiträge auf Grund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit. Die strittigen Beiträge gehören hierzu nicht. Der Kläger war in der Zeit von 1947 bis 1955 weder in der Angestellten- noch in der Invalidenversicherung versicherungspflichtig. Seine in dieser Zeit zur Angestelltenversicherung entrichteten Beiträge hat er lediglich in der irrigen Annahme einer Versicherungspflicht entrichtet, so daß der Tatbestand des § 1445 b RVO aF i. V. m. § 190 AVG aF nicht erfüllt ist.

Die in der irrtümlichen Annahme einer Versicherungspflicht zur Angestelltenversicherung entrichteten Beiträge des Klägers können aber auch nicht nach § 1446 RVO aF als freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter gelten. Nach dieser Vorschrift gelten zwar Beiträge, die in der irrtümlichen Annahme der Versicherungspflicht entrichtet worden sind und nicht zurückgefordert werden, als für die Selbst- oder Weiterversicherung entrichtet, wenn das Recht dazu in der Zeit der Entrichtung bestanden hat. Als für die freiwillige Versicherung entrichtet gelten solche Beiträge aber nur in dem Versicherungszweig, zu dem sie entrichtet worden sind. Das besagt allerdings der Wortlaut des § 1446 RVO aF nicht ausdrücklich, wird jedoch, wie das Berufungsgericht zu § 144 AVG, der dem § 1446 RVO aF entspricht, im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat, von der Vorschrift als selbstverständlich vorausgesetzt. Vorschriften über die Wirksamkeit von Beiträgen gelten grundsätzlich nur für den Versicherungszweig, dessen Beitragsverfahren sie regeln, soweit nicht in ihnen etwas anderes bestimmt ist. Dies ist nicht geschehen. Daher können nach § 1446 RVO aF (i. V. m. § 190 AVG aF) Beiträge, die in der irrtümlichen Annahme der Versicherungspflicht zur Angestelltenversicherung entrichtet worden sind, nur als freiwillige Beiträge in der Angestelltenversicherung, nicht aber, wie es der Kläger begehrt, als freiwillige Beiträge in der Rentenversicherung der Arbeiter gelten. Obschon der Kläger in dieser Versicherung das Recht zur Weiterversicherung hatte, können also die zur Angestelltenversicherung entrichteten Beiträge nicht als freiwillige Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung gelten. - Schließlich geht es auch nicht an, die zur Angestelltenversicherung entrichteten Beiträge gemäß § 1444 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 1442 Abs. 1, 1443 RVO aF kraft Bereiterklärung des Versicherten zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zur Invalidenversicherung und Zahlung der Beträge an die Beklagte als in der Zeit vom 1. Mai 1947 bis 31. August 1955 zur beklagten Landesversicherungsanstalt entrichtet anzusehen. In der Entrichtung der beanstandeten Pflichtbeiträge zur Angestelltenversicherung kann eine Bereiterklärung des Versicherten zur Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen zur Weiterversicherung in der Invalidenversicherung nicht erblickt werden. Der Versicherte hat sich nicht bereit erklärt, Beiträge nachzuentrichten, sondern er hat Beiträge tatsächlich entrichtet, nur in der unrichtigen Beitragsart und an den nicht zuständigen Versicherungsträger. Abgesehen hiervon wäre die BfA für die Bereiterklärung zur Nachentrichtung von Beiträgen zur Invalidenversicherung auch keine zuständige Stelle i. S. des § 1444 Abs. 1 Nr. 2 RVO aF (vgl. BSG in SozR RVO § 1444 aF Bl. Aa 1 Nr. 1; RVA in AN 41, 398).

Nach altem Recht besteht nach alledem keine rechtliche Möglichkeit, die an die BfA entrichteten Beiträge des Klägers als wirksame Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter zu behandeln. Der Senat vermag auch nicht die Ansicht des Berufungsgerichts zu teilen, daß das alte Recht eine Lücke enthalte, soweit der vorliegende Fall darin nicht geregelt sei. Die wichtigsten in diesem Zusammenhang in Betracht kommenden Härtefälle hat der Gesetzgeber des alten Rechts durch Einzelvorschriften geregelt (§§ 1445 b, 1446 RVO aF). Außerdem konnte nach § 1442 Abs. 3 RVO aF in den nicht besonders geregelten Fällen besonderer Härte die Nachentrichtung von Pflicht- und freiwilligen Beiträgen über die in dem § 1442 Abs. 1 und 2 RVO bezeichneten Fristen hinaus zugelassen werden. Damit war den Erfordernissen der Billigkeit Genüge getan.

Ob dem neuen Recht, insbesondere den §§ 143, 144 AVG - wie das LSG meint - der Grundgedanke zu entnehmen ist, daß Irrtümer sowohl im Versicherungszweig als auch in der Beitragsart unschädlich sein sollen, war nicht zu entscheiden, weil dieses neue Recht, wie bereits dargelegt, auf die Beitragsentrichtung von 1947 bis 1955 nicht zur Anwendung gelangt.

Der Senat hatte ferner darüber zu entscheiden, ob in der Überweisung des Gegenwerts der beanstandeten Beiträge durch die BfA an die Beklagte im Jahre 1958 eine wirksame Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen zur Rentenversicherung der Arbeiter für die Zeit vom 1. Mai 1947 bis 31. August 1955 zu erblicken ist. Bei sinngemäßer, nicht am Wortlaut haftender Auslegung des Klageantrags ist dieses auch auf eine solche Feststellung gerichtet; denn dem Kläger kommt es letztlich nur auf die Feststellung an, daß er freiwillige Beiträge für diesen Zeitraum zur Rentenversicherung der Arbeiter wirksam entrichtet hat, sei es auch durch eine Nachentrichtung im Jahre 1958. Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid die Entgegennahme von freiwilligen Beiträgen im Wege der Nachentrichtung für die Zeit vor dem 1. Januar 1956 jedoch mit Recht abgelehnt. Für die Frage, innerhalb welcher Frist Beiträge nachentrichtet werden dürfen, ist das Recht maßgebend, das im Zeitpunkt der Beitragsnachentrichtung gilt. Dieser allgemeine Grundsatz hat auch in Art. 2 § 51 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) Ausdruck gefunden. Nach dieser Übergangsvorschrift können nach dem 31. Dezember 1956 Beiträge für die Zeit vor dem Inkrafttreten des ArVNG zwar noch in den bis dahin gültigen alten Beitragsklassen, aber nur innerhalb der Fristen des § 1418 RVO nF nachentrichtet werden. Da die als eine Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen in Betracht kommende Zahlung des Gegenwerts der Beiträge durch die BfA an die Beklagte im Jahre 1958 nach dem Inkrafttreten des ArVNG erfolgt ist, ist die Wirksamkeit dieser Nachentrichtung nach § 1418 RVO nF zu beurteilen. Nach § 1418 RVO nF konnten aber im Jahre 1958 freiwillige Beiträge für die Zeit von 1947 bis 1955 nicht mehr wirksam nachentrichtet werden, weil die in § 1418 Abs. 1 RVO bestimmte Frist verstrichen war und die darüber hinausgehenden Fristen des § 1418 Abs. 2 und 3 RVO nur für Pflichtbeiträge gelten. Dies hat das BSG bereits zu § 1418 Abs. 2 RVO nF ausgesprochen (BSG SozR ArVNG Art. 2 § 42 Bl. Aa 26 Nr. 18; im Anschluß daran Urteil des erkennenden Senats vom 26. Mai 1964 - 12/4 RJ 110/61 -). Die Gründe dieser Entscheidung, auf die verwiesen wird, sind in gleicher Weise für die Auslegung des § 1418 Abs. 3 RVO nF maßgebend; denn § 1418 Abs. 3 RVO nF hat nur eine Verlängerung der erweiterten Nachentrichtungsfrist des § 1418 Abs. 2 RVO nF für Pflichtbeiträge zum Gegenstand.

Eine Verlängerung der Nachentrichtungsfrist des § 1418 Abs. 1 RVO gemäß § 1420 Abs. 2 RVO liegt nicht vor; denn der Beitragsstreit des Klägers gegen die BfA über seine Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung hat den Ablauf der Frist des § 1419 Abs. 1 RVO für die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter nicht gehemmt. Zeiträume, in denen eine Beitragsstreitigkeit schwebt, werden zwar nach § 1420 Abs. 2 RVO in die Nachentrichtungsfristen des § 1418 RVO nicht eingerechnet. Die Vorschrift ist jedoch dahin zu verstehen, daß nur Beitragsstreitigkeiten über die Entrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung der Arbeiter den Ablauf der Nachentrichtungsfristen hemmen; denn die Vorschrift betrifft, wie ihre Stellung im Gesetz zeigt, nur das Beitragsverfahren in der Rentenversicherung der Arbeiter und bezieht sich demzufolge auch nur auf Beitragsstreitigkeiten in diesem Versicherungszweig. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift soll dem Versicherten, der durch einen Streit über die Entrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung der Arbeiter gehindert oder zumindest davon abgehalten worden ist, Beiträge zu diesem Versicherungszweig rechtzeitig zu entrichten, die Möglichkeit gewährt werden, diese Beiträge auch noch nach Ablauf der Nachentrichtungsfristen wirksam nachzuentrichten. Diesem Grundgedanken der Vorschrift entspricht es nicht, auch Beitragsstreitigkeiten aus anderen Versicherungszweigen in gleicher Weise als fristhemmend zu berücksichtigen. In diesem Sinne hatte schon das Reichsversicherungsamt in einem ähnlich gelagerten Fall entschieden, daß ein Streit über die Beitragspflicht zur Invalidenversicherung nicht die Verjährungsfrist für die Entrichtung von Beiträgen zur Angestelltenversicherung unterbricht (§ 190 AVG aF i. V. m. § 1444 Abs. 3 RVO aF), sondern eine Unterbrechung der Verjährung nur eintritt, wenn ein Beitragsstreit nach § 194 AVG aF geschwebt hat (RVA AN 1941, 398).

Darüber, ob dem Kläger ein bürgerlich-rechtlicher Schadensersatzanspruch wegen der ihm von der Gemeinde N. erteilten unrichtigen Auskunft zusteht, konnte nicht entschieden werden, weil hierfür die ordentlichen Gerichte zuständig sind. Ob dem Kläger ein eigenständiger sozialversicherungsrechtlicher Ausgleichsanspruch zur Seite steht, konnte in diesem Verfahren nicht geprüft werden, weil ein solcher Anspruch allenfalls nur dann in Betracht kommen könnte, wenn der Kläger alle ihm nach dem Gesetz gegebenen Möglichkeiten erschöpft hat. Das ist aber bisher nicht geschehen. Denn es liegt noch keine Entscheidung der dafür zuständigen Stelle darüber vor, ob dem Kläger etwa in Anwendung des § 1442 Abs. 3 RVO aF eine Verlängerung der Nachentrichtungsfrist zur Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen für die Zeit von 1947 bis 1955 zugebilligt wird.

Auf die danach begründete Revision der Beklagten waren die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2374986

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