Leitsatz (redaktionell)

1. Auch wenn der Ehemann als einziger Sohn und Hoferbe erheblich Einfluß auf die Wirtschaftsführung des landwirtschaftlichen Betriebes seiner Eltern gehabt hat, ist aus seiner Mitwirkung an der Betriebsführung noch nicht zu schließen, daß er "Mitunternehmer" und iS der DV § 30 Abs 3 und 4 BVG §§ 2 Abs 1 Buchst c, 5 "selbständig tätig" gewesen ist.

2. Als Betriebsinhaber, Unternehmer oder selbständig Tätiger ist nur der anzusehen, der unter eigenem Namen und auf eigene Rechnung ein Gewerbe (oder eine Landwirtschaft) betreibt und dem auch die Verfügungsgewalt über Betriebseinrichtung und Betriebsmittel zusteht.

3. Wer ist "selbständig tätig" ?:

Voraussetzung für die Annahme eines Unternehmers, eines selbständig Tätigen ist: Ihn muß das wirtschaftliche Ergebnis des Betriebes unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen; er muß die Einnahmen erhalten und für die Verluste aufkommen; er muß die notwendigen Betriebseinrichtungen und das Verfügungsrecht über den Betrieb und die Betriebsmittel haben, ferner unmittelbar am wirtschaftlichen Ergebnis des Betriebes beteiligt sein und eine weitgehende Einwirkung auf die Betriebsführung haben. Maßgebend für die Unternehmertätigkeit ist demnach einmal die Gewinnerzielung, andererseits aber auch die persönliche Übernahme des Geschäftsrisikos und die Möglichkeit der Einflußnahme auf die Wirtschaftsführung. Hinzukommen muß die persönliche Unabhängigkeit, die Freiheit von Weisungen und die Eigenverantwortlichkeit der Willensentscheidungen.

Diese Anforderungen sind in gleicher Weise auf den Mitunternehmer anzuwenden. Mitunternehmer ist danach derjenige, der neben - aber nicht unter - einem anderen Unternehmen tätig ist, das Geschäftsrisiko anteilig trägt und selbständigen Einfluß auf die Wirtschaftsführung hat.

 

Normenkette

BVG § 40a Abs. 2 Fassung: 1966-12-28, § 30 Abs 3 u 4 DV § 2 Abs. 1 Buchst. c Fassung: 1968-02-28, § 30 Abs. 3 DV § 5 Abs 1 Fassung: 1968-02-28

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Januar 1970 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Die Klägerin bezieht Hinterbliebenenrente nach ihrem im Jahre 1914 geborenen und am 30. Januar 1942 gefallenen Ehemann Paul Sch (Sch.). Dieser hatte die Mittelschule erfolgreich abgeschlossen und war anschließend in der 55 ha großen elterlichen Landwirtschaft in K/Ostpreußen tätig gewesen. Während dieser Zeit hatte er zwei Semester die Landwirtschaftsschule in I besucht. Bei Kriegsausbruch war er zum Wehrdienst einberufen worden.

Durch Bescheid vom 22. Oktober 1965 bewilligte die Versorgungsverwaltung der Klägerin einen Schadensausgleich. Für die Berechnung des Durchschnittseinkommens stufte sie den Ehemann der Klägerin in die Leistungsgruppe III der technischen Angestellten aller Wirtschaftsbereiche ein. Mit dem Widerspruch erstrebte die Klägerin die Einstufung ihres Ehemannes in die Leistungsgruppe II, weil er ein sehr tüchtiger Landwirt gewesen sei, der auch im Westen eine leitende Stellung in der Landwirtschaft gefunden hätte. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes - LVersorgA - Westfalen vom 25. Januar 1967).

Mit der Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren auf Einstufung in die Leistungsgruppe II weiter. In der Klagebegründung trug sie ua vor, ihr Ehemann wäre gemäß § 5 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 30 Abs. 3 und 4 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) in die Besoldungsgruppe (BesGr) A 11 eingestuft worden, wenn er vor der Schädigung selbständiger Landwirt gewesen wäre. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 30. Oktober 1968 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Klägerin persönlich angehört und den Beklagten verurteilt, bei der Berechnung des Schadensausgleichs die BesGr A 11 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) zugrunde zu legen (Urteil vom 7. Januar 1970). Es hat ausgeführt, der Ehemann der Klägerin sei als einziges Kind seiner Eltern Hoferbe, also formell noch nicht Eigentümer des Hofes gewesen. Er habe aber seit Verlassen der Mittelschule auf dem elterlichen Hof mitgearbeitet. Bei dem Alter seines im Jahre 1866 geborenen Vaters habe es sich dabei von selbst ergeben, daß der Ehemann der Klägerin im Laufe der Jahre immer mehr in die selbständige Leitung des Hofes hineingewachsen sei, so daß er spätestens zur Zeit seiner Einberufung zur Wehrmacht, als er selbst 25 Jahre, sein Vater aber bereits 73 Jahre alt war, als der selbständige Leiter des Hofes und in wirtschaftlicher Hinsicht jedenfalls als "Mitunternehmer" anzusehen gewesen sei. Aber auch schon in den Jahren vorher dürfte er neben seinem Vater als gleichberechtigter selbständiger Landwirt auf dem elterlichen Hof, der vor allem auch die Arbeiter anzustellen hatte, gewirkt haben. Getrennte Kassen seien auf dem Sch Hof nicht geführt worden, vielmehr sei aus dem großen Topf gewirtschaftet worden. Jeder habe über die darin befindlichen Gelder verfügen können. Es müsse auch unterstellt werden, daß der Ehemann der Klägerin, ebenso wie diese selbst nach der Verheiratung im Jahre 1941, beim Abschluß von Verträgen mitgewirkt habe, wenn er sie nicht sogar allein abgeschlossen habe, soweit es sich nicht gerade um solche Verträge gehandelt habe, die wegen der grundbuchlichen Situation vom Vater abgeschlossen werden mußten. Aller Wahrscheinlichkeit nach habe in erster Linie die Einberufung des Ehemannes der Klägerin die formale Umschreibung verhindert. Der Vater habe sich in einem Alter befunden, in dem die Hofübergabe durchaus üblich sei. Unter den gegebenen Umständen wäre es übertriebener Formalismus, den Charakter der Selbständigkeit allein von der formalen Hofübergabe abhängig zu machen, zumal bei Hofpächtern die Selbständigkeit im allgemeinen zu bejahen sei und der Ehemann der Klägerin jedenfalls wirtschaftlich und sozial heute rückschauend wie ein solcher angesehen werden dürfe. Bei dieser Sachlage habe der Senat keine Bedenken getragen, den Ehemann der Klägerin als selbständigen Landwirt im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen anzusehen. Das Durchschnittseinkommen sei daher nach § 5 der DVO zu ermitteln und der Ehemann der Klägerin in die BesGr A 11 einzustufen.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Dieses Urteil wurde dem Beklagten am 2. März 1970 zugestellt. Er hat dagegen am 31. März Revision eingelegt und diese am 28. April 1970 begründet.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Januar 1970 - L 10 V 375/68 - die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30. Oktober 1968 - S 29 V 164/67 - zurückzuweisen;

hilfsweise,

das angefochtene Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

In seiner Revisionsbegründung rügt er die Verletzung der §§ 103, 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), 40 a BVG, 2, 3 und 5 der DVO vom 30. Juli 1964 und vom 28. Februar 1968 zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG. Er trägt dazu vor, der Gefallene sei nicht selbständig Tätiger im Sinne der §§ 2 und 5 der DVO gewesen. Es könne auch nicht angenommen werden, daß er das ohne die Schädigung geworden wäre. Der Begriff der selbständigen Tätigkeit bzw. des selbständig Tätigen i.S. des § 5 DVO sei im Gesetz nicht definiert; er bedürfe daher der Auslegung. Dabei weise schon der Wortsinn auf das Erfordernis der Freiheit von Weisungen und der Eigenverantwortlichkeit hin, wie sie nur bei Betriebsinhabern gegeben sei. Dafür, daß § 5 der DVO sich auf die Betriebsinhaber beziehe, spreche vor allem auch § 6 Abs. 2 DVO. Die selbständige Tätigkeit i.S. des § 5 stelle sich demnach als eine Tätigkeit dar, die unter eigener Verantwortung und für eigene Rechnung ausgeübt werde. Wenn das LSG zum Ausdruck gebracht habe, daß der Ehemann der Klägerin neben seinem Vater als gleichberechtigter selbständiger Landwirt gewirkt haben "dürfte", so handele es sich dabei um die Rechtsauffassung des LSG, nicht aber um eine Tatsachenfeststellung. Das gleiche gelte für die Ausführung des LSG, daß der Ehemann der Klägerin heute rückschauend jedenfalls wirtschaftlich und sozial wie ein Hofpächter gewertet werden dürfe. Dafür, daß der Betrieb auf seine Rechnung gegangen sei, böten sich keine ausreichenden Anhaltspunkte. Das Wirtschaften aus einem Topf erkläre sich allein aus der engen Familiengemeinschaft, wie sie auf Bauernhöfen üblich sei. Die Anstellung von Arbeitskräften und die Mitwirkung bei Vertragsabschlüssen paßten in den Rahmen der Betriebsleiterfunktionen. Das LSG sei jedenfalls verpflichtet gewesen, die Zeugen Sch, Paul W und Gustav U über die Tätigkeit des Ehemanns der Klägerin im einzelnen zu vernehmen. Die Feststellung des LSG, der Ehemann habe die Arbeiter anzustellen gehabt, sei überdies mit den Angaben der Klägerin nicht zu vereinbaren und stelle einen Verstoß gegen § 128 SGG dar.

Die Klägerin beantragt,

1)

die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Januar 1970 als unbegründet zurückzuweisen;

2)

dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in sämtlichen Rechtszügen aufzuerlegen.

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend und meint, eine Einstufung nach § 3 Abs. 1 Buchst. a der DVO in die Leistungsgruppe III der männlichen technischen Angestellten würde die berufliche Stellung ihres Ehemannes in dem landwirtschaftlichen Anwesen völlig unberücksichtigt lassen. Die Rüge der Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften könne nicht durchgreifen.

II

Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist von dem Beklagten frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG); sie ist daher zulässig (§ 169 SGG). Die Revision ist auch im Sinne der Zurückverweisung an das LSG begründet. Der festgestellte Sachverhalt rechtfertigt es nicht, den Ehemann der Klägerin als Mitinhaber (Mitunternehmer) des landwirtschaftlichen Betriebs seiner Eltern anzusehen.

Maßgebend für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Schadensausgleich ist das BVG idF des 2. und 3. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 21. Februar 1964 bzw. 28. Dezember 1966 (BGBl 1964 I S. 85; BGBl 1966 I S. 750 - 2. und 3. NOG -). Der Beklagte hat der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1964 an einen Schadensausgleich nach §§ 40 a, 30 Abs. 4 und 7 BVG i.V.m. der dazu erlassenen DVO vom 30. Juli 1964 bzw. vom 28. Februar 1968 (BGBl 1964 I S. 574; BGBl 1968 I S. 134 - DVO 1964 bzw. DVO 1968 -) gewährt. Zwischen den Beteiligten besteht demnach kein Streit darüber, daß die Klägerin durch den Tod ihres Ehemannes einen Einkommensverlust erlitten (§ 40 a BVG) und dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadensausgleich hat. Der Streit geht lediglich um die Höhe des Vergleichseinkommens, das der Berechnung des Schadensausgleichs zugrunde zu legen ist, und insbesondere darum, ob das Vergleichseinkommen nach § 5 oder nach § 3 DVO zu ermitteln ist.

Nach § 40 a Abs. 1 BVG idF des 2. NOG erhalten Witwen, deren Einkommen um mindestens 50,- DM geringer ist als die Hälfte des Einkommens, das der Ehemann ohne die Schädigung erzielt hätte, einen Schadensausgleich in Höhe von vier Zehntel des festgestellten Unterschiedsbetrages, jedoch höchstens 200,- DM monatlich. Diese Vorschrift ist durch das 3. NOG lediglich dahin geändert worden, daß der Mindestbetrag des Einkommensverlustes von 50,- DM entfallen und der Höchstbetrag auf 250,- DM monatlich erhöht worden ist. Zur Feststellung des Schadensausgleichs ist gemäß § 40 a Abs. 2 BVG - diese Vorschrift ist nach dem 3. NOG unverändert geblieben - das von der Witwe erzielte Bruttoeinkommen zuzüglich der Grundrente usw. mit dem Einkommen des Ehemannes zu vergleichen. Als Einkommen des Ehemannes gilt das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Verstorbene angehört hat oder ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten wahrscheinlich angehört hätte. Der erkennende Senat hat hierzu bereits entschieden, daß die Witwe mindestens nach den Verhältnissen versorgt werden soll, die beim Tode des Ehemannes bestanden haben, daß der Witwe - anders als dem Beschädigten selbst nach § 30 Abs. 4 BVG - insoweit ein Wahlrecht zusteht und daß sie von den beiden im Gesetz genannten Möglichkeiten ("... angehört hat" oder "... wahrscheinlich angehört hätte") die für sie günstigere Berechnungsart in Anspruch nehmen kann, sofern die Witwe ihren Anspruch nicht ausdrücklich auf eine der beiden Alternativen beschränkt (vgl. BSG 32, 1 = SozR BVG Nr. 9 zu § 40 a). Die Klägerin hat mit ihrem in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellten Antrag, wonach "in erster Linie die Zugrundelegung der BesGr A 11 begehrt wird", hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie von der Wahlmöglichkeit Gebrauch machen und die für sie günstigere Berechnungsart erreichen will. Das LSG ist offensichtlich davon ausgegangen, daß die erste Alternative ("angehört hat") die für die Klägerin günstigste Berechnungsart darstellt, indem es den Ehemann der Klägerin als selbständig Tätigen angesehen und das Durchschnittseinkommen nach § 5 DVO ermittelt hat. Der festgestellte Sachverhalt rechtfertigt diese Einordnung jedoch nicht, ganz abgesehen davon, daß auch die Verfahrensrügen des Beklagten durchgreifen.

Nach § 2 der DVO - die auf den Schadensausgleich entsprechend anzuwenden ist (§ 11 DVO) - wird das Durchschnittseinkommen bei unselbständig Tätigen (Buchst. a) nach § 3 DVO und bei selbständig Tätigen (Buchst. c) nach § 5 DVO ermittelt. Der Beklagte weist in seiner Revisionsbegründung zu Recht darauf hin, daß die DVO weder in den §§ 2 und 5 noch an anderer Stelle eine Definition der beiden Begriffe der unselbständigen bzw. selbständigen Tätigkeit enthält und daß diese Begriffe, insbesondere der von dem LSG als vorliegend angesehene Begriff der selbständigen Tätigkeit, daher der Auslegung bedürfen (vgl. BSG 16, 58). Einen Anhalt für die Auslegung gibt zunächst § 6 Abs. 2 DVO, wonach bei der Ermittlung der angemessenen Besoldungsgruppe für selbständig Tätige (§ 5) der nachgewiesene durchschnittliche Gewinn aus Gewerbe oder selbständiger Arbeit zugrunde zu legen ist. Ein Gewinn wird aber in Gewerbebetrieben und in der Land- und Forstwirtschaft nur von dem Betriebsinhaber erzielt, d.h. von demjenigen, auf dessen Rechnung der Betrieb geht und dem nicht nur der Gewinn zufließt, sondern der auch den Verlust zu tragen hat (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 16. Februar 1967 in BVBl 1967 S. 131). Für die Auslegung ist weiterhin das der DVO zugrunde liegende Gesetz, also das BVG, heranzuziehen. Auch das BVG enthält keine eigene Interpretation des Begriffes der unselbständigen bzw. selbständigen Tätigkeit. Die Verweisungen in §§ 33 Abs. 2 und 17 Abs. 2 BVG (idF des 3. NOG) auf § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lassen jedoch erkennen, daß für die Begriffsabgrenzung im Kriegsopferrecht auch auf die im Steuerrecht maßgebenden Merkmale zurückgegriffen werden soll. Danach gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Gehälter, Löhne, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Die Gewährung von freier Wohnung und Verpflegung und von sonstigen Vorteilen - zB die Zahlung eines Taschengeldes - schließt daher das Vorliegen einer unselbständigen Arbeit jedenfalls nicht aus. Andererseits gehören zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit ua Einkünfte aus freiberuflicher, selbständig ausgeübter Tätigkeit, wobei diese Tätigkeit "leitend und eigenverantwortlich" erfolgen muß (vgl. § 18 EStG). Da demnach auch das Steuerrecht eine sichere, eindeutige Abgrenzung nicht erlaubt, ist weiterhin wegen der engen Verzahnung zwischen Kriegsopferrecht und Sozialversicherungsrecht (vgl. zB § 3 DVO mit der Übernahme der im SV-Recht gebräuchlichen Begriffe Arbeiter und Angestellter) auf die im SV-Recht gefundenen Kriterien zurückzugreifen. Dabei zeigt sich, daß die Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis (vgl. §§ 165 Abs. 2, 539 Abs. 1 Nr. 1, 1227 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) und einer selbständigen Tätigkeit (vgl. §§ 543 RVO, 75 Abs. 3 AVAVG) von jeher Schwierigkeiten gemacht hat (vgl. zB BSG 13, 130; 14, 224; 16, 58; 16, 289, 293; 18, 215, 217). Als "selbständig" ist eine Person angesehen worden, die unter eigenem Namen und auf eigene Rechnung ein Gewerbe betreibt (vgl. BSG 14, 224) bzw. die für unbestimmte Zeit eine selbständige Tätigkeit berufsmäßig zu Erwerbszwecken ausübt, wobei als maßgebliche Kriterien die persönliche Unabhängigkeit, die eigene wirtschaftliche Verantwortung und die eigene freie Verfügungsgewalt über die Betriebseinrichtungen und die Betriebsmittel angeführt worden sind (vgl. BSG 16, 58; 16, 289). Von der Rechtsprechung ist insbesondere hervorgehoben worden, daß im Zweifel die Gesamtheit aller maßgebenden Umstände und Vereinbarungen entscheidend ist; eine Dienstleistung, die relativ frei und ohne ständige direkte Weisung ausgeübt wird, kann auch dann fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge aus der Ordnung des Betriebes erhält (vgl. BSG 16, 289, 293); eine selbständige Beschäftigung von Hilfspersonen schließt die eigene Abhängigkeit nicht aus (vgl. BSG 13, 130); Vorbereitungshandlungen, die erst den Zutritt zum eigenen Erwerbsleben und damit zur Selbständigkeit eröffnen sollen, rechtfertigen nicht die Annahme einer Selbständigkeit (vgl. BSG 16, 58).

Schließlich lassen sich Abgrenzungsmerkmale auch aus § 33 BVG und der dazu erlassenen DVO gewinnen. Nach § 33 Abs. 1 BVG ist die volle Ausgleichsrente um das anzurechnende Einkommen zu mindern, wobei zwischen den Einkünften "aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit" - dazu gehören gemäß § 33 Abs. 2 BVG u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG, aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb und aus selbständiger Arbeit - und den "übrigen Einkünften" unterschieden wird. Die zur Durchführung des § 33 BVG erlassene VO enthält in §§ 8 und 9 besondere Vorschriften über die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, wobei in § 8 auf die "Veranlagung zur Einkommensteuer" und in § 9 auf den steuerrechtlichen "Gewinn" abgestellt wird. Nach § 10 Abs. 2 DVO idF vom 9. November 1967 (BGBl I S. 1140) ist Unternehmer derjenige, für dessen Rechnung das Unternehmen geht. Ferner bestimmt § 10 Abs. 1 Satz 1 DVO, daß die auf Gewinn gerichtete Arbeit, die von einem Familienangehörigen eines land- oder forstwirtschaftlichen oder gewerblichen Unternehmers ... geleistet wird, als nichtselbständige Arbeit i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG gilt. Die besondere Erwähnung der mithelfenden Familienangehörigen und ihre Zuordnung zu den unselbständig Tätigen lassen den Willen des Verordnungsgebers erkennen, unklare Rechtsverhältnisse zu vermeiden und nur den Betriebsinhaber als Unternehmer, die mithelfenden Familienangehörigen aber als abhängig Beschäftigte anzusehen.

Aus den erwähnten Rechtsvorschriften und der dazu ergangenen Rechtsprechung läßt sich zusammenfassend der Schluß ziehen, daß dem Unternehmer das wirtschaftliche Ergebnis des Betriebes unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen muß; er muß die Einnahmen erhalten und für die Verluste aufkommen; er muß die notwendigen Betriebseinrichtungen und das Verfügungsrecht über den Betrieb und die Betriebsmittel haben, ferner unmittelbar am wirtschaftlichen Ergebnis des Betriebes beteiligt sein und eine weitgehende Einwirkung auf die Betriebsführung haben (vgl. das zum Abdruck bestimmte Urteil des erkennenden Senats vom 16. Juli 1971 - 10 RV 510/70 -; s. auch BSG 22, 87). Maßgebend für die Unternehmertätigkeit ist demnach einmal die Gewinnerzielung (vgl. § 6 Abs. 2 der DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG), andererseits aber auch die persönliche Übernahme des Geschäftsrisikos und die Möglichkeit der Einflußnahme auf die Wirtschaftsführung (vgl. BSG 22, 87). Hinzukommen muß die persönliche Unabhängigkeit, die Freiheit von Weisungen und die Eigenverantwortlichkeit der Willensentscheidungen. Selbst die weitgehendsten Vollmachten machen den abhängig Beschäftigten noch nicht zum Selbständigen. Der Eigentümer oder Betriebsinhaber begibt sich damit nicht der rechtlichen Möglichkeit der alleinigen letzten Entscheidung bzw. der Möglichkeit des Widerrufs der Vollmacht. Diese Anforderungen, die für den Unternehmer eines Betriebes gelten, sind in gleicher Weise auf den Mitunternehmer anzuwenden. Mitunternehmer ist danach derjenige, der neben - aber nicht unter - einem anderen Unternehmer tätig ist, das Geschäftsrisiko anteilig trägt und selbständigen Einfluß auf die Wirtschaftsführung hat.

Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewandt, dann zeigt sich, daß die Einordnung des Ehemannes der Klägerin als selbständiger Landwirt durch das LSG - jedenfalls bei den vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen - nicht gerechtfertigt ist. Zunächst bleibt schon weitgehend unklar, welche tatsächlichen Feststellungen das LSG insoweit überhaupt hat treffen wollen. Die Ausdrucksweise des LSG ("... dürfte er neben seinem Vater als gleichberechtigter selbständiger Landwirt auf dem elterlichen Hof mitgewirkt haben"; "es muß auch unterstellt werden ..."; "wenn er sie - das heißt die Verträge - nicht sogar allein abgeschlossen hat" - vgl. Blatt 5 des Urteils -) kann nicht etwa, wie der Beklagte meint, als Rechtsansicht des LSG angesehen werden, sondern diese Ausdrucksweise deutet darauf hin, daß das LSG weitgehend mit Vermutungen und Annahmen gearbeitet hat. Jedenfalls aber hat das LSG nicht festgestellt - was nach den obigen Ausführungen erforderlich gewesen wäre -, daß der Ehemann der Klägerin das Wirtschaftsrisiko getragen hat und am Gewinn und Verlust beteiligt war. Es hat auch nicht festgestellt, daß Sch. das Verfügungsrecht über den Betrieb oder jedenfalls über die Betriebsmittel hatte, oder daß er die Steuererklärungen abgegeben hat oder für die Steuerzahlungen verantwortlich war. Ferner fehlen Feststellungen darüber, daß der Ehemann der Klägerin nicht in den Betrieb eingegliedert und nicht dem Weisungsrecht seines Vaters unterworfen war, sondern in eigener Verantwortung über den Betrieb und die mit der Wirtschaftsführung zusammenhängigen Fragen entscheiden konnte.

Dagegen hat das LSG festgestellt, daß der Ehemann der Klägerin "formell noch nicht Eigentümer des Hofes war". Gerade im Hinblick auf die fehlende Eintragung im Grundbuch, der im Grundstücksrecht eine ganz besondere Bedeutung zukommt (vgl. § 873 des Bürgerlichen Gesetzbuches), wäre es unerläßlich gewesen, die Voraussetzungen für eine Unternehmertätigkeit besonders sorgfältig zu prüfen. Bedenklich erscheint aber schon die weitere - vom Beklagten allerdings nicht angegriffene - Feststellung, daß zur Zeit seines Todes "noch seine Eltern eingetragen waren", da nach § 17 des Reichserbhofgesetzes vom 29. September 1933 (RGBl I S. 685 - RErbhofG -) ein Erbhof nicht zum Gesamtgut einer ehelichen Gütergemeinschaft gehören oder "sonst im Eigentum mehrerer Personen stehen konnte". Jedenfalls hätte es nahegelegen, bei der vom LSG getroffenen Feststellung die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Mutter des Ehemannes der Klägerin zu klären. Die Auffassung des LSG, daß der Ehemann der Klägerin ... heute rückschauend wie ein Hofpächter "gewertet werden darf", ist gleichfalls nicht bedenkenfrei. Dabei ist zu beachten, daß nach § 37 Abs. 3 RErbhofG das Anerbengericht die Genehmigung zur Veräußerung eines Erbhofes - der gemäß § 37 Abs. 1 grundsätzlich unveräußerlich und unbelastbar war und bei dem das Anerbengericht die Genehmigung zur Veräußerung nur erteilen konnte, wenn ein wichtiger Grund vorlag - erteilen sollte, wenn der Bauer den Hof einem Anerbenberechtigten übergeben wollte. Die Eigenschaft als Erbhof schloß also bei der damaligen Gesetzeslage die Übergabe an den Ehemann der Klägerin, der nach den Feststellungen des LSG einziges Kind und damit Hoferbe seiner Eltern war, gerade nicht aus, wenn diese Übergabe von dem Vater mit Rücksicht auf sein Alter tatsächlich beabsichtigt war.

Die Feststellung des LSG, daß auf dem Sch Hof "aus dem großen Topf gewirtschaftet wurde" und "jeder über die darin befindlichen Gelder verfügen konnte", läßt gleichfalls keinerlei Rückschlüsse auf die persönliche Übernahme des Geschäftsrisikos und die Beteiligung am Gewinn und Verlust des Betriebes zu. Zunächst wird schon nicht hinreichend deutlich, ob es sich bei dem "großen Topf" um die Hauskasse (Barkasse) gehandelt hat, worauf die weitere Ausdrucksweise des LSG ("über die darin befindlichen Gelder ...") hinzudeuten scheint, oder ob darunter auch das Bank- oder Sparkonto zu verstehen ist. Die Entnahme aus der Barkasse durch "jeden" - womit offensichtlich auch die Klägerin selbst gemeint ist - hat mit der Unternehmereigenschaft nichts zu tun, ganz abgesehen davon, daß eine solche Entnahme in einem bäuerlichen Familienbetrieb durchaus üblich ist. Es fehlt auch jede nähere Erläuterung dafür, was unter "Verträgen", die der Ehemann der Klägerin "sogar allein abgeschlossen hat", zu verstehen ist; ob darunter nur die Geschäfte des täglichen Verkaufs und Bedarfs fallen oder auch die großen Verkäufe der Ernte, des Schlachtviehs und die Einkäufe von Dünger, Betriebsinventar und landwirtschaftlichen Maschinen. Der Beklagte rügt überdies zu Recht, daß die Klägerin selbst lediglich von der "Mitwirkung" bei Verträgen gesprochen hat und daß das LSG aufgrund dieser Äußerung nicht ohne weiteres die Feststellung treffen durfte, daß der Ehemann der Klägerin Verträge "sogar allein abgeschlossen hat". Hat nämlich auch die Klägerin, die ihren Ehemann erst im Januar 1941 geheiratet hatte, beim Abschluß von Verträgen "mitgewirkt" und ging die rechtliche Stellung ihres Ehemannes über die gleiche Art von "Mitwirkung" nicht hinaus, dann ist nicht einzusehen, inwieweit aus dieser "Mitwirkung" der Klägerin und ihres Ehemannes gerade auf die Unternehmerstellung des Ehemannes zu schließen ist.

Die weitere Rüge des Beklagten, die Feststellung des LSG, daß der Ehemann der Klägerin "vor allem auch die Arbeiter anzustellen hatte", sei unter Verstoß gegen § 128 SGG zustande gekommen, ist gleichfalls begründet. Nach dem Sitzungsprotokoll hat die Klägerin erklärt: "Die Arbeiter für unseren Hof hat mein Mann ausgesucht. Später habe ich das gemacht". Das LSG hat insoweit nicht deutlich zwischen dem "Aussuchen" und der "Anstellung" unterschieden, ganz abgesehen davon, daß das von der Klägerin auch für sich selbst in Anspruch genommene "Aussuchen" wiederum keine Rückschlüsse auf die Selbständigkeit ihres Ehemannes zuläßt. Insoweit handelt es sich um die typische Tätigkeit eines Betriebsleiters oder landwirtschaftlichen Inspektors - also eines unselbständig Tätigen -, der für den Außendienst verantwortlich ist und im Auftrag und in Vollmacht des Betriebsinhabers handelt.

Im Ergebnis zeigt sich, daß der festgestellte Sachverhalt die Schlußfolgerung, der Ehemann der Klägerin sei in die Gruppe der selbständig Tätigen einzuordnen, nicht rechtfertigt.

Damit entfällt aber auch die Einstufung in die Besoldungsgruppe A 11 (vgl. §§ 3 und 5 DVO). Die Revision des Beklagten ist daher begründet. Gleichwohl konnte der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 170 Abs. 2 SGG). Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG auch den "Antrag aus der Berufungsniederschrift" gestellt hat - mit welchem sie die Gewährung eines Schadensausgleichs unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe II begehrt hatte -, und da das LSG infolge seiner abweichenden Rechtsauffassung insoweit keine Feststellungen getroffen hat, wird das LSG noch zu prüfen haben, ob der Ehemann der Klägerin möglicherweise in diese Leistungsgruppe einzustufen ist. Die Sache war daher an das LSG zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670083

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