Leitsatz (amtlich)

1. Die Berufung ist zulässig, wenn sie den Anspruch eines Rentners auf einen Zuschuß zu seinem Krankenversicherungsbeitrag (RVO § 381 Abs 4) für einen zwar abgelaufenen, aber mehr als 3 Monate umfassenden Zeitraum betrifft.

2. Ein freiwillig gegen Krankheit versicherter Rentner, dessen Rente entzogen worden ist, hat keinen Anspruch darauf, daß ihm der Rentenversicherungsträger den bisher gezahlten Zuschuß zu seinem Krankenversicherungsbeitrag (RVO § 381 Abs 4) während der Dauer des Rentenentziehungsprozesses weiterzahlt.

 

Leitsatz (redaktionell)

Ende des Beitragszuschusses nach RVO § 381 Abs 4 bei Rentenentzug:

1. Das SGG sieht - abgesehen von den Fällen des SGG § 54 Abs 5 - eine Leistungsklage lediglich in Gestalt der verbundenen Anfechtungs- und Leistungsklage vor (SGG § 54 Abs 4); daher kann über eine Leistungsklage nur dann entschieden werden, wenn der eingeklagte Leistungsanspruch spätestens bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem SG durch Verwaltungsakt förmlich abgelehnt worden ist.

2. Einem Rentenempfänger, der seinen Anspruch auf den Beitragszuschuß "zum Empfang und Einzug" der KK abgetreten hat, verbleiben - unabhängig davon, ob die KK den Rechtsstreit führen könnte - das Forderungsrecht und die Prozeßführungsbefugnis.

 

Orientierungssatz

1. Eine prozessuale Erklärung kann zugleich die Merkmale eines Verwaltungsaktes tragen (vergleiche BSG 1959-07-30 2 RU 274/56 = BSGE 10, 218 und BSG 1965-05-26 4 RJ 527/63 = BSGE 23, 89; vergleiche BSG 1964-02-18 11/1 RA 90/61 = SozR Nr 11 zu § 79 SGG und BSG 1961-11-14 11 RV 20/61 = SozR Nr 87 zu § 54 SGG.

2. Auf freiwillig krankenversicherte Rentner ist § 312 Abs 2 S 1 RVO nicht anwendbar.

 

Normenkette

RVO § 312 Abs. 2 Fassung: 1956-06-12, § 381 Abs. 4 Fassung: 1956-06-12; SGG § 144 Fassung: 1953-09-03, § 146 Fassung: 1958-06-25, § 54 Abs. 4 Fassung: 1953-09-03, Abs. 5 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Januar 1963 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 30. November 1960 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) der klagenden Rentnerin den Zuschuß zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag (§ 381 Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) auch für die Zeit nach Entziehung der Rente - bis zur Erledigung des darüber geführten Rechtsstreits - weiterzuzahlen hat.

Die Klägerin hatte - nach Bewilligung einer Invalidenrente im Jahre 1955 - ihre Krankenversicherung als Rentnerin, die zunächst als Pflichtversicherung bestanden hatte, seit August 1956 freiwillig bei der beigeladenen Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) fortgesetzt (Art. 2 § 8 des Gesetzes über Krankenversicherung der Rentner - KVdR - vom 12. Juni 1956). Ende August 1956 beantragte sie über die beigeladene AOK nach § 381 Abs. 4 RVO die Zahlung eines Zuschusses zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag und trat gleichzeitig den Anspruch auf den Beitragszuschuß an die Beigeladene "zum Empfang und Einzug des Betrages" ab. Die beklagte LVA zahlte den Zuschuß in der Folgezeit unmittelbar an die beigeladene AOK, ohne dieser oder der Klägerin darüber einen Bescheid zu erteilen. Im Jahre 1959 entzog sie die Rente mit Ablauf des Monats Mai 1959, zugleich stellte sie - ebenfalls ohne besonderen Bescheid - die weitere Zahlung des Beitragszuschusses ein. In dem wegen der Rentenentziehung geführten Rechtsstreit verglichen sich die Beteiligten im September 1960 dahin, daß die Beklagte der Klägerin ab 1. Juni 1960 wieder eine Rente wegen Berufsunfähigkeit gewährte. Seit diesem Tage erhält auch die beigeladene AOK für die Klägerin wieder den Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO. Die Klägerin meint nun, die Beklagte müsse den Zuschuß bis zum "endgültigen" Entzug der Rente, also auch für die Zeit von Juni 1959 bis Mai 1960, zahlen, wie dies § 312 Abs. 2 RVO bei pflichtversicherten Rentnern vorsehe.

Das Sozialgericht (SG) Regensburg hat die Klage als unbegründet abgewiesen, weil § 312 Abs. 2 RVO, wonach die Pflichtmitgliedschaft in der KVdR erst mit dem "endgültigen Entzug der Rente" endet, bei freiwillig versicherten Rentnern nicht entsprechend anwendbar sei (Urteil vom 30. November 1960).

Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin trotz des zeitlich beschränkten Streitgegenstandes für zulässig gehalten und hat ihrer Klage stattgegeben: Der beschwerende Verwaltungsakt, der bei der Entscheidung des Gerichts über eine Leistungsklage vorliegen müsse, sei in dem Schriftsatz der beklagten LVA vom 6. April 1960, worin sie den Anspruch der Klägerin abgelehnt habe, enthalten. Entgegen der Ansicht des SG sei der Klaganspruch auch begründet. Zwar fehle für die freiwillig gegen Krankheit versicherten Rentner eine dem § 312 Abs. 2 RVO entsprechende Regelung. Daraus könne jedoch nicht geschlossen werden, daß der Gesetzgeber bei ihnen die Frage, wie lange der Beitragszuschuß im Falle der Rentenentziehung zu zahlen sei, absichtlich anders habe regeln wollen als bei den pflichtversicherten Rentnern. Das Schweigen des Gesetzgebers stelle vielmehr eine Gesetzeslücke dar, die durch entsprechende Anwendung der in § 312 Abs. 2 RVO getroffenen Regelung zu schließen sei. Die Einfügung des § 381 Abs. 4 RVO habe den freiwillig versicherten Rentnern etwa die gleichen Ansprüche wie den pflichtversicherten verschaffen sollen. Es würde daher dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Neuregelung widersprechen, wenn § 312 Abs. 2 RVO bei ihnen nicht angewendet würde (Urteil vom 10. Januar 1963).

Die beklagte LVA wendet sich mit der - vom LSG zugelassenen - Revision gegen dessen Rechtsauffassung. Trotz Einfügung des § 381 Abs. 4 RVO unterscheide die KVdR - wie die Krankenversicherung überhaupt - zwischen Pflicht- und freiwillig Versicherten. Beide Gruppen habe das Gesetz über KVdR lediglich insoweit gleichgestellt, als der Träger der Rentenversicherung für alle Rentner einen gleich hohen Beitrag zur KVdR zu leisten habe. Eine weitergehende Gleichstellung sei aus dem Gesetz nicht abzuleiten. Nach dem Grundgedanken des § 381 Abs. 4 RVO solle nur derjenige Rentner den Beitragszuschuß erhalten, der tatsächlich eine Rente beziehe. Der Beitragszuschuß falle daher wegen seiner akzessorischen Rechtsnatur mit der Entziehung der Rente weg, müsse aber nachbewilligt werden, wenn die Rentenentziehung vom Gericht aufgehoben werde. Entgegen der Ansicht des LSG bestehe somit keine Gesetzeslücke, das angefochtene Urteil durchbreche vielmehr die Gesetzessystematik. Gegen eine analoge Anwendung des § 312 Abs. 2 RVO spreche auch sein Ausnahmecharakter und der Umstand, daß er nur die Beendigung der Mitgliedschaft in der KVdR, nicht die - hier allein interessierende - Beitragspflicht des Rentenversicherungsträgers regele. Die Vorschrift bezwecke nach ihrer Begründung, dem Rentner für die Dauer des Rentenentziehungsprozesses den Schutz der KVdR zu erhalten; die Kassenmitgliedschaft der freiwillig krankenversicherten Rentner werde aber durch die Rentenentziehung nicht berührt. Auch sei die soziale Stellung der freiwillig versicherten Rentner eine andere als die der pflichtversicherten, nach dem Entwurf eines Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetzes sollten sie überhaupt nicht mehr versicherungsberechtigt sein. Im übrigen könne das Gericht nach § 97 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) den Vollzug des Rentenentziehungsbescheides einstweilen aussetzen, so daß mit der Rente dann auch der Beitragszuschuß weiterzuzahlen sei. Müßte der Rentenversicherungsträger den Beitragszuschuß ohne eine gerichtliche Aussetzungsanordnung fortzahlen, so würde die abschließende Regelung des § 97 SGG unzulässig erweitert werden. Sei dagegen, wie sie meine, der Beitragszuschuß zugleich mit der Entziehung der Rente einzustellen, so verhindere dies, daß gegen den Entziehungsbescheid geklagt werde, um während der Dauer des Prozesses wenigstens die Krankenversicherungsbeiträge zu erhalten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Bayerischen LSG vom 10. Januar 1963 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Regensburg vom 30. November 1960 zurückzuweisen.

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Die beigeladene AOK beantragt ebenfalls,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Sie meint, es gebe keinen sachlichen Grund, in der strittigen Frage zwischen freiwillig und pflichtversicherten Rentnern zu differenzieren.

II

Die Revision der beklagten LVA ist begründet. Das LSG hat sie zu Unrecht verurteilt, den Beitragszuschuß für die Zeit nachzuzahlen, in der zwischen den Hauptbeteiligten des vorliegenden Prozesses - der beklagten LVA und der klagenden Rentnerin - ein Rechtsstreit wegen Entziehung der Rente geschwebt hat.

Zutreffend hat das LSG die Zulässigkeit der Berufung bejaht. Allerdings betraf die Berufung schon bei ihrer Einlegung nur einen Anspruch für einen begrenzten und in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, nämlich für die Monate Juni 1959 bis Mai 1960. Indessen sind Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen, zu denen auch der Anspruch auf einen Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO gehört, uneingeschränkt berufungsfähig, wenn sie, wie hier, mehr als 13 Wochen (3 Monate) umfassen (§ 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG). - Die Sondervorschrift des § 146 SGG, die in Angelegenheiten der Rentenversicherungen die Berufung ausschließt, soweit sie Beginn oder Ende der Rente oder nur die Rente für bereits abgelaufene Zeiträume betrifft, gilt nicht für Beitragszuschüsse nach § 381 Abs. 4 RVO. Zwar zählen die Beiträge der Rentenversicherungsträger für die KVdR zu den Regelleistungen der Rentenversicherung (§ 1235 Nr. 5 RVO). Entsprechendes muß für Beitragszuschüsse nach § 381 Abs. 4 RVO gelten. Rechtsstreitigkeiten wegen Gewährung solcher Beiträge bzw. Beitragszuschüsse sind deshalb "Angelegenheiten der Rentenversicherungen" im Sinne des § 146 SGG (BSG 14, 112). Anders als jedoch z. B. das Übergangsgeld (§ 1241 RVO), das ebenfalls zu den Regelleistungen der Rentenversicherung gehört, haben Beitragszuschüsse nach § 381 Abs. 4 RVO keinen "rentenähnlichen Charakter" (BSG SozR SGG § 146 Nr. 11). Schon aus diesem Grunde ist § 146 SGG, der als Ausnahmevorschrift auch im Zweifel eng auszulegen ist (BSG SozR SGG § 144 Nr. 27), auf Beitragszuschüsse nach § 381 Abs. 4 RVO nicht übertragbar.

Zutreffend hat das LSG ferner die Zulässigkeit der von der Klägerin erhobenen Leistungsklage bejaht. Das SGG kennt eine Leistungsklage - abgesehen von den Fällen, daß ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte (§ 54 Abs. 5 SGG) - nur in Gestalt der verbundenen Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG). Die Leistungsklage setzt also regelmäßig voraus, daß die Verwaltung über das Begehren des Klägers zunächst durch Verwaltungsakt entschieden hat. Da es sich insoweit um eine Sachurteilsvoraussetzung handelt, muß der Verwaltungsakt spätestens bei Erlaß des Urteils (genauer: im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Gerichts) vorliegen. Das war hier der Fall.

Wie das LSG ausgeführt hat, enthielt der - der Klägerin abschriftlich mitgeteilte - Schriftsatz der beklagten LVA vom 6. April 1960 die Erklärung der Beklagten, daß sie das Begehren der Klägerin auf Weiterzahlung des Beitragszuschusses während der Dauer des Rentenentziehungsprozesses für unbegründet halte. Eine ähnliche Erklärung hatte die Beklagte schon vorher gegenüber der beigeladenen AOK abgegeben, die darin mit Recht eine "Ablehnung" des Klaganspruches gesehen hatte (Schreiben der Beklagten vom 25. Februar 1960 und Schreiben der Beigeladenen an die Klägerin vom 24. März 1960). Außerdem hatte die Beklagte - entsprechend ihrer Rechtsauffassung - die Zahlung des Beitragszuschusses zugleich mit der Rentenentziehung eingestellt und damit erkennbar ihre Pflicht zur Weiterzahlung des Zuschusses während des Entziehungsprozesses verneint. Dieses Verhalten der Beklagten macht ihre spätere Erklärung im Schriftsatz vom 6. April 1960 so eindeutig, daß es der Senat mit dem LSG für vertretbar hält, in jener Erklärung einen ablehnenden Verwaltungsakt zu sehen. Daß eine prozessuale Erklärung zugleich die Merkmale eines Verwaltungsaktes tragen kann, ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) anerkannt (vgl. BSG 10, 218, 221; Urteil vom 26. Mai 1965, 4 RJ 527/63, S. 7 f, insoweit nicht abgedruckt in BSG 23, 89; vgl. auch SozR SGG § 79 Nr. 11 und § 54 Nr. 87). Da somit ein - den Anforderungen des § 54 Abs. 4 SGG genügender Verwaltungsakt der Beklagten vorliegt, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob der Träger der Rentenversicherung einen Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO, den er auf Antrag des bei einer gesetzlichen Krankenkasse freiwillig versicherten Rentners unmittelbar an die Krankenkasse - formlos - ausgezahlt hat, bei Entziehung der Rente auch formlos einstellen kann (so offenbar die bisherige Verwaltungspraxis der Beklagten).

Die Klägerin ist, wie auch das LSG angenommen, aber nicht näher begründet hat, trotz "Abtretung" ihres Anspruchs auf einen Beitragszuschuß an die beigeladene Krankenkasse prozeßführungsberechtigt geblieben. Die Abtretung an die Beigeladene ist ausdrücklich nur "zum Empfang und Einzug" des Zuschußbetrages erfolgt. Die Klägerin hat also die Beigeladene lediglich ermächtigt, ihre Forderung gegen die beklagte LVA im eigenen Namen einzuziehen (Einziehungs- oder Inkassoermächtigung); das Forderungsrecht selbst und die Prozeßführungsbefugnis sind dagegen bei ihr verblieben (vgl. Palandt, BGB, 15. Aufl. § 398 Anm. 7; Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Aufl. § 45 II 2 c S. 196 Mitte). Ob auch die beigeladene AOK aufgrund der Einziehungsermächtigung den vorliegenden Rechtsstreit gegen die LVA hätte führen können, ist nicht zu entscheiden.

In der Sache kann der Senat der Ansicht des LSG nicht folgen, § 312 Abs. 2 Satz 1 RVO sei entsprechend anzuwenden, wenn es sich nicht um pflicht-, sondern um freiwillig krankenversicherte Rentner handele. Zwar hat auch der Senat schon Vorschriften, die an sich nur für pflichtversicherte Rentner gelten, z. B. die Regelung, nach der grundsätzlich der Tag des Rentenantrags für den Beginn der Beitragspflicht des Rentenversicherungsträgers maßgebend ist (§§ 306 Abs. 2, 381 Abs. 2 u. 3 RVO), bei freiwillig versicherten Rentnern entsprechend angewendet (BSG 14, 112; SozR RVO § 381 Nr. 9). Er hat dabei jedoch vorausgesetzt, daß Wortlaut und Zweck der fraglichen Vorschrift und auch die Systematik des Gesetzes eine entsprechende Anwendung zulassen. Das trifft für § 312 Abs. 2 Satz 1 RVO - als Ausnahmeregelung (BSG 19, 295, 297) - nicht zu.

Nach dieser Vorschrift endet die Kassenmitgliedschaft der in § 165 Abs. 1 Nr. 3 und 4 RVO bezeichneten Versicherten u. a. mit dem endgültigen Entzug der Rente. Die Vorschrift regelt nach Wortlaut und systematischer Stellung im Gesetz (vgl. die Überschrift vor § 306 RVO) allein die Frage, wie lange die durch § 165 Abs. 1 Nr. 3 und 4 RVO erfaßten pflicht versicherten Rentner im Falle des Rentenentzuges weiterhin Mitglieder ihrer bisherigen Krankenkasse bleiben. Sie bezweckt, wie bei der Einfügung des Wortes "endgültig" in der 2. Lesung des Gesetzes über KVdR zum Ausdruck gekommen ist, diesen Rentnern für die Dauer des Rentenentziehungsprozesses "den Schutz der Rentnerkrankenversicherung" zu erhalten (vgl. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 16. Aufl. § 312 Anm. 1 und die dort wiedergegebene Gesetzesbegründung). Ohne die genannte Vorschrift würden die pflichtversicherten Rentner nämlich mit der Entziehung der Rente ihre Kassenmitgliedschaft verlieren und könnten sich, sofern nicht die besonderen Voraussetzungen des § 313 Abs. 1 RVO vorliegen, nach Ansicht mehrerer Kommentatoren nicht einmal freiwillig weiterversichern (vgl. Jantz, KVdR, Art. 1 Nr. 21, Erl. I vorletzter Absatz; Schmatz/Pöhler, Die Rentnerkrankenversicherung, Erl. zu § 313 RVO).

Auf freiwillig krankenversicherte Rentner ist § 312 Abs. 2 Satz 1 RVO dagegen nach Wortlaut und Zweck nicht anwendbar. Sie sind in § 312 Abs. 2 RVO nicht erwähnt. Bei ihnen wird auch, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, die Kassenmitgliedschaft und damit der Schutz der Krankenversicherung durch eine Entziehung der Rente nicht berührt. Sie bleiben Mitglieder ihrer Krankenkasse ohne Rücksicht auf den Bezug einer Rente, müssen allerdings, wenn mit der Rentenentziehung auch der Beitragszuschuß des Rentenversicherungsträgers wegfällt, selbst für ihre Krankenversicherungsbeiträge aufkommen. Das ist jedoch eine Rechtsfolge, die mit der - durch § 312 Abs. 2 Satz 1 RVO allein geregelten - Fortdauer der Kassenmitgliedschaft unmittelbar nichts zu tun hat, sondern sich aus § 381 RVO ergibt.

Paßt somit schon die in § 312 Abs. 2 Satz 1 RVO enthaltene (positive) Regelung über die Fortdauer der Mitgliedschaft bis zum endgültigen Rentenentzug nicht für freiwillig versicherte Rentner, so gilt dies erst recht für seinen negativen Gehalt: Entgegen § 312 Abs. 2 Satz 1 RVO endet die freiwillige Krankenversicherung eines Rentners nicht mit der endgültigen Entziehung der Rente, sondern bleibt solange bestehen, wie der Versicherte sie nicht aus eigenem Entschluß beendet. Die Vorschrift wäre also für freiwillig krankenversicherte Rentner einerseits überflüssig, soweit sie nämlich das Fortbestehen der Mitgliedschaft während des Rentenentziehungsprozesses anordnet; andererseits würde sie bei ihnen zu nicht gewollten Ergebnissen führen, soweit sie die Mitgliedschaft mit der endgültigen Entziehung der Rente enden ließe. Sie ist deshalb bei ihnen nicht entsprechend anwendbar (ebenso Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 2.-6. Aufl. S. 452 g, unter Hinweis auf ein Rundschreiben des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger vom 14. Dezember 1959).

Das bedeutet, daß die Frage, ob ein Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO über die Entziehung der Rente hinaus - für die Dauer des Entziehungsprozesses - weiterzuzahlen ist, aus dieser Vorschrift selbst beantwortet werden muß. Danach erhalten aber nur Personen, "welche die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente ... erfüllen", einen Zuschuß zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag (§ 381 Abs. 4 Satz 1). Die Erfüllung der Rentenvoraussetzungen darf dabei nicht ungewiß sein, sondern muß feststehen, wie sich aus dem folgenden Satz ergibt, der - sachlich das gleiche meinend (BSG 14, 112, 115 unten) - von Rentenempfängern spricht. Der Anspruch auf den Beitragszuschuß entsteht daher erst mit der Bewilligung der Rente durch den Rentenversicherungsträger, dann allerdings rückwirkend mit dem Tage der Rentenantragstellung oder des Rentenbeginns (vgl. Jantz, aaO Art. 1 Nr. 25 Erl. VI). Umgekehrt entfällt der Anspruch auf den Beitragszuschuß, wenn der Rentenversicherungsträger die Rente entzieht und damit feststellt, daß die Voraussetzungen für ihren Bezug nicht mehr vorliegen. Diese Feststellung bleibt, auch wenn der Entziehungsbescheid angefochten wird, für die Beteiligten solange verbindlich, als das Gericht den Bescheid nicht aufhebt. Sie berechtigt deshalb den Rentenversicherungsträger auch zur Einstellung des Beitragszuschusses. Wird der Entziehungsbescheid später vom Gericht aufgehoben, müssen Rente und Beitragszuschuß nachgezahlt werden. Diese Lösung erscheint auch vom Standpunkt des betroffenen Rentners vertretbar, zumal das Gericht auf seinen Antrag den Vollzug des angefochtenen Entziehungsbescheides einstweilen aussetzen kann, so daß der Rentenversicherungsträger dann außer der Rente auch den Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO für die Dauer des Rechtsstreits weiterzahlen muß.

Aus dem Gesagten folgt, daß der Klägerin für die streitige Zeit kein Anspruch auf einen Beitragszuschuß gegen die beklagte LVA zusteht. Der Senat hat deshalb das angefochtene Urteil aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2347509

BSGE, 73

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge