Leitsatz (amtlich)

Ist die Mutter eines unehelichen Kindes an den Folgen einer Schädigung iS des BVG gestorben, so erhält ihr uneheliches Kind die Grundrente einer Vollwaise nur dann, wenn feststeht, daß auch der uneheliche Vater nicht mehr lebt.

 

Normenkette

BVG § 45 Fassung: 1950-12-20, § 46 Fassung: 1957-07-01, § 47 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Mai 1956 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Die am 19. Mai 1934 als uneheliches Kind geborene Klägerin begehrt vom Beklagten für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis zum 31. Mai 1952 die Grundrente einer Vollwaise. Ihre Mutter kam im Februar 1945 bei einem Fliegerangriff ums leben. Die Vaterschaft ist nicht festgestellt oder anerkannt.

Das Versorgungsamt (VersorgA.) hat durch Umanerkennungsbescheid vom 13. Dezember 1952 der Klägerin nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) die Grundrente einer Halbwaise (monatlich 10,- DM) bewilligt, Ausgleichsrente wegen Überschreitung der Einkommensgrenzen einer Halbwaise abgelehnt und gleichzeitig angeordnet, daß 72,- DM zurückzuzahlen seien, weil der Klägerin nicht zustehende Beträge versehentlich über den 31. Mai 1952 weitergezahlt worden seien. Der Streit über die auferlegte Rückzahlung hat sich inzwischen erledigt.

Auf die gegen den Umanerkennungsbescheid eingelegte Berufung hat das Sozialgericht (SG.) den Beklagten verurteilt, der Klägerin Grund- und Ausgleichsrente als Vollwaise zu gewähren, weil sie sich in der wirtschaftlichen Lage einer Vollwaise befinde und daher den Waisen gleichstehe, "deren Vater und Mutter nicht mehr leben".

Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG.) das Urteil des SG. aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 13. Dezember 1952 insoweit abgewiesen, als die Klägerin Vollwaisenrente beansprucht. Es hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfrage zugelassen und ausgeführt, die Höhe der Waisenrente bestimme sich aus §§ 46 und 47 BVG. Aus § 45 Abs. 5 Satz 2 BVG sei nicht zu folgern, daß ein uneheliches Kind, dessen Mutter an Schädigungsfolgen gestorben ist, Anspruch auf die Rente einer Vollwaise habe, selbst wenn der uneheliche Vater noch lebe. § 46 BVG mache vielmehr die Höhe der Grundrente davon abhängig, ob Vater oder Mutter noch leben, oder ob beide nicht mehr leben. Ein uneheliches Kind, dessen Mutter an Schädigungsfolgen gestorben ist, habe daher nur dann einen Anspruch auf die Grund- und Ausgleichsrente einer Vollwaise, wenn auch der Vater nicht mehr lebe. Wenn der uneheliche Vater unbekannt sei, weil ihn die Kindesmutter nicht benennen könne, lasse sich die gesetzliche Voraussetzung des Anspruchs auf erhöhte Waisenrente nicht feststellen. Daher könne auch die an dieses Tatbestandsmerkmal geknüpfte Erhöhung der Rente nicht eintreten. Auch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 52 BVG zugunsten der Klägerin sei nicht möglich, weil sie voraussetze, daß die Persönlichkeit des Verschollenen bekannt sei.

Diese Auslegung entspreche auch dem Sinn des Gesetzes. Das werde durch folgende Erwägungen bestätigt. Eine Waise, deren Mutter an den Folgen einer Schädigung gestorben sei, und deren Vater Witwerrente beziehe, erhalte nach § 45 Abs. 5 Satz 1 in Verb. mit §§ 46, 47 Abs. 2 BVG nur die Rente einer Halbwaise. Sie sei in der gleichen wirtschaftlichen Lage wie eine Waise, die von ihrem unehelichen Vater keinen Unterhalt bekomme, weil der Vater nicht bekannt sei. Die Waise erhalte durch die Rente einen wirtschaftlichen Ausgleich dafür, daß ein Unterhaltspflichtiger fortgefallen sei. Damit wäre nicht vereinbar, wenn ein uneheliches Kind eine höhere Rente erhalte, weil sein Vater von Anfang an unbekannt gewesen sei.

Mit der Revision hat die Klägerin beantragt:

1. Unter Aufhebung des Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Mai 1956 die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juli 1954 zurückzuweisen;

2. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Klage-, Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

Die Revision rügt, das LSG. habe die §§ 45 bis 47 BVG verkannt. § 45 Abs. 2 BVG ergebe, daß bei der Begriffsbestimmung "Waise" nach dem BVG wirtschaftliche Gesichtspunkte entscheidend seien. Wenn in den §§ 46, 47 BVG der Begriff Halb- bzw. Vollwaise davon abhängig gemacht werde, ob ein Elternteil noch lebe, so habe der Gesetzgeber berücksichtigt, daß bei ehelichen Kindern das leibliche und seelische Wohl im wesentlichen gleichmäßig gesichert sei, unabhängig davon, welcher Elternteil an den Schädigungsfolgen gestorben sei. Die Existenz des unehelichen Kindes sei regelmäßig nur durch das Leben der Mutter gesichert. Wenn ein uneheliches Kind seine Mutter verliere, sei es wirtschaftlich in der gleichen Lage, wie wenn ein eheliches Kind beide Elternteile verliere. Auch die Verwaltungsvorschrift Nr. 1 Abs. 2 Satz 3 zu § 45 BVG bestätige, daß eine Waise in ihrer Lage als Vollwaise anzusehen sei. Einer Regelung im Wege des Härteausgleichs bedürfe es nicht, weil sich ihre Ansprüche als Vollwaise bereits aus dem Sinn und Zweck der §§ 46, 47 BVG und dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers ergäben.

Der Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die vom LSG. gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassene Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie konnte keinen Erfolg haben.

Das LSG. hat zutreffend entschieden, daß nach §§ 45 bis 47 BVG der Klägerin nur die Grundrente einer Halbwaise zusteht.

Der Kreis derjenigen, die als Waisen eines an den Folgen einer Schädigung verstorbenen Beschädigten (§ 38 BVG) Anspruch auf Waisenrente haben, ist in § 45 Abs. 1 und 2 BVG festgelegt. § 45 Abs. 2 Nr. 6 BVG, der die Gewährung einer Waisenrente für den Fall regelt, daß der uneheliche Vater gestorben ist, wird durch § 45 Abs. 5 Satz 2 BVG ergänzt, der den Fall behandelt, daß die Mutter des unehelichen Kindes an den Folgen einer Schädigung verstorben ist. Diese anspruchsbegründende Tatsache ist im vorliegenden Fall erfüllt, denn die Mutter der unehelich geborenen Klägerin ist unstreitig an den Folgen einer Schädigung im Sinne der §§ 1 Abs. 2 Buchst. a, 5 Abs. 1 Buchst. a BVG verstorben.

Mit dem LSG. ist davon auszugehen, daß § 45 Abs. 5 Satz 2 BVG nur den Anspruch auf Waisenrente gibt und nichts über die Höhe dieser Rente besagt. Um diese Frage beantworten zu können, ist auf weitere Vorschriften des BVG zurückzugreifen. Als eine solche Vorschrift kommt zunächst § 45 Abs 2 Nr. 6 BVG in Betracht, die ja nur durch § 45 Abs. 5 Satz 2 BVG ergänzt ist. Aus dieser Vorschrift folgt einmal, daß bei der Waisenrente unehelich geborener Kinder davon auszugehen ist, daß diese Kinder "einen Vater" im Sinne dieser Vorschrift haben und daß allein die blutsmäßige Abstammung von "einem Erzeuger", die ja in jedem Falle besteht, für die Gewährung einer Waisenrente an uneheliche Kinder nicht ausreichend ist. Aus § 45 Abs. 2 Nr. 6 BVG folgt, daß bei unehelichen Kindern für die versorgungsrechtliche Waisenrente als anspruchsbegründende Tatsachen das auf der blutsmäßigen Abstammung des unehelichen Kindes von einem bestimmten Erzeuger bestehende Rechtsverhältnis, die uneheliche Vaterschaft, und der Tod dieses Kindesvaters mit zu berücksichtigen sind. § 45 Abs. 2 Nr. 6 BVG enthält, wie der Senat bereits in einem anderen Zusammenhang zum Ausdruck gebracht hat, insoweit sachliches Recht, Verfahrensrecht nur insoweit, als die uneheliche Vaterschaft als Ausnahme von der Regel nur glaubhaft zu machen ist (BSG. 8 S. 159). Hiernach ergibt sich aus § 45 Abs. 5 Satz 2 in Verbindung mit § 45 Abs. 2 Nr. 6 BVG unmittelbar, daß sowohl das Bekanntsein des unehelichen Vaters als auch sein Tod Mitvoraussetzungen für den Anspruch auf Waisenrente sind. Das Schweigen des Gesetzes ist nur ein scheinbares. Es kann daher aus § 45 Abs. 5 Satz 2 BVG nicht hergeleitet werden, daß ein uneheliches Kind, dessen Mutter an den Schädigungsfolgen gestorben ist, ohne weiteres Anspruch auf die Rente einer Vollwaise hat, selbst wenn der uneheliche Vater noch lebt. Von dieser grundsätzlichen gesetzlichen Regelung über den Anspruchsgrund der Waisenrente geht das BVG aus, wenn es dann in den §§ 46, 47 BVG die Höhe der Waisen- und Ausgleichsrente festlegt. Nach § 46 BVG richtet sich die Höhe der Grundrente bei Waisen danach, ob deren Vater oder Mutter noch leben oder ob beide nicht mehr leben. Gleiches gilt für die Höhe der Ausgleichsrente nach § 47 BVG. Da die Klägerin das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nach § 45 und §§ 46, 47 BVG nur insoweit hat behaupten können, als diese erfordern, daß die Mutter an Schädigungsfolgen verstorben ist, so fehlt es für die Gewährung der Grund- und Ausgleichsrente einer Vollwaise an dem Tatbestandsmerkmal des Todes des unehelichen Vaters. Die Klägerin hat deshalb, wie das LSG. im Ergebnis zutreffend festgestellt hat, nur Anspruch auf Rente als Halbwaise.

Diesem Ergebnis steht auch nicht der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)entgegen. Bei diesem Ergebnis wird nicht eine Gruppe unehelicher Kinder - deren Vater unbekannt ist - im Verhältnis zur Gruppe der unehelichen Kinder, deren Vater bekannt ist, unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ungleich behandelt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG.) hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß der in Art. 3 Abs. 1 GG festgelegte allgemeine Gleichheitsgrundsatz nur dann verletzt ist, wenn der Gesetzgeber versäumt, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen (BVerfGE. 1, 275; 3, 135; 4, 18, 357). Eine solche tatsächliche Gleichheit, die eine gleiche rechtliche Behandlung erfordern würde, besteht nicht bei unehelichen Kindern mit bekanntem unehelichen Vater einerseits und unbekanntem unehelichen Vater andererseits. Wenn daher das uneheliche Kind, dessen Vater nicht bekannt ist, weil die Kindesmutter ihn nicht angegeben hat oder er aus anderen Gründen nicht feststellbar ist (§ 103 SGG), im Gegensatz zu einem unehelichen Kind mit bekanntem Vater einen etwaigen Anspruch auf Vollwaisenrente nicht verwirklichen kann, so liegt darin keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes.

Zutreffend hat das LSG. noch darauf hingewiesen, daß auch wirtschaftliche Erwägungen es nicht zulassen, eine uneheliche Waise mit unbekanntem Erzeuger einer ehelichen Vollwaise gleichzusetzen, denn eine Waise, deren Mutter an den Folgen einer Schädigung gestorben ist und deren Vater Witwerrente bezieht, weil er wegen Erwerbsunfähigkeit nicht seinen eigenen Unterhalt, geschweige denn den des Kindes bestreiten kann, erhält gemäß § 45 Abs. 5 Satz 1 BVG in Verbindung mit §§ 46, 47 Abs. 2 BVG auch nur die Rente einer Halbwaise. Eine solche Waise befindet sich, wie das LSG. mit Recht hervorhebt, wirtschaftlich gesehen in der gleichen Lage wie eine Waise, die von ihrem unehelichen Vater deshalb keinen Unterhalt bekommt, weil er nicht bekannt ist. Ein anderes Ergebnis widerspräche auch dem Grundgedanken des Versorgungsrechts, wonach den Hinterbliebenen nur die durch Wegfall eines Unterhaltspflichtigen erlittene wirtschaftliche Einbuße nach Kräften ersetzt werden soll. Eine solche Einbuße ist in den Fällen nicht festzustellen, in denen, wie hier, der uneheliche Erzeuger immer unbekannt gewesen ist. Es ist zuzugeben, daß allgemein der Beitrag der Mutter an der Sorge für ihr uneheliches Kind in der Regel größer ist als bei einem ehelichen Kind, bei dem der Vater diese Sorge mitträgt. Diesen Umstand hat das Versorgungsrecht bereits berücksichtigt. Nach § 45 Abs. 5 Satz 2 BVG begründet nämlich schon der auf einer Schädigung beruhende Tod der Mutter für deren uneheliches Kind den Anspruch auf Halbwaisenrente. Bei ehelichen Kindern dagegen muß zum Tode der Mutter hinzutreten, daß der Vater Witwerrente bezieht, also infolge eigener Bedürftigkeit für die Waise nicht sorgen kann (§ 43 BVG), um einen Anspruch auf Halbwaisenrente zu begründen. Hieraus ist der Schluß gerechtfertigt, daß über diese Regelung hinaus das uneheliche Kindschaftsverhältnis zur Mutter versorgungsrechtlich keine Sonderbehandlung durch das BVG erfahren hat. Eheliche Kinder bekommen nach dem Tode ihrer Mutter die Vollrente erst, wenn der Vater ebenfalls tot ist. Das gilt auch, wenn er zu Lebzeiten Witwerrente bezog und infolgedessen wegen eigener Bedürftigkeit für seine Kinder nur im beschränkten Umfange sorgen konnte (§ 45 Abs. 5 Satz 1 BVG). Träfe die Ansicht der Klägerin zu, daß ein uneheliches Kind nach dem Tode der Mutter als Vollwaise zu behandeln ist, dann hätte ein uneheliches Kind, dessen Mutter an den Folgen einer Schädigung gestorben ist, stets die Rente einer Vollwaise zu bekommen, mithin auch dann, wenn sein Vater ermittelt ist, noch lebt und nach Kräften für sein Kind sorgt. Eine solche Interpretation des BVG ist aus dem Grunde nicht gerechtfertigt, weil sie dazu führt, das uneheliche Kind besser zu stellen als das eheliche.

Schließlich bestätigt diese Auslegung, daß die Gewährung der Vollwaisenrente an uneheliche Kinder das Bekanntsein des unehelichen Vaters und dessen Tod voraussetzt, auch die Rechtsentwicklung. Die Vorschriften der §§ 45 Abs. 4 Satz 2 und 46, 47 BVG gehen auf die Regelung des § 8 Abs. 4 der Personenschädenverordnung (PSchVO) vom 1. September 1939 (RGBl. I S. 1623) zurück. Hiernach betrug die Waisenrente des unehelichen Kindes, wenn seine Mutter infolge einer Beschädigung gestorben war, ein Fünftel der Witwerrente, und wenn auch der Kindesvater nicht mehr lebte, ein Drittel der Witwerrente. Der Anspruch auf Vollwaisenrente war mithin abhängig vom Tode des Kindesvaters.

Die Klägerin kann sich zur Begründung ihrer Ansicht auch nicht auf das Reichsversorgungsgesetz (RVG) und insbesondere auf die Ausführungsbestimmungen zu § 41 RVG berufen. Die Nummer 5 Abs. 1 letzter Satz dieser Bestimmungen lautet: "Ein uneheliches Kind erhält die Waisenrente von 40 v.H., wenn seine Mutter nicht mehr lebt." Aus dieser Bestimmung kann jedoch nicht geschlossen werden, daß allein der Tod der Mutter für die Gewährung der Vollwaisenrente genügt. Sie geht von der Voraussetzung aus, daß der uneheliche Vater bereits gestorben ist, denn einem unehelichen Kind stand nach § 41 RVG Waisenrente nur zu, wenn sein Vater an den Folgen einer Dienstbeschädigung gestorben war (§ 41 Abs. 2 Nr. 5 RVG in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 22.6.1923, RGBl. I S. 513). Der Tod der Mutter des unehelichen Kindes hatte darum nur die Erhöhung der Waisenrente zur Folge.

Die Erläuterungen im Kommentar von Reichsversorgungsbeamten zum RVG (2. Aufl. S. 358 Nr. 30 zu § 41 Abs. 5 RVG), die davon spricht, daß ein uneheliches Kind die Rente einer Vollwaise erhält, wenn seine Mutter nicht mehr lebt, so daß es ohne Bedeutung sei, ob der Erzeuger des Kindes noch lebt, gibt dem Senat keine Veranlassung, die Vorschriften des BVG entsprechend auszulegen. Diese Kommentierung war schon mit der gesetzlichen Regelung des RVG nicht vereinbar. Dieser Kommentarstelle kommt umso weniger Bedeutung zu, als hierzu im Widerspruch an der gleichen Stelle des Kommentars auch noch in der Anm. 6 und 22 zu § 95 RVG ausgeführt wird, daß dann, wenn eine Krankenpflegerin an den Folgen einer Dienstbeschädigung stirbt, ihr (eheliches oder uneheliches) Kind erhöhte Waisenrente nur dann erhält, wenn auch der Vater des Kindes nicht mehr lebt.

Diese gesetzliche Regelung, wie sie durch das BVG erfolgt ist und wie sie auch schon in den vor dem BVG geltenden gesetzlichen Vorschriften enthalten war, kann, wie nicht zu verkennen ist, im Einzelfall zu besonderen Härten führen. Für diesen Fall sehen die Verwaltungsvorschriften zu § 45 Abs. 1 (2) Satz 4 BVG die Möglichkeit vor, im Verwaltungswege den Unterschied zwischen der Rente einer Vollwaise und einer Halbwaise dem unehelichen Kind mit unbekanntem Erzeuger im Wege des Härteausgleichs nach § 99 BVG zu gewähren. Die Verwaltungsvorschriften, die zwar keinerlei "authentische Auslegung" der gesetzlichen Vorschriften enthalten, sondern denen nur zu entnehmen ist, wie nach der Meinung der Verwaltung das Gesetz auszulegen ist (BSG. 6, 252), gehen ebenfalls von der hier aus dem Wortlaut und dem Sinn der §§ 45 bis 47 BVG gegebenen Interpretation aus. Es ist möglich, daß hierbei die Verwaltungsvorschriften auch wirtschaftliche Erwägungen mit gelten lassen. Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, daß wirtschaftliche Erwägungen zur Auslegung der Vorschriften des BVG über die Waisenrente ausschlaggebend sein müssen und daß aus diesem Grund einem unehelichen Kind mit unbekanntem Erzeuger ein Rechtsanspruch auf Vollwaisenrente zusteht. Nach dem BVG ist vielmehr ein Kind nur dann Vollwaise, wenn der Vater und die Mutter nicht mehr leben (vgl. dazu auch Urteil des 8.Senats des BSG. vom 19.2.1959 in SozR. BVG § 46 Bl. Ca 1 Nr. 1).

Die auf eine Verletzung der §§ 45 bis 47 BVG gestützte Revision konnte keinen Erfolg haben. Das LSG. hat diese Vorschrift im Ergebnis richtig ausgelegt. Auch nach anderen Vorschriften des BVG ist ein Anspruch der Klägerin auf Rente als Vollwaise nicht gegeben. Die Revision war daher gemäß § 170 Abs. 1 Satz 2 SGG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 108

NJW 1959, 1798

MDR 1959, 877

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