Leitsatz (redaktionell)

1. Nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts können zu Unrecht gezahlte Geldleistungen dann nicht zurückgefordert werden, wenn unter Berücksichtigung des Einzelfalles der Empfänger auf die Rechtmäßigkeit des die Leistung anordnenden früheren Bescheides vertrauen durfte. Damit ist die Rückforderung von den gleichen Voraussetzungen abhängig, wie bei KOV-VfG § 47 Abs 2 Halbs 1.

2. Für das Wissen oder Wissenmüssen ist der Zeitpunkt der Zahlung der einzelnen Versorgungsbezüge maßgebend.

 

Normenkette

KOVVfG § 47 Abs. 2 Hs. 1 Fassung: 1960-06-27; BGB § 242

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts in Darmstadt vom 23. September 1959 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägerinnen die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Die Klägerinnen erhalten ab 1. Oktober 1950 Witwen- und Waisenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Mit Bescheid vom 5. Februar 1952 wurde die Ausgleichsrente der Klägerin zu 1) wegen Bezuges einer Invaliden-Witwenrente ab 1. März 1951 neu festgestellt. Durch Verfügung der Oberpostdirektion (OPD) F vom 27. Februar 1952 erhielten die Klägerinnen auf Grund ihres Antrages vom 24. Oktober 1950 ab 1. April 1951 Hinterbliebenenbezüge nach allgemeinen beamtenrechtlichen Vorschriften. In der Jahresbescheinigung vom Mai 1952 beantwortete die Klägerin zu 1) die Frage nach einer seit der letzten Bescheiderteilung eingetretenen Einkommensänderung nicht eindeutig. In der im März 1953 abgegebenen Jahresbescheinigung erklärte sie dagegen, ihr Einkommen habe sich geändert, und zwar erhalte sie ab 1. April laufend Witwen- und Waisengeld. Der genaue Bescheid liege der Versorgungsbehörde vor. In einem im Juni 1953 ausgefüllten Erhebungsbogen teilte die Klägerin zu 1) dem Versorgungsamt (VersorgA) mit, von der OPD Witwen- und Waisengeld in Höhe von DM 138,- zu beziehen. Der damalige Bevollmächtigte der Klägerin, G K erinnerte mit Schreiben vom 15. Mai 1954 das VersorgA an die Neufestsetzung der Ausgleichsrente, um weitere Überzahlungen zu vermeiden. Nach Einholung von Auskünften erteilte das VersorgA den auf § 62 BVG gestützten Bescheid vom 7. Dezember 1954, in dem es die Ausgleichsrente der Klägerin unter Anrechnung der von der OPD gezahlten Hinterbliebenenbezüge neu berechnete und eine Überzahlung von 3.108,- DM von den Klägerinnen zurückforderte. Der hiergegen eingelegte Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. August 1955).

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Kassel mit Urteil vom 17. Januar 1957 unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Dezember 1954 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 1955 den Beklagten zur Weiterzahlung der Hinterbliebenenbezüge in gesetzlicher Höhe ab 1. Februar 1955 verurteilt. Nach der Rechtsmittelbelehrung dieses Urteils ist die Berufung nicht zulässig.

Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 23. September 1959 das Urteil des SG Kassel vom 17. Januar 1957, den Widerspruchsbescheid vom 24. August 1955 und den Rückforderungsbescheid vom 7. Dezember 1954 dahin abgeändert, daß der Beklagte nur berechtigt ist, die für die Zeit vom 1. April 1952 bis 30. September 1953 und die ab 1. Mai 1954 überzahlten Versorgungsbezüge von den Klägerinnen zurückzufordern und den Beklagten verurteilt, den Klägerinnen die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Das LSG hat ausgeführt, daß die Berufung trotz der im Urteil des SG gegebenen Rechtsmittelbelehrung zulässig sei, weil es sich bei den Rückforderungsansprüchen nicht um Ansprüche auf eine einmalige Leistung im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) handele. Auch § 148 Nr. 4 SGG finde keine Anwendung, weil im vorliegenden Fall nicht über die Höhe der Ausgleichsrente, sondern lediglich über das Bestehen eines Rückforderungsanspruchs gestritten werde.

In der Sache selbst ist das LSG der Auffassung, daß die Berufung nur zu einem Teil begründet sei. Die angestellten Ermittlungen hätten ergeben, daß den Klägerinnen mit Verfügung der OPD vom 27. Februar 1952 Hinterbliebenenbezüge rückwirkend ab 1. April 1951 angewiesen worden und die erste Auszahlung Ende März 1952 erfolgt sei. Damit sei der Beklagte berechtigt gewesen, die Neufeststellung der Ausgleichsrente gemäß § 62 BVG mit dem Bescheid vom 7. Dezember 1954 gegenüber dem ursprünglichen Bescheid vom 5. Februar 1952 vorzunehmen. Der Bescheid vom 7. Dezember 1954 werde von den Klägerinnen insoweit nicht angefochten, als ihre Ausgleichsrente unter Berücksichtigung der von der OPD gezahlten Hinterbliebenenbezüge neu berechnet worden sei. Zwischen den Beteiligten sei daher unstreitig, daß die Hinterbliebenenbezüge zutreffend als sonstiges Einkommen im Sinne des § 33 BVG angerechnet worden seien. Insoweit sei der angefochtene Bescheid verbindlich.

Es bestehe nur Streit darüber, ob der Beklagte berechtigt war, die Versorgungsbezüge rückwirkend neu festzustellen und die überzahlten Beträge von den Klägerinnen zurückzufordern. Die Frage der Rückforderung müsse nach § 47 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren in der Kriegsopferversorgung (VerwVG) vom 2. Mai 1955 beantwortet werden. Entgegen der Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 31. Juli 1957 (BSG 5, 267) vertrete das LSG in Fortführung seiner Rechtsprechung (Breithaupt 1959, 255) die Auffassung, daß zu prüfen sei, ob und gegebenenfalls wann der Rentenempfänger in der Zeit, für die von ihm Versorgungsbezüge zurückgefordert werden, wissen oder wissen mußte, daß ihm die gezahlten Bezüge nicht in der bisherigen Höhe zugestanden hätten. Es sei daher zu prüfen, ob die Klägerinnen in der Zeit vom 1. Mai 1951 bis 31. Januar 1955 wußten oder wissen mußten, daß ihnen die gezahlten Bezüge nicht in der bisherigen Höhe zugestanden haben. Da den Klägerinnen mit Verfügung der OPD vom 27. Februar 1952 - zugestellt am 7. März 1952 - rückwirkend ab 1. April 1951 Hinterbliebenenbezüge nach dem am 1. April 1951 in Kraft getretenen Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes (GG) fallenden Personen - G 131 - angewiesen worden seien, seien die Voraussetzungen des § 47 VerwVG im vorliegenden Fall erst ab 1. April 1952 erfüllt. Die Klägerin zu 1) habe zwar am 20. Oktober 1950 bei der OPD einen Antrag auf Hinterbliebenenbezüge gestellt, jedoch keine Unterlagen beizuschaffen vermocht, aus denen sich das Beamtenverhältnis ihres verstorbenen Ehemannes ergebe. Noch im August 1951 sei sie von der OPD aufgefordert worden, entsprechende Unterlagen vorzulegen. Am 13. Dezember 1951 habe sich dann der Bundesminister für Post und Fernmeldewesen mit der Zahlung der Hinterbliebenenbezüge einverstanden erklärt. Hiervon hätten die Klägerinnen jedoch erst Anfang März 1952 erfahren. Wie die Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung am 23. September 1959 vor dem LSG glaubhaft dargestellt habe, habe sie zwar vor diesem Zeitpunkt gehofft, die Hinterbliebenenbezüge zu erhalten, sie habe jedoch keine feste Vorstellung davon gehabt, ob und ab wann die Zahlung erfolgen werde. Auch die OPD habe auf Anfrage mitgeteilt, daß die Klägerin zu 1) kaum in der Lage gewesen sein dürfte zu beurteilen, ob und gegebenenfalls welche Versorgungsbezüge nach beamtenrechtlichen Vorschriften ihr zustehen könnten, insbesondere könne nicht angenommen werden, daß die aus dem Sudetenland stammende Klägerin zu 1), die einen rechtsungewandten Eindruck mache, von dem Inhalt und dem Inkrafttreten des G 131 Kenntnis gehabt habe und ab 1. April 1951 mit der Zahlung der Hinterbliebenenbezüge von diesem Zeitpunkt an hätte rechnen können. Es lägen somit keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Klägerin zu 1) und ihre minderjährigen Kinder, die Klägerinnen zu 2) und 3), in der Zeit vom 1. Mai 1951 bis 7. März 1952 wußten oder wissen mußten, daß ihnen die Versorgungsbezüge nach dem BVG nicht in der gezahlten Höhe zuständen. Erst im März 1952 hätten sie dies gewußt, so daß der Beklagte nur von diesem Zeitpunkt an, d. h. ab 1. April 1952, berechtigt sei, seinen Rückforderungsanspruch geltend zu machen.

Trotz dieser Kenntnis habe die Klägerin zu 1) dem VersorgA erst im März 1953 mitgeteilt, daß sie und die Kinder beamtenrechtliche Hinterbliebenenbezüge erhielten. Ihre Einlassung, sie hätte die Meldung bereits unmittelbar nach der ersten Zahlung dieser Bezüge erstattet, sei nicht nachgewiesen. Auch die Angaben in der Jahresbescheinigung 1952 seien so ungenau gewesen, daß das VersorgA keine Ermittlungen habe vornehmen können. Erstmals in der Jahresbescheinigung 1953 sei für das VersorgA die Änderung der Verhältnisse in den Bezügen der Klägerinnen sichtbar geworden. Von diesem Zeitpunkt an sei das VersorgA verpflichtet gewesen, die Höhe dieser Einkünfte zu ermitteln und während eines angemessenen Zeitraumes einen neuen Bescheid zu erteilen. Das LSG ist der Auffassung, daß das Wissen oder Wissenmüssen der Klägerinnen im Sinne des § 47 Abs. 2 VerwVG nach einer dem VersorgA zuzubilligenden Bearbeitungszeit von 6 Monaten, gerechnet ab Ende März 1953, nicht mehr als gegeben anzusehen sei, so daß der Beklagte ab 1. Oktober 1953 nicht mehr berechtigt sei, eine Rückforderung der überzahlten Versorgungsbezüge vorzunehmen. Dabei sei berücksichtigt, daß die Klägerin zu 1) als Heimatvertriebene offensichtlich rechtsungewandt sei und ua auch finanzielle Schwierigkeiten wegen eines Krankenhausaufenthaltes im März 1953 gehabt habe. Für den Beklagten habe das LSG berücksichtigt, daß dieser damals mit Arbeit überlastet gewesen sei.

Ab 1. Mai 1954 hätten die Klägerinnen jedoch wieder gewußt, daß sie die durch die von der OPD gewährten Hinterbliebenenbezüge überzahlten Versorgungsbezüge nach dem BVG zurückzuerstatten hätten. Ihr damaliger Vertreter K habe ausgesagt, er habe der Klägerin zu 1) im April 1954 in seiner Eigenschaft als Kreisvorsitzender des Reichsbundes der Kriegsbeschädigten (RdK) erklärt, daß sie und ihre Kinder zuviel Ausgleichsrente erhielten. Auf Grund dieser Beratung und des im Auftrag der Klägerin an das VersorgA gerichteten Schreibens vom 15. Mai 1954 sei dann der Neufeststellungs- und Rückforderungsbescheid ergangen. Von diesem Zeitpunkt an müßten die Klägerinnen die zuviel erhobenen Beträge zurückerstatten.

Soweit der Beklagte nicht berechtigt sei, die zu Unrecht gewährten Versorgungsbezüge von den Klägerinnen für die Zeit vom 1. Mai 1951 bis 31. März 1952 und vom 1. Oktober 1953 bis 30. April 1954 zurückzufordern, sei die Rückforderung gemäß § 47 Abs. 2 Halbsatz 2 VerwVG wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerinnen nicht vertretbar. Die Klägerin zu 1) habe ab 1. Februar 1955 außer der Witwenrente in Höhe von DM 40,- ein Witwengeld von der OPD, das damals 99,60 DM betrug, und eine von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen gezahlte Invaliden-Witwenrente in Höhe von DM 35,80, ihre beiden Kinder neben der Waisengrundrente nach dem BVG in Höhe von 10,- DM von der OPD ein Waisengeld von DM 54,92 bzw. 49,92 DM bezogen. Hierzu komme eine Waisenrente von der LVA Hessen in Höhe von je DM 24,40. Wenn dieses Einkommen auch die Fürsorgesätze übersteige, so sei die Rückforderung nicht vertretbar, weil die Klägerinnen Heimatvertriebene seien, bei der Klägerin zu 1) dauernde Erwerbsunfähigkeit bestehe und die Klägerinnen zu 2) und 3) auswärts die höhere Schule besuchten und dadurch erhöhte Aufwendungen entstünden.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 29. Oktober 1959 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 21. November 1959, beim BSG eingegangen am 25. November 1959, Revision eingelegt und beantragt,

das Urteil des Hessischen LSG in Darmstadt vom 23. September 1959 wird dahin abgeändert, daß der Beklagte berechtigt ist, auch die für die Zeit vom 1. Mai 1951 bis 31. März 1952 überzahlten Versorgungsbezüge zurückzufordern,

hilfsweise,

das Urteil des Hessischen LSG in Darmstadt vom 23. September 1959 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Er hat die Revision gleichzeitig begründet. Der Beklagte rügt die Verletzung des § 47 Abs. 2 VerwVG und trägt hierzu vor, daß nur noch Streit darüber bestehe, ob der Beklagte berechtigt sei, auch die in der Zeit vom 1. Mai 1951 bis 31. März 1952 zu Unrecht gewährten Versorgungsbezüge zurückzufordern. Die Klägerinnen hätten Ausgleichsrente bezogen, die mit Bescheid vom 5. Februar 1952 neu festgestellt worden sei. Mit Bescheid der OPD vom 27. Februar 1952, der den Klägerinnen am 7. März 1952 zugegangen sei, seien ihnen rückwirkend ab 1. April 1951 Vorschüsse auf die Hinterbliebenenbezüge nach allgemeinen beamtenrechtlichen Vorschriften gezahlt worden. Die endgültige Feststellung dieser Bezüge sei durch die OPD erst mit Bescheid vom 25. Juli 1952 erfolgt. Die Klägerinnen hätten die Gewährung dieser Bezüge erst mit der Jahresbescheinigung vom März 1953 angegeben. Die Auffassung des LSG, daß für die Zeit vom 1. Mai 1951 bis 31. März 1952 die zuviel gewährte Ausgleichsrente nicht zurückgefordert werden könne, sei unrichtig. Insoweit werde auf das Urteil des 9. Senats des BSG vom 31. Juli 1957 (BSG 5, 267) verwiesen, wonach der Zeitpunkt der Zahlung im Sinne des § 47 Abs. 2 VerwVG der Zeitpunkt derjenigen Zahlung sei, die bewirke, daß eine Rente überzahlt ist. Die Worte "Zeitpunkt der Zahlung" könnten sich nicht auf den Zeitpunkt der Rentenzahlung beziehen, wenn § 47 Abs. 2 VerwVG bei rückwirkender Erhöhung des sonstigen Einkommens überhaupt einen Sinn haben solle. Würde die vom LSG vertretene Rechtsauffassung zutreffend sein, so wäre der gesetzliche Übergang nach § 71 a BVG widerspruchsvoll. Aus einer vergleichenden Betrachtung der Bestimmungen im BVG könnten die Worte "im Zeitpunkt der Zahlung" nur im Zusammenhang mit der Änderung der Verhältnisse und insbesondere mit der Zahlung gesehen werden, die infolge der Änderung der Verhältnisse die Überzahlung bewirke. Das LSG habe festgestellt, daß die Klägerin zu 1) wußte oder wissen mußte, daß die Versorgungsbezüge nach dem BVG in der bisherigen Höhe nicht hätten gewährt werden dürfen. Sie sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, und zwar zuletzt mit dem Neufeststellungsbescheid vom 5. Februar 1952, daß jede Änderung in den wirtschaftlichen Verhältnissen dem VersorgA anzumelden sei. Aus den Bescheiden nach dem BVG hätten die Klägerinnen auch entnehmen müssen, daß die Höhe des Einkommens Einfluß auf die Höhe der Rente habe. Weitere Ermittlungen seien hinsichtlich des Bildungsgrades und der vorhandenen Einsicht sowie Einsichtsfähigkeit der Klägerin zu 1) nicht mehr erforderlich. Für den Fall, daß der Senat in diesem Bezug weitere Ermittlungen für erforderlich halte, sei der Hilfsantrag gestellt worden.

Die Klägerinnen beantragen,

die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Hessischen LSG vom 23. September 1959 aus den Gründen dieser Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen und dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Sie sind der Auffassung, daß sich der Beklagte zu Unrecht auf die zitierte Rechtsprechung des BSG beziehe. Wesentlich sei die Frage, ob der Rentenempfänger wisse oder habe wissen müssen, daß ihm die Rentenbezüge nicht zugestanden hätten. Unter Berücksichtigung der Persönlichkeit und des gesamten Verhaltens des Rentenberechtigten im Einzelfall sei zu entscheiden, ob diese Voraussetzungen vorlägen. Das LSG habe jedoch die Feststellung getroffen, daß die Klägerinnen für die fragliche Zeit weder wußten noch wissen mußten, daß ihnen die Ausgleichsrente in der gewährten Höhe nicht zugestanden habe. Insoweit sei die gegenteilige Behauptung des Beklagten aus dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen.

Die durch Zulassung des LSG gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 Abs. 1 SGG) und somit zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Das LSG hat zunächst zu Recht entgegen der Rechtsmittelbelehrung des Urteils des SG die Berufung als zulässig angesehen. Die Zulässigkeit der Berufung ist eine Prozeßvoraussetzung, die vom Revisionsgericht zu prüfen ist (BSG 3, 124; 2, 225; 3, 234; BGHZ 6, 369). Im angefochtenen Bescheid vom 7. Dezember 1954 ist nach § 62 BVG die Ausgleichsrente der Klägerin neu festgestellt und gleichzeitig die Rückzahlung der seit dem 1. Mai 1951 überzahlten Rentenbeträge angeordnet worden. Die Neufeststellung der Ausgleichsrente ist nach den bindenden Feststellungen des LSG von den Klägerinnen nicht angefochten worden, so daß der Berufung der § 148 Nr. 4 SGG nicht entgegenstand. Streitig war in der Berufung allein noch die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Verpflichtung, den Betrag in Höhe von 3.108,- DM zurückzuzahlen. Nach der Rechtsprechung des BSG sind überzahlte Versorgungsbezüge, die von den Versorgungsbehörden zurückgefordert werden, keine einmaligen Leistungen im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG, so daß die Berufung nicht nach dieser Vorschrift ausgeschlossen war (BSG 3, 234). Da es sich bei derartigen Rückerstattungsbeträgen auch nicht um Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume handelt, war die Berufung auch nicht gemäß § 148 Nr. 2 SGG ausgeschlossen.

Der Beklagte hat seine Revision auf den Rückforderungsanspruch für die Zeit vom 1. Mai 1951 bis 31. März 1952 beschränkt. Damit ist das Urteil des LSG im übrigen rechtskräftig geworden.

Das LSG hat den Standpunkt vertreten, daß die Klägerinnen die in der Zeit vom 1. Mai 1951 bis 31. März 1952 überzahlten Versorgungsbezüge nicht zurückzuzahlen verpflichtet sind, weil sie für diesen Zeitraum nicht wußten oder wissen mußten, daß ihnen die bisher gezahlten Versorgungsbezüge in dieser Höhe nicht zustanden, und weil es auch wirtschaftlich nicht vertretbar ist, die überzahlten Beträge zurückzufordern. Das LSG ist dabei von den Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 VerwVG ausgegangen. Es kann dahingestellt bleiben, ob § 47 VerwVG in Verbindung mit § 52 VerwVG auch auf die Fälle Anwendung findet, bei denen Rückforderungsansprüche für die Zeit vor dem 1. April 1955 geltend gemacht werden oder ob sich in diesen Fällen der Rückforderungsanspruch mangels anderer Vorschriften nach den Grundsätzen richtet, die im allgemeinen Verwaltungsrecht zur Frage der Rückerstattung zu Unrecht gezahlter öffentlicher Geldleistungen entwickelt worden sind. Im vorliegenden Fall ist nämlich, gleichgültig ob § 47 Abs. 2 VerwVG oder die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts Anwendung finden, die Rückforderung unbegründet. Wie der 11. Senat des BSG in seinem Urteil vom 18. Oktober 1962 (11 RV 392/60) unter Hinweis auf die Rechtsprechung des früheren Reichsversorgungsgerichtes (RVG) und Reichsversicherungsamtes (RVA) mit ausführlicher Begründung entschieden hat, können zu Unrecht gezahlte Geldleistungen nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechtes von der Verwaltungsbehörde dann nicht zurückgefordert werden, wenn unter Berücksichtigung des Einzelfalles der Empfänger auf die Rechtmäßigkeit des die Leistung anordnenden früheren Bescheides vertrauen durfte. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.

Der Schutz des Vertrauens auf die Rechtmäßigkeit des früheren Verwaltungsaktes besagt - abgesehen von den Fällen der Erschleichung der Leistung in betrügerischer Absicht - daß der Empfänger die zu Unrecht gewährte Geldleistung nur dann zurückerstatten muß, wenn er im Zeitpunkt des Empfanges dieser Leistung wußte oder wissen mußte, daß sie ihm nicht oder nicht in der gewährten Höhe zustand. Damit ist aber die Rückforderung von der gleichen Voraussetzung abhängig, von der auch § 47 Abs. 2 VerwVG die Rückforderung von Überzahlungen abhängig macht, die - wie im vorliegenden Fall - auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse beruhen.

Nach den nicht wirksam angegriffenen und daher für das BSG gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG haben die Klägerinnen den in dem angefochtenen Bescheid vom 7. Dezember 1954 errechneten und von dem Beklagten zurückgeforderten Betrag in Höhe von DM 3.108,- zu Unrecht empfangen. Die Klägerinnen wußten auch oder mußten wissen, daß ihnen die gezahlten Versorgungsbezüge im Zeitpunkt der Zahlung nicht oder nicht in der bisherigen Höhe zugestanden haben. Das LSG hat zu Recht den Standpunkt vertreten, daß eine Rückforderung nur dann verlangt werden kann, wenn der Empfänger jeweils im Zeitpunkt der Zahlung der einzelnen Rentenbeträge wußte oder wissen mußte, daß sie ihm zumindest in der gezahlten Höhe nicht zustanden. Wenn der Beklagte seine Revision auf die Entscheidung des 9. Senats des BSG vom 31. Juli 1957 (BSG 5, 267) stützt, der darin ausgesprochen hat, daß Zeitpunkt der Zahlung der Zeitpunkt derjenigen Zahlung ist, die bewirkt, daß eine Rente überzahlt ist, so übersieht er, daß der 9. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 30. August 1960 (BSG 13, 56) dem entgegen ausgesprochen hat, daß unter Zeitpunkt der Zahlung der Zeitpunkt der Zahlung der einzelnen Versorgungsbezüge an den Berechtigten zu verstehen ist (siehe dazu auch das Urteil des BSG vom 18.12.1958 in BSG 9,47,53). Er hat dazu ausgeführt, daß nicht in jedem Fall die auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse beruhende Überzahlung der Versorgungsrente auf die Zahlung sonstigen, auf die Versorgungsbezüge anrechenbaren Einkommens zurückzuführen ist. Sie kann auch auf anderen Umständen beruhen, zB Änderung des Personenstandes, Zahl der zu berücksichtigenden Kinder usw.. Die Zahlung, deren Unrechtmäßigkeit der Empfänger kannte oder kennen mußte, kann daher nur die in jedem Fall feststellbare Zahlung der Versorgungsbezüge sein. Der für das Wissen oder Wissenmüssen des Empfängers maßgebende Zeitpunkt dürfe auch nicht unterschiedlich danach bestimmt werden, ob die Versorgungsrente wegen der Erhöhung anrechenbaren Einkommens oder wegen einer auf anderen Umständen beruhenden wesentlichen Änderung der Verhältnisse zu Unrecht gezahlt ist. Es müsse einheitlich von dem Zeitpunkt der Zahlung der einzelnen Versorgungsbezüge ausgegangen werden, zumal in dem Fall des § 47 Abs. 3 Nr. 1 VerwVG auf den Empfang der Versorgungsbezüge abgestellt werde. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Maßgebend ist demnach für das Wissen oder Wissenmüssen der Zeitpunkt der Zahlung der einzelnen Versorgungsbezüge, d. h. der Zeitpunkt, in dem der Empfänger objektiv erkennt oder erkennen mußte, daß ihm Rentenbezüge zu Unrecht gezahlt werden. Wenn der Beklagte in diesem Zusammenhang auf § 71 a BVG hinweist und der Auffassung ist, daß bei einer anderen als der von ihm vorgenommenen Auslegung des Begriffes des Zeitpunkts der Zahlung der gesetzliche Übergang nach § 71 a BVG widerspruchsvoll wäre, so übersieht er hierbei, daß nach dieser Vorschrift die Versorgungsverwaltung einen Übergang der Ansprüche des Versorgungsberechtigten gegen einen Träger der Sozialversicherung auf den Kostenträger der Kriegsopferversorgung insoweit herbeiführen kann, als diese Ansprüche die Ausgleichsrente mindern. Es handelt sich hierbei also um einen Ausgleich zwischen mehreren Leistungsträgern, nicht aber wie bei der Rückforderung zu Unrecht gezahlter Geldleistungen um das Verhältnis zwischen der Versorgungsverwaltung und dem Empfänger der Rente (siehe dazu auch BSG 13, 56, 58). Für die Zeit vom 1. Mai 1951 bis zum 31. März 1952 sind die Klägerinnen also nur dann verpflichtet, die überzahlte Ausgleichsrente in der im angefochtenen Bescheid festgestellten Höhe zurückzuzahlen, wenn sie in diesem Zeitraum wußten oder wissen mußten, daß ihnen die Ausgleichsrente nicht in der Höhe zustand, wie sie nach dem Bescheid vom 5. Februar 1952 berechnet war. Wissen bedeutet die durch Auskünfte, Belehrungen, Hinweise oder andere Umstände erworbene Kenntnis des Versorgungsberechtigten, daß ihm die Versorgungsbezüge infolge Änderung der persönlichen oder familiären Verhältnisse, der wirtschaftlichen Einkommens- oder Vermögensverhältnisse nicht oder doch nicht in der bisherigen Höhe zugestanden haben. Wissenmüssen liegt vor, wenn die Unkenntnis eines Versorgungsberechtigten darauf beruht, daß er die insoweit erheblichen Umstände aus Nachlässigkeit oder aus anderen Gründen, die er zu vertreten hat, nicht oder nicht genügend beachtet hat. Diese Voraussetzungen sind unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles der Persönlichkeit und des Verhaltens des Versorgungsberechtigten zu beurteilen (BSG 5, 267; 11, 44, 47; 13, 56). Dabei ist es nicht erforderlich, daß der Empfänger auch hat übersehen können, wie sich die Änderung der Verhältnisse auf die Höhe seiner Versorgungsbezüge im einzelnen auswirkt. Das LSG hat für den Zeitraum vom 1. Mai 1951 bis zum 31. März 1952 festgestellt, daß die Klägerinnen nicht wußten oder wissen mußten, daß sie die Ausgleichsrente nicht in der bisher gezahlten Höhe empfangen durften. Es hat das einmal daraus geschlossen, daß die Klägerin zu 1) für sich und als gesetzliche Vertreterin ihrer Kinder, den Klägerinnen zu 2) und 3) zwar im Oktober 1950 einen Antrag auf Hinterbliebenenversorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Vorschriften gestellt hatte, sie aber zunächst nicht in der Lage war, die beamtenrechtlichen Verhältnisse ihres verstorbenen Ehemannes urkundlich darzutun. Es hat weiterhin den Umstand berücksichtigt, daß die Klägerin zu 1) einen rechtsungewandten Eindruck vor dem LSG gemacht hat und daß sie auch nicht in der Lage war zu beurteilen, ob ihr und den Kindern überhaupt solche Versorgungsbezüge zustehen könnten, und weiterhin ausgeführt, daß auch nach Auffassung der OPD Frankfurt/M. die Klägerinnen keineswegs wissen konnten, ob die Voraussetzungen des am 1. April 1951 in Kraft getretenen Gesetzes zu G 131 bei ihr vorlagen. Wenn der Beklagte demgegenüber vorträgt, daß die Klägerin zu 1) zumindest auf Grund der Rentenbescheide nach dem BVG wußte, daß sie jede Einkommensänderung dem VersorgA mitzuteilen hatte, so kann er mit diesem Vortrag die Feststellungen des LSG darüber, daß die Klägerinnen im Zeitpunkt der Zahlung der Rente nicht wußten und auch nicht wissen mußten, daß ihnen die Ausgleichsrente nicht in der gezahlten Höhe zustand, nicht wirksam angreifen. Der Vortrag des Beklagten betrifft nur die Frage, daß die Klägerin zu 1) wußte, daß sie jede Veränderung in ihren wirtschaftlichen Verhältnissen dem VersorgA anzuzeigen hatte, nicht aber die Frage, daß sie gerade im Zeitpunkt vom 1. Mai 1951 bis zum 31. März 1952 gewußt hat oder wissen mußte, daß sie Versorgungsbezüge nach allgemeinen beamtenrechtlichen Vorschriften erhalten werde und deshalb die Ausgleichsrente in der bisherigen Höhe zu Unrecht beziehe. Die insoweit getroffenen Feststellungen des LSG sind für das BSG bindend (§ 163 SGG). Begründete Revisionsrügen, aus denen sich ergeben könnte, daß das LSG hierbei die gesetzlichen Grenzen seines Rechts auf freie richterliche Beweiswürdigung gemäß § 128 SGG überschritten hat, sind nicht gegeben. Das LSG hat auch alle Umstände in tatsächlicher Beziehung, insbesondere die Persönlichkeit der Klägerin zu 1), ihren Bildungsstand, ihr Verhalten gegenüber dem VersorgA und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerinnen hinreichend gewürdigt, so daß weitere Ermittlungen, wie der Beklagte sie anregt, nicht erforderlich sind. Soweit der Beklagte mit dieser Anregung meint, das LSG habe noch weitere Beweise erheben müssen (§ 103 SGG), ist diese Anregung nicht als Rüge einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch das LSG anzusehen. Sie ist jedenfalls nicht substantiiert vorgetragen, denn der Beklagte hat weder Tatsachen noch Beweismittel im Sine des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG angegeben, aus denen sich eine Verletzung des § 103 SGG durch das LSG ergibt. Damit besteht für die Klägerinnen für die Zeit vom 1. Mai 1951 bis zum 31. März 1952 keine Verpflichtung, die zu Unrecht gezahlten Versorgungsbezüge zurückzuzahlen.

Nach § 47 Abs. 2 Halbsatz 2 VerwVG sind überzahlte Versorgungsbezüge auch dann zurückzuerstatten, wenn dies für den Empfänger wirtschaftlich vertretbar ist. Wenn auch zweifelhaft sein kann, ob dieser besondere über die im allgemeinen Verwaltungsrecht zur Frage der Rückerstattung überzahlter öffentlicher Geldleistungen entwickelten Grundsätze hinausgehende Verpflichtungsgrund für den hier streitigen Zeitraum Anwendung finden kann, so sind die Klägerinnen selbst unter Berücksichtigung des § 47 Abs. 2 Halbsatz 2 VerwVG nicht zur Rückerstattung verpflichtet.

Das LSG hat festgestellt, daß es für diesen Zeitraum auch wirtschaftlich nicht vertretbar ist, die zu Unrecht gezahlten Versorgungsbezüge zurückzufordern, weil die den Klägerinnen zustehenden Gesamtbezüge zwar den Fürsorgerichtsatz übersteigen, jedoch wegen deren persönlichen und besonderen Verhältnisse die Überschreitung dieser Fürsorgerichtsätze nicht schon den Schluß zuläßt, daß die Rückforderung nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Empfängers vertretbar ist. Dabei hat das LSG ohne Rechtsirrtum insbesondere berücksichtigt, daß die Klägerin zu 1) dauernd erwerbsunfähig ist und die Klägerinnen zu 2) und 3) durch den Besuch einer auswärtigen Schule besondere über das normale Maß hinausgehende Ausgaben haben. Bei der Frage, ob die Rückforderung wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers vertretbar ist, sind nicht nur die Einkünfte festzustellen, vielmehr sind die einzelnen Umstände, insbesondere die persönlichen Verhältnisse des Empfängers, seine notwendigen Ausgaben und besonderen Belastungen, zu berücksichtigen (siehe dazu auch BSG 11, 44; BSG in SozR VerwVG § 47 Bl. Ca 5 Nr. 7). Das LSG hat also auch insoweit die Voraussetzungen der Rückzahlungsverpflichtung nicht verkannt, wenn es neben der Berechnung der Einkünfte der Klägerinnen ihre Stellung als Heimatvertriebene sowie die Tatsache der dauernden Erwerbsunfähigkeit der Klägerin zu 1) und die besonderen wirtschaftlichen Belastungen der Klägerinnen zu 2) und 3) wegen ihrer auswärtigen Ausbildung gewürdigt und berücksichtigt hat. Da gegen diese Feststellungen keine begründeten Revisionsgründe vorgetragen sind, sind sie für das BSG gemäß § 163 SGG bindend. Danach war es auch wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerinnen nicht vertretbar, die zu Unrecht gezahlte Ausgleichsrente für die Zeit vom 1. Mai 1951 bis 31. März 1952 zurückzufordern. Nach alledem ist somit die Revision unbegründet und war gemäß § 170 Abs. 1 Satz 1 SGG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324526

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge