Leitsatz (amtlich)

Bei einer Zurückverweisung an das LSG (SGG § 170 Abs 2 S 2) darf ZPO § 565 Abs 1 S 2 entsprechend angewandt werden (vergleiche BVerwG 1964-04-15 V C 97.63 = Buchholz BVerwG 310 § 144 VwGO Nr 8).

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Vorbringen tatsächlicher Beweismittel aus einem abgeschlossenen Rechtsstreit in einem neuen den gleichen Anspruch betreffenden wieder anhängig gewordenen Verfahren gibt keinen begründeten Anhalt dafür her, um dies zum Anlaß der Auferlegung von Mutwillenskosten nehmen zu können.

2. Das ungeprüfte Beiseiteschieben vorgelegter Beweismittel stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel iS des SGG § 162 Abs 1 Nr 1 dar; dem Gericht obliegt gemäß SGG § 128 jedenfalls die Prüfung, ob das Vorbringen der Beteiligten und ggf von ihnen beigebrachte Beweismittel als für die Entscheidung relevant anzusehen sind.

3. Die Auferlegung von Mutwillenskosten setzt voraus, daß der Beteiligte die Erfolglosigkeit weiterer Prozeßführung kennt und entgegen besserer Einsicht von der weiteren Rechtsverfolgung keinen Abstand nimmt.

 

Normenkette

SGG § 170 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1974-07-30, § 202 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 565 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1950-09-12; SGG §§ 192, 128 Fassung: 1953-09-03, § 162 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Senats des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Dezember 1973 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den 5. Senat des Hessischen Landessozialgerichts zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Im Juni 1965 wurde der Schadensausgleich der Klägerin ab 1. Januar 1964 auf der Grundlage des Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe A 7 des Bundesbesoldungsgesetzes berechnet (selbständig Tätiger mit Volksschulbildung und abgeschlossener Berufsausbildung). Die Klägerin war damit nicht einverstanden und begehrte die Berechnung des Schadensausgleichs nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 14, mindestens aber der Leistungsgruppe II der Angestellten. Das Sozialgericht (SG) gab dem Hilfsantrag der Klägerin statt, während das Landessozialgericht (LSG) die Klage in vollem Umfang abwies (Urteil vom 25. September 1968). Die Revision der Klägerin wurde vom Bundessozialgericht (BSG) als unzulässig verworfen.

Im weiteren Verlauf ergingen mehrere Bescheide, mit denen die vom Einkommen abhängigen Versorgungsbezüge der Klägerin neu festgestellt wurden. Dabei wurde der Berechnung des Schadensausgleichs jeweils das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 7 zugrunde gelegt. Gegen einen vorläufigen Neufeststellungsbescheid vom 4. Januar 1971, mit dem ab 1. Januar 1971 eine Neuberechnung des Schadensausgleichs u. a. wegen Erhöhung der Ausgleichsrente bei sonst unveränderten Berechnungsgrundlagen vorgenommen wurde (der Schadensausgleich wurde von 65,- DM auf 54,- DM herabgesetzt), erhob die Klägerin Widerspruch mit dem Begehren, den Schadensausgleich auf der Grundlage von A 14 zu berechnen. Während des Vorverfahrens erteilte der Beklagte einen nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen weiteren Bescheid vom 5. April 1971, in dem er den Schadensausgleich ab 1. Januar 1970 auf 65,- DM, und einen vorläufigen Bescheid vom 6. April 1971, mit dem er den Schadensausgleich ab 1. Januar 1971 auf 76,- DM festsetzte. Auch gegen den Bescheid vom 5. April 1971 mit "Berechnungsbeiblatt vom 6. April 1971" erhob die Klägerin Widerspruch. Die Widersprüche wurden unter Hinweis auf die nach dem rechtskräftigen Urteil des LSG vom 25. September 1968 bindende Feststellung der Besoldungsgruppe A 7 im Bescheid vom 22. Juni 1965 und mangels einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse zurückgewiesen (Bescheid vom 7. Juni 1971). Im Klageverfahren benannte die Klägerin die Zeugin Adela S für die Richtigkeit ihres Vorbringens und wandte sich gegen die Minderung der Ausgleichsrente und des Schadensausgleichs wegen der Vollendung des 65. Lebensjahres ihres verstorbenen Ehemannes. Das SG wies die Klage mit Urteil vom 12. Dezember 1972 ab. Das LSG wies die Berufung der Klägerin, die zur Begründung einen Schnellhefter mit fotokopierten Urkunden überreicht hatte, zurück und legte ihr Mutwillenskosten (§ 192 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) in Höhe von 70,- DM auf: Das Begehren der Klägerin sei nicht auf eine Neufeststellung der Versorgungsbezüge, sondern eine Zugunstenentscheidung gerichtet, weshalb die Berufung als zulässig anzusehen sei. Sie könnte aber nur Erfolg haben, wenn das rechtskräftige Urteil des LSG vom 25. September 1968 tatsächlich oder rechtlich unrichtig wäre. Da sich das LSG in diesem Urteil mit dem beruflichen Werdegang des Ehemannes der Klägerin und seinen beruflichen Möglichkeiten bei gesunder Rückkehr eingehend auseinandergesetzt und die wesentlichen Unterlagen verwertet habe, die von der Klägerin nunmehr über den Umfang des Geschäftsbetriebs in Polen vorgelegt worden seien, habe sich der Beklagte nicht gedrängt fühlen müssen, weitere Beweise zu erheben oder eine andere Entscheidung zu treffen. Die Klägerin habe nicht dargetan, was die von ihr benannte Zeugin S bekunden solle. Da die Klägerin trotz Belehrung über die Erfolglosigkeit ihres Begehrens erklärt habe, die bis zum BSG betriebene Entscheidung nicht annehmen zu können, habe ihr durch Auferlegung eines Teils der Gerichtshaltungskosten deutlich gemacht werden müssen, daß nicht willkürlich wegen der gleichen rechtskräftig entschiedenen Sache ein neuer Rechtsstreit geführt werden könne.

Hiergegen hat die Klägerin Revision eingelegt und das Armenrecht beantragt. Sie hat binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlusses vom 12. Dezember 1975, mit dem ihr der Senat das Armenrecht für das Revisionsverfahren bewilligt hat, durch den ihr beigeordneten Prozeßbevollmächtigten die bereits eingelegte Revision begründet, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und Verstöße des LSG gegen § 60 Abs. 1 SGG i. V. m. § 48 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO), §§ 103, 106 SGG aF gerügt: Obwohl von einem Richter des LSG, der bei dem angefochtenen Urteil mitgewirkt habe, ein Verhältnis angezeigt worden sei, das seine Ablehnung hätte rechtfertigen können, sei keine Entscheidung nach § 48 Abs. 1 ZPO ergangen. In dieser Unterlassung sei ein absoluter Revisionsgrund im Sinne von § 551 ZPO, zumindest aber ein wesentlicher Verfahrensmangel (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG) zu erblicken, der die Revision statthaft mache. Nach der zutreffenden Rechtsauffassung des LSG, wonach die Erteilung eines Zugunstenbescheides nach § 40 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) im Streit stehe und eine solche nur erfolgen könne, wenn das rechtskräftige Urteil des LSG vom 25. September 1968 aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen unrichtig wäre, hätte das LSG über die Unrichtigkeit des früheren Bescheides und des genannten Urteils Beweis erheben, insbesondere Zeugen und Sachverständige vernehmen müssen. Es hätte bei seiner Rechtsauffassung im einzelnen darlegen müssen, worauf es bei der Berechnung des Schadensausgleichs ankomme. Da die tatsächlichen Feststellungen, die das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, in einem unvereinbaren Widerspruch zum Akteninhalt stünden, beruhe das Urteil auf einer Verletzung des § 128 Abs. 1 SGG. Die Behauptung im angefochtenen Urteil, das LSG habe im Urteil vom 25. September 1968 die wesentlichen Unterlagen, die von der Klägerin nunmehr erneut vorgelegt worden seien, verwertet, so daß sich der Beklagte nicht habe gedrängt fühlen müssen, weitere Beweise zu erheben oder eine andere Entscheidung zu treffen, sei unrichtig. Denn die Klägerin habe dem LSG einen Schnellhefter übersandt, in dem sich die Erklärung der Zeugin S vom 29. November 1971 neben weiteren Erklärungen des Harald B vom 10. Januar 1972, des Zygmunt K vom 5. Januar 1972 und der Helena W vom 5. Januar 1972 befanden und aus denen der Aussagegegenstand zu entnehmen sei, auf den sich die Klägerin berufen habe. Diese Unterlagen hätten schon rein zeitlich nicht Gegenstand des Urteils vom 25. September 1968 sein können, weil sie erst später errichtet worden seien. Sie hätten das LSG zu einer umfassenden Untersuchung darüber führen müssen, ob die Voraussetzungen des § 6 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 30 Abs. 3 und 4 i. V. m. § 40 a Abs. 2 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) bei der Klägerin vorliegen.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Hessische LSG (evtl. an einen anderen Senat) zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Hessischen LSG vom 18. Dezember 1973 dahin abzuändern, daß die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 12. Dezember 1972 als unzulässig verworfen wird.

Streitgegenstand sei - entgegen der Ansicht des LSG und der Klägerin - nur eine Neufeststellung nach § 62 BVG, bei der eine Berufung unzulässig sei. Das LSG habe verfahrensfehlerhaft über einen Verwaltungsakt entschieden, der gar nicht ergangen sei.

 

Entscheidungsgründe

Der Klägerin war für die Revisionsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 67, 164 Abs. 1 SGG aF), weil sie vor der Beiordnung eines beim BSG zugelassenen Prozeßbevollmächtigten infolge Armut außerstande gewesen ist, einen solchen mit der Begründung des Rechtsmittels zu beauftragen. Die vom LSG nicht zugelassene Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist statthaft, weil die Klägerin zumindest einen wesentlichen Mangel im Verfahren des LSG gerügt hat, der auch vorliegt (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der bis zum 31. Dezember 1974 geltenden Fassung vor dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 30. Juli 1974 - BGBl I 1625; BSG 1, 150). Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG.

Die Revision rügt zunächst mit Recht, über die "Selbstablehnung" des Richters am LSG W sei in einem ungesetzlichen Verfahren entschieden worden. Nicht der Vorsitzende allein - wie es hier praktiziert wurde -, sondern der 4. Senat des LSG (ohne den Richter, der die möglicherweise einen Anlaß zur Befangenheit bildenden Umstände angezeigt hatte) wäre nach § 48 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung darüber berufen gewesen, ob der Richter von der Mitwirkung an diesem Berufungsverfahren ausgeschlossen war (vgl. Stein/Jonas/Schumann/Leipold, ZPO, 19. Aufl., Anm. II zu § 48). Ob freilich ein solcher Verstoß gegen § 48 Abs. 1 ZPO einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG aF darstellt, könnte im Hinblick darauf fraglich erscheinen, daß es nicht einmal einen Revisionsgrund bedeuten würde, wenn der betreffende Richter von dem eine Ablehnung evtl. rechtfertigenden Sachverhalt keine Anzeige gemacht hätte (BGH LM Nr. 1 zu § 48 ZPO = Nr. 4 zu § 302 ZPO). Eine nähere Prüfung dieser Frage erübrigt sich hier, denn die Revision ist auf jeden Fall statthaft wegen des von ihr gerügten Verstoßes gegen § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Nach dieser Vorschrift hat das Gericht bei seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zu berücksichtigen. Dazu gehört unbedingt eine Prüfung, ob das Vorbringen der Beteiligten und gegebenenfalls von ihnen beigebrachte Beweismittel als für die Entscheidung relevant anzusehen sind. Diese Prüfungspflicht hat das LSG nicht hinreichend erfüllt. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin sich nicht auf eine Wiederholung von bereits früher gewürdigten Angaben beschränkt, sondern neue Beweismittel eingereicht, die erst nach Abschluß des früheren Rechtsstreits entstanden waren. Hierbei handelte es sich um die zur Berufungsbegründung in einem Schnellhefter vorgelegten Fotokopien von Zeugenerklärungen des Harald B (10. Januar 1972), des Zygmunt K und der Helena W (5. Januar 1972) sowie schließlich der - bereits im Klageverfahren benannten - Zeugin Adela S (29. November 1971). Diese Dokumente waren freilich mit anderen, dem Gericht schon bekannten Papieren zusammengeheftet, was die Auffindbarkeit erschwert haben mag; trotzdem mußte sich das LSG durch die Ausführungen der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung zu einer genauen Durchsicht des Schnellhefters veranlaßt fühlen. Mit der Bemerkung, im rechtskräftigen Urteil vom 25. September 1968 seien die wesentlichen Unterlagen verwertet worden, die von der Klägerin nunmehr über den Umfang des Geschäftsbetriebs in Polen vorgelegt worden seien, gibt das LSG indessen eindeutig zu erkennen, daß es den Inhalt des Schnellhefters überhaupt nicht untersucht und deshalb auch nicht entdeckt hat, daß sich darin Zeugenerklärungen aus den Jahren 1971/72 befanden, die keinesfalls schon im früheren Rechtsstreit ausgewertet worden sein konnten. Dieses völlig "unbesehene" Beiseiteschieben der mit der Berufung vorgelegten Dokumente bedeutet - ohne Rücksicht auf deren Beweiswert und Entscheidungserheblichkeit - einen wesentlichen Mangel des Berufungsverfahrens, dessentwegen das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben kann.

Auf die hiernach zulässige Revision hat der Senat zu prüfen, ob das LSG mit Recht über die Berufung der Klägerin durch Sachurteil entschieden hat (vgl. BSG 2, 225, 226 f; 2, 245, 253 f). Dies ist - entgegen der Meinung des Beklagten - zu bejahen. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Berufung nicht eine Neufeststellung von Versorgungsbezügen wegen Änderung der Verhältnisse, sondern die Geltendmachung einer von Anfang an bestehenden Unrichtigkeit der Schadensausgleichsbemessung betraf, die nur rein äußerlich mit Neufeststellungsbescheiden nach § 62 BVG verknüpft war. Unter diesen Umständen war aber die Berufung nicht durch § 148 Nr. 3 SGG ausgeschlossen (vgl. BSG 10, 282, 284; Urteile des erkennenden Senats vom 24. März 1976 - 9 RV 154/75 und 9 RV 102/75 -). Einer gerichtlichen Überprüfung der von der Klägerin begehrten Zugunstenregelung stand auch, wie das LSG gleichfalls mit Recht angenommen hat, nicht entgegen, daß der Anspruch auf Heranziehung der Besoldungsgruppe A 14 als Vergleichseinkommen für den Schadensausgleich schon durch das Berufungsurteil vom 25. September 1968 rechtskräftig abgewiesen worden war (vgl. SozR 1500 § 141 Nr. 2; SozR 3900 § 40 Nrn 2 und 3).

Mangels ausreichender Feststellungen, wofür insbesondere auch eine Auswertung der vier Zeugenerklärungen aus 1971/72 benötigt wird, ist dem Senat eine Sachentscheidung verwehrt; der Rechtsstreit muß daher gemäß § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG an die Vorinstanz zurückverwiesen werden. Inwieweit das von der Klägerin vorgelegte neue Beweismaterial Anlaß zu weiteren Ermittlungen bieten wird (vgl. SozR Nr. 12 zu § 40 VerwVG; siehe auch die Hinweise der Klägerin im früheren Rechtsstreit auf noch nicht gehörte Zeugen - Bl. 143, 154 in LSG-Akte L 8 V 846/67 -), läßt sich zur Zeit nicht überblicken. Immerhin müßte das LSG, wenn es von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus die Betriebsverhältnisse in der Zeit nach Kriegsausbruch (Ausschaltung der jüdischen Geschäftsleute) als irrelevant erachtet, den Umfang und die Ertragslage des Lebensmittelgeschäfts unter den vorangegangenen "normalen" Verhältnissen näher aufklären und in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht würdigen (vgl. SozR Nrn. 9 und 10 zu § 6 DVO 1964 zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG); hierfür erscheint es bedeutsam, daß die Zeugin S nach ihrer schriftlichen Äußerung vom 29. November 1971 offenbar in der Lage ist, Angaben auch schon über die Zeit ab 1935 zu machen. Bei der rechtlichen Beurteilung wird die Entscheidung des erkennenden Senats vom 10. Juni 1975 (SozR 3640 § 6 Nr. 1) zu beachten sein.

Die Auferlegung von Mutwillenskosten setzt voraus, daß der Beteiligte die Erfolglosigkeit weiterer Prozeßführung kennt und entgegen besserer Einsicht von der weiteren Rechtsverfolgung keinen Abstand nimmt (SozR Nr. 4 zu § 192 SGG). Hiervon könnte bei der Klägerin erst dann die Rede gewesen sein, wenn ihr das LSG mit einleuchtender Begründung dargelegt hätte, daß auch mit den Zeugenerklärungen von 1971/72 der Klaganspruch nicht zu rechtfertigen sei. Da dies unterblieben ist, kann die Tatsache, daß die Klägerin von der Berechtigung ihres Begehrens überzeugt blieb und es mit der Berufung weiterverfolgte, eine Auferlegung von Mutwillenskosten keinesfalls begründen.

Das Vorgehen des LSG erscheint unter zwei Aspekten - Nichtbeachtung vorgelegter Beweismittel und ungerechtfertigte Auferlegung von Mutwillenskosten - geeignet, das Vertrauen der Klägerin in die Rechtsprechung des 4. Senats des Hessischen LSG zu beeinträchtigen. Obwohl § 170 SGG eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an einen anderen Spruchkörper der Vorinstanz nicht vorsieht, hält es der Senat - im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 144 der Verwaltungsgerichtsordnung (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 1964, Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 8; zustimmend: Eyermann/Fröhler, VwGO Komm., 6. Aufl. RdNr. 7 zu § 144) - für statthaft und im vorliegenden Fall auch für angebracht, in entsprechender Anwendung (§ 202 SGG) des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Sache an den 5. Senat des Hessischen LSG zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens überlassen bleibt.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1655484

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