Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 22.06.1984; Aktenzeichen L 16 Kr 87/82)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Juni 1984 – L 16 Kr 87/82 – wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf höhere Vergütung der von ihr an Versicherte der Beklagten erbrachten Badeleistungen in der Zeit von April 1979 bis Juli 1980.

Die Klägerin ist als Masseurin und medizinische Bademeisterin selbständig tätig. Sie ist Mitglied des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen eV im Bundesverband Deutscher Badebetriebe eV. Die Beklagten sind in der Arbeitsgemeinschaft der Dortmunder RVO-Kassen zusammengefaßt. Bis zum Jahr 1978 wurden die Leistungen der Klägerin nach dem Maßstab vergütet, der für den inzwischen geschlossenen Eigenbetrieb der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Dortmund galt. Ab 1. Januar 1978 wurde eine Preisvereinbarung geschlossen. Die Laufzeit dieser Vereinbarung endete am 31. März 1979, da der Landesverband der Badebetriebe die Kündigung erklärt hatte. In den folgenden Verhandlungen über eine Neufestlegung der Preise ab 1. April 1979 konnte eine Einigung nicht erzielt werden. Der Abschluß eines Rahmenvertrages mit einer Preisvereinbarung scheiterte endgültig am 9. September 1980. Zwischenzeitlich hat die Klägerin laufend weiter Leistungen für Versicherte der Beklagten erbracht, die von den Beklagten nach den Sätzen der gekündigten Preisvereinbarung vergütet wurden.

Mit der am 6. November 1980 beim Sozialgericht Dortmund (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1) eine Forderung von DM 4.155,82 geltend gemacht, gegenüber der Beklagten zu 2) von DM 1069,09 und gegenüber der Beklagten zu 3) von DM 5.571,48 zuzüglich Zinsen. Dabei handelt es sich um die von den Beklagten gekürzten Beträge, weil die Klägerin die bis zum 31. März 1979 geltenden Preise ab 1. April 1979 um 4 % und ab 1. Januar 1980 um 5 % erhöht hatte. Das SG hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit verneint, weil die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Vertragsverhältnisse privatrechtlicher Natur seien (Urteil vom 14. Juli 1982).

Die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG) mit Urteil vom 22. Juni 1984 zurückgewiesen. Das LSG hat den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für gegeben erachtet, die Begründetheit der Klage jedoch mangels Anspruchsgrundlage verneint. Der öffentlich-rechtliche Charakter des Abrechnungsverhältnisses ergebe sich daraus, daß in ihm der unmittelbare Vollzug der den Krankenkassen gegenüber ihren Mitgliedern gesetzlich obliegenden öffentlich-rechtlichen Versorgungsaufgabe durch die Leistungserbringer als Erfüllungsgehilfen zu sehen sei. Die Klägerin sei auch nach der Aufkündigung der Preisvereinbarung zum 31. März 1979 zumindest stillschweigend zur „Behandlung” der Mitglieder der Beklagten zugelassen geblieben und auf dieser Grundlage in allen streitigen Abrechnungsfällen tätig geworden. Die Beklagten hätten ihr hoheitliches Handeln im Rahmen und zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe durch die erteilte Genehmigung der Leistungen zum Ausdruck gebracht. Der öffentlich-rechtliche Charakter ergebe sich ausdrücklich aus § 376d Reichsversicherungsordnung (RVO), der mit Wirkung vom 1. Januar 1982 durch Artikel I Nr 20 des Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetzes -KVEG- (BGBl I, 1579) eingefügt worden sei.

Die Klägerin könne den geltend gemachten Anspruch jedoch weder unmittelbar noch analog auf die §§ 315, 316 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) stützen. Die Preisvereinbarungen von 1978 seien zwar zum 31. März 1979 wirksam aufgekündigt worden, indessen seien die Beklagten auch danach nur zur Zahlung einer Vergütung in Höhe der bisherigen Sätze bereit gewesen. In Kenntnis dessen habe die Klägerin die Behandlungen durchgeführt, anstatt deren Übernahme – was mangels Bestehens einer Behandlungspflicht rechtlich ohne weiteres möglich gewesen wäre – abzulehnen, und damit die Preisbedingungen der Beklagten durch schlüssiges Verhalten akzeptiert.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung der Artikel 3, 12, 14, 19 Abs 4 Satz 1, 100 Grundgesetz (GG), § 376d RVO, §§ 24, 55, 61 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X), §§ 145, 151 BGB analog, §§ 223, 230, 13 Strafgesetzbuch (StGB) und §§ 75, 103, 123, 130 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie der Grundsätze der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung und der Grundsätze des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs.

Nach Auffassung der Klägerin ergibt sich unmittelbar aus dem Sachleistungsanspruch der Versicherten der Beklagten sowohl der Rechtsweg zu der Sozialgerichtsbarkeit als auch die Anspruchsgrundlage für ihre Forderung, da der Sachleistungsanspruch sich nach Behandlungsbeginn in einen Kostenübernahmeanspruch wandle (BSGE 53, 62). Die Beklagte habe mit der Erteilung der Leistungsberechtigung die Voraussetzungen für die Versorgung ihrer Versicherten durch Inanspruchnahme der zugelassenen Leistungserbringer geschaffen. Die dann noch erforderliche Bestimmung der Höhe der Vergütung müsse sinnvollerweise dem objektiven Wert der Behandlungsleistung unter Berücksichtigung von Material- und Energiekosten entsprechen. Aus der Ausnahmevorschrift des § 130 SGG ergebe sich, daß in allen übrigen Fällen ein Zahlungsanspruch durch das Gericht nach Grund und Höhe zu entscheiden sei, so daß das LSG auch über die Angemessenheit der Vergütung eine Entscheidung habe treffen müssen.

Das LSG habe die Versicherten der Beklagten nach § 75 Abs 2 SGG notwendig beiladen müssen, da wegen der Identität des Sachleistungsanspruchs der Versicherten und des Kostenerstattungsanspruchs eine Entscheidung nur einheitlich ergehen könne. Aus diesem Grund sei auch § 24 SGB X verletzt, da die Versicherten vor Ablehnung der von der Klägerin begehrten Zahlung hätten angehört werden müssen.

Das angefochtene Urteil verstoße insoweit gegen materielles Recht, als das Berufungsgericht davon ausgehe, daß die Klägerin die Preisbedingungen der Beklagten durch „schlüssiges Verhalten” akzeptiert hätte. Dies stehe im Widerspruch zu der Feststellung, daß die Vertragsverhandlungen gescheitert waren. Die Vorschriften des BGB seien über § 61 SGB X anwendbar.

Bei zutreffender rechtlicher Würdigung hätte das LSG schließlich den Anspruch in der geltend gemachten Höhe bestätigen müssen, da die Klägerin mit der von ihr geforderten Erhöhung der Vergütungssätze ab 1. April 1979 um 4 % und ab 1. Januar 1980 um 5 % den Empfehlungen der konzertierten Aktion im Gesundheitswesen entsprochen habe. § 376d Abs 2 Satz 1 RVO sei zwar erst zum 1. Januar 1982 in Kraft getreten, es spreche jedoch nichts dagegen, die dort niedergelegten allgemeinen Grundsätze auch für den davor liegenden Zeitraum anzuwenden. Da die Empfehlungen der konzertierten Aktion außerhalb des Verdachtes stehen, preistreiberisch oder kostenerhöhend wirken zu wollen, werde man annehmen müssen, daß unter Berücksichtigung des Kaufkraftverlustes, der Inflation und der steigenden Kosten in allen Bereichen des privaten und geschäftlichen Lebens die beantragte Erhöhung der Behandlungsvergütungen objektiv gerechtfertigt gewesen sei und dem allgemeinen Grundsatz der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung entspreche. Falls die Angemessenheit nicht bereits aus den Empfehlungen der konzertierten Aktion für das Gesundheitswesen folge, wäre das LSG verpflichtet gewesen, entsprechende Ermittlungen anzustellen. In diesem Fall hätte es gegen § 103 SGG verstoßen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Juni 1984 und das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 14. Juli 1982 abzuändern und die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an die Klägerin 4.155,82 DM nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen, die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an die Klägerin 5.571,48 DM nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen und die Beklagte zu 3) zu verurteilen, an die Klägerin 1.069,09 DM nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und ist der Auffassung, daß zu dem von der Klägerin zitierten Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20. Januar 1982 (BSGE 53, 62) grundlegende Sachverhaltsunterschiede zu beachten seien. In jener Entscheidung habe schon deshalb von einer Umwandlung des Sachleistungsanspruchs des Versicherten in einen Zahlungsanspruch des Leistungserbringers ausgegangen werden können, weil der Krankenversicherungsträger dem Leistungserbringer eine Kostendeckungszusage iS einer befreienden Schuldübernahme nach § 61 Satz 2 SGB X, § 414 BGB, erklärt habe. Nur so könne die Einbeziehung des Krankenversicherungsträgers als Schuldner gegenüber dem Leistungserbringer erreicht werden.

Die Beklagten zu 2) und zu 3) sowie die Beigeladene sind ebenfalls der Auffassung, daß das Urteil des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen zutreffend sei.

Der 8. Senat des BSG hat mit Beschluß vom 19. März 1986 dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben sei. Der GmS-OGB hat am 29. Oktober 1987 beschlossen, daß für Rechtsstreitigkeiten zwischen nichtärztlichen Leistungserbringern und Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung über die Vergütung medizinischer Badeleistungen der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben sei.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist zulässig.

Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist nach § 51 SGG idF des am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen Art 32 Nr 3 des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20. Dezember 1988 (Gesundheitsreformgesetz -GRG- BGBl I 2477) gegeben. Dem steht der Beschluß des GmS-OGB vom 29. Oktober 1987 (SozR 1500 § 51 Nr 48) nicht entgegen, daß für Rechtsstreitigkeiten zwischen nichtärztlichen Leistungserbringern und Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung über die Vergütung medizinischer Badeleistungen der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben sei. Zwar bindet die Entscheidung des GmS-OGB das erkennende Gericht (§ 16 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes). Die ab 1. Januar 1989 eingetretene Rechtsänderung begründet jedoch die Zuständigkeit des BSG von diesem Zeitpunkt an. Der allgemeine Rechtsgrundsatz, daß neues prozessuales Recht auch auf bereits anhängige Verfahren anzuwenden ist, wird durch § 94 Abs 3 SGG eingeschränkt, wonach die Zuständigkeit des Gerichts durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nach Eintritt der Rechtshängigkeit nicht berührt wird (entsprechende Vorschriften enthalten § 261 Zivilprozeßordnung -ZPO-, § 90 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-, § 66 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die einmal begründete Zuständigkeit eines Gerichts bleibt danach trotz Rechtsänderung erhalten. Das ursprünglich nicht zuständige Gericht, bei dem die Klage jedoch anhängig ist, kann aber durch eine Rechtsänderung zuständig werden (Meyer-Ladewig, SGG, 3. Aufl, § 94 RdNr 9; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 47. Aufl, ZPO, § 261 Anm 6 B; Urteile des 3. Senats des BSG vom 9. Februar 1989 – 3 RK 7/88 und 3 RK 8/88 –; siehe auch BT-Drucks 11/3480 S 77 und die zutreffenden Ausführungen von Spieß SGb 1989,8 bzgl der Verfahren, die bei den Zivilgerichten anhängig sind). Eine solche Rechtsänderung ist mit der ausdrücklichen Rechtswegzuweisung an die Sozialgerichte in § 51 SGG nF eingetreten.

Nach § 51 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGG nF entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch über Streitigkeiten, die in Angelegenheiten nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) aufgrund von Entscheidungen oder Verträgen der Krankenkassen oder ihrer Verbände entstehen, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Der von der Klägerin mit der Klage verfolgte Zahlungsanspruch richtet sich auf höhere Vergütung medizinischer Badeleistungen gegenüber Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung. Streitigkeiten dieser Art, die aus Verträgen der Krankenkassen mit privaten Leistungserbringern resultieren und aus Maßnahmen, die unmittelbar der Erfüllung der den Krankenkassen nach dem SGB V obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben dienen, sind nun wegen des engen Sachzusammenhangs ausdrücklich dem Rechtsweg vor den Sozialgerichten zugewiesen (BT-Drucks aaO). Die Aufspaltung des Rechtsweges auf Zivil- und Sozialgerichte wegen der nach Auffassung des GmS-OGB vorzunehmenden Trennung von öffentlich-rechtlichem Versicherungsverhältnis und privatrechtlichen Beschaffungsverhältnis besteht mit Inkrafttreten des GRG nicht mehr (so ausdrücklich BT-Drucks aa0).

Die verfahrensrechtliche Rüge der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat nicht gegen § 75 Abs 2 SGG verstoßen, indem es die Versicherten der Beklagten nicht beigeladen hat, denn die Versicherten sind an dem streitigen Zahlungsanspruch der Klägerin nicht derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Eine Zahlungspflicht für in Anspruch genommene Dienstleistungen trifft die Versicherten hier nicht.

Das LSG hat auch zu Recht die Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG bejaht. Mit der echten Leistungsklage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Die Frage der Zulässigkeit dieser Klageart ist unmittelbar mit der Frage der rechtlichen Ausgestaltung der Beziehung zwischen Krankenkassen und nichtärztlichen Leistungserbringern verknüpft, da Voraussetzung für die echte Leistungsklage das Gleichordnungsverhältnis zwischen den Beteiligten ist, das gleichzeitig eine (einseitig) hoheitliche Regelung der handelnden Behörde durch Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten – und damit eine Klage nach § 54 Abs 4 SGG – ausschließt. Eine gesetzliche Ermächtigung der Krankenkassen zum Erlaß von Verwaltungsakten gegenüber den privaten Leistungserbringern besteht ebenso wie ein Über-Unterordnungsverhältnis nicht (jedenfalls nicht vor Inkrafttreten des § 124 SGB V am 1. Januar 1989).

In der Sache selbst erweist sich die Revision als unbegründet.

Eine Anspruchsgrundlage aus einem Vertrag auf Vergütungen in einer bestimmten Höhe besteht nach Kündigung der Preisvereinbarung nicht (mehr). Soweit noch vertragliche Beziehungen bestehen, beruhen sie auf einer Fortwirkung des gekündigten Vertrages. Wenn auch die Klägerin bzw der Landesverband für Badebetriebe, dem die Klägerin angehört, die Preisvereinbarung von 1978 gekündigt hat und die Verhandlungen über den Abschluß eines Rahmenvertrages gescheitert sind, so hat die Klägerin doch nach Ablauf der Vereinbarung – ab 1. April 1979 – laufend weiter Leistungen für Versicherte der Beklagten erbracht und die Beklagten haben diese Leistungen auch vergütet. Einigkeit hat – ohne schriftliche Vereinbarung – insofern bestanden, als die Beklagten die Klägerin weiterhin als zur Leistungserbringung berechtigt angesehen haben und die Klägerin ihrerseits bereit gewesen ist, entsprechend dem Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung „Kassenleistungen” zu erbringen. Dementsprechend hat die Klägerin die Versicherten der Beklagten behandelt und die Beklagten haben den Anspruch auf Vergütung dem Grunde nach anerkannt und abgerechnet.

Ein einseitiges Bestimmungsrecht oder ein Anspruch auf höhere Vergütung nach § 612 Abs 2 BGB steht der Klägerin nicht zu. Das Gesetz geht von der Vorstellung aus, daß Vertragspartner, die den Umfang der geschuldeten Gegenleistung nicht vertraglich festlegen, bei Vertragsschluß im allgemeinen mit einem entsprechenden Bestimmungsrecht des Gläubigers einverstanden sind. Wo dies dem wirklichen (oder mutmaßlichen) Willen beider Seiten nicht entspricht, kann die Auslegungsregel des § 316 BGB keine Anwendung finden (vgl BGHZ 94, 98, 102). Nachdem die Klägerin die Vergütungsvereinbarung gekündigt hat, besteht ein stillschweigendes Einverständnis über ein Bestimmungsrecht der Klägerin ausdrücklich nicht, so daß die Anwendung des § 316 BGB dem Normzweck widersprechen würde, denn sie ist eine Auslegungsregel und soll nicht ermöglichen, daß in einem Dauerrechtsverhältnis ein Vertragspartner mit höheren Vergütungswünschen die getroffene Vereinbarung nicht nur durch Kündigung beseitigt oder das Zustandekommen einer neuen Vereinbarung verhindert, sondern unter Berufung auf die mangelnde Bestimmtheit der vertraglichen Leistung den Preis selbst festsetzt.

In den Rechtsbeziehungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den Leistungserbringern werden Inhalte und Vergütungen von Leistungen vertraglich festgelegt (§ 376d RVO) und durch Kündigung alter und Abschluß neuer Verträge den veränderten Verhältnissen angepaßt. Kommen solche Verträge nicht zustande, so werden sie inhaltlich durch ein Schiedsamt (§ 368h RVO, § 89 SGB V) oder eine Schiedsstelle (§ 374 RVO, §§ 114, 129 Abs 8 SGB V) festgesetzt. Hierbei handelt es sich um eine Verwaltungsentscheidung, die der gerichtlichen Nachprüfung der Rechtmäßigkeit unterliegt (vgl BSGE 20, 73). Ein derartiges Verfahren sieht das Gesetz für den Bereich der Klägerin nicht vor. Dann aber ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber eine hoheitliche Festlegung eines Vertragsinhaltes nicht wollte, so daß auch – nicht zuletzt nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung – den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eine Festlegung der angemessenen Vergütung verwehrt ist. Das gesetzgeberische Ziel der Vertragsfreiheit zeigt sich auch darin, daß neuerdings nach § 125 SGB V für Heilmittel mit Dienstleistungscharakter in Abweichung des Regierungsentwurfes nicht einmal ein Festbetrag festzusetzen ist, weil dadurch Wirtschaftlichkeitsreserven besser ausgeschöpft werden können (vgl Maaßen in GKV-Kommentar, 1989, § 125 SGB V).

Auszuschließen ist allerdings nicht, daß bei einem besonders krassen Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung eine angemessene Vergütung von Rechts wegen erforderlich werden kann (vgl BGHZ 86, 167, 169 f). Dieser Fall liegt jedoch hier nicht vor. Dem Vorbringen der Klägerin läßt sich nur entnehmen, daß die Anpassung der Vergütung den Empfehlungen der konzertierten Aktion im Gesundheitswesen entspricht. Diese Empfehlungen sind jedoch nicht bindend, sondern nach § 376d Abs 2 RVO nur „angemessen” zu berücksichtigen. Von ihnen können sowohl die Vertragspartner als auch die Schiedsämter bzw Schiedsstellen in einzelnen Bereichen abweichen. Hierfür werden vielfach Zweckmäßigkeitsgründe maßgebend sein. Unter diesen Umständen müßte auch ein Sozialgericht den Bedarf der Leistungserbringer und die Leistungsfähigkeit der Krankenkassen wirtschaftlich gegeneinander abwägen und die ihm zweckmäßig erscheinende Vergütung festsetzen. Diese Aufgabe ist jedoch für die Sozialgerichtsbarkeit wesensfremd. Hierzu müssen die Vertragspartner eigene Verfahren entwickeln. Erst wenn Vertragsverhandlungen durch die Ausübung der marktbeherrschenden Position der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung in breitem Umfang verhindert werden, kann eine Korrektur bestehender Verhältnisse im Wege der Rechtsprechung in Betracht gezogen werden. Im vorliegenden Fall hingegen haben, wie dem Vorbringen der Klägerin entnommen werden kann, nur die Beklagten die Zahlung einer höheren Vergütung verweigert. Dies allein wirkt sich noch nicht als Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung aus.

Nach allem war die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1173652

BSGE, 159

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge