Leitsatz (amtlich)

Berechtigter iS des KOVVfG § 40 ist nur derjenige, dessen Versorgungsanspruch in dem früheren Bescheid ganz oder teilweise zu Unrecht abgelehnt worden ist. Seine Erben sind dagegen nicht Berechtigte im Sinne dieser Vorschrift.

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage der Erteilung eines Bescheides ohne Rechtsgrundlage und der fürsorgerischen Aufgaben des Versorgungsamts.

 

Normenkette

KOVVfG § 40 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27, Abs. 2 Fassung: 1960-06-27

 

Tenor

1.) Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Oktober 1962 wird zurückgewiesen.

2.) Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Oktober 1962 abgeändert. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 10. August 1962 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.

3.) Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Ehemann und Vater der Kläger, nachfolgend mit D. bezeichnet, erhielt wegen einer Verwundung aus dem ersten Weltkrieg (Verlust des rechten Armes) zuletzt mit Umanerkennungsbescheid vom 26. Juni 1951 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 v. H. Wegen einer Verletzung am Daumen der linken Hand, die er sich im Jahre 1956 zugezogen und die zu einer starken Bewegungseinschränkung dieser Hand geführt hatte, stellte er im April 1956 einen Antrag auf Rentenerhöhung und Pflegezulage. Dieser Antrag wurde mit den Bescheiden vom 29. September 1956 und 3. Dezember 1956 abgelehnt. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg. Während des anschließenden Klageverfahrens verstarb D. Seine Rechtsnachfolger, die Kläger des vorliegenden Rechtsstreits, setzten das Verfahren fort. Ihre Klage wurde mit Urteil vom 21. Oktober 1957 abgewiesen, ihre Berufung gegen dieses Urteil mit Beschluß vom 30. März 1960 gemäß § 216 Abs. 1 Nr. 3 b des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zurückgewiesen. Nach Ansicht beider Gerichte bestand ein Anspruch auf Pflegezulage nach § 35 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) deshalb nicht, weil die Schädigungsfolge nicht die letzte, die Hilflosigkeit auslösende Ursache war.

Mit Schreiben vom 3. Februar 1961, beim Versorgungsamt (VersorgA) am 4. Februar 1961 eingegangen, stellten die Kläger einen Antrag auf Erlaß eines Zugunstenbescheides über die Gewährung der Pflegezulage für den verstorbenen D. Das VersorgA erteilte daraufhin den Bescheid vom 19. September 1961 gemäß § 40 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) und gewährte für den Monat Mai 1957, den Sterbemonat des D., eine Pflegezulage in Höhe von 75,- DM.

Die weitergehenden Ansprüche auf Gewährung einer höheren Pflegezulage und auf Gewährung der Pflegezulage für die Zeit vom 1. April 1956 an lehnte es ab. Der Widerspruch, mit dem die Kläger die Gewährung einer Pflegezulage von DM 150,- monatlich vom 1. April 1956 an begehrten, war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 1962).

Das Sozialgericht (SG) Gießen hat mit Urteil vom 10. August 1962 die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 10. Oktober 1962 das Urteil des SG Gießen vom 10. August 1962 aufgehoben und die Bescheide vom 19. September 1961 und 18. Januar 1962 dahin abgeändert, daß der Beklagte verurteilt wird, den Klägern Pflegezulage in Höhe von monatlich DM 75,- auch für die Zeit vom 1. April 1956 bis 30. April 1957 zu zahlen. Es führt dazu in der Begründung aus, der angefochtene Bescheid könne nicht auf § 40 Abs. 2 VerwVG gestützt werden, weil noch keine ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu der Frage vorhanden sei, ob bei der Pflegezulage die Schädigungsfolge die letzte, die Hilflosigkeit auslösende Ursache oder nur die wesentliche Mitbedingung der Hilflosigkeit sein müsse. Der angefochtene Bescheid sei aber auf § 40 Abs. 1 VerwVG gestützt worden. Als Ermessensbescheid sei seine Rechtmäßigkeit nur im Rahmen des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG zu prüfen. Die Voraussetzungen für den Erlaß eines Zugunstenbescheides nach § 40 Abs. 1 VerwVG seien an sich nicht gegeben. Die der Versorgungsverwaltung in § 40 Abs. 1 VerwVG eingeräumte Möglichkeit, einen neuen Bescheid zugunsten des Beschädigten zu erteilen, habe mit dem Tod des D. am 7. Mai 1957 ihr Ende gefunden. Es handele sich daher bei der Regelung des VersorgA im Bescheid vom 19. September 1961 nicht um eine Regelung zugunsten des Beschädigten, sondern um eine solche zugunsten seiner Witwe. Diese habe, da D. weder an einer Schädigungsfolge verstorben sei noch die Rente eines Erwerbsunfähigen noch Pflegezulage erhalten habe, nach § 48 Abs. 1 BVG aF keinen Anspruch auf Witwenbeihilfe gehabt. Wenn das VersorgA aber dennoch im Wege des Zugunstenbescheides eine Pflegezulage gewährt habe, um dadurch der Klägerin zu 1) Witwenbeihilfe gewähren zu können, so stelle die Gewährung der Pflegezulage allein für den Sterbemonat keine folgerichtige Ausübung des Ermessens durch die Versorgungsbehörde dar. Die Folgerichtigkeit hätte vielmehr erfordert, diese bereits vom Monat des Antrages des D., also vom 1. April 1956 an zu gewähren. Insoweit seien das angefochtene Urteil und die Verwaltungsbescheide abzuändern.

Dagegen sei das Verlangen der Kläger auf Gewährung einer höheren Pflegezulage als nach Stufe I nicht gerechtfertigt. Eine dauernde Bettlägerigkeit des D. sei weder durch den Verlust des rechten Armes noch durch die Gebrauchsunfähigkeit der linken Hand bedingt gewesen. Diese Leiden hätten auch keine außergewöhnliche Pflege im Sinne des § 35 BVG erfordert. Die Hilflosigkeit des D. sei mit der Gewährung der einfachen Pflegezulage in ausreichendem Maße abgegolten.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Gegen dieses, dem Beklagten am 19. November 1962 zugestellte Urteil hat dieser mit Schriftsatz vom 12. Dezember, eingegangen am 13. Dezember 1962, Revision eingelegt und sie mit Schriftsatz vom 11. Januar 1963, beim BSG am 16. Januar 1963 eingegangen, begründet.

Er beantragt zu erkennen:

"Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Oktober 1962 insoweit abgeändert, als der Beklagte verurteilt wird, den Klägern Pflegezulage in Höhe von monatlich DM 75,- auch für die Zeit vom 1. April 1956 bis 30. April 1957 zu zahlen und die außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten. Die Berufung wird in vollem Umfange zurückgewiesen."

Er rügt vornehmlich eine Verletzung des § 40 VerwVG durch das LSG und meint, die Auffassung des LSG, daß die Versorgungsverwaltung nach dem Tod des Beschädigten zu seinen Gunsten keinen Bescheid nach § 40 VerwVG mehr erlassen könne, sei unrichtig. Ebenso wie die Versorgungsverwaltung nach dem Tod des Beschädigten einen Zuungunstenbescheid nach § 41 VerwVG erlassen könne, müsse sie befugt sein, einen Zugunstenbescheid nach § 40 VerwVG zu erteilen. Wenn aber nach der Ansicht des LSG ein Bescheid nach § 40 VerwVG nicht habe erlassen werden können, so sei es widerspruchsvoll, den Beklagten zu verurteilen, dem angefochtenen Bescheid eine noch weitergehende Rückwirkung beizulegen. Im übrigen stehe es im Ermessen der Verwaltungsbehörde, bei Erlaß eines Bescheides nach § 40 Abs. 1 VerwVG auch festzulegen, von welchem Zeitpunkt an die günstigere Regelung beginne. Da es sich bei der Entscheidung nach § 40 Abs. 1 VerwVG um eine Ermessensentscheidung handele, hätte das LSG den Beklagten nur dann zu einer rückwirkenden Zahlung der Pflegezulage verurteilen dürfen, wenn die Festsetzung des Zeitpunktes durch den Beklagten ermessensfehlerhaft gewesen sei. Dies sei jedoch nicht der Fall. Es sei nämlich nicht billig gewesen, für die rückliegende Zeit von der Bindungswirkung des früheren, die Pflegezulage ablehnenden Bescheides abzuweichen. Die Gewährung der Pflegezulage für den Sterbemonat des D. habe ausgereicht, um der Witwe zur Witwenrente zu verhelfen. Im übrigen sei das Urteil schon deshalb fehlerhaft, weil mit der Verurteilung zur Gewährung der Pflegezulage vom 1. April 1956 an das Gericht in die Ermessensentscheidung der Verwaltung eingegriffen und sein Ermessen an die Stelle des der Verwaltung zukommenden Ermessens gesetzt habe.

Im übrigen wird auf die Revisionsbegründung verwiesen.

Die Kläger beantragen,

die Revision des Beklagten vom 12. Dezember 1962 zurückzuweisen und den Beklagten zu verurteilen, die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Sie sind der Auffassung, daß die gerügte Gesetzesverletzung nicht vorliegt. Sie tragen weiter vor, daß entgegen der Auffassung des LSG die Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 VerwVG gegeben seien, da inzwischen die hier streitige Rechtsfrage in ständiger Rechtsprechung des BSG beantwortet sei. Daher sei der Beklagte verpflichtet, rückwirkend ab 1. April 1956 die Pflegezulage zu gewähren.

Auch die Kläger haben gegen das ihnen am 17. November 1962 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 11. Dezember, beim BSG am 17. Dezember 1962 eingegangen, Revision eingelegt und diese innerhalb der bis zum 16. Februar 1963 verlängerten Begründungsfrist mit Schriftsatz vom 1. Februar 1963, eingegangen beim BSG am 6. Februar, begründet.

Sie beantragen als Revisionskläger,

das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als es die Berufung der Kläger gegen das Urteil des SG Gießen vom 10. August 1962 zurückgewiesen hat, und den Beklagten zu verurteilen, für die Zeit vom 1. April 1956 bis 31. Mai 1957 Pflegezulage im Betrage von DM 150,- monatlich zu gewähren.

Sie rügen eine Verletzung der §§ 103 und 128 i. V. m. § 153 SGG durch das LSG. Sie tragen dazu vor, die Feststellung des LSG, daß D. keiner außergewöhnlichen Pflege bedurft hat, beruhe auf einer ungenügenden Aufklärung des Sachverhalts und sei unter Überschreitung der Grenzen des Rechts der freien richterlichen Beweiswürdigung getroffen worden. Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt und gewürdigt, daß der Zustand des D. seit April 1956 zwar kein dauerndes Krankenlager, aber doch eine außergewöhnliche Pflege erfordert habe.

Im übrigen wird auf die Revisionsbegründung der Kläger verwiesen.

Gegenüber den Revisionsanträgen der Kläger beantragt der Beklagte,

die Revision der Kläger gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Oktober 1962 als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise,

die Revision der Kläger als unbegründet zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, daß die Zulassung der Revision durch das LSG nicht für die Kläger wirke, da die grundsätzliche Rechtsfrage, deretwegen die Zulassung erfolgt sei, nur die Frage betreffe, ob ein Zugunstenbescheid nach § 40 Abs. 1 VerwVG auch dann erteilt werden könne, wenn der Beschädigte bereits verstorben ist, und ob in einem solchen Fall eine weitergehende Rückwirkung, als vom Beklagten angenommen, eintreten müsse. Im übrigen ist der Beklagte der Auffassung, daß die von den Klägern gerügten Verfahrensmängel nicht vorliegen.

Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision des Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden (§§ 164, 166 SGG); sie ist daher zulässig. Auch die von den Klägern form- und fristgerecht eingelegte Revision (§§ 164, 166 SGG) ist - entgegen der Auffassung des Beklagten - zulässig. Die vom LSG ausgesprochene Zulassung der Revision ist nämlich nicht nur - wie der Beklagte meint - auf die Rechtsfrage beschränkt, ob auch nach dem Tode eines Beschädigten zu dessen Gunsten ein Bescheid nach § 40 Abs. 1 VerwVG erlassen werden kann. Abgesehen davon, daß eine Beschränkung der Revisionszulassung auf eine bestimmte Rechtsfrage nach dem Gesetz unzulässig wäre (BSG in SozR § 162 Nr. 170), hat auch das LSG die Zulassung überhaupt nicht in irgend einer Weise, insbesondere nicht auf einen bestimmten Anspruch (s. dazu BSG 3, 136, 138) beschränkt.

Die Revision des Beklagten ist begründet, die der Kläger jedoch unbegründet. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, über den Bescheid vom 19. September 1961 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 1962 hinaus die Pflegezulage auch für die Zeit vom 1. April 1956 bis 30. April 1957 und in einer höheren Stufe zu gewähren. Eine solche Verpflichtung des Beklagten besteht nicht.

Das LSG ist zutreffend zunächst davon ausgegangen, daß die vom Beklagten im Bescheid vom 19. September 1961 getroffene Regelung ihre Rechtsgrundlage weder in § 40 Abs. 1 VerwVG noch in Abs. 2 dieser Vorschrift findet. Nach § 40 Abs. 1 VerwVG idF des Ersten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 27. Juni 1960 (1. NOG) kann zugunsten des Berechtigten die zuständige Verwaltungsbehörde jederzeit einen neuen Bescheid erteilen. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift ist auf Antrag des Berechtigten ein neuer Bescheid zu erteilen, wenn das BSG in ständiger Rechtsprechung nachträglich eine andere Rechtsauffassung vertritt, als sie der früheren Entscheidung zugrunde gelegen hat. Nach beiden Vorschriften kann demnach ein Zugunstenbescheid nur dem "Berechtigten" erteilt werden. Wer als "Berechtigter" im Sinne des § 40 VerwVG in Betracht kommt, hat das Gesetz nicht näher umschrieben. Gemeint kann damit aber bei einem Zugunstenbescheid, mit dem ein früherer Bescheid berichtigt werden soll, nur derjenige sein, dessen Versorgungsanspruch durch den früheren Bescheid ganz oder teilweise zu Unrecht abgelehnt worden ist, weil das materielle Recht nicht richtig (Abs. 1) oder jedenfalls nicht richtig im Sinne der neueren ständigen Rechtsprechung des BSG (Abs. 2) angewendet wurde. Das dem Versorgungsberechtigten mit dem früheren Bescheid zugefügte Unrecht soll (§ 40 Abs. 1) oder muß (§ 40 Abs. 2) mit dem Zugunstenbescheid beseitigt werden. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck des § 40 VerwVG kann demnach als Berechtigter im Sinne dieser Vorschrift nur derjenige angesehen werden, der schon früher nach materiellem Recht selbst Versorgungsberechtigter war, es aber fälschlich dem früheren Bescheid nach nicht geworden ist. Zu der Annahme, daß auch derjenige als Berechtigter anzusehen wäre, der erst mit dem Zugunstenbescheid Berechtigter werden soll, bietet weder der Wortlaut einen Anhalt, noch läßt sich der Sinn und Zweck des Zugunstenbescheides gemäß § 40 VerwVG mit einer solchen Annahme vereinbaren. Ist aber Berechtigter nur derjenige, der bereits bei Erlaß des früheren Bescheides nach materiellem Recht selbst Versorgungsberechtigter war, so können dritte Personen - und dazu gehören auch die Erben des früheren Berechtigten -, die durch den früheren Bescheid nicht in ihren eigenen Rechten betroffen worden sind, nicht als Berechtigte im Sinne des § 40 Abs. 1 oder Abs. 2 VerwVG angesehen werden.

Diese Auffassung findet auch in dem Wortlaut des Abs. 2 des § 40 eine gewisse Bestätigung insofern, als dort von dem Antrag des "Berechtigten" die Rede ist. Diese Beschränkung des Antragsrechts auf den Berechtigten wäre nämlich dann überflüssig, wenn jedem, also auch jedem Dritten, der jetzt ein Recht zu haben glaubt, ein Antragsrecht eingeräumt werden sollte. Wenn das Gesetz allen diesen Personen ein Antragsrecht hätte einräumen wollen, dann hätte es sich mit der üblichen Fassung "auf Antrag" ohne weiteren Zusatz begnügt.

Schließlich kann es nicht Aufgabe der Kriegsopferversorgung sein, mit einem Bescheid nach § 40 VerwVG noch nach dem Tode des Beschädigten eine Versorgung zugunsten Dritter zu gewähren, zumal als Dritte und Erben nicht nur die Hinterbliebenen des Beschädigten in Frage kämen. Die Versorgung der Hinterbliebenen aber soll weder nach dem Wortlaut noch nach dem Willen des Gesetzes in irgendeiner Weise über § 40 VerwVG geregelt werden.

Diese Auffassung, daß nach dem Tode des Beschädigten ein diesem gegenüber ergangener Verwaltungsakt nicht mehr zugunsten seiner Hinterbliebenen berichtigt werden kann, steht auch nicht die Entscheidung des 8. Senats des BSG vom 27. März 1958 (BSG 7, 103) entgegen. In diesem Urteil hat der 8. Senat den Erlaß eines Berichtigungsbescheides (Zuungunstenbescheides) auch nach dem Tode des Beschädigten gegenüber dessen Hinterbliebenen für rechtmäßig gehalten. Aus diesem Urteil können aber Folgerungen auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht gezogen werden, weil jene Entscheidung einen Zuungunstenbescheid betrifft und zu Art. 30 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes über Leistungen an Körperbeschädigte (KBLG) ergangen ist. Bestenfalls könnten die hierzu vom 8. Senat angestellten Erwägungen für die Auslegung des § 41 VerwVG, der gleichfalls den Erlaß eines Zuungunstenbescheides regelt, von Bedeutung sein. Der Gebrauch des Wortes "Berechtigte" im Zusammenhang mit einem Zuungunstenbescheid ist an sich noch kein zwingender Grund dafür, diesen Begriff in gleichem Sinne auch bei einem Zugunstenbescheid gemäß § 40 VerwVG anzuwenden. Unbeschadet dessen ist der Senat jedoch der Auffassung, daß sich die Entscheidung des 8. Senats durchaus in Einklang mit der Entscheidung des erkennenden Senats in dieser Sache bringen läßt, soweit es sich um die Auslegung des Begriffs "Berechtigter" in § 40 VerwVG handelt. Bedeutsam ist zunächst, daß beim Zugunstenbescheid wie beim Zuungunstenbescheid insofern eine Gleichheit besteht, als der frühere Bescheid nicht der materiellen Lage entspricht. Im Gegensatz zum Zugunstenbescheid soll aber beim Zuungunstenbescheid (§ 41 VerwVG) der frühere Bescheid beseitigt werden, weil durch ihn der Beschädigte Rechte erhalten hat, die ihm nach materiellem Recht nicht zustanden. Als Berechtigter im Sinne des § 41 VerwVG ist demnach derjenige anzusehen, der aus dem früheren Bescheid selbst Versorgungsansprüche herleitet. So gesehen sind nach der Entscheidung des 8. Senats auch die Hinterbliebenen eines Beschädigten, für die aus dem früheren Bescheid wegen der Fiktion des § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG Rechte auf Hinterbliebenenversorgung erwuchsen, als Berechtigte im Sinne des § 41 VerwVG anzusehen.

Auch soweit der Beklagte meint, seine Berechtigung zum Erlaß eines Berichtigungsbescheides nach § 40 VerwVG werde im Erlaß des BMA vom 29. Juli 1961 (BVBl 1961 S. 129 Nr. 70) bestätigt, geht seine Ansicht fehl. Abgesehen davon, daß ein derartiger Erlaß eine Gesetzesvorschrift nicht oder wenigstens nicht in einer für die Gerichte bindenden Weise auslegen könnte, ergibt sich aus diesem Erlaß auch nicht die ihm vom Beklagten unterlegte Ansicht. Dieser Erlaß ist zu § 48 BVG ergangen und hat sich demgemäß auch nicht mit der Anwendbarkeit des § 40 VerwVG befaßt. Er erwähnt zwar, daß "Schwierigkeiten in Fällen nach § 40 Abs. 1 und Abs. 2 VerwVG aufgetreten" sind, sagt aber nichts darüber, ob und wann ein solcher Bescheid erteilt werden muß, insbesondere sagt er nichts darüber, ob auch dann ein solcher Bescheid erteilt werden muß, wenn der Beschädigte gestorben ist. Gesagt ist in diesem Erlaß - und nur das sollte zum Ausdruck gebracht werden -, daß es bei der Anwendung des § 48 BVG nicht auf den tatsächlichen Bezug der Rente ankommen soll, sondern nur darauf, daß dem Verstorbenen für die Zeit bis zu seinem Tode eine Leistung zugesprochen ist, wenn auch nur nachträglich im Wege der Berichtigung eines früheren Bescheides.

Sind somit die Kläger nicht Berechtigte im Sinne des § 40 VerwVG und kann somit diese Vorschrift nicht Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides sein, so bedarf es auch keiner Erörterungen darüber, ob und in welchem Umfang der Verwaltungsbehörde in § 40 Abs. 1 VerwVG ein Ermessen eingeräumt ist und ob im vorliegenden Falle der Beklagte bei seinem Bescheid vom 19. September 1961 im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens geblieben ist.

Auch wenn der Beklagte geglaubt hat, den Bescheid vom 19. September 1961 auf Grund des § 40 Abs. 1 VerwVG zu erlassen, so zwingt ihn nicht ein im Rahmen dieser Vorschrift "folgerichtig auszuübendes Ermessen" - wie das LSG meint -, den Klägern die Pflegezulage nicht nur für den Sterbemonat, sondern schon vom 1. April 1956 an zu gewähren. Da § 40 VerwVG nicht die Grundlage für den angefochtenen Bescheid bilden kann, entfällt damit auch jegliche Verpflichtung des Beklagten, im Rahmen dieser Vorschrift zu handeln; es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob der Beklagte bei Anwendung des § 40 Abs. 1 VerwVG sein Ermessen so hätte ausüben müssen, wie das LSG meint.

Der Beklagte hat mithin den Bescheid vom 19. September 1961 ohne eine rechtliche Verpflichtung erlassen. Die Kläger haben somit keinen rechtlichen Anspruch darauf, daß der Beklagte ihnen über diesen Bescheid hinaus ein höheres Pflegegeld oder ihnen das Pflegegeld auch für die Zeit vor dem 1. Mai 1957 gewährt.

Wenn auch der Bescheid vom 19. September 1961 ohne Rechtsgrundlage ergangen ist, so ist er deswegen nicht ohne weiteres nichtig. Ob er anfechtbar war, kann dahinstehen, denn in seinem Bestand (Gewährung der Pflegezulage in Höhe von 75 DM für Mai 1957) ist er weder von den Klägern angefochten noch von dem Beklagten zurückgenommen worden. Ob fürsorgerische Aufgaben der Verwaltungsbehörde bestehen und ob diese Aufgaben es der Verwaltung erlauben oder sie sogar unter Umständen verpflichten, Bescheide ohne Antrag oder ohne Rechtsgrundlage zu erlassen, kann ebenfalls für den vorliegenden Fall dahinstehen, da hier die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 19. September 1961 - soweit die Pflegezulage für den Sterbemonat bewilligt ist - nicht in Frage steht. Auf keinen Fall könnten aber etwa bestehende fürsorgerische Aufgaben der Verwaltungsbehörde hier so weit gehen, daß sie verpflichtet wäre, den Ansprüchen der Kläger nachzukommen und ihnen die Pflegezulage auch über den Bescheid vom 19. September 1961 hinaus zu gewähren.

Die Ansprüche der Kläger sind demnach unbegründet, ihre Revision war daher zurückzuweisen.

Da den Beklagten über den Bescheid vom 19. September 1961 hinaus keine Verpflichtung zur Gewährung einer Pflegezulage an die Kläger trifft, war auf seine Revision hin das Urteil des LSG insoweit abzuändern, als der Beklagte verurteilt worden ist, Pflegezulage auch für die Zeit vom 1. April 1956 bis 30. April 1957 zu zahlen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 210

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