Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg)

 

Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg). Der 1956 geborene Kläger durchlief von August 1975 bis Januar 1979 eine Ausbildung als Radio- und Fernsehtechniker, die er erfolgreich abschloß. Anschließend bezog er Alg, das ihn nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 255,-- DM bewilligt wurde. Von August 1979 bis zum 11. Juni 1980 besuchte er eine Fachoberschule. Für die Zeit danach bis zu der Einberufung zum Zivildienst (Dienstzeit 4. August 1980 bis 30. November 1981) bewilligte die Beklagte ihm das Alg wieder. Ab 1. Dezember 1981 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg für die Dauer von 278 Wochentagen; der Bemessung der Leistung lag ein wöchentliches Arbeitsentgelt von 430,-- DM zugrunde, das in Anwendung des § 112 Abs. 5 Nr. 5 (seit 1982 Nr. 9) Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nach dem Tariflohn für Radio- und Fernsehtechniker bestimmt worden war. Der Kläger bezog die Leistung bis zum 27. Februar 1982; von der Dauer des Anspruchs verblieben 201 Wochentage.

Vom 1. März 1982 bis zum 28. Februar 1983 legte der Kläger bei dem Forstamt C. ein Praktikum zurück, um nach der niedersächsischen Verordnung über den Nachweis einer praktischen Ausbildung für ein Studium an einer Fachhochschule vom 9. August 1979 (Nds GVBl 1979, 245), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. August 1980 (Nds GVBl 1980, 345), die Zugangsvoraussetzungen für ein Studium der Forstwirtschaft zu erfüllen. Eine Vergütung erhielt der Kläger nicht, das Forstamt entrichtete allerdings Beiträge zur Beklagten für den Kläger, die die Beigeladene nach einem Arbeitsentgelt von 30,-- DM im Monat erhob. Während des Praktikums war der Kläger nicht als Student bei einer Hochschule eingeschrieben; er bezog jedoch Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).

Nachdem, sich der Kläger am 28. Februar 1983 arbeitslos gemeldet und Alu. beantragt hatte, bewilligte die Beklagte ihm dies ab 1. März 1983, und zwar in Höhe von 6,60 DM wöchentlich. Der Bewilligung lag ein wöchentliches Arbeitsentgelt von 10,-- DM zugrunde; das Arbeitsentgelt war aufgrund eines Monatsentgelts von 30,-- DM, erzielt in 182 Arbeitsstunden und einer tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 42 Stunden errechnet worden (30,-- DM : 182 x 42 = 06,92 DM, gerundet 10,-- DM; Bescheid vom 18. März 1983, Widerspruchsbescheid vom 21. April 1983). Am 1. Juli 1983 nahm der Kläger eine Beschäftigung auf.

Die Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen; es hat die Berufung zugelassen (Urteil vom 19. September 1984). Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 18. April 1986).

Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, der Kläger habe durch Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen am 1. März 1983 einen neuen Anspruch auf Alg erworben. Er habe innerhalb der hier vom 1. Dezember 1931 bis zum 28. Februar 1983 laufenden Rahmenfrist vom 1. März 1982 bis zum 28. Februar 1983 in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden, weil er zu seiner Berufsausbildung beschäftigt gewesen sei (§°168 Abs. 1 Satz 1 AFG). Daß er während des Praktikums kein Entgelt erzielt habe, sei ohne Belang. Auf die Beitragsfreiheit ordentlicher Studierender könne er sich nicht berufen. Die Beklagte habe das Bemessungsentgelt für den neu entstandenen Anspruch zutreffend bestimmt. Bemessungsentgelt sei grundsätzlich das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitszuschläge, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergebe. Auch wenn der Kläger während des Praktikums kein Arbeitsentgelt erzielt habe, müsse auf die Verhältnisse der letzten Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs zurückgegriffen werden; frühere Bemessungswerte würden dadurch verdrängt. Mangels tatsächlich erzielten Entgelts müsse nach dem in §°112 Abs. 5 Nr. 7 AFG verwirklichten Rechtsgedanken von dem Betrag ausgegangen werden, der der Beitragsberechnung zugrunde gelegt worden sei. Auch diese Regelung betreffe Personen, die zu ihrem besonderen Schutz beitragspflichtig seien, obwohl sie kein Arbeitsentgelt erzielten. Auf die Regelung, daß bei Arbeitslosen, die im Bemessungszeitraum zur Berufsausbildung beschäftigt worden seien und die Abschlußprüfung bestanden hätten, als Arbeitsentgelt 75 v.H. des Arbeitsentgelts nach Abs. 7, mindestens das Arbeitsentgelt dieser Beschäftigung zugrunde zu legen sei (§°112 Abs. 5 Nr. 2 AFG), könne sich der Kläger nicht berufen. Er habe keine Abschlußprüfung bestanden. Hierunter sei eine förmliche, den Ausbildungsgang abschließende Prüfung zu verstehen, die Voraussetzung für den angestrebten Ausbildungsberuf sei. Da das vom Kläger absolvierte Praktikum keine Berufsausbildung darstelle, deren Abschluß zum Zugang des gewählten Ausbildungsberufs führe, könne der Umstand, daß der Kläger das Praktikum erfolgreich abgeschlossen habe, die fehlende Abschlußprüfung nicht ersetzen. Schließlich lasse sich ein Anspruch auf höheres Alg auch nicht aus §°112 Abs. 7 AFG herleiten. Mit Rücksicht auf die von dem Kläger in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit sei es nicht unbillig hart, von dem Arbeitsentgelt nach §°112 Abs. 2 bis 6 AFG auszugeben. Der Kläger sei in diesen drei Jahren nämlich lediglich als Praktikant beschäftigt gewesen; die Zeit des Fachoberschulbesuchs und des Zivildienstes seien nicht zu berücksichtigen, weil es sich nicht um die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit gehandelt habe.

Die Revision des Klägers rügt eine Verletzung der §§°104, 112, 125, 168 AFG. Zu Unrecht gehe das LSG davon aus, daß der Kläger durch seine Praktikantentätigkeit eine neue Anwartschaftszeit erfüllt habe, durch die die 1981 zugrunde gelegten Bemessungswerte verdrängt worden seien. Das LSG habe übersehen, daß nach §°104 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AFG Zeiten einer Beschäftigung, für die kein Arbeitsentgelt gezahlt werde, nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienten. Habe der Kläger somit durch die Praktikantenzeit einen neuen Anspruch auf Alg nicht erwerben können, stehe ihm das Alg aufgrund des 1981 erworbenen Anspruchs zu, von dem 1983 noch 201 Tage nicht verbraucht gewesen seien. Im übrigen stehe die Entscheidung des LSG auch nicht in Übereinstimmung mit §°112 Abs. 3 AFG. Wenn eine Beschäftigung unentgeltlich sei, gebe es keine Lohnabrechnungszeiträume, auf die abgestellt werden könne.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des LSG und das Urteil des SG aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihrer Bescheide zu verurteilen, ihm das Alg für die Zeit vom 1. März bis 30. Juni 1983 unter Zugrundelegung des Bemessungsentgelts zu gewähren, das für die Zeit vor dem 1. März 1982 maßgebend war, und

hilfsweise, unter Aufhebung des Urteils des LSG die Sache an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil vollinhaltlich Bezug. Ergänzend führt sie aus, beitragspflichtig zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) seien die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigten Personen (Auszubildende, Praktikanten) unabhängig von der "Entgeltlichkeit" der Beschäftigung. Nachdem somit die Beitragspflicht für diesen Personenkreis nicht von der Beschäftigung gegen Entgelt abhängig sei, würde es gegen Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des §°104 AFG verstoßen, wenn davon ausgegangen würde, daß solche Beschäftigungen nicht anwartschaftsbegründend seien. Die Vorschrift des §°104 Abs. 1 Satz 2 AFG betreffe nur Beschäftigungen, für die grundsätzlich Entgelt gewährt werde. Da die Beschäftigung des Klägers als Forstpraktikant einen neuen Anspruch auf Alg begründet habe, sei der alte Anspruch erloschen (§°125 Abs. 1 AFG). Das habe zur Folge gehabt, daß die Leistung gemäß §°112 Abs. 3 AFG neu zu bemessen gewesen sei.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§°124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

II

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen läßt sich die Höhe des Alg, das dem Kläger für die Zeit vom 1. März bis 30. Juni 1983 zu gewähren ist, nicht bestimmen.

Nach §°111 Abs. 1 AFG in der hier anzuwendenden Fassung, die die Vorschrift durch das Einführungsgesetz zum Einkommensteuerreformgesetz vom 21. Dezember 1974 (BGBl. I 3656) erhalten hat, beträgt das Alg 68 v.H. des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts (§°112 AFG).

Zutreffend haben die Beklagte und ihr folgend die Vorinstanzen beim Arbeitsentgelt nicht auf das Arbeitsentgelt zurückgegriffen, das in Anwendung des damaligen §°112 Abs. 5 Nr. 5 AFG (= §°112 Abs. 5 Nr. 9 AFG in der Fassung des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes -AFKG- vom 22. Dezember 1981, BGBl. I 1497) dem ab 1. Dezember 1981 gewährten Alg zugrunde gelegt worden ist und 430,-- DM betragen hat. Das Arbeitsentgelt, das dem Alg zugrunde zu legen ist (Bemessungsentgelt), richtet sich, wie sich aus §°112 Abs. 2 AFG in der hier anzuwendenden, zuletzt durch das AFKG geänderten Fassung ergibt, grundsätzlich nach Lohnbedingungen, denen der Arbeitslose im Bemessungszeitraum unterlag. Bemessungszeitraum sind dabei, vom Sonderfall des §°112 Abs. 3 Satz 3 AFG abgesehen, bestimmte Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs (§ 112 Abs. 3 Satz 1 AFG i.d.F. des AFKG).

Mit der Entstehung des Anspruchs ist die Entstehung eines neuen Stammrechts gemeint, die die erneute Erfüllung der Anwartschaftszeit voraussetzt. Dies hat zur Folge, daß immer dann, wenn der Arbeitslose die Anwartschaftszeit wieder erfüllt hat, für den neuen Anspruch auf Alg grundsätzlich ein anderer Bemessungszeitraum und damit ein auf anderer Grundlage zu ermittelndes Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) für die Leistung maßgebend ist. Auf Modalitäten eines alten Anspruchs auf Alg kann nach der Entstehung eines neuen Anspruchs nicht zurückgegriffen werden; denn mit der Entstehung des neuen Anspruchs auf Alg erlischt der früher entstandene Anspruch (§°125 Abs. 1 AFG). Ein mit der Entstehung eines neuen Anspruchs auf Alg erloschener Restanspruch kann sich zwar insoweit im neuen Anspruch fortsetzen, als die Dauer des neuen Anspruchs ggf. um die unverbrauchte Restdauer zu erhöhen ist (§°106 Abs. 2 AFG i.d.F. des Fünften Gesetzes zur Änderung des AFG vom 23. Juli 1979, BGBl. I 1189; jetzt §°106 Abs. 3 Satz 2 AFG i.d.F. des Gesetzes zur Verlängerung des Versicherungsschutzes bei Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit vom 27. Juni 1987, BGBl. I 1542). Abgesehen von der hier nicht gegebenen Ausnahme des §°112 Abs. 5 Nr. 4 AFG ist ein vergleichbarer Rückgriff auf das einem erloschenen Anspruch auf Alg zugeordnete Arbeitsentgelt nicht vorgesehen. Ein aus dem Tariflohn für Radio- und Fernsehtechniker, den der Kläger Ende 1981 hätte erzielen können, entwickeltes, gemäß §°112a AFG um den Rentenanpassungssatz 1982 von 5,76% erhöhtes Bemessungsentgelt wäre dem Alg ab 1. März 1983 daher nur dann zugrunde zu legen, wenn der Kläger durch das Forstpraktikum keinen neuen Anspruch erworben hätte. Das ist jedoch geschehen, wie die Beklagte und die Vorinstanzen zu Recht erkannt haben.

Anspruch auf Alg hat, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat (§°100 Abs. 1 AFG). Alle genannten Anspruchsvoraussetzungen waren nach den getroffenen Feststellungen am 1. März 1983 zweifellos erneut gegeben, insbesondere hat der Kläger entgegen der Auffassung der Revision durch das Forstpraktikum auch die Anwartschaftszeit erneut erfüllt.

Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat (§°104 Abs. 1 Satz 1 AFG i.d.F. des AFKG). Die Rahmenfrist, die dem ersten Tage der Arbeitslosigkeit unmittelbar vorausgeht, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt sind und drei Jahre beträgt, aber nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte (§°104 Abs. 2 und 3 AFG), lief hier mit Rücksicht auf die vorige Anwartschaftszeiterfüllung vom 1. Dezember 1981 bis zum 28. Februar 1983. In dieser Rahmenfrist ist der Kläger zunächst arbeitslos und ab 1. März 1982 ein Jahr Forstpraktikant gewesen. Als solcher war er beitragspflichtig, auch wenn er keine Vergütung erhielt, sondern Ausbildungsförderung bezog. Das folgt aus §°168 Abs. 1 Satz 1 AFG.

Nach dieser Vorschrift setzt zwar die Beitragspflicht von Arbeitern und Angestellten voraus, daß die Beschäftigung gegen Entgelt erfolgt; Personen, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, sind dagegen selbst dann beitragspflichtig, wenn sie aus der Beschäftigung kein Entgelt erzielen. Zu der Gruppe der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten gehören auch Personen, die eine in einer Studien- oder Prüfungsordnung für die Zeit vor Studienbeginn vorgeschriebene praktische Ausbildung (Vorpraktikum) in einem Beschäftigungsverhältnis ableisten (vgl. BSG Urteil vom 17. März 1981 - 12 RK 44/80 - USK 81107). Erforderlich für die Beitragspflicht ist lediglich ein Beschäftigungsverhältnis; die Ausbildung muß also unter dem Weisungsrecht eines Arbeitgebers stattfinden. Eine Beitragspflicht begründet infolgedessen nicht, wer in einem Betrieb zu seiner Ausbildung tätig wird, ohne sich hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Tätigkeit der Weisung des Arbeitgebers zu unterstellen (sog Volontäre, vgl. RVO-Verbandskommentar, Stand Juli 1987, §°1227 RVO Rdz. 19). Von einem derartigen weisungsfreien Rechtsverhältnis kann aber bei einer "praktischen Ausbildung von zwölf Monaten", wie sie der Kläger als Studienvoraussetzung zurücklegen mußte, schon aus Kontrollgründen nicht ausgegangen werden. Beitragspflichtig wäre der Kläger allerdings nicht gewesen, wenn er nach §°169 AFG oder §°173 Abs. 1 AFG beitragsfrei gewesen wäre. Ein solcher Tatbestand hat jedoch nicht vorgelegen. Insbesondere kann sich der Kläger nicht auf die Beitragsfreiheit von Personen berufen, die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule und einer sonstigen der wissenschaftlichen oder fachlichen Ausbildung dienenden Schule beschäftigt sind (§°169 Nr. 1 AFG, §°172 Abs. 1 Nr. 5 RVO); denn als ordentlicher Studierender war der Kläger seinerzeit (noch) nicht bei einer Hochschule eingeschrieben.

Der Erfüllung der Anwartschaftszeit durch das Vorpraktikum steht schließlich nicht entgegen, daß nach §°104 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AFG Zeiten einer Beschäftigung, für die kein Arbeitsentgelt gezahlt wird, nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen. Diese Vorschrift beruht darauf, daß unabhängig vom Bestand des im Regelfalle entgeltlichen beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses für Zeiten, für die kein Arbeitsentgelt gezahlt wird, grundsätzlich auch keine Beiträge an die Beklagte zu entrichten sind (vgl. dazu das nichtveröffentlichte Urteil des Senats vom 22. August 1984 - 7 RAr 32/83 -). Ihrem Sinne nach setzt die Vorschrift daher voraus, daß Beiträge infolge Ausfalls von Arbeitsentgelt nicht zu entrichten waren. Letzteres kann aber bei einer Beschäftigung zur Berufsausbildung, die beitragspflichtig ist, obwohl der Arbeitgeber weder Entgelt zahlt noch zu zahlen hat, nie der Fall sein. Der §°104 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AFG findet daher von seinem Zwecke her auf beitragspflichtige Zeiten einer Beschäftigung zur Berufsausbildung keine Anwendung. Da bei einer solchen Beschäftigung die Beitragspflicht nicht von der Entgeltlichkeit abhängt, würde es, wie die Beklagte zu Recht anmerkt, zudem gegen Sinn und Zweck dieser Regelung verstoßen, wenn für Beschäftigungen dieser Art zwar Beiträge zu entrichten wären, die Beschäftigungszeiten aber mangels Entgeltlichkeit eine Anwartschaft nicht begründeten.

Hiernach kann auf das Arbeitsentgelt nicht zurückgegriffen werden, das dem früheren Anspruch auf Alg zugrundezulegen war. Haben die Vorinstanzen dies zutreffend erkannt, kann ihnen dennoch nicht darin gefolgt werden, daß für den neuen Anspruch auf Alg das Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) 10,-- DM betrage.

Die Beklagte hat gemeint, der Kläger habe als Praktikant tatsächlich 30,-- DM im Monat bezogen. Ein solches im Bemessungszeitraum (§°112 Abs. 3 AFG) erzieltes monatliches Arbeitsentgelt ergibt bei einer 42-Stundenwoche nach Maßgabe des §°112 Abs. 2 AFG ein Arbeitsentgelt von 5,-- DM (30,-- DM : 182 x 42 = 6,92 DM, gemäß §°112 Abs. 9 AFG gerundet auf den nächsten durch 5 teilbaren DM-Betrag) und nicht das Bemessungsentgelt von 10,-- DM, das die Beklagte dem Kläger eingeräumt hat, weil die AFG-Leistungsverordnung 1983 vom 23. Dezember 1982 (BGBl. I 2038) Leistungssätze für ein Arbeitsentgelt von 5,-- DM nicht vorsieht. Indessen war der Ausgangspunkt der Beklagten unrichtig, weil die Beschäftigung zur Ausbildung unentgeltlich war und der Kläger die 30,-- DM monatlich nicht erzielt hat. Wie die Revision zutreffend geltend macht, verbietet dieser Umstand schon die Bestimmung eines innerhalb des Praktikums liegenden Bemessungszeitraums nach §°112 Abs. 3 AFG, die jeder Anwendung des §°112 Abs. 2 AFG vorausgeht; denn wenn während einer Beschäftigung kein Arbeitsentgelt zu zahlen ist, kann es begrifflich keine während dieser Beschäftigung abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume geben, die die erforderliche Anzahl von Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassen, wie dies für die Bildung eines Bemessungszeitraums nach §°112 Abs. 3 AFG vorausgesetzt wird.

Es kann im vorliegenden Falle auch nicht auf Lohnabrechnungszeiträume vor dem Praktikum zurückgegriffen werden. Grundsätzlich bilden den Bemessungszeitraum Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs (§°112 Abs. 3 Satz 1 AFG). Weisen die Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs nicht die erforderliche Anzahl von Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt auf, umfaßt der Bemessungszeitraum zwar auch davorliegende Lohnabrechnungszeiträume aus einem oder mehreren früheren Beschäftigungsverhältnissen (BSG SozR 4100 §°112 Nr. 13). Es kann dahingestellt bleiben, ob allgemein die Heranziehung früherer Lohnabrechnungszeiträume sich auf die beitragspflichtigen Beschäftigungen innerhalb der Rahmenfrist beschränkt, die die Anwartschaft begründen und sich auf die Dauer des Anspruchs auswirken können. Hierfür könnte nicht nur die gebotene zeitliche Nähe zum Eintritt der Arbeitslosigkeit sprechen, sondern auch, daß innerhalb der Rahmenfrist liegende beitragspflichtige Beschäftigungen Grund und grundsätzlich die Dauer des Versicherungsanspruchs bestimmen und daher ihnen auch allein die weitere Modalität des Bemessungsentgelts zu entnehmen sein muß. Jedenfalls kann auf außerhalb der Rahmenfrist liegende Lohnabrechnungszeiträume nicht zurückgegriffen werden, die in eine frühere Rahmenfrist gefallen sind. Im vorliegenden Falle ist ein Bemessungszeitraum daher nicht aus vor dem 1. März 1982 liegenden Lohnabrechnungszeiträumen des Lehrverhältnisses oder des Zivildienstverhältnisses zu bilden.

Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, regelt §°112 Abs. 2 - 6 AFG nicht, welches Bemessungsentgelt dem Alg zugrunde zu legen ist, wenn die Anwartschaftszeit ausschließlich durch eine Beschäftigung zur Berufsausbildung erfüllt worden ist, während der ein Entgelt nicht zu zahlen war. Zwar sah §°112 Abs. 5 Nr. 2 AFG in der bis zum 30. September 1974 geltenden ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 25. Juni 1969 (BGBl. I 582) vor, daß für die Zeit einer Beschäftigung als Lehrling mindestens ein Arbeitsentgelt von 10,-- DM wöchentlich zugrunde zu legen ist. Diese letztlich auf die grundsätzliche Entscheidung Nr. 3418 des Reichsversicherungsamtes (AN 1929 IV 187) zurückgehende Regelung (vgl. dazu Begründung zu §°105 Abs. 4 Nr. 3 AVAVG-Entwurf, BT-Drucks. II/1274 S. 130 f.; Begründung zu §°101 Abs. 5 Nr. 2 AFG-Entwurf, BT-Drucks. V/2291 S. 81) ist indessen anläßlich der Neufassung des §°112 Abs. 5 AFG durch das Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 (BGBl. I 1881) im Ergebnis ersatzlos gestrichen worden; denn seit der Neufassung bestimmt § 112 Abs. 5 Nr. 2 AFG nicht mehr das Mindestbemessungsentgelt für eine Beschäftigung zur Berufsausbildung, sondern ausschließlich das Bemessungsentgelt von zur Berufsausbildung Beschäftigten, die die Berufsausbildung abgeschlossen haben. Der Gesetzgeber des Rehabilitationsangleichungsgesetzes hat übersehen, daß nach wie vor die Bestimmung eines Bemessungsentgelts bei unentgeltlicher Beschäftigung zur Berufsausbildung erforderlich werden kann, wie der vorliegende Fall zeigt. Es liegt somit einer der Fälle vor, in denen der Richter zur Ausfüllung einer versehentlichen planwidrigen Lücke des Gesetzes berufen ist.

Die Vorinstanzen haben gemeint, die Gesetzeslücke sei dadurch auszufüllen, daß als Bemessungsentgelt der Betrag zugrunde gelegt wird, der der Beitragsberechnung zugrunde gelegen hat, wobei sich das LSG auf die Regelung des §°112 Abs. 5 Nr. 7 AFG (i.d.F. des AFKG) für Behinderte berufen hat. Das überzeugt nicht. Richtig ist allerdings, daß die Ausfüllung einer Gesetzeslücke nach dem Plan oder jedenfalls dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers vorzunehmen ist, und die Ausfüllung der Gesetzeslücke sich daher an Prinzipien und Regelungen zu orientieren hat, die bereits für rechtsähnliche Tatbestände gelten oder gegolten haben (vgl. BSGE 6, 204, 211; 14, 238, 241; 20, 293, 296; 21, 95, 96 f.; 39, 143, 146 = SozR 2200 §°1251 Nr. 11; 42, 20, 23 = SozR 2200 §°205 Nr. 7; BSGE 47, 109, 111 = SozR 2200 §°1227 Nr. 20; BSGE 54, 169, 170 f. SozR 2200 § 1248 Nr. 38). Das Bemessungsentgelt orientiert sich jedoch nicht grundsätzlich, sondern nur in Ausnahmefällen an dem Betrag, der der Beitragsberechnung zugrunde gelegt worden ist.

Die Regelbemessung nach §°112 Abs. 2 - 4 AFG nähert sich diesem Betrag zwar an, verfehlt ihn aber, wenn im Bemessungszeitraum Mehrarbeitszuschläge, einmalige und wiederkehrende Zuwendungen erzielt worden sind, die zwar beim Beitrag, nicht aber bei der Versicherungsleistung berücksichtigt werden, oder wenn die dem Bemessungsentgelt zugrunde zu legende tarifliche Arbeitszeit mit der tatsächlich erbrachten Arbeitszeit nicht übereinstimmt. In allen Fällen, in denen das Bemessungsentgelt nach Maßgabe eines tariflichen oder gewöhnlichen Arbeitsentgelts festzusetzen ist (§° 112 Abs. 7 AFG), ist das Bemessungsentgelt dem Betrag, der der Beitragsberechnung zugrunde lag, nicht einmal angenähert.

Zwar mag die bis zum 31. Dezember 1983 geltende Regelung des §°112 Abs. 5 Nr. 10 AFG, nach der für die Zeit, in der der Arbeitslose als Gefangener beitragspflichtig war, der Betrag als Arbeitsentgelt zugrunde zu legen war, der der Beitragsberechnung zuletzt zugrunde gelegt worden ist, auf der Erwägung beruht haben, daß angesichts des geringen Beitragsaufkommens, das die Beklagte aufgrund des extrem niedrigen Arbeitseinkommens (5 v.H. des durchschnittlichen Arbeitsentgelts aller Versicherten, §§°43, 200 Strafvollzugsgesetz) für Gefangene erzielt, Alg aufgrund einer beitragspflichtigen Beschäftigung während des Strafvollzugs nur nach entsprechend geringem Arbeitsentgelt gewährt werden kann. Das damit angesprochene Prinzip der Äquivalenz zwischen Beitrag und Versicherungsleistung beherrscht die Ordnung der Arbeitslosenversicherung jedoch nicht (vgl. dazu BSGE 45, 49, 58 f. = SozR 4100 §°112 Nr. 6); es ist jedenfalls für die weiteren auf den Betrag, der der Beitragsberechnung zugrunde gelegt worden ist, abstellenden Regelungen des §°112 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 7 AFG nicht prägend.

Beide Vorschriften bewirken, daß das Bemessungsentgelt in etwa an dem ausgerichtet wird, was dem Arbeitslosen bisher zugeflossen ist. Während im Falle des §°112 Abs. 5 Nr. 1 AFG dabei das erzielte Arbeitsentgelt pauschaliert wird, knüpft §°112 Abs. 5 Nr. 7 AFG an das an, was der Arbeitslose während der Teilnahme an der berufsfördernden Maßnahme oder während der Beschäftigung im Rahmen der Jugendhilfe in der Behinderten- bzw. Jugendhilfeeinrichtung erhalten hat; denn den Beiträgen für diese beitragspflichtigen Personen wird der Betrag zugrunde gelegt, der als Wert für freie Station (Kost und Wohnung) nach §°160 Abs. 2 RVO ( (jetzt §°17 Nr. 3 Sozialgesetzbuch - Viertes Buch -) festgesetzt ist (§°175 Abs. 1 Nr. 1 AFG, §§°2 Abs. 1 Nr. 2a, 112 Abs. 3 Buchst. h AVG; §§°1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a, 1385 Abs. 3 Buchst. g RVO).

Das entspricht durchaus der Regelung des §°112 AFG in anderen Fällen, durch Anknüpfung an die vor Eintritt der Arbeitslosigkeit bestehenden Verhältnisse in einem gewissen näher bestimmten Umfange die Beibehaltung des bisherigen Lebensstandards zu sichern. Für die Ansicht des LSG über die Anwendung des §°112 Abs. 5 Nr. 7 AFG spräche es daher, wenn der Beitrag, der bei einer Beschäftigung zur Berufsausbildung ohne Entgelt der Beitragsberechnung zugrunde zu legen ist, grundsätzlich berücksichtigen würde, was der Auszubildende während der Berufsausbildung erhält, um die Berufsausbildung durchzuführen. Das ist jedoch ersichtlich nicht der Fall. Anders als in den Fällen des §°112 Abs. 5 Nr. 7 AFG fehlt jegliche gesetzliche Regelung, welcher Betrag als Arbeitsentgelt dem Beitrag zugrunde zu legen ist, wenn ein Praktikant ohne Entgelt als Arbeitnehmer der Beitragspflicht unterliegt. Der Betrag von 30,-- DM monatlich, der im Falle des Klägers der Beitragsberechnung zugrunde gelegt worden ist, ist unmittelbar einer Verfahrensregelung zur Durchführung der Versicherung der Praktikanten entnommen worden, die die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen erarbeitet haben (vgl. DOK 1982, 97). Der fiktive Entgeltbetrag von 30,-- DM ist eine gegriffene Größe; die ggf. unterschiedlich hohen Leistungen öffentlicher Stellen zur Berufsausbildung, wie z.B. solche nach dem BAföG, werden dabei nicht berücksichtigt.

Überzeugender erscheint es, die Lücke in §°112 Abs. 2 - 6 AFG entsprechend dem bis zum 30. September 1974 für Lehrlinge geltenden §°112 Abs. 5 Nr. 2 AFG durch ein angemessenes Mindestarbeitsentgelt auszufüllen, dessen Bestimmung etwa unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich erfolgten Erhöhung der durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelte erfolgen könnte. Auch könnte die Lücke durch die Rechtsfolge des §°112 Abs. 7 AFG, in Ansehung der Regelung in §°112 Abs. 5 Nr. 2 und Nr. 7 Satz 2 AFG allerdings beschränkt auf 75 v.H. des Arbeitsentgelts nach Abs. 7 ausgefüllt werden. Dies entspräche dem geltenden Gesetzesrecht mehr und gäbe besser wieder, was der Arbeitslose erzielen kann; es wäre für ihn letztlich auch günstiger.

Indessen kann dahingestellt bleiben, welche Lösung vorzuziehen ist. Denn mit Rücksicht auf die vom Kläger in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit wäre es unbillig hart, von einem auf 75 v.H. des Arbeitsentgelts nach §°112 Abs. 7 AFG begrenzten Arbeitsentgelt auszugeben, um das höchstens im Wege der Lückenfüllung §°112 Abs. 2 - 6 AFG zu ergänzen wäre. Das hat zur Folge, daß in jedem Falle von dem am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung von dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen ist, für die er nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufs und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht kommt (§°112 Abs. 7 AFG).

Die Vorinstanzen haben gemeint, die Voraussetzungen des §°112 Abs. 7 AFG seien schon deshalb nicht gegeben, weil der Kläger in den drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung am 1. März 1983 nur während des einjährigen Praktikums beruflich tätig gewesen sei. Richtig ist zwar, daß der Besuch der Fachoberschule keine berufliche Tätigkeit darstellt. Nach dem zur Veröffentlichung vorgesehenen Urteil des Senats vom 11. Februar 1988 - 7 RAr 75/86 - sind indes auch Zeiten, in denen der Arbeitslose als Wehr- oder Zivildienstleistender nach §°168 Abs. 2 AFG beitragspflichtig war, als Zeiten beruflicher Tätigkeit i. S. des §°112 Abs. 7 AFG anzusehen. Der Kläger hat in den drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung solche Zeiten aufzuweisen; denn er war während des Zivildienstes von August 1980 bis November 1981 beitragspflichtig, weil er unmittelbar vor Dienstantritt arbeitslos war (§°168 Abs. 2 Nr. 3 AFG). Infolgedessen stehen den 12 Monaten des Praktikums 16 Monate weiterer beruflicher Beschäftigung gegenüber.

Die Anwendung des §°112 Abs. 7 AFG scheitert nicht daran, daß der Zivildienst nicht mehr als 18 Monate ausmacht. Die vom Senat bislang nicht entschiedene Frage, ob im Hinblick auf die Dreijahresfrist eine Tätigkeit überwiegend erst dann ausgeübt ist, wenn sie lä Jahre gedauert hat, oder ob es genügt, wenn sie länger als die anderen beruflichen Tätigkeiten ausgeübt worden ist, ist mit der im Schrifttum vorherrschenden Ansicht (Eckert in Ambs u.a., Gemeinschaftskommentar zum AFG, Stand März 1988, 112 Rdz. 66; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, §°112 Rdz. 46; Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm zum AFG, §°112 - a.F. - Rdz 27; unentschieden Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, Stand März 1988, § 112 Anm. 13) und in Übereinstimmung mit den jetzigen Durchführungsanweisungen der Beklagten zu §°112 Abs. 7 AFG (RdErl vom 5. März 1984, DBl BA 48/84) dahin zu beantworten, daß eine von mehreren beruflichen Tätigkeiten in drei Jahren überwiegend auch dann ausgeübt worden sein kann, wenn sie weniger als 18 Monate gedauert hat.

Der Wortlaut des §°112 Abs. 7 AFG steht dieser Deutung nicht entgegen; er erfordert es nicht, das Merkmal "überwiegend" nur zu bejahen, wenn der Arbeitslose eine bestimmte berufliche Tätigkeit mehr als die Hälfte des Dreijahreszeitraums ausgeübt hat. Der Sinn des §°112 Abs. 7 AFG verbietet es, die Vorschrift hierauf zu beschränken. Der §°112 Abs. 7 AFG soll einen Ausgleich schaffen, wenn dem Arbeitslosen nach §°112 Abs. 2 - 6 AFG ein geringes Bemessungsentgelt zugeordnet wird, etwa weil er gerade in dem verhältnismäßig kurzen Bemessungszeitraum ein wesentlich geringeres Arbeitsentgelt erzielt hat, als es seiner eigentlichen, während des längeren Zeitraums ausgeübten Tätigkeit entsprochen hätte (vgl. BSG SozR Nr. 5 zu §°90 AVAVG; BSGE 45, 49, 56 f. = SozR 4100 §°112 Nr. 6; BSGE 53, 186, 191 = SozR 4100 §°112 Nr. 20). Daß ein Arbeitnehmer gerade im Bemessungszeitraum ein wesentlich geringeres Arbeitsentgelt erzielt hat, kann auch dann eintreten, wenn der Arbeitnehmer noch nicht mehr als 1 Jahre beschäftigt war. Auch in diesen Fällen sind unbillige Härten denkbar, z.B. wenn der Arbeitnehmer bei einer insgesamt 18-monatigen Beschäftigung in den letzten drei Jahren 15 Monate einer beruflichen Tätigkeit mit hohem Lohn nachgehen konnte, der Bemessungszeitraum, aber in die drei Monate einer anderen Tätigkeit fällt, in der der Lohn niedrig war. Eine berufliche Tätigkeit ist innerhalb der letzten drei Jahre vor der Arbeitslosmeldung deshalb schon dann überwiegend ausgeübt worden, wenn ihre Dauer mehr als die Hälfte der Zeiten beruflicher Tätigkeit in dem Dreijahreszeitraum umfaßt.

Mit Rücksicht auf das für die Zeit des Zivildienstes dem Kläger zuzurechnende Arbeitsentgelt wäre es unbillig hart, wenn dem Alg des Klägers ein Bemessungsentgelt zugrunde gelegt würde, das höchstens 75 v.H. des Arbeitsentgelts nach §°112 Abs. 7 AFG beträgt; denn für die Zeit des Zivildienstes ist das ungekürzte Arbeitsentgelt nach §°112 Abs. 7 AFG anzusetzen. Letzteres folgt aus §°112 Abs. 5 Nr. 9 AFG, wie der Senat schon in dem erwähnten Urteil vom 11. Februar 1988 entschieden hat. Nach dieser Vorschrift ist bei der Feststellung des Arbeitsentgelts für die Zeit, in der der Arbeitslose als Zivildienstleistender nach §°168 Abs. 2 AFG beitragspflichtig war, das Arbeitsentgelt nach §°112 Abs. 7, AFG zugrunde zu legen, wenn der Arbeitslose unmittelbar vor Dienstantritt keine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung, als Arbeiter oder Angestellter ausgeübt hat. Das Gesetz behandelt den Arbeitnehmer während des Zivildienstes also so, als ob er entsprechend seiner beruflichen Kenntnisse tätig gewesen wäre und das maßgebliche tarifliche oder ortsübliche Entgelt der Beschäftigung, für die er in Betracht kommt, erzielt hätte.

Diese Umstände begründen schon angesichts der zu vergleichenden Arbeitsentgelte eine unbillige Härte, weil das dem Kläger für die Zeit des Zivildienstes zuzuordnende Arbeitsentgelt um mindestens 1/3 höher ist. Der Annahme einer Härte steht auch nicht entgegen, daß der Kläger nach der Ableistung des Zivildienstes eine Tätigkeit in dem erlernten Beruf nicht aufgenommen, sondern sich einer anderweitigen Berufsausbildung gewidmet hat. Nach §°112 Abs. 7 AFG ist allein maßgebend, ob mit Rücksicht auf die überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit die Bemessung unbillig hart erscheint. Infolgedessen ist es grundsätzlich unerheblich, weshalb das Arbeitsentgelt nach §°112 Abs. 2 - 6 AFG niedriger war als das früher erzielte (vgl. RdErl vom 5. März 1984). Es kommt deshalb (entgegen Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, Stand März 1988, § 112 Anm. 13) für die Beurteilung der unbilligen Härte nicht darauf an, ob der Arbeitslose die überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit aufgegeben hat. Wenn der Arbeitslose nach Aufgabe einer früher ausgeübten beruflichen Tätigkeit wegen Verfalls der Kenntnisse usw. nicht mehr in der Lage sein sollte, dieser Tätigkeit nachzugeben, wird dies entsprechend der Systematik des Gesetzes bei der Rechtsfolge des §°112 Abs. 7 AFG berücksichtigt. Darauf hat der Senat wiederholt hingewiesen (BSGE 45, 49, 59 = SozR 4100 §°112 Nr. 6; SozR 4100 §°112 Nr. 19).

Ist dem hier streitigen Alg sonach das erzielbare tarifliche Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung zugrunde zu legen, für die der Kläger in Betracht kommt, ist dem Senat in Ermangelung der erforderlichen Feststellungen eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits versagt. Das LSG hat, was von seinem Rechtsstandpunkt aus auch nicht erforderlich war, weder festgestellt, für welche Tätigkeiten der Kläger im März 1983 in Betracht gekommen ist, noch welches Arbeitsentgelt in diesen Tätigkeiten erzielbar war.

Die Sache muß deshalb an das LSG zurückverwiesen werden, damit das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen nachholen kann. Es wird dann auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben. 7 RAr 73/86

1988-04-21BSG

Bundessozialgericht

 

Fundstellen

BSGE, 153

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