Leitsatz (amtlich)

1. Ist das Begehren des Klägers ersichtlich ua darauf gerichtet, es möge festgestellt werden, daß Schädigungsfolgen durch den Wehrdienst nicht nur verschlimmert, sondern hervorgerufen worden sind, so muß das SG hierüber im Tenor des Urteils entscheiden; es genügt nicht, wenn es im Tenor nur über die Höhe der Rente entscheidet und sich zu der Frage, ob Schädigungsfolgen hervorgerufen oder nur verschlimmert worden sind, nur in den Gründen des Urteils äußert (Fortführung BSG 1958-12-10 11/9 RV 1148/57 = BSGE 9, 17). Hat das SG nur über die Höhe der Rente entschieden, so ist über das Klagebegehren nur teilweise entschieden; der Kläger ist nicht gehindert, den Anspruch, über den das SG nicht entschieden hat, mit der zulässigen Berufung erneut geltend zu machen.

2. Die Anerkennung bestimmter Leiden als Schädigungsfolgen durch die Versorgungsverwaltung ist ein feststellender Verwaltungsakt (Vergleiche BSG 1958-10-07 10 RV 573/57 = KOV 1959, 199). Soweit dabei darüber entschieden ist, ob die Schädigungsfolgen durch den Wehrdienst hervorgerufen oder nur verschlimmert sind, ist auch diese Entscheidung Gegenstand der "Feststellung" und damit der "Regelung" des Verwaltungsakts.

3. Die Bindungswirkung eines Bescheids (SGG § 77, KOV-VfG § 24 Abs 1), in dem bestimmte Leiden als Schädigungsfolgen anerkannt sind und Rente gewährt wird, erstreckt sich nicht nur auf die Feststellung der Rente, sondern auch auf die Feststellung der Schädigungsfolgen.

4. Hat das LSG die Klage als unzulässig abgewiesen, so sind die Ausführungen in den Gründen des Urteils, mit denen dargetan ist, daß die Klage auch unbegründet wäre, vom Revisionsgericht nicht zu beachten; das LSG hat nicht auch insoweit im Sinne des SGG § 163 "Tatsachen festgestellt" (Fortführung der Rechtsprechung des Senats in dem Urteil vom 1958-12-10, aaO).

 

Normenkette

SGG § 77 Fassung: 1953-09-03, § 54 Fassung: 1953-09-03, § 55 Fassung: 1953-09-03, § 131 Fassung: 1953-09-03, § 163 Fassung: 1953-09-03; KOVVfG § 24 Abs. 1 Fassung: 1955-05-02

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 10. Januar 1957 wird insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers als unbegründet zurückgewiesen worden ist.

Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Der Kläger bezog vom 1. Oktober 1949 an von der Sozialversicherungsanstalt Sachsen - Sozialversicherungskasse B - eine Kriegsinvalidenteilrente. Nachdem er im Notaufnahmeverfahren die Erlaubnis zum ständigen Aufenthalt in B bezw. im Bundesgebiet erhalten hatte, beantragte er am 18. Oktober 1954 beim Versorgungsamt (VersorgA.) L wegen "Herzleiden" Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Durch Bescheid vom 30. März 1955 erkannte das VersorgA. als Schädigungsfolgen "Beeinträchtigung der Herzleistungsfähigkeit, Leberschädigung" an, und zwar mit dem Zusatz "im Sinne einer abgrenzbaren Verschlimmerung", es gewährte dem Kläger vom 1. Oktober 1954 an Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) von 40 v. H. Der Kläger erhob Widerspruch und beantragte, festzustellen, daß es sich nicht um eine abgrenzbare Verschlimmerung seiner Leiden handele. Das Landesversorgungsamt wies den Widerspruch durch Bescheid vom 7. Oktober 1955 zurück. Mit der Klage begehrte der Kläger, den Beklagten zu verurteilen, den Herz- und Leberschaden im Sinne der Entstehung anzuerkennen, hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger eine Rente nach einer MdE. von 50 v. H. zu gewähren. Am 24. Februar 1956 erließ das Sozialgericht (SG.) Lübeck folgendes Urteil:

Der Bescheid vom 7. Oktober 1955 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger mit Wirkung vom 1. Oktober 1954 eine Rente nach einer MdE. von 50 v. H. zu gewähren und die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Das SG. hielt die Klage für begründet, "soweit es sich um den hilfsweisen Antrag des Klägers handelt". Die Übergewichtigkeit und die Neigung zur Steigerung des Bluthochdrucks seien als nicht unerhebliche Vorausschäden anzusehen, Kriegsdienst und Gefangenschaft hätten diese Leiden zwar nicht hervorgerufen, aber verschlimmert; bei einer Gesamt-MdE. von 80 v. H. sei die MdE. infolge der Verschlimmerung durch den Wehrdienst mit 50 v. H. zu bewerten.

Der Kläger legte Berufung ein und beantragte, das Urteil des SG. sowie die Bescheide des Beklagten aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, Rente nach einer MdE. von 50 v. H. wegen des Herz- und Leberleidens im Sinne der Entstehung zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG.) erließ am 10. Januar 1957 folgendes Urteil:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 6. Kammer des SG. Lübeck vom 24. Februar 1956 wird zurückgewiesen mit der Ergänzung, daß die Klage hinsichtlich des in der 1. Instanz gestellten Hauptantrages als unzulässig abgewiesen wird. Im übrigen wird die Berufung als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Es führte aus, soweit der Kläger auch im Berufungsverfahren Rente nach einer MdE. von 50 v. H. begehrt habe, sei er durch das angefochtene Urteil nicht beschwert, diese Rente habe ihm das SG. bereits zugesprochen gehabt; im übrigen sei die Berufung zwar zulässig, der Kläger habe im Verfahren vor dem SG. ersichtlich in erster Linie begehrt, festzustellen, daß das Herz- und Leberleiden durch den Wehrdienst nicht nur abgrenzbar verschlimmert, sondern hervorgerufen worden sei; über diesen Hauptantrag habe das SG. nicht entschieden, dadurch sei der Kläger beschwert; es genüge nicht, wenn sich das SG. zu dieser Frage nur in den Urteilsgründen geäußert habe, diesen Gründen komme keine Rechtskraftwirkung zu, auf diese Wirkung sei es dem Kläger aber ersichtlich angekommen; seine Berufung sei jedoch insoweit nicht begründet, schon die Klage sei nämlich nicht zulässig, weil der Kläger durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert gewesen sei; die Bindungswirkung eines Bescheides beziehe sich nur auf den erkennenden Teil, der sich mit der Rentengewährung befasse; soweit die Versorgungsverwaltung in einem Bescheid Leiden als Schädigungsfolgen anerkenne und sich dazu äußere, ob sie durch den Wehrdienst nur verschlimmert oder hervorgerufen seien, handele es sich nur um die Begründung des Bescheids, auf die sich die Bindungswirkung nicht erstrecke; gegen die Begründung eines Bescheids könne aber Klage nicht erhoben werden, ebenso wie gegen die Begründung eines Urteils nicht Berufung eingelegt werden könne; nach § 54 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sei daher die Klage nicht zulässig; die Zulässigkeit ergebe sich aber auch nicht aus § 55 SGG; es fehle im vorliegenden Falle an einem Rechtsschutzinteresse für die Feststellungsklage, weil der Kläger gemäß § 54 Abs. 4 SGG auf Leistung klagen könne. Das LSG. führte weiter aus, die Berufung wäre aber auch dann unbegründet gewesen, wenn der Senat über die Klage sachlich zu entscheiden gehabt hätte; das SG. sei zu Recht den ärztlichen Gutachtern gefolgt, die die Auffassung vertreten hätten, daß Fettleibigkeit und Bluthochdruck zu einem vorzeitigen und ausgiebigen Auftreten einer Arteriosklerose prädestinieren, auch beim Kläger hätten diese Leiden das Herz in einem wesentlichen Umfang bereits geschädigt gehabt, bevor die extreme Dystrophie während der Kriegsgefangenschaft als zusätzliche Schädigung hinzugekommen sei; sowohl der leichte Leberschaden, dessen Ursache nicht sicher zu klären sei, als auch der Zustand des Herzens seien daher durch den Wehrdienst nicht hervorgerufen, sondern lediglich abgrenzbar verschlimmert worden. Die Revision ließ das LSG. zu. Das Urteil ist dem Kläger am 16. Februar 1957 zugestellt worden.

Der Kläger legte am 20. Februar 1957 Revision ein und beantragte

das Urteil des LSG. Schleswig vom 10. Januar 1957 aufzuheben, soweit die Berufung zurückgewiesen und die Klage als unzulässig abgewiesen worden ist.

Am 3. April 1957 begründete er die Revision: Das LSG. habe gegen § 54 SGG, § 22 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren in der Kriegsopferversorgung vom 2. Mai 1955 (VerwVG) und § 1 BVG verstoßen; der Bescheid vom 30. März 1955 sei dem Kläger erst nach dem Inkrafttreten des VerwVG zugestellt worden, nach § 22 dieses Gesetzes seien die Bescheide in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu begründen, daraus ergebe sich, daß die Stellungnahme zu der Frage, ob ein Leiden durch den Wehrdienst hervorgerufen oder nur verschlimmert worden sei, zu den "wesentlichen Tatbestandsmerkmalen" gehöre und deshalb ebenso der Rechtskraft fähig sei, wie der Urteilstenor; der Versorgungsberechtigte müsse aus dem Bescheid klar und eindeutig ersehen können, welchen Anspruch er habe und worin dieser im einzelnen bestehe; der Kläger sei durch den Bescheid vom 30. März 1955 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 7. Oktober 1955 beschwert, denn nach diesen Bescheiden seien seine Leiden nur "im Sinne einer abgrenzbaren Verschlimmerung" als Schädigungsfolgen anerkannt worden, damit sei gesagt, daß jede weitere Verschlimmerung schicksalhaft und nicht mehr dem Wehrdienst zuzurechnen sei, mindestens diese Einschränkung sei nicht haltbar; darüber hinaus sei der Kläger aber der Ansicht, daß die Leiden durch den Wehrdienst hervorgerufen seien; das LSG. habe daher weder die Klage als unzulässig abweisen noch die Berufung "als unzulässig verwerfen" dürfen, es habe vielmehr sachlich entscheiden müssen; das LSG. sei auch zu Unrecht, ebenso wie das SG., davon ausgegangen, daß ein "Vorausschaden" vorgelegen habe, diese Annahme beruhe nur auf einer Vermutung.

Der Beklagte beantragte,

die Revision zurückzuweisen.

II

1. Das LSG. hat die Revision zugelassen (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG); der Kläger hat die Revision in gehöriger Form und Frist eingelegt und begründet, sie ist daher zulässig. Mit der Revision hat der Kläger das Urteil des LSG. nur insoweit angefochten, als die Berufung zurückgewiesen und die Klage als unzulässig abgewiesen worden ist. Insoweit ist die Revision auch begründet.

2. Die Frage, ob die Berufung zulässig gewesen ist, betrifft eine Prozeßvoraussetzung, von der das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung, also auch die Rechtswirksamkeit des Revisionsverfahrens abhängt (vgl. BSG. 1 S. 227 ff. (230); 2 S. 225 ff. (227)); der Senat hat daher von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung zulässig ist. Das LSG. hat diese Frage zu Recht bejaht. Der Kläger hat sich schon im Widerspruchsverfahren und in der Klage ausdrücklich dagegen gewandt. daß das Herz- und Leberleiden vom Beklagten nur als durch den Wehrdienst "abgrenzbar verschlimmert" anerkannt worden ist, er hat im Widerspruchsverfahren beantragt, "festzustellen", daß es sich nicht um eine abgrenzbare Verschlimmerung handele; mit der Klage hat er u. a. ausdrücklich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, "den Herz- und Leberschaden im Sinne der Entstehung anzuerkennen"; auch im Berufungsverfahren ist sein Begehren darauf gerichtet gewesen, daß ihm die Rente nach einer MdE. von 50 v. H. - die ihm das SG. bereits zuerkannt gehabt hat - "wegen eines Herz- und Leberleidens im Sinne der Entstehung" gewährt wird. Sein Begehren ist sonach im Vorverfahren, im Verfahren vor dem SG. und im Verfahren vor dem LSG. ersichtlich darauf gerichtet gewesen, daß die Schädigungsfolgen festgestellt werden, die der Beklagte nach seiner Meinung anzuerkennen habe und daß die Bescheide vom 30. März und vom 7. Oktober 1955 auch insoweit aufgehoben werden, als sie Ausführungen darüber enthalten, daß seine Leiden durch den Wehrdienst nur verschlimmert worden seien; insoweit liegt hier der Sachverhalt anders als in dem Fall, in dem der 8. Senat des Bundessozialgerichts (BSG.) durch Urteil vom 26. April 1957 (BSG. 5 S. 121 ff.) entschieden hat. Das LSG. hat zu Recht angenommen, daß das SG. über dieses Begehren hätte im Tenor des Urteils entscheiden müssen, und zwar auch dann, wenn der Antrag des Klägers nach Meinung des SG. nicht zulässig gewesen ist. Beschwert ist der Rechtsmittelkläger jedenfalls dann, wenn das vorinstanzliche Urteil hinter dem vorinstanzlichen Antrag zurückbleibt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 10. Dezember 1958 - 11/9 RV 182/57). Das ist hier der Fall gewesen. Das SG. hat nicht über alle vom Kläger erhobenen Ansprüche oder es hat nicht über den vom Kläger erhobenen Anspruch in vollem Umfang entschieden (§ 123 SGG); es genügt nicht, wenn es zu der Frage, ob die Leiden des Klägers durch den Wehrdienst hervorgerufen oder verschlimmert und in welchem Umfang sie verschlimmert worden sind, Ausführungen in den Gründen seines Urteils gemacht hat; die Gründe werden von dem Gedanken, der in der Urteilsformel zum Ausdruck gebracht wird, nicht umfaßt und nehmen damit an dem der Rechtskraft fähigen Inhalt des Urteils nicht teil, sie binden die Beteiligten nicht. Die Berufung des Klägers ist also insoweit, als das Urteil des LSG. mit der Revision angefochten ist, zulässig gewesen, das LSG. hat auch nicht, wie der Kläger meint, insoweit die Berufung als unzulässig verworfen, es hat die Berufung zurückgewiesen, weil es die Klage für unzulässig gehalten hat.

3. Die Berufung ist aber entgegen der Auffassung des LSG. begründet gewesen. Das SG. hat erkennbar absichtlich - aber zu Unrecht - über den Antrag des Klägers, die Schädigungsfolgen anders als in den angefochtenen Bescheiden festzustellen, nicht entschieden, insoweit hat es an einer Entscheidung des SG. gefehlt ; eine Ergänzung des Urteils im Sinne von § 140 SGG ist nicht in Frage gekommen, denn § 140 SGG betrifft, ebenso wie § 321 Zivilprozeßordnung (ZPO), nur den Fall, daß das Urteil einen erhobenen Anspruch versehentlich ganz oder teilweise übergangen hat (Peters-Sautter-Wolff, Anm. 1 zu § 140 SGG; Hofmann-Schroeter, Anm. 1 zu § 140 SGG; Baumbach-Lauterbach, Anm. 1 A zu § 321 ZPO; Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 7. Aufl., S. 253, § 57 I 3 c; RGZ. 105 S. 242). Der Kläger ist nicht gehindert gewesen, mit der zulässigen Berufung den Anspruch, über den das SG. nicht entschieden hat, erneut geltend zu machen (Baumbach-Lauterbach, Anm. 1 B zu § 321 ZPO; Rosenberg a. a. O.); er hat ihn auch geltend gemacht. Über diesen Anspruch hat das LSG. noch entscheiden müssen; es hat dies nicht getan; schon deswegen ist das Urteil aufzuheben.

4. Das LSG. hat aber auch nicht die Klage als unzulässig abweisen dürfen. Es hat zu Unrecht angenommen, daß der Kläger durch den Bescheid vom 30. März 1955 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 7. Oktober 1955 nicht beschwert sei. Durch diese Bescheide ist dem Kläger nicht nur vom 1. Oktober 1954 an Rente - nach einer MdE. von 40 v. H. - gewährt worden, in diesen Bescheiden ist vielmehr auch "Beeinträchtigung der Herzleistungsfähigkeit und Leberschädigung im Sinne der abgrenzbaren Verschlimmerung" als Schädigungsfolge "anerkannt" worden. Dem LSG. ist zwar insoweit zuzustimmen, als es angenommen hat, daß der Bescheid vom 30. März 1955 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 7. Oktober 1955 in mehrere Teile zerfällt. Soweit der Beklagte dem Kläger in diesem Bescheid Rente bewilligt hat, handelt es sich um einen feststellenden, den Kläger begünstigenden Verwaltungsakt. Nicht zu folgen ist dem LSG. aber insoweit, als es angenommen hat, es diene nur der Begründung des Anspruchs auf Rente , wenn die Versorgungsverwaltung in dem Bescheid bestimmte Leiden als Schädigungsfolgen "anerkennt". Verwaltungsakt ist nach der von Rechtsprechung und Rechtslehre im wesentlichen übernommenen Begriffsbestimmung des § 25 MRVO 165 "jede Verfügung, Anordnung, Entscheidung oder sonstige Maßnahme, die von einer Verwaltungsbehörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen wird". Der Bescheid der Versorgungsverwaltung, in dem sie bestimmte Schädigungsfolgen "anerkennt" und wegen dieser Schädigungsfolgen Rente gewährt, erfüllt die Begriffsmerkmale des Verwaltungsakts auch insoweit, als es sich um die "Anerkennung", d. h. hier die Feststellung der Schädigungsfolgen, handelt; auch dieser Teil des Bescheids ist ein feststellender, den Kläger begünstigender Verwaltungsakt; die Feststellung bestimmter Schädigungsfolgen ist sowohl für den Antragsteller als auch für die Versorgungsverwaltung, die den Bescheid erlassen hat, Voraussetzung für weitere Ansprüche oder Rechtsfolgen; sie kann Wirkungen haben, die über die Bedeutung hinausgehen, die der bloßen Begründung des Anspruchs auf Rente zukommt. Solche weitergehenden Rechtsfolgen der "Anerkennung" betreffen die Ansprüche auf Heilbehandlung wegen der anerkannten Folgen einer Schädigung (§ 10 Abs. 1 BVG), die Rechtsvermutungen für den Anspruch auf Bestattungsgeld (§ 36 Abs. 1 Satz 3 BVG) und für den Anspruch auf Hinterbliebenenrente (§ 38 Abs. 1 Satz 2 BVG), sowie die Gewährung eines Versorgungsanspruchs für Schädigungen, die während einer vor dem 1. September 1939 beendeten Dienstleistung oder ohne eine solche vor diesem Zeitpunkt eingetreten sind (§ 58 Abs. 2 BVG). "Begünstigend" ist ein Bescheid auch insoweit, als er "die Rechtsstellung des Betroffenen konkretisierend zu festigen bestimmt ist" (Tietgen, Anm. zu dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 13.12.1957, DVBl. 1958 S. 471 ff.; Menger, Verwaltungsarchiv 1959 S. 88; Urteil des 10. Senats vom 7.10.1958 - 10 RV 573/57 -). Die Bindung der Verwaltung an diesen Bescheid (§ 77 SGG, § 24 Abs. 1 VerwVG) im Sinne einer Selbstbindung der Verwaltung zu Gunsten des durch den Bescheid Begünstigten (vgl. hierzu Menger im Verwaltungsarchiv 1958 Heft 4 S. 373) erstreckt sich hiernach nicht nur auf die Feststellung, daß ein Anspruch auf eine bestimmte Rente besteht, sondern auch auf die Feststellung, daß bestimmte Leiden "Schädigungsfolgen" sind; auch insoweit "regelt" die Verwaltung einen Einzelfall auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (im Ergebnis ebenso: Wende, Die Kriegsopferversorgung, 1954 S. 33 ff.; Hennig, ebenda, S. 49 ff.; van Nuis-Vorberg, Teil II S. 22/23; Thannheiser - Wende-Zech, Erläuterungen zu § 77 SGG; a. A. Buresch, Die Kriegsopferversorgung, 1955 S. 65 ff.). Die "Regelung", der "entscheidende Teil des Verwaltungsakts" (Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 7. Aufl., S. 237, 238), der "Verfügungssatz" (so Urteil des VGH. München vom 13.12.1953, ZMR. 1953 S. 91 ff. (93)) des Bescheids umfaßt weiter auch noch die Frage, ob die anerkannten Schädigungsfolgen durch den Wehrdienst "hervorgerufen" oder nur "verschlimmert" worden sind, mit anderen Worten, ob das Leiden in vollem Umfange durch den Wehrdienst verursacht worden ist oder ob nur ein Teil des Leidens auf den Wehrdienst zurückgeht, weil das Leiden zum anderen Teil schon vor dem Wehrdienst vorhanden gewesen ist. Auch insoweit handelt es sich nicht nur um die Begründung für die Höhe des Anspruchs auf Rente, sondern um die Abgrenzung der Folgen verschiedener Kausalitätsreihen. Es ist deshalb nicht erforderlich, die "Bindungswirkung" des Bescheids - wie der Kläger meint - auf die den Bescheid "tragenden Feststellungen" oder auf seine "Begründung" zu "erstrecken"; es erübrigt sich auch, § 22 Abs. 1 VerwVG heranzuziehen; auf diese Vorschrift beruft sich der Kläger zu Unrecht. Welche Bedeutung es hat, wenn die Versorgungsverwaltung eine Verschlimmerung anerkennt, sie aber durch den Zusatz, es handele sich nur um eine "abgrenzbare" Verschlimmerung, einschränkt, oder wenn sie die Verschlimmerung als eine "richtunggebende" bezeichnet, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Auf diese Frage kommt es hier deshalb nicht an, weil der Kläger in erster Linie begehrt, der Beklagte möge das Herz- und Leberleiden "im Sinne der Entstehung" anerkennen, er möge also feststellen, daß das Leiden durch den Wehrdienst hervorgerufen und nicht nur verschlimmert worden sei. Diesen Antrag hat der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid abgelehnt. Insoweit ist der Kläger also durch den angefochtenen Bescheid beschwert gewesen. Er hat mit der Klage die Aufhebung des Bescheids und die Feststellung begehrt, daß die Schädigungsfolgen durch den Wehrdienst nicht nur verschlimmert, sondern hervorgerufen worden seien; seine Klage ist insoweit also eine Aufhebungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 SGG in Verbindung mit einer Feststellungsklage im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG (vgl. auch insoweit das zitierte Urteil des BSG. vom 7.10.1958). An der baldigen Feststellung hat er auch dann, wenn ihm Rente gewährt wird, ein berechtigtes Interesse, weil - wie bereits ausgeführt - die Feststellung der Schädigungsfolgen Wirkungen haben kann, die über die Begründung für den Anspruch auf Rente hinausgehen und weil die Versorgungsverwaltung dem Antrag, festzustellen, daß die Schädigungsfolgen durch den Wehrdienst hervorgerufen worden seien, nicht entsprochen hat. Im vorliegenden Fall ergibt sich das Feststellungsinteresse zudem auch noch daraus, daß die Anerkennung der Schädigungsfolgen "im Sinne der Verschlimmerung" - mag sie als "abgrenzbar" oder als "richtunggebend" bezeichnet werden - eine Einschränkung enthält, die für den Kläger insofern nachteilige Folgen hat, als bei jeder behaupteten weiteren Verschlimmerung stets neu zu prüfen ist, ob und wie weit diese weitere Verschlimmerung noch Schädigungsfolge ist oder ob sie auf andere, vom Wehrdienst unabhängige Umstände zurückgeht (vgl. BSG. 6 S. 87; 7 S. 56).

5. Das LSG. hat sonach über das Klagebegehren, soweit es darauf gerichtet gewesen ist, die Schädigungsfolgen anders festzustellen, sachlich entscheiden müssen; es hat die Klage insoweit zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Das Urteil ist deshalb auch aus diesem Grunde aufzuheben. Der Senat hat aber nicht in der Sache selbst entscheiden können. Zwar hat sich das LSG., obwohl es die Klage, soweit es sich um die Feststellung der Schädigungsfolgen handelt, für unzulässig gehalten hat, ausführlich dazu geäußert, daß die Berufung nach seiner Meinung auch dann unbegründet wäre, wenn es die Klage für zulässig gehalten hätte; es hat im einzelnen dargelegt, warum es die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs der Schädigungsfolgen durch den Beklagten für zutreffend und damit die angefochtenen Bescheide auch sachlich für richtig hält. Da das SG. über die Klage insoweit nicht entschieden gehabt hat, hat das LSG. damit dargetan, daß es die Klage , falls sie zulässig wäre, jedenfalls für unbegründet hält. Wenn das LSG. insoweit Tatsachen ermittelt hat, sind dies aber keine "Feststellungen" im Sinne von § 163 SGG. Die Bindung des BSG. an "die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen" kann sich nur auf die Tatsachen beziehen, auf denen das angefochtene Urteil beruht , d. h. auf den Streitstoff, über den das LSG. entschieden und den es für diese Entscheidung in prozessual zulässiger Weise festgestellt hat, nicht aber auf Ausführungen, die das LSG., wenn es die Klage als unzulässig abgewiesen hat, gar nicht mehr hätte machen dürfen. Diese Ausführungen sind zwar "unschädlich", sie gelten aber für die Revisionsinstanz als "nicht geschrieben" (vgl. Rosenberg, 7. Aufl., S. 686 § 143 III; RGZ. 105 S. 196; 1953 S. 219; 158 S. 155; BGH. 11 S. 222 ff. = NJW. 1954 S. 310; BSG. 1 S. 283, 287) und sind vom Revisionsgericht nicht zu beachten. Deshalb fehlt es an tatsächlichen Feststellungen, auf die der Senat eine Entscheidung in der Sache selbst stützen könnte. Die Sache ist daher an das LSG. zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

 

Fundstellen

BSGE, 80

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