Beteiligte

Kläger und Revisionsbeklagter

Beklagte und Revisionsklägerin

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten über die Auszahlung von Teilbeträgen der dem Kläger gewährten Arbeitslosenhilfe (Alhi) an dessen beigeladene Ehefrau (Abzweigung).

Der Kläger erhielt seit Februar 1981 Alhi in Höhe von 208,80 DM wöchentlich. Durch Bescheid vom 29. April 1981 zweigte die Beklagte hiervon mit Wirkung ab 27. April 1981 einen Betrag von 22,99 DM wöchentlich an die beigeladene Ehefrau des Klägers ab, welche von ihm getrennt lebte. Unter demselben Datum erfolgte eine weitere Abzweigung in Höhe von 32,31 DM pro Woche an die Stadt F. - Jugendamt - zugunsten des am 3. August 1977 geborenen Sohnes Thomas des Klägers, worauf die Beigeladene in dem an sie gerichteten Bescheid hingewiesen wurde. Für die Feststellung der Abzweigungsbeträge ging die Beklagte davon aus, daß dem Kläger eine wöchentliche Alhi in Höhe des pfändungsfreien Betrages nach der Anlage zu § 850c der Zivilprozeßordnung (ZPO) - Tabelle für die Berechnung des pfändbaren Teiles des Arbeitseinkommens - verbleiben müsse. Den Widerspruch des Klägers gegen die zugunsten der Beigeladenen erfolgte Abzweigung wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 1981 als unbegründet zurück.

Mit seiner Klage hat sich der Kläger zunächst gegen beide Abzweigungsbescheide vom 29. April 1981 gewandt und dabei geltend gemacht, daß er weder seiner Ehefrau noch seinem Kind gegenüber unterhaltspflichtig sei, da ihm nach der ständigen Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG Schleswig) Selbstbehaltsbeträge gegenüber ersterer in Höhe von 1.100,- DM und gegenüber letzterem in Höhe von 900,- DM zustünden. Daraufhin hat das Sozialgericht (SG) den Rechtsstreit, soweit er die Abzweigung an das Jugendamt der Stadt F. betraf, abgetrennt und den Kläger darauf hingewiesen, daß dieser - nunmehr unter einem neuen Aktenzeichen geführte - Klageantrag mangels Vorverfahrens unzulässig sei. Diese Klage hat der Kläger sodann zurückgenommen. Mit Urteil vom 17. März 1982 hat das SG die gegen die Abzweigung zugunsten der Beigeladenen gerichtete Klage abgewiesen.

Auf die vom SG zugelassene Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 10. Dezember 1982 das Urteil des SG abgeändert und den Bescheid der Beklagten vom 29. April 1981, mit welchem die Abzweigung von wöchentlich 22,99 DM zugunsten der beigeladenen Ehefrau des Klägers geregelt worden ist, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 1981 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) könnten laufende Geldleistungen, die - wie die hier streitige Alhi - der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt seien, in angemessener Höhe an den Ehegatten des Leistungsberechtigten ausgezahlt werden, wenn letzterer diesem gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkomme. Sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Sinnzusammenhang, der Entstehungsgeschichte und dem Zweck des § 48 SGB I hinge die dem Ermessen des Sozialleistungsträgers überantwortete Abzweigung auch der Höhe nach vom Umfang der materiell-bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsansprüche gegen den Sozialleistungsempfänger ab; denn eine davon abweichende und gleichwohl gesetzliche Unterhaltspflicht - etwa sozialrechtlicher Prägung - fehle. Daher sei i.S. von § 48 SGB I "angemessen" nur diejenige Abzweigung, die sich an dem Maßstab der bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsschuld orientiere. Demgegenüber wirke der von der Beklagten stattdessen herangezogene Maßstab der Pfändungsfreigrenzen aus § 850c ZPO in zweierlei Hinsicht unangemessen. Zum einen handele es sich bei § 850c ZPO um eine ausschließlich vollstreckungsrechtliche Regelung, welche die Frage unbeantwortet lasse, ob der Sozialleistungsberechtigte seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nachkomme oder nicht. Zum anderen wäre unter den vollstreckungsrechtlichen Regelungen nicht § 850e, sondern § 850d ZPO einschlägig. Danach könne wegen der hier in Betracht kommenden Unterhaltsansprüche eines Ehegatten gerade über die Grenze des § 850c ZPO hinaus vollstreckt werden.

Es bleibe der Beklagten vorbehalten, ihre nunmehr aufgehobenen Abzweigungsbescheide durch einen ermessensgemäßen zu ersetzen. Dabei werde sie die bürgerlich-rechtliche Vorfrage nach der Höhe der Unterhaltsschuld anhand der "Düsseldorfer Tabelle" (vgl. für 1981: NJW 1981, 963, i.V.m. NJW 1980, 107 f. für 1982: NJW 1982, 19) zu beantworten haben. Deren Sätze seien nicht nur verbreiteter als andere, sondern auch vom Bundesgerichtshof (BGH) wiederholt für rechtmäßig erachtet worden. Ob und inwieweit die Familiensenate des OLG Schleswig oder andere Obergerichte regional begrenzt abweichenden Grundsätzen folgten, sei deshalb nicht nachzugehen, weil die Beklagte als bundesweit zuständiger Leistungsträger ihre Sozialleistungen auch bundesweit gleichermaßen erbringen müsse. Ausgehend von dem nach den Sätzen der "Düsseldorfer Tabelle" möglichen Umfang des Unterhaltsanspruchs der Beigeladenen werde die Beklagte die i.S. von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB I angemessene Höhe der Abzweigung danach auszurichten haben, welche Ungenauigkeiten ihrer Unterhaltsfeststellung etwa anhafteten. Dementsprechend werde der nach der Tabelle mögliche Abzweigungsumfang im Regelfalle nicht voll auszuschöpfen sein.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 48 SGB I. Sie trägt u.a. vor:

Bestehe weder ein Unterhaltstitel noch eine entsprechende Festlegung des Umfangs der Unterhaltspflicht, müsse das Arbeitsamt selbst feststellen, ob und in welcher Höhe eine Unterhaltsverpflichtung gegeben sei, d.h., es sei unter Anwendung der unterhaltsrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu prüfen, ob ein familienrechtliches Verhältnis mit Unterhaltsverpflichtung bestehe und ob Bedürftigkeit auf der einen und Leistungsfähigkeit auf der anderen Seite vorlägen. Im vorliegenden Falle habe das Arbeitsamt - wie üblich - den Ehegattenunterhalt nach der "Düsseldorfer Tabelle" ermittelt:

904,80 DM

(monatlich Alhi des Klägers)

- 140, -- DM

(= 32,31 DM wöchentlicher Kindesunterhalt laut Tabelle 1979)

764,80 DM

Von diesem anrechnungsfähigen Einkommen stünden dem Unterhaltsberechtigten, wenn er selbst kein Einkommen erziele, 3/7 = 327,75 DM zu. Da im vorliegenden Falle der Unterhaltsverpflichtete nicht erwerbstätig sei, seien von den 327,75 DM lt. Tabelle 1980 nur 45% (= 147,48 DM monatlich entsprechend 34,14 DM - richtig 34,03 DM - wöchentlich) für die Beigeladene in Ansatz zu bringen. Für diese seien hier jedoch nur 22,99 DM wöchentlich abgezweigt worden. Dieser Betrag übersteige somit keinesfalls den materiell-bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruch der Beigeladenen.

Zur Feststellung des sog. Selbstbehalts des Klägers vertrete sie eine andere Auffassung als das LSG, das von einem Selbstbehalt in Höhe von 750,- DM ausgehe. Demnach wären im vorliegenden Falle (904,80 DM - 750,- DM =) 154,80 DM monatlich abzweigbar. Einen brauchbaren Ansatzpunkt biete demgegenüber der pfändbare Betrag, der sich bei einem Nettolohn in Höhe der Leistung aus der Tabelle zu § 850c ZPO ergebe. Demzufolge wäre bei dem alleinstehenden Kläger (Tabellenspalte 0) wöchentlich bei 208,80 DM Alhi ein Betrag von 55,30 DM pfändbar. Diesen Betrag habe sie nicht überschritten. Da der Kläger gegen die Abzweigung zugunsten des Kindes in Höhe von 32,31 DM wöchentlich keinen Widerspruch erhoben habe, hätten für die Beigeladene nur 22,99 DM (zusammen 55,30 DM) abgezweigt werden können. Der dem Kläger danach verbleibende Betrag sei auch angemessen i.S. von § 48 SGB I.

Für die Ermittlung des Betrages, der dem Leistungsempfänger i.S. von § 48 SGB I als "angemessen" zu belassen sei, gebe es mindestens fünf Lösungsmodelle. Nach dem ersten Modell stelle das Doppelte des jeweils für das gesamte Bundesgebiet geltenden durchschnittlichen Eckregelsatzes der Sozialhilfe für Haushaltsvorstände und Alleinstehende (1981: 2 x 328,- DM = 656,- DM) einen geeigneten Maßstab dar. Nach dem zweiten sei dem Leistungsempfänger nur der "notwendige" Unterhalt i.S. von § 850d ZPO zu belassen, welcher im Einzelfalle anhand der von den örtlichen Vollstreckungsgerichten verwendeten Richtsätze festzusetzen sei. Dies sei im Hinblick auf den hohen Verwaltungsaufwand nicht praktikabel. Das dritte Modell sei das von ihr verwendete, wonach dem Kläger (904,80 DM - 238,70 DM =) 666,10 DM monatlich als nach der Tabellenspalte 0 der Anlage zu § 850c ZPO unpfändbar verblieben. Das vierte stelle für den Selbstbehalt des Leistungsempfängers auf die Düsseldorfer Tabelle ab (1980 und 1981: 750,- DM). Nach dem fünften Modell würden die Richtlinien der jeweils für den Bezirk des Arbeitsamtes zuständigen Familiensenate des OLG herangezogen. In diesem Fall würden damit die Richtlinien des OLG Schleswig maßgebend, welche bei Ehegattenunterhalt einen Selbstbehalt von 1.000,- DM monatlich, bei Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern einen Selbstbehalt von 850,- DM monatlich vorsähen.

Für die modifizierte Anwendung der Tabelle nach § 850e ZPO sprächen folgende Gesichtspunkte:

Es bleibe einem Gläubiger, der wegen gewöhnlicher Forderungen durch eine Abtretung (§ 53 SGB I) oder durch eine Pfändung (§ 54 SGB I) Zugriff auf den Leistungsanspruch habe, neben dem Unterhaltsgläubiger kein abtretbarer oder pfändbarer Betrag. Bei Anwendung der Düsseldorfer Tabelle im Rahmen der Bemessung der Abzweigungshöhe bleibe bei niedrigeren Einkommen Raum für einen derartigen Zugriff, der Unterhaltsberechtigte ginge jedoch leer aus. Sofern nämlich das Einkommen nicht über dem Selbstbehaltsbetrag der Düsseldorfer Tabelle liege, stünde dem Leistungsbezieher mangels tatsächlicher Unterhaltsleistung gegenüber einem Pfändungsgläubiger nur der (noch niedrigere) Freibetrag der Spalte 0 der Pfändungstabelle zu. So seien z.B. bei einem Leistungsanspruch in Höhe von 750,- DM monatlich 133,- DM pfändbar.

Wollte man die Tabelle zu § 850c ZPO nur anwenden, wenn ein entsprechender Unterhaltstitel vorliege, so ergäbe sich die Frage, wie in Fällen zu verfahren sei, in denen sich die Einkommensverhältnisse des Unterhaltsverpflichteten so weit verändert hätten, daß nach der ständigen Rechtsprechung der Familiengerichte der Unterhaltsanspruch nicht mehr realisierbar wäre. Es könne insoweit nicht Sinn und Zweck des § 48 SGB I sein, Unterhaltsberechtigte mit und ohne Unterhaltstitel bei gleicher Höhe des Einkommens des Schuldners (Leistungsempfängers) ungleich zu behandeln.

Selbst bei der Pfändung wegen Unterhaltsansprüchen nach § 850d ZPO dürfe die Berücksichtigung des persönlichen Bedarfs und der gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners, wie Abs. 1 Satz 3 dieser Vorschrift klarstelle, nicht dazu führen, daß dem Schuldner bei der Pfändung durch einen bevorrechtigten Gläubiger mehr belassen werde, als bei der Pfändung seitens eines gewöhnlichen Gläubigers nach § 850c ZPO.

Die modifizierte Anwendung der Tabelle nach § 850c ZPO habe schließlich den Vorteil, daß bei Leistungsansprüchen, die betragsmäßig wesentlich höher als die im vorliegenden Streitfalle seien, der Selbstbehalt in angemessener Weise mitsteige, z.B. bliebe bei einem monatlichen Leistungsbezug von 1.500,- DM (pfändbar wären 658,70 DM) ein monatlicher Selbstbehalt von 841,30 DM. Bei der Anwendung der Düsseldorfer Tabelle würden dagegen bei höherem Einkommen die angemessenen Bedürfnisse des Leistungsberechtigten nicht berücksichtigt.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 10. Dezember 1982 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Schleswig vom 17. März 1982 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt dazu aus: Wenn sich die Beklagte bei Vorliegen eines Unterhaltstitels an die zivilrechtliche Beurteilung der Unterhaltsverpflichtung gebunden fühle, müsse diese selbst auferlegte Bindungswirkung in bezug auf die zivilrechtliche Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht aus Gründen der Gleichbehandlung auch bei Fehlen eines solchen Titels bejaht werden. Darüber hinaus ergebe sich für ihn aus der Praxis der Beklagten eine Ungleichbehandlung gegenüber einem im Arbeitsleben stehenden Unterhaltspflichtigen, gegen den die Ehefrau bei gleichen Einkommensverhältnissen - ohne die Möglichkeit einer Abzweigung - nur ein klageabweisendes Unterhaltsurteil erstreiten könnte.

Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.

II

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Dem Urteil des LSG ist im Ergebnis zuzustimmen.

Es kann dahinstehen, ob ein wesentlicher Verfahrensmangel darin zu sehen ist, daß die Vorinstanzen lediglich über den Bescheid vom 29. April 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 1981 und nicht auch über später erfolgte Abzweigungen zugunsten der Beigeladenen entschieden haben. Derartige Folgebescheide könnten zwar gem. § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klage- bzw. Berufungsverfahrens geworden sein (vgl. BSG SozR 1200 § 48 Nr. 7), die Nichtberücksichtigung solcher Verwaltungsakte durch das Berufungsgericht ist jedoch von keinem Beteiligten i.S. von § 164 Abs. 2 SGG ordnungsgemäß gerügt worden (vgl. BSGE 4, 24, 26 f.; BSG SozR 1500 § 53 Nr. 2).

Das LSG hat den vom Kläger angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 29. April 1981 über eine wöchentliche Abzweigung eines Teilbetrages der Alhi in Höhe von 22,99 DM an die Beigeladene zu Recht aufgehoben. Dieser Verwaltungsakt ist nämlich in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. August 1981 rechtswidrig, weil die Beklagte von dem ihr im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB I eingeräumten Ermessen nicht in einer dem Zweck dieser Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB 1 können laufende Geldleistungen, die der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt sind, in angemessener Höhe an den Ehegatten oder an die Kinder des Leistungsberechtigten ausbezahlt werden, wenn dieser ihnen gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Die Auszahlung (Abzweigung) nach § 48 Abs. 1 SGB I als solche steht zwar im pflichtgemäß auszuübenden Ermessen der Beklagten (BSG SozR 1200 § 48 Nrn. 3, 6 und 7). Eine Ermessensausübung kommt jedoch erst in Betracht, wenn die in § 48 Abs. 1 SGB I dafür vorgesehenen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Deren Beurteilung richtet sich nicht nach - wenn auch pflichtgemäßem - Belieben der Beklagten, sondern nach dem gesetzlichen Inhalt der Regelung. Insoweit unterliegen Entscheidungen der Beklagten über Abzweigungen nach § 48 SGB I mithin der vollen richterlichen Kontrolle.

Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, daß es sich bei der dem Kläger gewährten Alhi um eine laufende Geldleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts i.S. von § 48 Abs. 1 SGB I handelt (so z.B. auch Burdenski/v. Maydell/Schellhorn, Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil -, GK-SGB I, 2. Aufl. 1981, § 48 Rdnr. 8). Daß die Alhi nicht nur den persönlichen Bedürfnissen des Leistungsberechtigten, sondern auch dem Lebensunterhalt des Ehegatten zu dienen bestimmt ist, ergibt sich nicht nur allgemein aus ihrer Lohnersatzfunktion, sondern läßt sich auch der gesetzlichen Regelung des § 137 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) entnehmen, wonach der Arbeitslose i.S. von § 134 Abs. 1 Nr. 3 AFG bedürftig ist, soweit er den eigenen Unterhalt und den seines Ehegatten nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreiten kann. Die Erreichung dieses Zweckes der Alhi kann somit grundsätzlich gem. § 48 SGB I durch eine unmittelbare Auszahlung eines Teilbetrages an eine unterhaltsberechtigte Ehefrau erleichtert und beschleunigt werden (vgl. Jahn, SGB für die Praxis, Kommentar, 1976ff., § 48 SGB I Rdnr. 3).

Eine Abzweigung kommt nach § 48 Abs. 1 Satz1 SGB I nur in Betracht, wenn der Leistungsberechtigte gegenüber Ehefrau oder Kindern der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt; dies setzt das Bestehen einer Unterhaltspflicht und deren Verletzung voraus. Der Beklagten ist darin zu folgen, daß sie - jedenfalls bei Fehlen eines Unterhaltstitels - selbst festzustellen hat, ob eine derartige Unterhaltspflichtverletzung vorliegt. Die Beurteilung dieser Frage richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Der Gesetzgeber hat hier wie in anderen Rechtsbereichen, insbesondere des Sozialrechts, keine spezifischen "gesetzlichen" Unterhaltsregelungen getroffen, sondern die in sozialrechtlichen Bestimmungen verwendeten Begriffe wie "Unterhaltspflicht" und "Unterhaltsberechtigung" dem bürgerlichen Recht entnommen. Mit dieser Auffassung befindet sich der Senat in Übereinstimmung mit der allgemeinen Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. LSG Baden-Württemberg, FamRZ 1983, 70; LSG Niedersachsen, RSpDienst 0500 § 48 SGB I, S. 1; LSG Niedersachsen, KVRS A-2130/2; Schleswig-Holsteinisches LSG, RSpDienst 0500 § 48 SGB I, S. 5; zu anderen sozialrechtlichen Vorschriften: BSGE 6, 197, 203; BSGE 11, 30, 33; BSGE 12, 147, 148 f. = SozR Nr. 4 zu § 1260 RVO a.F.; BSGE 27, 1, 4 = SozR Nr. 38 zu § 1265 RVO; BSG SozR 2200 § 596 Nr. 1; BSG vom 3. Juni 1975 - 7 RAr 81/74 -; BSG SozR 3100 § 48 Nr. 2; BSGE 49, 243, 245 = SozR 2200 § 205 Nr. 32; BSGE 53, 115, 116 f. = SozR 4100 § 138 Nr. 7; und Literatur, ebenso: z.B. Burdenski/v. Maydell/Schellhorn, a.a.O., Rdnr. 10; Grüner/Brückner/Dalichau, SGB, Kommentar, Stand 1984, § 48 SGB 1/3 Anm. II 4; Hauck/Haines, SGB I, Kommentar, Stand 1981, § 48 Rdnr. 4; Jahn, a.a.O., Rdnr. 7; Rohwer-Kahlmann/Ströer, SGB I, Kommentar, 1979, § 48 Rdnr. 3; Wannagat/Thieme, SGB, Kommentar, Stand 1983, § 48 AT Anm. 3; vgl. bereits Schönefelder/Kranz/Wanka, AFG-Kommentar, 1972ff., § 123 AFG a.F. Rdnr. 2). Auch die Beklagte geht deshalb zu Recht davon aus.

Die Unterhaltspflichten zwischen getrenntlebenden Ehegatten richten sich nach § 1361 BGB. Danach kann ein Ehegatte von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen. Zwar hat der Kläger der Beigeladenen keinen Unterhalt geleistet; daraus rechtfertigt sich jedoch noch nicht die Annahme einer Unterhaltspflichtverletzung des Klägers. Eine "abstrakte" Unterhaltsverpflichtung aufgrund einer bestimmten familienrechtlichen Beziehung reicht nämlich dafür nicht aus. Vielmehr ergibt sich die Pflicht zur Gewährung von Unterhalt erst aus den konkreten Lebens- und Einkommensverhältnissen dieser Beteiligten (vgl. BSG SozR Nr. 9 zu § 205 RVO; BSG vom 3. Juni 1975 - 7 RAr 81/74 -); insbesondere muß die Beigeladene unterhaltsbedürftig und der Kläger zur Zahlung einer Geldrente (§ 1361 Abs. 4 BGB) leistungsfähig gewesen sein. Ersteres läßt sich aus dem Zusammenhang der Feststellungen des LSG ohne weiteres bejahen; für die Bestimmung des letzteren hat die Beklagte einen unzulässigen rechtlichen Maßstab zugrundegelegt, der zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes führt.

Ob und in welchem Umfange der Kläger der Beigeladenen gegenüber als zur Erbringung von Unterhalt leistungsfähig anzusehen ist, richtet sich allgemein nach den ehelichen Lebensverhältnissen und zudem nach dem Vorhandensein anderer - gleich- bzw. vorrangiger - Unterhaltsberechtigter. Was die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers angeht, so steht fest, daß er in der fraglichen Zeit Alhi in Höhe von 208,80 DM wöchentlich (entsprechend 904,80 DM im Monat) bezogen hat. Diese Leistung ist bei ihm als unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen zu berücksichtigen (BGH, FamRZ 1982, 587, 588; OLG Bamberg, FamRZ 1979, 914), da sie - wie bereits dargelegt - auch dem Lebensunterhalt des Ehegatten zu dienen bestimmt ist. Soweit in der Literatur eine abweichende Auffassung vertreten wird (Göppinger/Wenz, Unterhaltsrecht, 4. Aufl. 1981, Rdnr. 1191; wohl auch Kalthoener/Haase-Becher/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhaltsrechts, 2. Aufl. 1979, Rdnrn. 228, 364; Köhler, Handbuch des Unterhaltsrechts, 6. Aufl. 1983, Rdnr. 86b), ist ihr nicht zu folgen. Offenbar bezieht sich diese noch auf den alten Rechtszustand (vor der Änderung des § 137 AFG durch das Einführungsgesetz zum Einkommensteuer-Reformgesetz - EG-EStRG - vom 21. Dezember 1974, BGBl. I S. 3656), da teilweise noch von "Familienzuschlägen" die Rede ist.

Zwar hat der Kläger nach der Systematik des § 1361 BGB und den Prinzipien der seinerzeit noch bestehenden Ehe grundsätzlich auch die ihm gewährte Alhi mit der Beigeladenen zu teilen (vgl. MünchenerKomm. z. BGB, Band 5, 1978 - MünchKomm./Wacke -, § 1361 Rdnr. 6, § 1360 Rdnr. 8). Das gilt jedoch nur bis zu einer gewissen Opfergrenze (Palandt/Diederichsen, Komm. z. BGB, 43. Aufl. 1984, § 1361 Anm. 2b, cc). Ist diese erreicht - aber auch nur dann -, so ist es unerheblich, ob ein vorliegender Unterhaltsbedarf der Beigeladenen vom Kläger überhaupt nicht oder nicht in vollem Umfange gedeckt wird (Göppinger/Wenz, a.a.O., Rdnr. 1138). Wenn der Kläger die Beigeladene nicht auf leistungspflichtige Verwandte (§§ 1601, 1608 BGB) verweisen kann, vermag er sich ihr gegenüber allerdings nicht auf seinen angemessenen Unterhalt (vgl. § 1603 Abs. 1 BGB) zu berufen, vielmehr hat er sich mit dem notwendigen Unterhalt zu begnügen (so auch Brühl, Die bürgerlich-rechtliche Unterhaltspflicht, 3. Aufl. 1981, S. 105; Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 3. Aufl. 1980, § 21 II 3; Göppinger/Wenz, a.a.O., Rdnr. 1135; Köhler, a.a.O., Rdnr. 224). Es entspräche nämlich nicht den ehelichen Lebensverhältnissen i.S. von § 1361 BGB, wenn ein Ehegatte, der von seinem getrenntlebenden Ehegatten auf Unterhalt in Anspruch genommen wird, auf der Deckung seines vollen angemessenen Unterhalts bestehen und den anderen auf den Rest oder sogar auf den Bezug von Sozialhilfeleistungen verweisen könnte (OLG Stuttgart, FamRZ 1978, 590). Der dem Ehegatten danach zu belassene Betrag stimmt grundsätzlich der Höhe nach mit dem Mindestselbstbehalt überein, der ihm auch seinen minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber nach § 1603 Abs. 2 BGB zusteht, denn das Gesetz geht insoweit von einer Gleichbehandlung der Mitglieder des engsten Familienverbandes aus (vgl. Gernhuber, a.a.O.; Kalthoener u.a., a.a.O., Rdnr. 82; OLG Frankfurt/Main, FamRZ 1978, 433; FamRZ 1980, 74; a.A. KG, FamRZ 1981, 869).

Bei der Bestimmung des notwendigen Unterhalts des Klägers ist davon auszugehen, daß der Begriff des Unterhalts den gesamten Lebensbedarf umfaßt (§ 1610 Abs. 2 BGB). Attribute wie "angemessen", "notwendig" und "notdürftig" kennzeichnen insoweit nur den Grad der Bedarfsbefriedigung (Göppinger/Wenz, a.a.O., Rdnr. 896; Staudinger/Gotthardt, Kommentar zum BGB mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 10./11. Aufl. 1966, § 1611 BGB Rdnr. 3), d.h., die Qualität und Quantität des zugestandenen "Warenkorbes". Diese Leitwerte unterscheiden sich lediglich in der Strenge des angelegten Maßstabes. Während der notwendige Unterhalt grundsätzlich dem Betrag entspricht, der bei bescheidenen Lebensverhältnissen zur Bestreitung des unbedingt notwendigen Bedarfs erforderlich erscheint (vgl. BSG SozR Nr. 6 zu § 205 RVO; Göppinger/Wenz, a.a.O., Rdnr. 897; Köhler, a.a.O., Rdnr. 80), ist der notdürftige Unterhalt knapper, der angemessene großzügiger bemessen. Die Grenzen zwischen ihnen sind allerdings fließend (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO mit Gerichtsverfassungsgesetz - GVG - und anderen Nebengesetzen, 42. Aufl. 1984, § 850d ZPO, Anm. 2 C b). So deckt sich der notwendige Unterhalt praktisch mit dem angemessenen Unterhalt der untersten Stufe (Brühl, a.a.O., S. 56; Göppinger/Wenz, a.a.O., Rdnr. 897).

Aus dieser allgemeinen Umschreibung läßt sich allerdings noch kein konkreter Mindestselbstbehalt für den Kläger ableiten. Obgleich nicht nur das Familienrecht an den notwendigen Unterhalt anknüpft, sondern dieser Begriff auch in anderen Regelungsbereichen Bedeutung hat (s z.B. § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO), fehlt es insoweit an einer einheitlichen, verbindlichen (gesetzlichen) Festsetzung. Aus dem Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung ergibt sich lediglich, daß man sich bei der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs "notwendiger Lebensunterhalt" an dem Umfang der Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 11 ff. BSHG als unterster Grenze zu orientieren hat (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a.a.O., Anm. 2 C b; Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, 11. Aufl. 1983, Rdnr. 368; Brühl, a.a.O., S. 56; Erman/Heckelmann, BGB, Handkommentar, 2. Band, 7. Aufl. 1981, § 1361 Rdnr. 10; Göppinger/Wenz, a.a.O., Rdnrn. 895ff.; Kalthoener u.a., a.a.O., Rdnr. 457; MünchKomm./Köhler, § 1603 Rdnr. 21; Stein/Jonas/Münzberg, Kommentar zur ZPO, 20. Aufl., 9. Lfg. 1983, § 850d Rdnrn. 20f.; Stöber, Forderungspfändung, 6. Aufl. 1981, Rdnrn. 1093, 1095; Zöller/Scherübl, ZPO, 13. Aufl. 1981, § 850d Anm. III 2 a). Verbliebe dem Kläger nämlich nicht einmal der Sozialhilfebedarf, würde er selbst anspruchsberechtigt nach dem BSHG werden (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, SozVers 1974, 274, 275). Eine derartige Konsequenz unterhaltsrechtlicher Vorschriften stünde nicht im Einklang mit dem Grundgesetz (GG), da die Menschenwürde des Klägers (Art. 1 Abs. 1 GG) und das Sozialstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1 GG) verletzt wären (ähnlich auch Göppinger/Wenz, a.a.O., Rdnr. 1146). Demgemäß gehören zum notwendigen Lebensunterhalt insbesondere die Aufwendungen für Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens (§ 12 Abs. 1 BSHG; so auch die ständige Rechtsprechung des BSG: z.B. BSGE 3, 124, 128; BSGE 4, 70, 73; BSGE 23, 280, 281 f. = SozR Nr. 4 zu § 89 AVAVG; BSGE 54, 34, 36 = SozR 2200 § 1265 Nr. 66).

Der für den notwendigen Unterhalt des Klägers erforderliche genaue Betrag ist somit eigentlich nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln (BGH, NJW 1969, 919; KG, NJW 1978, 2302; Beitzke, Familienrecht, 23. Aufl. 1983, § 24 1 2 b; Bochumer Kommentar zum SGB - Allgemeiner Teil, 1979, BochKomm./Heinze, § 48 Rdnr. 12; Grüner u.a., a.a.O., Anm. II 4; Schönefelder/Kranz/Wanka, a.a.O., § 123 AFG a.F. Rdnr. 2; Soergel/Lange, BGB mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Band 6, 11. Aufl. 1981, § 1361 BGB Rdnr. 13; vgl. auch BSGE 23, 280, 282). Ein solches Verfahren wird für die Anwendung des § 48 Abs. 1 SGB I jedoch nicht verlangt. So besteht bereits von einem rein unterhaltsrechtlichen Standpunkt aus ein Bedürfnis nach einer gewissen Pauschalierung des Mindestselbstbehalts Unterhaltspflichtiger. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit sind bloße Billigkeitsentscheidungen zu vermeiden, welche durch die Unbestimmtheit dieses Begriffes nahegelegt werden und die Gefahr individueller Fehleinschätzungen in sich bergen (vgl. Erman/Heckelmann, a.a.O., § 1361 Rdnr. 8; Gernhuber, a.a.O., § 21 II 7; Huvale, ZBlJugR 1982, 577, 578 f.; Köhler, a.a.O., Rdnr. 29). Vielmehr verlangt der normative Charakter des Begriffes "notwendiger Unterhalt" nach einer möglichst allgemeingültigen Richtschnur für die Beurteilung von Regelfällen. Insofern wird der Mindestselbstbehalt weniger durch die individuellen Lebensumstände des Unterhaltspflichtigen, als vielmehr durch das Erfordernis bestimmt, die Grenzen der Inanspruchnahme generalisierend festzulegen (BGH, FamRZ 1982, 365, 366). Schließlich wäre eine detaillierte Prüfung der Notwendigkeit jeder einzelnen Ausgabe zum Lebensunterhalt nicht nur praktisch undurchführbar, sondern verletzte auch die Menschenwürde des Betroffenen; denn es erscheint grundgesetzlich (Art. 1 Abs. 1, 6 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG) geboten, gerade auch im Unterhaltsrecht dem einzelnen einen mehr oder weniger pauschal berechneten Betrag oberhalb des absoluten Existenzminimums zu belassen, den er in den vorgegebenen engen Grenzen nach eigenem Gutdünken zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verwenden kann (vgl. Göppinger/Wenz a.a.O., Rdnr. 1150). Diesen Gesichtspunkten hat der Gesetz- und Verordnungsgeber nicht nur durch § 22 BSHG (Gewährung von laufenden Sozialhilfeleistungen nach Regelsätzen; vgl. dazu auch Stolleis, NDV 1981, 99 ff.), sondern hinsichtlich des Unterhalts für minderjährige eheliche und nichteheliche Kinder auch durch §§ 1610 Abs. 3, 1612a, 1615 f. BGB (Regelunterhalt) Rechnung getragen.

Diese Erwägungen gelten erst recht für den Anwendungsbereich des § 48 Abs. 1 SGB I. Er gestattet eine schematisierte Feststellung des Mindestselbstbehalts des Leistungsberechtigten und befugt hierzu mithin auch die Beklagte (im Ergebnis ebenso: Koch/Hartmann/Casselmann, Die Rentenversicherung im SGB, Kommentar, Stand 1983, § 48 SGB I Rdnr. 10; Maier, SGb, 1976, 305, 307). Nur auf diese Weise kann sie nämlich den mit einer ins einzelne gehenden Prüfung verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwand vermeiden, der dem Charakter der Abzweigung als "Soforthilfemaßnahme" zuwiderliefe (Maier/Hannemann/Laufer/Konieczka/Eibs, SGB I, Text und Erläuterung zur Rentenversicherung, 6. Aufl. 1983, § 48 Anm. 5; Sozialgesetzbuch-Sozialversicherung, Kommentar zum gesamten Recht der Sozialversicherung einschließlich zwischenstaatlicher Abkommen und internationaler Übereinkommen, Stand 1983, SGB/SozVersGesKomm./Schroeter, § 48 SGB I Anm. 6; vgl. auch Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum SGB I, BT-Drucks. 7/868, S. 31; dazu BSG vom 18. August 1983 - 7 RAr 101/81 - a.a.O.). Abgesehen davon dürften sich, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, unter dem Gesichtspunkt des Umfangs der Mitwirkungspflichten der Beteiligten nach §§ 60 ff. SGB I Schwierigkeiten ergeben, wenn in allen Abzweigungsfällen eine nähere Tatsachenermittlung erforderlich wäre. Ferner ist zu berücksichtigen, daß die Beklagte - anders als die Familiengerichte - nicht endgültig über die zwischen dem Kläger und der Beigeladenen bestehenden Unterhaltsansprüche zu befinden hat; vielmehr können diese unabhängig davon den Zivilrechtsweg beschreiten (Göppinger, a.a.O., Rdnr. 1470; Grüner u.a., a.a.O., Anm. III 3; Maier, a.a.O., S. 307).

Allerdings kann die Beklagte die für Leistungsbezieher maßgebenden Selbstbehaltssätze nicht nach Belieben festlegen. Sie hat dabei nicht nur allgemeine Prinzipien, wie Vorhersehbarkeit ihrer Entscheidungen, Gleichbehandlung der Betroffenen und Interessenausgleich zwischen den Unterhaltsbeteiligten, zu beachten (vgl. dazu Christian, ZBlJugR 1982, 559, 560 f.; Puls, ZBlJugR 1982, 603 f.). Die von ihr angesetzten Beträge müssen auch insofern einen ausreichenden Realitätsbezug haben, als es sich um ordnungsgemäß ermittelte Durchschnittswerte für den Unterhaltsbedarf von Personen in vergleichbarer Lebensstellung handeln muß (vgl. Göppinger, a.a.O., Rdnr. 614). Vor allem muß jedoch sichergestellt sein, daß dem Leistungsberechtigten kein geringerer Selbstbehalt belassen wird, als ihm unterhaltsrechtlich zusteht. Die Pauschalierungsmöglichkeit beseitigt nämlich nicht die Tatbestandsvoraussetzung der Unterhaltspflichtverletzung. Diese muß jeweils vorliegen, wenn und soweit eine Abzweigung vorgenommen werden soll.

Das von der Beklagten für die Festsetzung des Selbstbehalts des Klägers zugrunde gelegte Pauschalierungsmodell entspricht den vorstehend aufgeführten Bedingungen nicht. Die Tabellenwerte der Anlage zu § 850c ZPO i.d.F. des 4. Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen vom 28. Februar 1978 (BGBl. I S. 333) sind nämlich jedenfalls für eine pauschalierte Bestimmung des notwendigen Eigenbedarfs eines Unterhaltsschuldners im Jahre 1981 ungeeignet gewesen. Allerdings ist der Beklagten zuzugeben, daß der Pfändungsfreibetrag nach § 850c ZPO an sich als Mindestselbstbehalt des Klägers ausreichen müßte, da er die Obergrenze des gegenüber Unterhaltsgläubigern zu belassenden notwendigen Unterhalts eines Vollstreckungsschuldners sein soll (§ 850d Abs. 1 Sätze 2 und 3 ZPO). Für eine Anwendbarkeit der Tabellenwerte spricht darüber hinaus, daß sie nach dem Schutzgedanken des Sozialstaatsprinzips die Regelungen des BSHG insoweit ergänzen sollen, als sie Vollstreckungsmaßnahmen dort eine Grenze setzen, wo diese die menschenwürdige Existenz des Schuldners gefährden würden (Behr, RPfleger 1981, 382; Entwurf der Bundesregierung zum 4. Gesetz zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen, BT-Drucks. 8/693, S. 45; vgl. auch allgemein Stein/Jonas/Münzberg, a.a.O., 7. Lfg. 1981, § 811 Rdnrn. 1 ff.). Diese Gesichtspunkte mögen zwar der Grund dafür sein, daß die Pfändungsfreigrenzen in Rechtsprechung (z.B. LSG Niedersachsen, RSpDienst 0500 § 48 SGB I, S. 1; LSG Niedersachsen, KVRS A-2130/2; vgl. bereits zu § 114 ZPO a.F.: BSG SozR Nr. 5 zu § 167 SGG) und Literatur (Grimm, SozVers 1982, 169, 172; MünchKomm./Köhler, a.a.O., § 1603 Rdnr. 21; Rassow, FamRZ 1969, 515; Staudinger/Gotthardt, a.a.O., § 1603 BGB Rdnr. 37) teilweise als brauchbare Anhaltspunkte für eine pauschale Bemessung des notwendigen Unterhalts angesehen werden, wobei allerdings vereinzelt eine zusätzliche Kontrollberechnung anhand der Vorschriften des Sozialhilferechts vorgenommen wird (LSG Niedersachsen, RSpDienst, a.a.O., S. 3; Grimm, a.a.O.). Dem vermag sich der Senat jedoch aus folgenden Gründen nicht anzuschließen:

Es widerspricht bereits dem Wesen der Pfändungstabelle, sie für die Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen heranzuziehen. Dadurch werden in systemwidriger Weise Elemente des Erkenntnis- und des Vollstreckungsverfahrens miteinander vermengt (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, SozVers 1974, 274, 275). Der § 48 SGB I verbindet zwar beide Verfahrensarten, denn diese Bestimmung hat einerseits in Hinblick auf die angeordnete Abzweigung vollstreckungsähnlichen Charakter, andererseits setzt sie eine materiell-rechtliche Prüfung entsprechend einem Erkenntnisverfahren voraus. Daraus folgt jedoch nicht, daß man das Tatbestandsmerkmal der Unterhaltspflichtverletzung einfach anhand von vollstreckungsrechtlichen Kriterien bestimmen dürfte. Vielmehr ist dafür - wie bereits ausgeführt - allein das Familienrecht maßgebend. Soweit die Beklagte zur Begründung der Anwendbarkeit der Anlage zu § 850c ZPO auf die §§ 53 und 54 SGB I oder auch auf die §§ 51, 52 SGB I verweist, erscheint dies in diesem Zusammenhang verfehlt, weil diese Vorschriften - anders als § 48 SGB I - eine bereits durch Urteil, Bescheid oder auf ähnliche Weise festgestellte Forderung voraussetzen, während es in Fällen der vorliegenden Art gerade an einem Unterhaltstitel fehlt.

Auch sonst bestehen zwischen der Festlegung eines Mindestselbstbehalts im Rahmen des Unterhaltsrechts und der Belassung eines Pfändungsfreibetrages im Rahmen der Zwangsvollstreckung wesensmäßige Unterschiede. Insbesondere ist eine Pfändung regelmäßig von vorübergehender Natur, was sich auch in der Höhe der Tabellenwerte widerspiegelt (vgl. Arnold, BB 1978, 1314, 1316). Wenn sich die pfändungsfreien Beträge mit steigendem Einkommen ebenfalls erhöhen, so mag dies aus vollstreckungsrechtlicher Sicht sinnvoll erscheinen, um für den Schuldner einen Leistungsanreiz zu schaffen; diese Regelung widerspricht jedoch Grundprinzipien des Unterhaltsrechts. Dies gilt jedenfalls insoweit, als sich der Unterhaltspflichtige - wie hier - mit dem Mindestselbstbehalt begnügen muß. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der notwendige Eigenbedarf nämlich keine flexible Größe, sondern grundsätzlich ein fester Betrag, der sich entsprechend seiner Orientierung am Sozialhilfeniveau nur im Zuge der Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungskosten oder mit Rücksicht auf den Eintritt besonderer Bedarfslagen verändern kann. Ein höherer Selbstbehalt kommt sonst allenfalls dann in Betracht, wenn sich der angelegte Maßstab ändert, d.h., bei einem Wechsel vom "notwendigen" zum "angemessenen" Unterhalt. Dies setzt nach der dargestellten Systematik des Unterhaltsrechts jedoch voraus, daß der Betreffende seiner gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber seinem Ehegatten und den minderjährigen unverheirateten Kindern nachgekommen ist, indem er zunächst mindestens deren notwendigen Lebensunterhalt sichergestellt hat.

Ein weiterer erheblicher Nachteil der Pfändungsfreigrenzen ist die geringe Höhe der Beträge im unteren Bereich der Tabelle, die gerade im vorliegenden Falle relevant sind. Die fraglichen Werte lassen es nämlich auch in Fällen, in denen keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, nicht als ausgeschlossen erscheinen, daß der Betroffene bei einer strikten Anwendung dieser Sätze sozialhilfebedürftig wird (vgl. OLG Düsseldorf, RPfleger 1979, 469, 470; Sonnenberg, NDV 1983, 291 ff.). Dieser Umstand zeigt sich nicht zuletzt daran, daß die bei der eigentlich strengeren Pfändung nach § 850d ZPO von den Gerichten angewandten Richtsätze zur Festsetzung des Notbedarfs - jedenfalls vor der Novellierung der Pfändungsfreibeträge durch das 5. Änderungsgesetz vom 8. März 1984 (BGBl. I S. 361) - höher lagen, als die unteren Tabellenwerte (vgl. z.B. LG Hannover, JurBüro 1981, 294; Behr, RPfleger 1981, 382, 387 Fußnote 62; Henze, RPfleger 1980, 556f.). Der Grund dafür ist vor allem darin zu sehen, daß die Tabellenwerte ihrer Zweckbestimmung entsprechend den Pfändungsschutz - auch im Interesse des Schuldners an einer ausreichenden Kreditfähigkeit - auf das Notwendigste beschränken (vgl. Arnold, BB 1978, 1314, 1316). Das Risiko des Eintritts von Sozialhilfebedürftigkeit bei Anwendung der Tabelle wird im Vollstreckungsrecht dadurch aufgefangen, daß § 850f. ZPO auf Antrag des Schuldners eine Anhebung des Freibetrages ermöglicht (Regierungsentwurf eines 2. Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen, BT-Drucks. IV/3303, S. 16; vgl. auch Stöber, RPfleger 1977, 117, 120). Daraus erklärt sich wohl auch, daß der Gesetzgeber die Pfändungsfreibeträge in letzter Zeit nur alle sechs Jahre, d.h. zum 1. April 1972, 1978 und 1984 angehoben hat, während die Regelsätze nach dem BSHG durchschnittlich alle eineinhalb Jahre erhöht worden sind (vgl. dazu Behr, JurBüro 1979, 306 f.; Göppinger/Wax, a.a.O., Rdnr. 3307; Huvale, ZBlJugR 1974, 245, 255 f.; Köhler, a.a.O., Rdnr. 80a; Sonnenberg, NDV 1983, 291 ff.).

Die knappe Bemessung der Freibeträge im unteren Tabellenbereich ebenso wie ihre schleppende Anpassung an die Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungskosten mögen zwar im Regelungszusammenhang des Vollstreckungsrechts sachgerecht oder doch hinnehmbar erscheinen, sie stehen jedoch nicht im Einklang mit den dargestellten Anforderungen, welche an eine Pauschalierung des Mindestselbstbehalts im Unterhaltsrecht zu stellen sind.

Entgegen der Ansicht der Beklagten hält es der Senat nicht für schädlich, wenn sich zwischen den Pfändungsfreibeträgen im unteren Bereich der Tabelle zu § 850c ZPO und einem pauschaliert festgesetzten Mindestselbstbehalt des Klägers eine Differenz ergibt. Vielmehr erscheint dies als Folge der gesetzlichen Regelung unumgänglich. Die Frage einer Zugriffsmöglichkeit "normaler" Gläubiger unter Ausschluß der Beigeladenen dürfte sich bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung des Vollstreckungsrechts ohnehin nicht in der von der Beklagten angenommenen Schärfe stellen, da § 850 f. ZPO dem Kläger die Möglichkeit gibt, auch Vollstreckungsgläubigern gegenüber seinen notwendigen Unterhalt zu behaupten. Soweit dennoch ein gewisser Spielraum verbleibt, wäre er als notwendige Konsequenz der erlaubten Pauschalierung hinzunehmen. Er entspräche im übrigen auch den dargestellten unterschiedlichen Zweckbestimmungen von Pfändungsfreibetrag und Mindestselbstbehalt. Insoweit ist erneut darauf hinzuweisen, daß es der Beigeladenen unbenommen bliebe, sich einen Titel zu verschaffen, der dem Kläger einen geringeren Selbstbehalt beließe. Auf die zweifelhaften Erfolgsaussichten eines derartigen Versuchs hat der Kläger allerdings wohl zu Recht hingewiesen.

Mit der Ablehnung der Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO als geeignetes Bemessungsschema für den notwendigen Unterhalt des Klägers setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu seiner Entscheidung vom 18. August 1983 (SozR 1200 § 48 Nr. 7). Abgesehen davon, daß in dem dortigen Falle Unterhaltstitel vorlagen, die über die nach der Pfändungstabelle abgezweigten Beträge hinausgingen, handelte es sich bei den Unterhaltsberechtigten um minderjährige nichteheliche Kinder, deren Unterhaltsanspruch sich unmittelbar aus § 1615 f. BGB in Verbindung mit der Verordnung zur Berechnung des Regelunterhalts (Regelunterhalts-Verordnung) in der seinerzeit gültigen Fassung ergab, da ihr im Verfahren beigeladener Vater weder gem. § 1615h BGB eine Herabsetzung des Regelunterhalts verlangt noch sich gegen die erfolgte Abzweigung von Teilbeträgen seines Arbeitslosengeldes gewandt hatte. Insofern hatte weder die Beklagte noch der Senat über den Mindestselbstbehalt des Vaters, vielmehr allein darüber zu entscheiden, ob die Abzweigungshöhe über die Pfändungsfreigrenze des § 850c ZPO hinaus nach § 850d ZPO zu berechnen war. Wenn der Senat in diesem Zusammenhang die Tabelle zu § 850c ZPO als zulässigen Maßstab für die Feststellung der angemessenen Höhe des Abzweigungsbetrages angesehen hat, so lag dies insbesondere mit Rücksicht darauf nahe, daß die Entscheidung der Beklagten darüber von vollstreckungsähnlicher Natur war (vgl. BSGE 33, 175, 176). Bei feststehenden Unterhaltsforderungen ergeben sich nämlich zwischen dem Verfahren nach § 48 SGB I und den Regelungen in den §§ 51 bis 54 SGB I in dieser Beziehung - insoweit besteht Übereinstimmung mit der Beklagten - durchaus Parallelen.

Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, daß sich bei einer Bemessung des Mindestselbstbehalts abweichend von den o.a. Tabellenwerten eine Ungleichbehandlung von Leistungsberechtigten ergeben kann, je nachdem, ob gegen diese ein Unterhaltstitel vorliegt oder nicht. Die daraus abgeleiteten Bedenken vermag der Senat jedoch nicht zu teilen. Eine derartige Differenzierung wäre nämlich nicht willkürlich, da sie sich aus den bereits angesprochenen Unterschieden zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren ergäbe. Einen ihn über Gebühr belastenden Titel kann der Unterhaltsschuldner im übrigen auf dem dafür vorgesehenen Weg (z.B. gem. § 323 ZPO) abändern lassen. Ob die Beklagte im Rahmen ihres Ermessens befugt wäre, den Selbstbehalt in der Zwischenzeit - ggf. vorläufig - nach den neuen wirtschaftlichen Verhältnissen des Leistungsberechtigten festzulegen, hat der Senat im vorliegenden Falle nicht zu entscheiden. Im übrigen läßt sich auch mit der jetzigen Praxis der Beklagten keine völlige Gleichbehandlung der Leistungsbezieher in Fällen mit und ohne Titel erreichen. Weist nämlich ein Unterhaltstitel einen geringeren Betrag aus, als nach § 850c ZPO pfändbar wäre, und haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltsgläubigers zwischenzeitlich derart verschlechtert, daß jetzt ein höherer materieller Unterhaltsanspruch besteht, würde und könnte die Beklagte dem angesichts des vorhandenen Titels grundsätzlich keine Rechnung tragen (vgl. BSG SozR 1200 § 48 Nr. 3).

Erheblich schwerer wiegt dagegen der Einwand des Klägers, daß er durch die jetzige Verfahrensweise der Beklagten im Vergleich zu einem erwerbstätigen Unterhaltsschuldner ungerechtfertigt benachteiligt würde. Letzterem gegenüber müßte nämlich eine getrenntlebende Ehefrau zunächst einen Unterhaltstitel erwirken, wobei abzusehen ist, daß sich das angerufene Familiengericht bei seiner Entscheidung an der Rechtsprechung des zuständigen OLG orientieren würde. Aus diesem Umstand ergibt sich zwar noch keine Verpflichtung der Beklagten, die Höhe des Selbstbehalts des Klägers unter strikter Anwendung der Richtlinien des OLG Schleswig (DAVorm 1981, 192 f.) festzusetzen. Wenn nämlich die Beklagte ergangene Unterhaltsurteile von Familiengerichten bei ihrer Abzweigungsentscheidung berücksichtigt, so entspricht dies dem Grundsatz der Rechtssicherheit und dem Gewaltenteilungsprinzip (BSG SozR 1200 S. 48 Nr. 3). Hingegen entfällt dadurch nicht von vornherein ihr Ermessensspielraum in Fällen, in denen kein Unterhaltstitel vorliegt, zumal insoweit - wie bereits ausgeführt keine Gleichbehandlungspflicht besteht. Dies heißt jedoch nicht, daß die Beklagte den Kläger ohne ersichtlichen Grund im Rahmen des § 48 Abs. 1 SGB I wesentlich schlechter stellen dürfte als einen vor dem Familiengericht verklagten Unterhaltspflichtigen. Differenzen von über 10%, wie sie die Beklagte für den Kläger zwischen einem Pfändungsfreibetrag von 666,10 DM - tatsächlich sind dem Kläger nur 665,16 DM monatlich belassen worden - und dem Mindestselbstbehalt z.B. nach der Düsseldorfer Tabelle in Höhe von 750,- DM errechnet, stellen sich gerade im unteren Einkommensbereich als so erheblich dar, daß es schwerwiegender Gesichtspunkte bedürfte, um eine derartige Schlechterstellung zu rechtfertigen. Da der Senat solche weder in den von der Beklagten vorgebrachten Bedenken noch aus sonstigen Gründen zu erblicken vermag, besteht für ein Festhalten an der Tabelle zu § 850c ZPO kein rechtfertigender Anlaß.

Ist es gerade ein wesentlicher Zweck des § 48 SGB I, Unterhaltsprozesse zu vermeiden (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum SGB I, a.a.O.), muß sich die Beklagte bei der ihr zugestandenen Pauschalierung des Mindestselbstbehalts weitgehend an die familiengerichtliche Praxis anlehnen. Dem wird die jetzige Verfahrensweise nicht gerecht; sie ist sogar geeignet, Anlaß für jedenfalls teilweise unnötige Verfahren vor Zivil- bzw. Sozialgerichten zu geben. Dies beruht nicht nur auf den dargestellten Unzuträglichkeiten einer Anwendung der Pfändungsfreigrenzen bei der Feststellung einer Unterhaltspflichtverletzung, sondern liegt auch an weiteren Widersprüchlichkeiten. So gibt die Beklagte hier z.B. einerseits an, sie wolle den Ehegattenunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle berechnen, andererseits läßt sie jedoch den darin ausgewiesenen Selbstbehaltsbetrag unberücksichtigt.

Der Senat pflichtet dem LSG demgegenüber bei, daß die Düsseldorfer Tabelle insgesamt, d.h. auch hinsichtlich der pauschalierten Feststellung des unterhaltsrechtlichen Selbstbehalts des Leistungsberechtigten i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB I ein geeigneter Maßstab ist. Zwar mögen auch bei ihr verschiedene kritische Punkte aufgezeigt werden können (s z.B. Huvale, ZBlJugR 1982, 577, 580 ff.), diese treten jedoch gegenüber den auch vom LSG benannten Vorteilen zurück. Diese Tabelle hat nämlich nicht nur - wenn auch z.T. mit Modifikationen - bei den Familiengerichten eine besonders weite Verbreitung erlangt (vgl. die Gesamtübersicht, NJW 1981, 963 ff.), sondern auch in die sozialrechtliche Praxis Eingang gefunden (z.B. LVA Rheinprovinz, AmtlMittLVA Rheinpr 1976, 548, 549). Wie sich aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt, wird die Düsseldorfer Tabelle auch von ihr als Richtlinie für die Feststellung von Unterhaltspflichten grundsätzlich akzeptiert. Darüber hinaus sind die unterhaltsrechtlichen Grundsätze des OLG Düsseldorf vom BGH bislang unbeanstandet geblieben (z.B. BGHZ 70, 151, 155; BGH, FamRZ 1979, 692, 694, FamRZ 1981, 241, 242, FamRZ 1982, 365, 366; FamRZ 1982, 587, 588). Auch in der Rechtsprechung des BSG hat die Tabelle bereits Berücksichtigung gefunden (BSG SozR 3100 § 48 Nr. 2; vgl. allerdings, BSGE 52, 83, 86 SozR 2200 § 1265 Nr. 56). Schließlich spricht für sie, daß sie wie im übrigen auch die Sätze anderer OLGe - zeitgleich und in betragsmäßiger Anlehnung an die Erhöhung der Regelunterhaltsbeträge für Minderjährige angepaßt wird (vgl. Palandt/Diederichsen, a.a.O., (1610 Rdnr. 1).

Es ist deshalb von Rechts wegen nicht zu beanstanden, wenn das LSG es für zulässig hält, daß die Beklagte bei Anwendung des § 48 Abs. 1 SGB I ganz allgemein von den pauschalierten Unterhaltswerten der Düsseldorfer Tabelle ausgeht. Eine Rechtspflicht, von vorneherein insoweit regionale Unterschiedlichkeiten zu berücksichtigen, also z.B. die Rechtsgrundsätze der einzelnen OLGe zugrunde zu legen, die für die jeweiligen Bereiche der zur Entscheidung berufenen Arbeitsämter zuständig sind, vermag der Senat nicht zu erblicken. Durch eine derartige Anknüpfung etwa an das zuständige Arbeitsamt wäre ohnedies nicht in jedem Falle zu erreichen, daß die Rechtsprechung des OLG Berücksichtigung findet, welches auch in einem Unterhaltsprozeß zwischen den Beteiligten zu entscheiden hätte; denn die örtliche Zuständigkeit der Familiengerichte hängt naturgemäß von anderen Gegebenheiten ab als die der Arbeitsämter, zumal da man sie mit Rücksicht auf die Wahlmöglichkeiten eines gedachten Klägers vorab ohnedies nicht genau bestimmten könnte. Hinzu kommt, daß die Rechtsprechungsgrundsätze der verschiedenen OLGe z.T. nicht unerhebliche Unterschiede bei den Sätzen des Mindestselbstbehalts aufweisen (vgl. den Überblick in NJW 1981, 963 ff.). Dieser Umstand läßt auf eine von OLG zu OLG jeweils verschiedene Handhabung schließen, soweit nicht regionale Unterschiede, z.B. ein höheres Wohnungsmietniveau in großstädtischen Bereichen, dafür ursächlich sind. Wenn einzelne OLGe dabei von unterschiedlich hohen Selbstbehaltssätzen eines Unterhaltspflichtigen gegenüber seinem getrenntlebenden Ehegatten und seinen minderjährigen unverheirateten Kindern auszugehen (so z.B. OLG Schleswig, DAVorm 1982, 318), erscheint dies zudem bedenklich, da diese Unterhaltsberechtigten - wie bereits ausgeführt - vom Gesetz grundsätzlich gleichgestellt werden (vgl. § 1609 Abs. 2 Satz 1 BGB). Zu beachten ist jedenfalls, daß es sich lediglich um Mindestbeträge handelt, die der Rechtsprechung als Orientierungshilfe dienen, wenn der Eigenbedarf des Unterhaltspflichtigen entsprechend den Umständen des Einzelfalles ggf. auch höher festgesetzt wird (vgl. z.B. Erman/Heckelmann, a.a.O., § 1361 Rdnr. 8; Göppinger, a.a.O., Rdnr. 618).

Angesichts der dargestellten Abhängigkeit des Rechts (und der Pflicht) zur Abzweigung von einer im Einzelfalle festgestellten Unterhaltsverletzung, könnte die Beklagte allerdings dann gehalten sein, nicht die Werte der Düsseldorfer Tabelle, sondern die in dem konkreten Einzelfalle geltenden anderen Werte zugrunde zu legen, wenn ein Leistungsberechtigter i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB I dieses konkret geltend macht. Ob und in welchem Umfange in solchen Fällen die Prüfung der Unterhaltspflicht nach den für den betreffenden Fall maßgeblichen Richtlinien des zuständigen OLG oder sogar nach den ganz individuellen Verhältnissen zu erfolgen hat, bedarf vorliegend jedoch keiner Entscheidung, da der Kläger sich nicht mehr gegen die Auffassung des LSG gewandt hat, daß in seinem Falle hierfür von den Werten der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1. Januar 1980, NJW 1980, 107 f; NJW 1981, 983 ff.) auszugehen ist. Daraus ergibt sich zugleich seine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit; denn bei dem - unbeanstandet - angenommenen Eigenbedarf des Klägers von 750,- DM monatlich steht ein Teilbetrag der Alhi von 154,80 DM zur Erfüllung von Unterhaltspflichten zur Verfügung. Jedenfalls ein Teil davon steht der Beigeladenen neben dem unterhaltsberechtigten Sohn Thomas zu (§ 1609 Abs. 2 Satz 1 BGB), so daß der Kläger ihr gegenüber seine Unterhaltspflicht verletzt hat.

Aus der Feststellung des Selbstbehalts des Klägers im vorliegenden Falle anhand der Düsseldorfer Tabelle ergibt sich jedoch noch nicht ohne weiteres der Umfang seiner Unterhaltspflichtverletzung gegenüber der Beigeladenen. Vielmehr ist darüber hinaus grundsätzlich der Unterhaltsanspruch der Beigeladenen der Höhe nach zu bestimmen; denn dieser bildet - wovon auch die Beklagte ausgeht -gleichzeitig die Obergrenze für eine mögliche Abzweigung zugunsten der Beigeladenen (so z.B. auch Peters/Hommel, SGB-Allgemeiner Teil, Stand April 1983, § 48 Anm. 3). Anders verhielte es sich lediglich dann, wenn die dem Kläger gewährte Alhi den ihm zunächst pauschal zuzugestehenden Selbstbehaltssatz gar nicht überstiege.

Der Unterhaltsanspruch der Beigeladenen wird im vorliegenden Falle nicht nur durch die Höhe des Selbstbehalts des Klägers beschränkt, sondern auch durch den gleichrangigen Unterhaltsanspruch des minderjährigen Sohnes des Klägers beeinflußt. Eine solche Sachlage verlangt eine grundsätzlich unterhaltsrechtliche Aufteilung der den Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen übersteigenden Alhi.

Zwar mag es bei einer ausreichenden Höhe des verfügbaren Einkommens durchaus zu sachgerechten Ergebnissen führen, den Unterhaltsanspruch des Kindes vorab vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abzuziehen; diese Verfahrensweise erscheint mit Rücksicht auf § 1609 Abs. 2 Satz 1 BGB jedoch zumindest dann nicht zulässig, wenn der verbleibende Restbetrag - wie hier - nicht ausreicht, um den notwendigen Lebensunterhalt beider Ehegatten zu bestreiten (vgl. Gernhuber, a.a.O., § 21 II 3). Gleiches gilt auch für eine quotenmäßige Aufteilung des Einkommens zwischen den Ehegatten, wobei zu der Berechnung, welche die Beklagte in der Revisionsbegründungsschrift angestellt hat, noch anzumerken ist, daß der dem einkommenslosen Ehegatten nach der Düsseldorfer Tabelle zugebilligte Anteil vom Einkommen des anderen Ehegatten je nach dem, ob dieser erwerbstätig ist oder nicht, alternativ 3/7 (entsprechend 42,86%) bzw. 45% - und nicht 45% von 3/7 (entsprechend 19,29%) - beträgt.

Für die Feststellung der Mindestbedarfe von Ehegatten und Kindern kann die Beklagte in der gleichen Weise wie beim Unterhaltspflichtigen von pauschalen Werten ausgehen. Für die Beigeladene kann dieser Betrag der Höhe nach grundsätzlich dem Selbstbehalt des Klägers entsprechen (vgl. OLG Frankfurt/M., FamRZ 1978, 433). Im einzelnen kann dessen Höhe hier dahingestellt bleiben, da für die Beigeladene neben dem wöchentlich an das Jugendamt ausbezahlten Betrag von 32,31 DM (= monatlich 140,- DM) nur noch ein Betrag in Höhe der Differenz zu monatlich zur Verfügung stehenden 154,80 DM, nämlich 14,80 DM übrig bleibt. Eine höhere Auszahlung an die Beigeladene würde den dem Kläger zustehenden Selbstbehalt antasten. Die zugunsten des Sohnes erfolgte Abzweigung muß sich die Beigeladene deshalb entgegenhalten lassen, weil der diese Abzweigung anordnende Bescheid vom 29. April 1981 auch ihr gegenüber bestandskräftig geworden ist; dessen Inhalt ist ihr in dem an sie gerichteten Bescheid vom gleichen Tage bekannt gegeben worden.

Die angefochtene Abzweigungsentscheidung ist nach allem ermessensfehlerhaft, weil sie der Höhe nach zusammen mit der Abzweigung zugunsten des Sohnes über den Betrag von 154,80 DM im Monat (entsprechend 35,72 DM in der Woche) hinausgeht, der äußerstenfalls für Unterhaltszahlungen zur Verfügung steht.

Wegen des Mindestbedarfs des Sohnes des Klägers bedarf es im vorliegenden Falle keiner weiteren Erörterungen; denn streitig ist hier lediglich noch die Abzweigung an die Beigeladene. Die Beklagte wird somit erneut eine Ermessensentscheidung über das Abzweigungsbegehren der Beigeladenen zu treffen und hierbei als Obergrenze den Betrag von 3,41 DM wöchentlich (35,72 - 32,31) zu berücksichtigen haben. Die angemessene Höhe des danach auszuzahlenden Betrages kann sie im übrigen im Rahmen des ihr eingeräumten Beurteilungsspielraumes festlegen (BSG SozR 1200 § 48 Nr. 7).

Dem entspricht im Ergebnis das angefochtene Urteil. Die Revision der Beklagten kann folglich keinen Erfolg haben und muß zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.7 RAr 18/83

Bundessozialgericht

Verkündet am

20. Juni 1984

 

Fundstellen

BSGE, 59

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