Verfahrensgang

SG Aachen (Urteil vom 12.01.1982)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 12. Januar 1982 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger begehrt Mutterschaftsgeld für die Zeit vom 3. November 1980 bis zum Ablauf der Zeit von sechs Monaten nach dem 6. September 1980 – Tag der Geburt seines Sohnes –.

Mit Bescheid vom 9. Oktober 1980 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Den Widerspruch des Klägers wies sie zurück mit der Begründung, Mutterschaftsgeld für die Zeit des Mutterschaftsurlaubs könne nur von den leiblichen Müttern in Anspruch genommen werden.

Das Sozialgericht (SG) hat die dagegen gerichtete Klage zurückgewiesen und ausgeführt, gem § 13 idF des Gesetzes zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubes vom 25. Juni 1979 (BGBl I 797 –MuSchG–) stehe das Mutterschaftsgeld für die Zeit des Mutterschaftsurlaubs nach § 8a MuSchG nur Frauen zu. Die Bestimmungen seien nicht verfassungswidrig, soweit danach die Inanspruchnahme durch Väter ausgeschlossen sei. Insbesondere sei das Gebot der Gleichberechtigung nicht verletzt, wenn biologisch-geschlechtliche Vorgänge und die daraus resultierenden oder gesteuerten physischen und psychischen Eigenschaften der Geschlechter eine unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen rechtfertigten. Die Gewährung von Mutterschaftsgeld beruhe auf einem solchen biologischen Unterschied. Nach den Gesetzesmaterialien sei die unterschiedliche Behandlung von erwerbstätigen Männern und Frauen im wesentlichen auf die bei Frauen bestehenden biologischen Besonderheiten zurückzuführen. Diese Besonderheiten seien auch objektiv gegeben. In seinem überzeugenden Gutachten habe der Facharzt für innere Krankheiten Dr. S. ausgeführt, mit dem Abschluß der gesetzlichen Schutzfrist nach der Niederkunft sei zwar die Rückentwicklung der mit der Schwangerschaft und Entbindung zusammenhängenden größeren organischen Veränderungen weitgehend vollzogen; dies gelte aber nicht für die Veränderungen im hormonellen und endokrinen Bereich, im autonomen Nervensystem und in der Psyche. Zur Abwehr konkreter Gesundheitsgefahren am Arbeitsplatz sollte der Mutter nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist von acht Wochen noch eine berufsfreie Zeit von mehreren Monaten gewährt werden.

Der Kläger hat Sprungrevision eingelegt und macht geltend, der Ausschluß der Väter vom bezahlten Mutterschaftsurlaub verstoße gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes (GG) sowie auch gegen die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L Nr. 39/40 = Richtlinie 76/207 EWG). Im Gesetzgebungsverfahren sei stets davon die Rede gewesen, daß die Mutter von der Doppelbelastung durch ihre Pflichten als Arbeitnehmerin und Mutter wenigstens in der ersten besonders wichtigen Lebensphase des Kindes entlastet werden sollte. Der Bundesrat habe eine unterschiedliche Behandlung von Vätern und Müttern als nicht begründet angesehen. Erst danach habe die Bundesregierung betont auf gesundheitliche Gründe abgestellt. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Mutterschaftsgeldes während des Mutterschaftsurlaubs durch Väter habe der Bundestag deshalb ausgeschlossen, weil der Entwurf sonst zustimmungsbedürftig geworden wäre. Der maßgebende Grund für die Einführung des Mutterschaftsurlaubs sei die Betreuung des Kindes und nicht der Gesundheitsschutz gewesen. Deshalb ende der Mutterschaftsurlaub vorzeitig, wenn das Kind sterbe. Gegen die gesundheitliche Argumentation spreche auch, daß der Mutterschaftsurlaub nicht zwingend vorgeschrieben, sondern in das Ermessen der einzelnen Frau gestellt worden sei. Art. 3 Abs. 2 GG verlange die völlige Gleichbehandlung von Männern und Frauen bis zu dem Punkt, an dem die Außerachtlassung von Unterschieden von Frauen und Männern Willkür bedeuten würde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 12. Januar 1982 und die Bescheide des Beklagten vom 9. Oktober 1980 und 9. Dezember 1980 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.125,– DM zu zahlen.

Gleichzeitig beantragt der Kläger, das Verfahren auszusetzen und durch einen Vorlagebeschluß gem § 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die §§ 8a, 8d und 13 MuSchG und die §§ 200, 200d Reichsversicherungsordnung insoweit verfassungswidrig sind, als von der Inanspruchnahme der durch diese Paragraphen geregelten Leistungen erwerbstätige Väter, die alternativ zur ebenfalls erwerbstätigen Mutter den Mutterschaftsurlaub in Anspruch nehmen wollen, ausgeschlossen sind sowie

das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof einen Antrag auf Vorabentscheidung nach Art. 177 des EWG-Vertrages vom 25. März 1957 vorzulegen mit folgendem Inhalt:

  1. Verstößt es gegen Art. 1, 2 und 5 Abs. 2 der Richtlinie 76/207/EWG, wenn nach Ablauf der achtwöchigen Mutterschutzfristen nach der Geburt ein Urlaub, der staatlicherseits mit der Zahlung des Nettoentgelts, höchstens aber mit 25,– DM pro Kalendertag, gefördert wird und bis zu dem Tag dauert, an dem das Kind sechs Monate alt wird, ausschließlich erwerbstätigen Müttern, nicht aber alternativ dazu bei einer entsprechenden Entscheidung der Eltern erwerbstätigen Vätern zusteht?
  2. Falls Frage 1. bejaht wird, sind die Art. 1, 2 und 5 Abs. 1 der Richtlinie 76/207/EWG in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar?

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist zurückzuweisen. Dabei ist richtige Beklagte – abweichend von der Parteibezeichnung durch das SG – die Bundesrepublik Deutschland. Das Bundesversicherungsamt ist eine Behörde des Bundes. Behörden kommt aber die Beteiligtenfähigkeit nach § 70 Nr. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nur zu, sofern das Landesrecht dies bestimmt. Eine solche Bestimmung kann für das Bundesversicherungsamt nicht gelten; nach Bundesrecht ist nur die Bundesrepublik Deutschland selbst beteiligtenfähig (BSGE 15, 127, 129).

Wenn hier die demgemäß beklagte Bundesrepublik auch noch beigeladen ist, so hatte der Senat diese Beiladung nicht von Amts wegen aufzuheben. Die Regel, daß Kläger und Beklagter verschiedene Personen sein müssen, mag zwar grundsätzlich auch für den Beigeladenen gelten. Sie wird aber schon für Kläger und Beklagten dahin eingeschränkt, daß der Insichprozeß ausnahmsweise zulässig ist, wenn ein Organ gegenüber einem anderen derselben juristischen Person oder gegenüber der Rechtsperson selbst wegen rechtlich verselbständigter Interessen aus einem abgegrenzten eigenen Sachbereich, der ihm anvertraut ist und für den es Rechtsmacht hat, gerichtlichen Schutz in Anspruch nehmen muß (BSGE 39, 260, 262). Im vorliegenden Fall ist die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland zulässig, zumal da es sich nur um eine einfache Beiladung handelt. Die beklagte Bundesrepublik Deutschland wird in Anspruch genommen, weil das Bundesversicherungsamt als die für die Zahlung des Mutterschaftsgeldes nach § 13 Abs. 2 Satz 2 MuSchG zuständige Stelle angesehen wird. Das berechtigte Interesse für ihre Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG ergibt sich dagegen aus der Rüge der Verfassungswidrigkeit der §§ 8a und 13 MuSchG.

Die Revision ist nicht begründet. Mit zutreffender Begründung hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Dem Kläger steht das begehrte Mutterschaftsgeld nicht zu. Die gesetzliche Regelung ist auch nicht verfassungswidrig.

Von der Leistung des Mutterschaftsgeldes ist der Kläger als Mann ausgeschlossen. Mutterschaftsgeld wird nach der hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 13 Abs. 3 MuSchG den nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Frauen für die Zeit ihres Mutterschaftsurlaubs nach § 8a MuSchG weitergezahlt. Anspruch auf Mutterschaftsurlaub nach § 8a MuSchG haben Mütter im Anschluß an die Schutzfrist des § 6 Abs. 1 – acht Wochen, nach Früh- und Mehrlingsgeburten zwölf Wochen nach der Entbindung – bis zu dem Tag, an dem das Kind sechs Monate alt wird. Das Mutterschaftsgeld steht nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 3 MuSchG nur Frauen zu. Dem Sinn des Gesetzes nach wird es für die Zeit des Mutterschaftsurlaubs gewährt, der Müttern zusteht. Durch die Bezeichnung als Mutterschaftsgeld und durch die Vorschrift, daß es „weitergezahlt” wird, stellt sich auch das Mutterschaftsgeld nach § 13 Abs. 3 MuSchG als Leistung dar, die wegen der besonderen Lage der Mutter vor und nach der Entbindung gewährt wird. Das Gesetz läßt eine Anwendung auf Väter weder seinem Wortlaut noch seinem Sinn nach zu.

Die Beschränkung des Mutterschaftsgeldes nach § 13 Abs. 3 MuSchG auf Frauen verstößt nicht gegen die Verfassung – insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 oder 2 GG. Nach Art. 3 Abs. 2 GG sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Die Bestimmung verbietet, daß der Geschlechtsunterschied einen beachtlichen Grund für Differenzierungen im Recht abgeben kann (Leibholz/Rinck GG-Komm Art. 3 RdNr. 31). Dazu wird die Meinung vertreten, Art. 3 Abs. 2 GG verlange die völlige Gleichbehandlung von Männern und Frauen bis zu dem Punkt, an dem die Außerachtlassung von Unterschieden Willkür bedeuten würde (Pfarr/Bertelsmann Lohngleichheit 1981 S 367). Die biologischen Unterschiede der Geschlechter sind nach dem Willen des Verfassungsgebers grundsätzlich unbeachtlich, solange sie nicht unterschiedliche Regelungen geradezu gebieten (BAG BB 1979, 890 mwN; vgl. auch Maunz/Dürig/Herzog GG-Komm Art. 3 Abs. 2 RdNr. 2). Das schließt aber Regelungen nicht aus, die im Hinblick auf die objektiven biologischen Unterschiede nach der Natur des jeweiligen Lebensverhältnisses zwischen Männern und Frauen differenzieren (BVerfGE 52, 357, 374 mwN; Leibholz/Rinck aaO). Aus solchen Unterschieden ergibt sich auch die Notwendigkeit, Bestimmungen zum Schutz der Frau als Mutter zu treffen (Leibholz/Rinck aaO RdNr. 34). Unvergleichbare Tatbestände sind auch nach Art. 3 Abs. 2 GG nicht einander gleichzusetzen; Tatbestände, die nur von einem Geschlecht verwirklicht werden können, verlangen eine rechtliche Differenzierung. Dazu gehören Regelungen, die bei Arbeitnehmerinnen einem Raubbau an Arbeitskraft und Gesundheit entgegenwirken sollen (vgl. Maunz/Dürig/Herzog aaO RdNr. 12, 13, 43).

Die für Männer und Frauen unterschiedliche Regelung des § 13 Abs. 3 MuSchG rechtfertigt sich im Hinblick auf die objektiven biologischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern aus der Natur dieses Lebensverhältnisses. Wegen der mit der Schwangerschaft und der Entbindung zusammenhängenden physischen und psychischen Veränderungen ist die Mutter über die Schutzfrist der acht Wochen nach der Entbindung hinaus schonungsbedürftig. Deshalb wird ihr mit der Regelung des § 13 Abs. 3 MuSchG die Möglichkeit gegeben, sich in dieser Zeit der fortbestehenden Schonungsbedürftigkeit von der besonderen Belastung aus einer Berufstätigkeit freistellen zu lassen (vgl. Wlotzke BArbBl 1979 Heft 9 S 9; Bulla/Buchner MuSchG Komm 5. Aufl RdNr. 6 vor § 8a; Gröninger/Thomas Mutterschutzgesetz Komm 1982 § 8a Erl 1). In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, daß der Gesetzgeber in seiner Gestaltungsfreiheit nicht zu stark eingeengt werden soll, wenn er positive Schutz- und Fürsorgepflichten verwirklicht (BVerfG NJW 1974, 1461).

Die mit der Schwangerschaft und der Entbindung zusammenhängenden und bis zum Ablauf des sechsten Monats nach der Geburt fortbestehenden physischen und psychischen Veränderungen der Mutter sind der gesetzgeberische Grund für die Einführung des Mutterschaftsurlaubs gewesen. Dabei handelt es sich um nur die Frau betreffende biologische Verhältnisse. Ausgesprochenes Ziel des Gesetzes war die Verbesserung des Gesundheitszustandes der Arbeitnehmerinnen und nicht etwa die Sicherstellung von Pflege und Erziehung des Kindes (Entschließung des Bundestages vom 10. Mai 1979 – Protokoll der 151. Sitzung S 12120 – entsprechend der Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung in BT-Drucks 8/2797 S 3). Nach der Begründung zum Regierungsentwurf sollte die im Arbeitsverhältnis stehende Mutter vor der Doppelbelastung als Mutter und Arbeitnehmerin gerade in einer Zeit entlastet werden, in der sie noch weiterer Schonung bedarf (BT-Drucks 8/2613 S 1). Die hier erwähnte Doppelbelastung hätte zwar auch der Vater, wenn er seiner Arbeit nachgehen müßte und das Kind betreuen und pflegen wollte. Indessen hat der Gesetzgeber die Lage der Mutter anders beurteilt und gerade deshalb verbessern wollen, weil sie die Doppelbelastung in einem geschwächten körperlichen und psychischen Zustand bewältigen müßte. Dem Bundesrat, der auf einen Elternteilsurlaub hinwirken wollte, hielt die Bundesregierung entgegen, daß die Mutter über die achte Woche hinaus noch der weiteren Schonung bedürfe (BT-Drucks 8/2613 S 21). Der damalige Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung bezeichnete die Regelung des Gesetzentwurfs in der Plenarsitzung des Bundesrates als Fortentwicklung des Mutterschutzes und lehnte ausdrücklich „wegen dieses vorrangigen Zieles” eine Einbeziehung der Väter ab (Protokoll der Plenarsitzung des Bundesrates Nr. 469 S 25 A). Bei der zweiten und dritten Beratung des Entwurfs im Bundestag wurde von den Vertretern der Regierungskoalition hervorgehoben, die Mutter, die acht Wochen nach der Entbindung wieder erwerbstätig sein solle, sei gesundheitlich und psychisch noch geschwächt, ihr solle die Chance zur Regeneration eröffnet werden (Protokoll der 151. Sitzung S 12077 C und D). Allerdings ist auch gesagt worden, ein Elternschaftsurlaub, der auch Vätern zustehen könnte, habe wegen der Zustimmungsbedürftigkeit eines solchen Gesetzes durch den Bundesrat nicht eingeführt werden können (aaO S 12080 D; 12092 B). Diese Erwägung spricht aber entgegen der Meinung des Klägers nicht für die Verfassungswidrigkeit des § 13 Abs. 3 MuSchG, denn es ist dafür unerheblich, aus welchen Gründen einzelne Abgeordnete des Bundestags die Regelung für notwendig gehalten haben. Entscheidend ist allein, daß der Gesetzgeber sich im Ergebnis auf eine Maßnahme zum Gesundheitsschutz der Mutter beschränkt hat. Andere Äußerungen von Abgeordneten stehen diesem Ziel nicht entgegen. So wurde ausgeführt, daß es notwendig sei, der Arbeitnehmerin die Möglichkeit zu geben, sich wenigstens in den ersten sechs Monaten nach der Geburt ohne Belastung durch den Beruf ihrem Kind widmen zu können (aaO S 12117 A). Daraus folgt aber nicht, daß die Betreuung des Kindes der eigentliche gesetzgeberische Zweck war. Das Ziel, die Betreuung und Pflege des Babys zu fördern, erscheint allenfalls als mittelbar erwünschter Nebenzweck des Gesetzes. Unmittelbar und im wesentlichen geht es darum, der gesundheitlich und psychisch noch besonders belasteten Mutter den Verzicht auf die sonst wirtschaftlich notwendige und zusätzlich belastende Arbeitnehmertätigkeit zu ermöglichen. Im Hinblick auf diesen unmittelbaren Zweck kann das Gesetz nicht an dem jedenfalls nur mittelbar angestrebten Ziel gemessen werden. Das Wohl des Kindes schließt den unmittelbaren Zweck der Entlastung der Mutter zum Schutz ihrer Gesundheit nicht aus. In erster Linie ist es Ziel des Gesetzes, der leiblichen, im Arbeitsverhältnis stehenden Mutter zu ermöglichen, sich wegen der Schwangerschaft und Entbindung über die Schutzfristen hinaus zu erholen (Zmarzlik DB 1981, 843; derselbe ArbuR 1979, 171, 174).

Dem gesetzlichen Ziel des Gesundheitsschutzes steht die Regelung des § 8a Abs. 4 MuSchG nicht entgegen (a.M. Friedrich-Marczyk/Schulte ZRP 1980, 317, 318). Nach § 8a Abs. 4 MuSchG endet, wenn das Kind während des Mutterschaftsurlaubs stirbt, dieser drei Wochen nach dem Tod des Kindes, spätestens an dem Tag, an dem das Kind sechs Monate alt geworden wäre. Die Notwendigkeit einer längeren Regenerationszeit der Mutter hätte es vielleicht als wünschenswert erscheinen lassen, trotz des Todes des Kindes den Mutterschaftsurlaub bis zum Ablauf von sechs Monaten nach dessen Geburt zu ermöglichen. Der Gesetzgeber hat sich aber nur in der Lage gesehen, der Doppelbelastung von Müttern aus der Berufstätigkeit und der Betreuung des Kindes entgegenzuwirken (Zmarzlik DB 1981, 843). Er hat also die geschwächte Gesundheit der Frau nicht für den Anspruch aus § 13 Abs. 3 MuSchG genügen lassen, sondern die Leistung auf den engeren Kreis derjenigen Mütter beschränkt, die zusätzlich durch die Betreuung des Kindes belastet sind.

Bei dem aus allen diesen Gründen anzunehmenden Ziel des MuSchG, die Gesundheit der Mutter zu schützen, war die Beschränkung des Mutterschaftsurlaubs und des entsprechenden Mutterschaftsgeldes auf Mütter nach der Natur der Sache geboten. Es wäre willkürlich gewesen, die Unterschiede zwischen Müttern und Nicht-Müttern, insbesondere Vätern insoweit außer acht zu lassen. Die Beschränkung auf das Ziel des Gesundheitsschutzes wäre allerdings noch deutlicher geworden, wenn im Gesetz statt eines Mutterschaftsurlaubs ein Beschäftigungsverbot geregelt worden wäre. Nach § 8a MuSchG haben die Mütter Anspruch auf den Mutterschaftsurlaub. Sie dürfen aber, wenn sie den Urlaub nicht in Anspruch nehmen, in der entsprechenden Zeit beschäftigt werden. Mit dieser Regelung wird jedoch dem Ziel des Gesundheitsschutzes nicht der Boden entzogen. Die Regelungen der §§ 8a und 13 Abs. 3 MuSchG bleiben Gesundheitsschutzbestimmungen, auch wenn es der einzelnen Mutter überlassen bleibt, ob sie davon Gebrauch machen will – oder muß.

Die Begründung des Gesetzes, daß die Mutter im Zeitraum von acht Wochen bis sechs Monaten nach der Geburt des Kindes noch schonungsbedürftig sei, entspricht auch der Wirklichkeit. Nach den Feststellungen des SG haben sich die Veränderungen im hormonellen und endokrinen Bereich, im vegetativen Nervensystem und in der Psyche der Mutter nicht schon nach Ablauf von acht Wochen seit der Geburt, sondern erst mehrere Monate später zurückentwickelt. Der Senat hat keinen Anlaß, daran zu zweifeln, zumal diesbezüglich keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben worden sind (s § 163 SGG).

Die vom Kläger beantragte Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) kommt nicht in Betracht. Nach Art. 100 GG wäre sie nur dann geboten, wenn das Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hielte. Das ist hier nicht der Fall.

Ebensowenig ist dem Antrag auf Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) stattzugeben. Nach Art. 177 des EWG-Vertrages entscheidet der Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung über die Gültigkeit und Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft (Art. 177 Abs. 1 Buchst b des Vertrages). Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidung selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet (Art. 177 Abs. 3 des Vertrages). Dazu hat der Kläger auf die Richtlinie 76/207/EWG (aaO) hingewiesen. Die in Betracht kommenden Bestimmungen der Richtlinie haben folgenden Wortlaut:

Art. 1 Abs. 1

Diese Richtlinie hat zum Ziel, daß in den Mitgliedstaaten der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, einschließlich des Aufstiegs, und des Zugangs zur Berufsbildung sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen und in bezug auf die soziale Sicherheit unter den in Absatz 2 vorgesehenen Bedingungen verwirklicht wird. Dieser Grundsatz wird im folgenden als „Grundsatz der Gleichbehandlung” bezeichnet.

Art. 2 Abs. 1

Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der nachstehenden Bestimmungen beinhaltet, daß keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts – insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand – erfolgen darf.

Art. 2 Abs. 3

Diese Richtlinie steht nicht den Vorschriften zum Schutz der Frau, insbesondere bei Schwangerschaft und Mutterschaft, entgegen.

Art. 5 Abs. 1

Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen beinhaltet, daß Männern und Frauen dieselben Bedingungen ohne Diskriminierung auf Grund des Geschlechts gewährt werden.

Art. 5 Abs. 2a

Zu diesem Zweck treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß die mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz unvereinbaren Rechts- und Verwaltungsvorschriften beseitigt werden.

Die Frage der Gültigkeit oder Auslegung der Richtlinie vom 9. Februar 1976 stellt sich im anhängigen Verfahren nicht. Aus der Aufforderung an die Mitgliedstaaten, die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung von mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz unvereinbaren Rechtsvorschriften zu treffen, kann der Kläger nicht für sich ein Recht auf Gewährung des Mutterschaftsgeldes herleiten. Die Vorschrift des § 13 Abs. 3 MuSchG ist jedenfalls – wie dargelegt – eine Regelung zum Schutz der Frau. Solchen Vorschriften steht die Richtlinie nach Art. 2 Abs. 3 nicht entgegen. Wenn die Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu einem anderen Ergebnis gekommen ist (vgl. BT-Drucks 10/14 S 20), so geht sie offensichtlich von anderen Tatsachen aus, als sie der Auslegung und Anwendung des innerstaatlichen Rechts durch den Senat zugrundeliegen. Aus allen diesen Gründen ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BSGE, 8

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