Leitsatz (amtlich)

1. Hat ein Schwerbeschädigter mit dem ihm verbliebenen Rest an Erwerbsfähigkeit Arbeit in abhängiger Stellung verrichtet, so wird er - bei unveränderter Fortdauer seines körperlichen Zustandes - nicht dadurch arbeitsunfähig (RVO § 182 Abs 1 Nr 2), daß er seinen Arbeitsplatz verliert.

2. Zeiten des Ruhens des Anspruchs auf Krankengeld sind in die für die Leistung von Krankengeldgesetze Aussteuerungsfrist einzubeziehen.

 

Normenkette

RVO § 182 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1957-07-26, § 183 Abs. 2 Fassung: 1930-07-26, § 189 Fassung: 1930-12-01

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 24. Februar 1959 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Der Kläger gehört der beklagten Ersatzkasse seit 1935 an, und zwar seit etwa 1939 auf Grund freiwilliger Weiterversicherung. Er zahlte Beiträge entsprechend einer Beitragsklasse mit Krankengeldanspruch. Im Jahre 1942 erlitt er eine schwere Kriegsverwundung, die eine stationäre Lazarettbehandlung bis Ende 1944 erforderlich machte. Als Folgezustand blieb eine Querschnittslähmung vorwiegend rechts zurück; der rechte Arm ist völlig gebrauchsunfähig, am linken Arm bestehen eine spastische Behinderung und Empfindungsstörungen, die zu einer starken Bewegungseinschränkung führen, so daß praktisch nur der Gebrauch von Zeigefinger und Daumen möglich ist; das rechte Bein wird infolge einer spastischen Behinderung beim Gehen nachgezogen und weist Muskelschwund auf, während das linke Bein, abgesehen von Empfindungsstörungen, kaum behindert ist. Der Kläger bezieht eine Versorgungsrente wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 % seit 1. Januar 1945 und seit Inkrafttreten des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) Pflegezulage nach Stufe II, ferner seit 1. Februar 1945 Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit aus der Angestelltenversicherung. Trotz seiner erheblichen Behinderung nahm der Kläger Ende 1944 seine frühere Tätigkeit bei der Landesbauernschaft wieder auf. Am 1. Juli 1948 wurde er vom Landesernährungsamt Oldenburg übernommen. Infolge der Auflösung des Amtes wurde ihm zum 30. September 1950 gekündigt. Die Zustimmung zur Kündigung nach dem Schwerbeschädigtengesetz wurde erteilt, die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Nach einem vor dem Arbeitsgericht Oldenburg geschlossenen Vergleich erhielt der Kläger zusätzlich zu einem Übergangsgeld eine Abfindung in Höhe von vier Monatsgehältern. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1950 stufte ihn die beklagte Ersatzkasse in eine Beitragsklasse ohne Anspruch auf Krankengeld ein.

Am 12. Oktober 1950 beantragte der Kläger bei der beklagten Ersatzkasse Krankengeld unter Vorlage einer Bescheinigung seines behandelnden Arztes, nach der er seit dem 2. Oktober 1950 arbeitsunfähig war. Die beklagte Ersatzkasse lehnte den Antrag ab (Schreiben vom 20. November 1950). Sie berief sich dabei sowohl darauf, daß der Kläger vom 1. Oktober 1950 an in einer Beitragsklasse ohne Anspruch auf Krankengeld eingestuft sei, als auch darauf, daß er mit seinem Ausscheiden aus seiner letzten Beschäftigung nicht arbeitsunfähig geworden sei.

Das vom Kläger zunächst angerufene Versicherungsamt der Stadt Oldenburg stellte mit Bescheid vom 27. Juni 1952 fest, daß ihm ein Anspruch auf Krankengeld nicht zustehe. Hiergegen legte der Kläger Berufung ein; diese ging nach § 215 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf das Sozialgericht (SG) Oldenburg als Klage über. Hilfsweise verlangte der Kläger Rückgewähr seiner Beiträge. Das SG entschied mit Teilurteil vom 16. November 1955 zunächst nur über den Anspruch auf Krankengeld und wies die Klage insoweit ab.

Gegen dieses Teilurteil hat der Kläger Berufung eingelegt mit dem Antrag,

1. das angefochtene Teilurteil, die Entscheidung des Versicherungsamts Oldenburg und den Bescheid der beklagten Ersatzkasse vom 20. November 1950 aufzuheben,

2. die beklagte Ersatzkasse zu verurteilen, ihm Krankengeld vom 2. Oktober 1950 an zu gewähren.

Er macht geltend, daß er sein Versicherungsverhältnis nur wegen der Möglichkeit des Bezugs von Krankengeld aufrechterhalten habe. Was die übrigen Leistungen der Krankenversicherung betreffe, so sei er sowohl durch seine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner als auch durch seinen Anspruch auf Heilbehandlung nach dem BVG ausreichend geschützt gewesen. Die beklagte Ersatzkasse handele daher arglistig, wenn sie sich auf den Ausschluß des Krankengeldanspruchs durch die Satzung berufe.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung gegen das angefochtene Teilurteil zurückgewiesen; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 24. Februar 1959). Das LSG ist davon ausgegangen, daß der Kläger vom 2. Oktober 1950 an arbeitsunfähig gewesen sei. Er sei durch seine körperlichen Leiden derart behindert gewesen, daß ihm eine Erwerbstätigkeit nicht habe zugemutet werden können. Er habe zwar bis zum 30. September 1950 unter außergewöhnlichen Bedingungen gearbeitet und sei deshalb bis zu diesem Zeitpunkt auch nicht arbeitsunfähig gewesen. Mit Beendigung dieses Beschäftigungsverhältnisses sei er aber wieder arbeitsunfähig geworden. Der Kläger sei demnach nur "vorübergehend erwerbstätig" im Sinne des § 5 Nr. 11 der Versicherungsbedingungen der beklagten Ersatzkasse gewesen. Dennoch sei er nicht mit dem Anspruch auf Krankengeld nach der genannten Bestimmung ausgeschlossen gewesen. Da die beklagte Ersatzkasse jahrelang vom Kläger Beiträge nach einer Beitragsklasse mit Krankengeldanspruch eingezogen habe, verstoße sie gegen Treu und Glauben, wenn sie sich auf den Ausschluß des Anspruchs auf Krankengeld berufe. - Der Anspruch auf Krankengeld entfalle jedoch deshalb, weil der Kläger wegen des Leidens, auf das er seinen Krankengeldanspruch stütze, bereits ausgesteuert sei. Er sei wegen seiner Verwundung von 1942 bis 1944 in Lazarettbehandlung gewesen, außerdem habe er während dieser Zeit sein Gehalt als Angestellter weiterbezogen. Aus beiden Gründen habe der Anspruch auf Versicherten-Krankenhilfe geruht (§ 209 b der Reichsversicherungsordnung - RVO - aF i. V. m. dem Erlaß des Reichsarbeitsministers - RAM - vom 4. September 1939, AN S. 452 und § 189 RVO). Da die Zeit, während der ein Anspruch auf Krankengeld oder Hausgeld ruhe, in die Aussteuerungsfrist eingerechnet werde, sei der Kläger bei Ende der Lazarettbehandlung im Jahre 1944 ausgesteuert gewesen. Seitdem sei er wegen seines Kriegsleidens fortlaufend behandlungsbedürftig gewesen, so daß der im Jahre 1942 eingetretene Versicherungsfall noch nicht abgeschlossen sei.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt mit dem Antrag,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die beklagte Ersatzkasse zu verurteilen, ihm Krankengeld vom 2. Oktober 1950 an zu gewähren.

Er ist der Auffassung, er habe in einem "zusätzlichen privaten Vertragsverhältnis" zur beklagten Ersatzkasse gestanden. Diese sei unabhängig vom gesetzlichen Leistungsrecht berechtigt gewesen, Verpflichtungen zur Gewährung von Krankengeld einzugehen. Nachdem sie acht Jahre erhöhte Beiträge nach einer Beitragsklasse mit Krankengeldanspruch entgegengenommen habe, sei sie zur Einhaltung der vertraglich übernommenen Leistungen verpflichtet. Wegen der privatrechtlichen Natur des Versicherungsverhältnisses könnten auch die Aussteuerungsgrundsätze keine Anwendung finden. - Er, der Kläger, sei mit seiner Entlassung aus dem Beschäftigungsverhältnis, als er sich wieder dem allgemeinen Arbeitsmarkt habe zuwenden müssen, arbeitsunfähig geworden.

Die beklagte Ersatzkasse hat beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie tritt der Auffassung des Klägers entgegen, daß er in einem zusätzlichen privaten Versicherungsverhältnis zu ihr gestanden habe. Auch das durch Weiterversicherung aufrechterhaltene Versicherungsverhältnis sei eine Versicherung auf Grund der Reichsversicherung, für die nach § 4 Abs. 2 der 12. AufbauVO vom 29. Dezember 1935 die Satzung der Ersatzkasse gelte. - Der Kläger sei am 2. Oktober 1950 nicht arbeitsunfähig geworden; denn er sei durchaus in der Lage gewesen, seine bisherige Erwerbstätigkeit weiterhin auszuüben. - Zu Recht habe sie, die beklagte Ersatzkasse, bis zum 30. September 1950 Beiträge nach einer Beitragsklasse mit Krankengeldanspruch erhoben; denn der Kläger sei bis dahin entgeltlich beschäftigt gewesen. Seine Umstufung in eine Beitragsklasse ohne Krankengeldanspruch vom 1. Oktober 1950 an sei auf Grund ihrer Versicherungsbedingungen notwendig geworden. - Die Aussteuerungsvorschriften müßten auch von den Ersatzkassen als zwingendes Recht beachtet werden. Soweit satzungsmäßig Mehrleistungen in diesem Zusammenhang gewährt werden könnten, hätte sie von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

II

Die Revision ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht das Teilurteil des SG bestätigt, das den mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Krankengeld für unbegründet erachtet hat.

Zu Unrecht erblickt die Revision in dem Versicherungsverhältnis des Klägers ein "zusätzliches privates Vertragsverhältnis". Eine solche Auffassung wäre bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über den Aufbau der Sozialversicherung vom 5. Juli 1934 (RGBl I, 577) - AufbauG - möglich gewesen, solange die Ersatzkassen Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit waren. Durch Art. 3 § 1 AufbauG sind die Ersatzkassen jedoch gesetzliche Träger der Krankenversicherung geworden. Seit der 15. VO zum Aufbau der Sozialversicherung vom 1. April 1937 (RGBl I, 439) sind sie Körperschaften des öffentlichen Rechts. Für die Gestaltung der Versicherungsverhältnisse nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht - um ein solches handelt es sich bei dem Kläger - waren nach § 4 Abs. 2 der 12. AufbauVO vom 24. Dezember 1935 (RGBl I 1537) die Bestimmungen der Satzung maßgebend. Demnach richtete sich das Versicherungsverhältnis des Klägers in dem hier zu beurteilenden Zeitraum (September/Oktober 1950) nach der Satzung der beklagten Ersatzkasse in der Gestalt ihrer "Versicherungsbedingungen".

Dahinstehen kann, ob die beklagte Ersatzkasse das Krankengeld deshalb versagen kann, weil sie den Kläger vom 1. Oktober 1950 an als nichtversicherungspflichtiges Mitglied ohne Krankengeldanspruch (Versicherungsklasse B 31) eingestuft hat. Nach § 5 Nr. 11 Abs. 1 ihrer Versicherungsbedingungen hätte sie den Kläger, wie geschehen, umstufen dürfen, wenn er ein nichtversicherungspflichtiges Mitglied, das nicht mehr im Erwerbsleben steht, gewesen wäre. Sie wäre, - entgegen der Annahme des LSG - hieran nicht etwa schon deshalb gehindert gewesen, weil sie den Kläger, als er mehr als fünf Jahre hindurch ununterbrochen erwerbstätig war, als Mitglied mit Krankengeldanspruch und entsprechend höherer Beitragsverpflichtung geführt hatte. Wäre die Voraussetzung für eine Überführung des Klägers in eine Beitragsklasse ohne Krankengeldanspruch zum 1. Oktober 1950 erfüllt gewesen, d. h. hätte er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Erwerbsleben gestanden, so hätte auch der Grundsatz von Treu und Glauben seiner Umstufung nach dem für ihn und die Beklagte gleichermaßen verbindlichen Satzungsrecht nicht entgegengestanden. Indessen ist zweifelhaft, ob der Kläger am 1. Oktober 1950 nicht mehr im Erwerbsleben stand. Er hatte die Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses zum 30. September 1950 nicht anerkannt; noch mehrere Jahre nach diesem Zeitpunkt kämpfte er um seine Weiterbeschäftigung. Auf jeden Fall sah er sich nur als vorübergehend arbeitslos an. Wie das SG in seinem Urteil als Darstellung des Klägers ausführt, hatte er sich unmittelbar nach Beendigung seiner Tätigkeit beim Landesernährungsamt beim Arbeitsamt gemeldet und war von diesem als Arbeitsuchender seit dem 10. Oktober 1950 geführt worden. Der Senat ist jedoch einer Entscheidung der Frage, ob der Klageanspruch schon wegen der Umstufung des Klägers in eine Beitragsklasse ohne Krankengeldanspruch ausgeschlossen ist, enthoben, weil sich der Klageanspruch jedenfalls aus anderen Gründen als unbegründet erweist.

Der Kläger war nämlich - entgegen der Annahme des LSG - am 2. Oktober 1950 nicht arbeitsunfähig.

Er war zwar krank; denn der regelwidrige körperliche oder geistige Zustand, dessen Eintritt entweder allein die Notwendigkeit einer Heilbehandlung oder zugleich oder ausschließlich Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (so die Definition der Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinn nach der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts - RVA -; s. Grunds. Entsch. Nr. 2140, AN 1916, 341, 342 und Grunds. Entsch. Nr. 5115, AN 1937, 265; vgl. auch BSG 13, 134, 136), war beim Kläger seit seiner schweren Verwundung im Jahre 1942 gegeben. Er ist seitdem nach den Feststellungen des LSG fortdauernd behandlungsbedürftig geblieben. Er war daher vor und nach dem 1. Oktober 1950 krank im versicherungsrechtlichen Sinn.

Er war aber mit dem Ausscheiden aus seiner Beschäftigung beim Landesernährungsamt nicht arbeitsunfähig geworden. Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte überhaupt nicht oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen (so die ständige Rechtsprechung des RVA; vgl. Grunds. Entsch. Nr. 1987, AN 1915, 425; EuM 23, 298, 299; EuM 25, 38; vgl. auch die Begründung zum Entwurf der RVO, Drucks. "zu Nr. 340" des Reichstags, 12. Legislaturperiode, II. Session, S. 22, 155 f, sowie Peters, Handbuch der Krankenvers., 16. Aufl., Teil 2, § 182 Anm. 10 a). Dieser Maßstab - ob nämlich der Versicherte in der Lage ist, "seine" Arbeit zu verrichten - unterscheidet die Arbeitsunfähigkeit von dem versorgungsrechtlichen Begriff der Minderung der Erwerbsfähigkeit und dem rentenversicherungsrechtlichen Begriff der Berufsunfähigkeit. Mit Recht hat daher das RVA bei Rentnern, die mit dem ihnen verbliebenen Rest von Erwerbsfähigkeit noch Arbeit in abhängiger Stellung verrichten, für die Frage ihrer Arbeitsunfähigkeit allein darauf abgestellt, ob sie ihre zuletzt verrichtete Arbeit ausüben können (Grunds. Entsch. Nr. 2141, AN 1916, 343; EuM 25, 38, 39, wo diese Folgerung ausdrücklich auch für "Invalidenarbeiten" gezogen wird; Bescheid vom 14. Dezember 1939, AN 1940, 138). Arbeitsunfähigkeit tritt in einem solchen Fall nur ein, wenn sich, gleichviel aus welcher Ursache, der bisherige Zustand verschlimmert oder doch in absehbar naher Zeit zu verschlimmern droht oder wenn eine neue Krankheitsursache hinzutritt, die allein oder in Verbindung mit dem bisherigen Zustand Arbeitsunfähigkeit bedingt (so der o. a. Bescheid des RVA vom 14. Dezember 1939).

Semit kann die Frage, ob der Kläger am 2. Oktober 1950 arbeitsunfähig geworden ist, nur nach dem Maßstab seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit beurteilt werden (vgl. für den hier nicht zu entscheidenden Fall, unter welchen Voraussetzungen eine erst nach längerer Dauer der Arbeitslosigkeit eingetretene Erkrankung Arbeitsunfähigkeit bedingt, RVA in Grunds. Entsch. Nr. 4903, AN 1935, 308). Nach den Feststellungen des LSG sind im körperlichen Zustand des Klägers nach dem 30. September 1950 bis zum 2. Oktober 1950 keine Veränderungen eingetreten. Er wäre, falls ihm nicht gekündigt worden wäre, in der Lage gewesen, seine bisherige Tätigkeit weiter auszuüben. Er hat sich sogar, wenn man seiner vom SG angeführten eigenen Darlegung folgt, um einen neuen Arbeitsplatz bemüht und ist vom Arbeitsamt als - sicherlich nur beschränkt - vermittlungsfähig anerkannt worden. Die entscheidende Veränderung gegenüber dem Zustand vor dem 1. Oktober 1950 ist somit allein der Verlust des Arbeitsplatzes. Das aber ist kein Risiko der Krankenversicherung.

Außerdem entfällt der Anspruch auf Krankengeld aus dem schon vom LSG angeführten Grund, daß der Kläger am 2. Oktober 1950 mit diesem Anspruch bereits ausgesteuert war. Der Versicherungsfall, der mit der schweren Verwundung des Klägers im Jahre 1942 eingetreten war, hatte im Oktober 1950 noch nicht seinen Abschluß gefunden; denn der Kläger war nach den Feststellungen des LSG wegen dieses Leidens fortdauernd behandlungsbedürftig geblieben. Während der Zeit seiner Zugehörigkeit zur Wehrmacht hatte sein Anspruch auf Versichertenkrankenhilfe nach § 209 b RVO (in der Fassung des § 4 des Gesetzes über den Ausbau der Rentenversicherung vom 21. Dezember 1937, RGBl I S. 1393) i. V. m. dem Erlaß des RAM vom 4. September 1939 (AN S. 452) geruht. Außerdem hatte sein Anspruch auf Krankengeld geruht, weil er während der Lazarettbehandlung sein Angestelltengehalt weiterbezogen hatte (§ 189 Abs. 1 RVO). Diese Zeit des Ruhens ist in die Aussteuerungsfrist einzubeziehen; denn die Bedeutung des Ruhens eines Anspruchs erschöpft sich darin, daß er für die Dauer des Ruhens nicht zu Leistungen führt. Durch das Ruhen des Anspruchs wird demnach grundsätzlich die Leistungsdauer nicht unterbrochen, sondern um die Zeit, in der der Anspruch ruht, gekürzt (RVA, Grunde. Entsch. Nr. 5499, AN 1942, 582, 583 mit weiteren Nachweisen). Daß dies regelmäßig aus dem Ruhen des Anspruchs folgt, zeigt ein Vergleich mit § 480 Abs. 2 RVO, wonach für den Anspruch des Seemannes auf Krankenhilfe die Nichteinrechnung der Ruhenszeit in die Leistungsdauer vorgeschrieben ist. Der Ausnahmecharakter dieser Regelung ist vom RVA mit den Worten gekennzeichnet worden, es sei "entsprechend den Besonderheiten der Seekrankenversicherung gerade die hervorstechendste Wirkung des Ruhens im üblichen Sinne beseitigt, die darin besteht, daß die Ruhenszeit in die aus dem Anspruch sich ergebende Bezugsberechtigung eingerechnet wird" (Grunds. Entsch. Nr. 4379, AN 1932, 237). Hiernach muß im Wege des Umkehrschlusses aus dem Fehlen einer dem § 480 Abs. 2 RVO entsprechenden Regelung geschlossen werden, daß grundsätzlich die Ruhenszeit in die Leistungsdauer einzurechnen ist.

Die hierin liegende Entlastung der Krankenkassen ist auch sachlich gerechtfertigt. Als Ausgleich für das Ruhen des Anspruchs auf Kranken- und Hausgeld im Falle des Bezugs von Arbeitsentgelt während der Krankheit haben die Krankenkassen die Beiträge entsprechend zu kürzen (§ 189 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbs. RVO). Dieser in der Natur der Sache liegende gerechte Ausgleich entfiele, wie das RVA in der schon zitierten Grunds. Entsch. Nr. 5499 mit Recht hervorhebt, wenn sich für an sich ausgesteuerte Arbeitsunfähige die Leistungsdauer um die Zeit des Ruhens des Krankengeldanspruchs verlängerte. Erst recht muß dieser Gedanke Platz greifen, wenn die Krankenkasse - wie im vorliegenden Fall - für die fragliche Zeit überhaupt keine Beiträge erhalten hat. Nach § 209 b Abs. 1 RVO aF i. V. m. dem Erlaß des RAM vom 4. September 1939 ruhte während der Dauer der Einberufung zur Wehrmacht nicht nur die Versichertenkrankenhilfe, sondern auch die Beitragspflicht.

Demnach steht dem Kläger der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Krankengeld nicht zu. Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2379832

BSGE, 179

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