Leitsatz (amtlich)

Mehrarbeitszuschläge sind Zuschläge, die vom Arbeitgeber allein deshalb gezahlt worden sind, weil Arbeit über die Arbeitszeitdauer hinaus erbracht worden ist, die die Arbeitsvertragsparteien als die gewöhnliche und regelmäßige ansehen.

 

Normenkette

AFG § 112 Abs 2 S 1 Fassung: 1981-12-22

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 25.02.1986; Aktenzeichen L 7 Ar 241/84)

SG Stade (Entscheidung vom 14.06.1984; Aktenzeichen S 6 Ar 59/84)

 

Tatbestand

Der Kläger war nach kurzer Arbeitslosigkeit im Jahre 1982 von August 1982 bis 19. Dezember 1983 beschäftigt, und zwar seit dem 18. Januar 1983 als Kraftfahrer bei G. St., Fuhrbetrieb, Baustoffe und Düngemittel. Nach der Arbeitsbescheinigung erzielte er im September 1983 in 312 Arbeitsstunden 4.255,50 DM, im Oktober 1983 in 273,5 Arbeitsstunden 3.694,50 DM und im November 1983 in 267 Arbeitsstunden 4.029,-- DM; die Arbeitszeit laut Tarifvertrag betrug nach den Angaben des Arbeitgebers 40 Stunden. Wie die Beklagte ermittelte, waren im Novemberentgelt 500,-- DM Weihnachtsgeld enthalten; der Stundenlohn betrug 12,-- DM zuzüglich 0,30 DM vermögenswirksame Leistungen, und für Überstunden wurde ein Zuschlag von 3,-- DM je Stunde gezahlt.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab 20. Dezember 1983 Arbeitslosengeld (Alg) für vorläufig 312 Wochentage in Höhe von 242,40 DM wöchentlich, und zwar nach der Leistungsgruppe C (verheiratet, Lohnsteuerklasse III, 1 Kind) und einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 490,-- DM (= 40 x 12,30 DM = 492,-- DM; Bescheid vom 11. Januar 1984, Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 1984).

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte in Abänderung der ergangenen Bescheide verurteilt, dem Kläger Alg nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 605,-- DM in Höhe von 290,40 DM wöchentlich zu gewähren; es hat die Berufung zugelassen (Urteil vom 14. Juni 1984). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil dahin geändert, daß die Beklagte unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt wird, dem Kläger Alg nach einem Bemessungsentgelt von 500,-- DM in Höhe von 246,60 DM wöchentlich zu zahlen; im übrigen hat das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 25. Februar 1986).

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, nach § 112 Abs 2 und 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz (AFKG) geänderten Fassung richte sich das Alg nach dem im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitszuschläge, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergebe. Bemessungszeitraum sei hier der November 1983. Von den in diesem Monat erzielten 4.029,-- DM sei das Weihnachtsgeld von 500,-- DM abzuziehen; denn einmalige bzw wiederkehrende Zuwendungen blieben außer Betracht (§ 112 Abs 2 Satz 3 AFG). Das verbleibende Arbeitsentgelt von 3.529,-- DM habe der Kläger, wie sich aus den von ihm vorgelegten Gehaltsabrechnungen ergebe, in 176 Normal- und 91 Überstunden erzielt, für die der Kläger einen Zuschlag von je 3,-- DM erhalten habe. Überstundenzuschläge seien mit Mehrarbeitszuschlägen, die nach § 112 Abs 2 Satz 1 AFG unberücksichtigt zu lassen seien, nicht identisch. Mehrarbeit sei nämlich die über die gesetzliche Arbeitszeit von 8 Stunden werktäglich oder 48 Stunden wöchentlich (§§ 3, 4 Arbeitszeitordnung -AZO-), Überarbeit (Überstunden) dagegen die über die regelmäßige betriebliche Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit. Überarbeit könne, müsse aber nicht Mehrarbeit sein. Bei Mehrarbeit sei von Gesetzes wegen ein Mehrarbeitszuschlag zu zahlen, bei Überschreiten der regelmäßigen tariflichen, betrieblichen oder einzelvertraglichen Arbeitszeit (hier 40 Stunden wöchentlich) könne dagegen ein Zuschlag nur verlangt werden, wenn dies vereinbart sei. Angesichts dieser feststehenden arbeitsrechtlichen Begriffe müsse davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber den Begriff der Mehrarbeitszuschläge seiner rechtlichen Bedeutung entsprechend verwendet habe, zumal da Mehrarbeitszuschläge deshalb nicht mehr besonders berücksichtigt werden sollten, weil diese Entgelte unter besonderen Voraussetzungen gezahlt würden und nicht zu dem gewöhnlichen laufenden Arbeitsentgelt gehörten, mit dem der Arbeitnehmer bei jeder Lohnabrechnung rechnen könne (BT-Drucks 9/966 S 79). Folgerichtig habe der Gesetzgeber von Mehrarbeitszuschlägen gesprochen; denn Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung bestehe nach den §§ 6, 7, 8, 14 und 15 AZO nur unter besonderen Voraussetzungen. Die Überstundenzuschläge von 3,-- DM seien daher, soweit sie nicht gleichzeitig Mehrarbeitszuschläge seien, zu berücksichtigen. Ausgenommen seien auch Zuschläge für solche Mehrarbeit, die gesetzlich unzulässig gewesen sei; denn es wäre mit dem Sinn und Zweck des § 112 Abs 2 Satz 1 AFG nicht zu vereinbaren, wenn Zuschläge für gesetzlich unzulässige Mehrarbeit zur Erhöhung des Alg führen könnten, nicht dagegen Zuschläge für erlaubte Mehrarbeit. Von den im November 1983 geleisteten 267 Stunden seien 208 (= 48 x 13 : 3) Stunden gesetzlich zulässig, 59 Stunden mithin Mehrarbeitsstunden. Abzüglich der Mehrarbeitszuschläge von 177,-- DM für 59 Stunden verblieben 3.352,-- DM, die in 267 Stunden erzielt worden seien, so daß sich ein in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzieltes Arbeitsentgelt von 12,55 DM ergebe. Vervielfältigt mit der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden errechne sich hieraus ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 502,-- DM, das gemäß § 112 Abs 9 AFG auf 500,-- DM zu runden sei. Das Alg betrage daher nach der Leistungsverordnung 1983 246,60 DM.

Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 112 Abs 2 AFG. Sie macht geltend, die im Arbeitsrecht übliche Unterscheidung zwischen Über- und Mehrarbeitsstunden gebe für die Auslegung des Begriffs "Mehrarbeitszuschläge" in § 112 Abs 2 AFG nichts her. Die Unterscheidung sei eine Folge davon, daß die AZO bisher nicht den durch die tarifliche Entwicklung geänderten Bedingungen des Arbeitslebens angepaßt worden sei. Im Recht der Arbeitslosenversicherung bestehe kein sachlicher Grund für eine entsprechende Differenzierung. Vielmehr würde durch sie lediglich der gesetzgeberische Wille verfälscht, weil der Effekt der Neuregelung auf einen Marginalbereich reduziert würde. Zur Begründung der Neuregelung sei ausgeführt worden, daß Mehrarbeitszuschläge und aufgelaufene Arbeitsentgelte unter besonderen Voraussetzungen gezahlt würden und nicht zu dem gewöhnlich laufenden Arbeitsentgelt gehörten, mit dem der Arbeitnehmer bei jeder Lohnabrechnung rechnen könne (vgl BT-Drucks 9/966 zu Art 1 § 1 Nr 32 des AFKG-Entwurfs). Diese Merkmale träfen auf Überstundenzuschläge im Sinne der genannten Unterscheidung ebenso zu wie auf die Mehrarbeitszuschläge im engeren Sinne. Beide Zuschläge seien von besonderen Voraussetzungen abhängig und nicht ohne weiteres in jeder Lohnabrechnung eines Arbeitnehmers enthalten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG, soweit es die Berufung zurückgewiesen hat, sowie das Urteil des SG restlich aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er trägt vor, es sei davon auszugehen, daß das Alg Lohnersatzfunktion habe. Deshalb bemesse sich seine Höhe grundsätzlich nach dem vor Eintritt der Arbeitslosigkeit erzielten Nettoarbeitsentgelt. Zum Arbeitsentgelt gehörten alle Barbezüge und Leistungen, die der Arbeitnehmer erhalten habe. Ausnahmsweise seien davon ausgeschlossen die in § 112 Abs 2 AFG ausdrücklich erwähnten Mehrarbeitszuschläge und die einmaligen und wiederkehrenden Zuwendungen. Ausnahmen seien streng wortlautgemäß zu interpretieren; sie seien im allgemeinen einer Analogie zu Ungunsten des Betroffenen nicht fähig. Unter diesen Voraussetzungen sei die vom LSG vorgenommene Auslegung nicht zu beanstanden. Auch die Beklagte könne nicht bestreiten, daß die Begriffe Mehrarbeit und Überstunden innerhalb des Arbeitsrechts nicht deckungsgleich seien. Für die Auffassung des LSG spreche auch, daß ein Bedürfnis nach vereinheitlichender Interpretation der Rechtsbegriffe bestehe. Die Entscheidung des LSG sei auch im Ergebnis sachgerecht. Im Falle des Klägers seien nämlich Überstunden an der Tagesordnung gewesen, so daß er regelmäßig Überstundenvergütungen zu erwarten gehabt habe.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist, ob dem Kläger ab 20. Dezember 1983 höheres Alg als das bisher gewährte von 242,40 DM wöchentlich zusteht. Das ist nur dann der Fall, wenn der Leistungsbemessung ein wöchentliches Arbeitsentgelt von mehr als 490,-- DM zugrundezulegen ist; denn daß der Kläger angesichts der für ihn maßgebenden Leistungsgruppe C (verheiratet, Lohnsteuerklasse III, 1 Kind) gemäß § 111 AFG, hier anwendbar idF des AFKG vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497), § 1 Nr 2 und Anlage 2 der AFG-Leistungsverordnung 1983 vom 23. Dezember 1982 (BGBl I 2038) bei einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 490,-- DM in der Leistungsgruppe C nicht mehr als 242,40 DM zu beanspruchen hat, ist nicht zweifelhaft. Im Hinblick darauf, daß der Kläger das Urteil des LSG nicht angefochten hat, soweit es seine Klage abgewiesen hat, kann er allerdings kein höheres Alg als das von 246,60 DM wöchentlich verlangen; denn an die Abweisung der weitergehenden Klage ist der Kläger gemäß § 141 SGG gebunden. Nicht zu entscheiden hat der Senat ferner, soweit die Beklagte das Alg ab 1. Januar 1984 aufgrund der Änderung des § 111 Abs 1 AFG durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I 1532) oder, was hier wohl allein in Betracht gekommen ist, aufgrund der für 1984 geltenden teilweise geringeren Leistungssätze der Anlage 2 der AFG-Leistungsverordnung 1984 vom 13. Januar 1984 (BGBl I 49) herabgesetzt haben sollte; denn daß die Bewilligung des Alg geändert worden ist, ist weder vom LSG festgestellt worden noch haben die Beteiligten in der Revisionsinstanz gerügt, daß das LSG insoweit Feststellungen und Entscheidungen unterlassen hätte, die es (zB gemäß § 96 SGG) hätte treffen müssen.

Zu Unrecht hat das LSG die Beklagte für verpflichtet angesehen, das Alg nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 500,-- DM zu zahlen. Das Bemessungsentgelt von 490,-- DM, das die Beklagte der Leistung zugrunde gelegt hat, ist nicht zu beanstanden.

Das wöchentliche Arbeitsentgelt, das der Leistungsbemessung zugrundezulegen ist, ist das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitszuschläge, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt (§ 112 Abs 2 Satz 1 AFG in der seit dem 1. Januar 1982 geltenden Fassung, die die Vorschrift durch das AFKG erhalten hat). Bemessungszeitraum sind die letzten vor dem Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten, insgesamt 20 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten, die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs (§ 112 Abs 3 Satz 1 AFG). Nach den Feststellungen des LSG, an die der Senat gemäß § 163 SGG gebunden ist, war dies der November 1983, in dem der Kläger 4.029,-- DM erzielt hat.

Bevor der im November 1983 erzielte Lohn zur Ermittlung des im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelts durch die Anzahl der im November 1983 erbrachten Arbeitsstunden geteilt wird, sind die 500,-- DM abzusetzen, die der Arbeitgeber als Weihnachtsgeld gezahlt hat. Nach § 112 Abs 2 Satz 3 AFG (in der seit dem 1. Januar 1982 geltenden Fassung) bleiben einmalige oder wiederkehrende Zuwendungen außer Betracht; das gilt auch für Zuwendungen, die anteilig gezahlt werden, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Fälligkeitstermin endet. Die Vorschrift verbietet, wie der Senat schon entschieden hat, die Berücksichtigung einmaliger und wiederkehrender Zuwendungen jeglicher Art beim Bemessungsentgelt (BSG SozR 4100 § 112 Nr 25), mithin auch die Berücksichtigung einer Zuwendung, die wie das Weihnachtsgeld nicht zum laufenden Arbeitsentgelt gehört, mit dem der Arbeitnehmer bei jeder Lohnabrechnung rechnen kann.

Von dem im November 1983 erzielten Lohn sind vor der Teilung durch die Arbeitsstundenzahl ferner abzusetzen alle Mehrarbeitszuschläge, die in den 4.029,-- DM enthalten sind; denn seit dem 1. Januar 1982 ist nur von dem im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitszuschläge auszugehen. Das LSG hat nun gemeint, Mehrarbeitszuschläge seien lediglich die Zuschläge, die für die über die gesetzliche Arbeitszeit nach den §§ 3 und 4 AZO von 8 Stunden werktäglich oder 48 Stunden wöchentlich hinaus geleistete Arbeit erzielt worden sind, sei die Mehrarbeit zulässig oder unzulässig gewesen. Zulagen für andere Überstunden, die innerhalb der gesetzlichen, aber über die regelmäßige betriebliche Arbeitszeit hinaus geleistet sind, hat das LSG folgerichtig bei der Ermittlung des durchschnittlich in der Arbeitsstunde im Bemessungszeitraum erzielten Arbeitsentgelts für berücksichtigungsfähig gehalten. Das ist, wie die Revision zu Recht rügt, nicht richtig.

Das LSG ist der Auffassung, angesichts der arbeitsrechtlichen Begriffe von Überarbeit und Mehrarbeit könne nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber den Begriff der Mehrarbeitszuschläge verwende, wenn er Überstundenzuschläge meine. Allerdings versteht die arbeitsrechtliche Literatur herkömmlich wie die AZO unter Mehrarbeit die über die gesetzliche Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit, während Arbeit, die die für das Arbeitsverhältnis normale Arbeitszeit überschreitet, als Überarbeit (Überschicht, Überstunde) bezeichnet wird (Staudinger/Mohnen, Komm zum BGB, 11. Aufl 1958, § 612 Anm 15, 16; Nikisch, Arbeitsrecht, 3. Aufl 1961, Bd I S 342 ff; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht, 7. Aufl 1963, Bd I S 210; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 5. Aufl 1983, § 45 VI 3 und § 69 III 1; BAG AP Nr 9 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung). Indessen wird nicht allgemein in dieser Weise zwischen Mehr- und Überarbeit unterschieden, sondern Mehrarbeit auch mit Überarbeit (Überstunden) gleichgesetzt (vgl Artikel "Mehrarbeit" in Spiegelhalter, Arbeitsrechtslexikon, München 1986); selbst in der tariflichen Praxis wird der Begriff der Mehrarbeit im Sinne der Überarbeit verwendet (vgl BAGE 24, 279, 282 = AP Nr 16 zu § 611 BGB Bergbau; § 3 Nr 2.1 des für allgemeinverbindlich erklärten Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe vom 3. Februar 1981). In Sonderheit verwendet der Bundesgesetzgeber, wenn er Begriffe wie Mehrarbeitsstunden, Mehrarbeitsvergütung, Zuschläge für Mehrarbeit verwendet, den Begriff der Mehrarbeit nicht regelmäßig im Sinne der über die gesetzliche Arbeitszeit der AZO hinaus geleisteten Arbeit.

Die Hälfte der "für die Leistung von Mehrarbeitsstunden gezahlten Teile des Arbeitseinkommens" erklärt § 850a Nr 1 Zivilprozeßordnung (ZPO) für unpfändbar. Die Vorschrift dient unmittelbar dem Schutz des Vollstreckungsschuldners. Sie liegt aber auch im Interesse der Gläubiger, als die Unpfändbarkeit der einen Lohnhälfte den Schuldner zu weiteren Mehrarbeitsstunden veranlassen mag, deren Vergütung zum anderen Teile pfändbar ist. Die Vorschrift ist pfändungsrechtlicher Art, sie dient nicht dem Arbeitsschutz. Nach ganz herrschender Meinung sind Mehrarbeitsstunden daher Überstunden im obigen Sinne; unpfändbar ist die Hälfte der Vergütung für die über die vertragliche Arbeit eines Vollarbeitsverhältnisses hinaus geleistete Arbeit (Stein/Jonas, Komm zur ZPO, 20. Aufl, § 850a Rdz 7, 8; Thomas/Putzo, Komm zur ZPO, 14. Aufl 1986, Anm 2 zu § 850a ZPO; Wieczorek, Komm zur ZPO, 2. Aufl 1981, § 850a Anm B I b 1; Baumbach/Lauterbach, Komm zur ZPO, 43. Aufl 1985, § 850a Anm 2).

Ebenfalls im Sinne der Überarbeit verwendet das Gewerbesteuergesetz idF der Bekanntmachung vom 14. Mai 1984 (BGBl I 657), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 20. Februar 1986 (BGBl I 299) -GewStG- im Rahmen der Vorschriften über die Zerlegung des Steuermeßbetrages den Begriff der Mehrarbeit. Befinden sich Betriebsstätten desselben Betriebs in mehreren Gemeinden, so wird die Gewerbesteuer in jeder Gemeinde nach dem Teil (Zerlegungsanteil) des einheitlichen Steuermeßbetrages erhoben, der auf jede Gemeinde entfällt (§ 4 Abs 1 GewStG). Letzteres richtet sich in der Regel nach dem Verhältnis, in dem die Summen der an die Arbeitnehmer der in den verschiedenen Gemeinden befindlichen Betriebsstätten gezahlten Arbeitslöhne zueinander stehen (§ 29 Abs 1 Nr 1 GewStG). Was Arbeitslöhne sind, richtet sich grundsätzlich nach Einkommensteuerrecht. Allerdings ist der Weihnachtsfreibetrag und der Arbeitnehmerfreibetrag einzubeziehen. In diesem Zusammenhange bestimmt der § 31 Abs 1 Satz 3 GewStG ferner, daß "Zuschläge für Mehrarbeit und für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit" unbeschadet ihrer einkommensteuerrechtlichen Behandlung zu den Arbeitslöhnen gehören. Es liegt auf der Hand, daß nach dem Zweck der Regelung nicht nur Zuschläge für über die gesetzliche Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit gemeint sind.

Ebenfalls dürfte die besondere Angabe von Überstunden gemeint sein, wenn nach § 4 Abs 2 Nr 2 des Gesetzes über die Lohnstatistik vom 18. Mai 1956 (BGBl I 429) idF des Änderungsgesetzes vom 25. Oktober 1985 (BGBl I 2006) die Zahl der Arbeitsstunden "unter besonderer Angabe der Mehrarbeitsstunden" für die laufenden Statistiken über Arbeitsverdienste und Arbeitszeiten in der Landwirtschaft zu erheben sind, auch wenn für die entsprechenden laufenden Statistiken in anderen Bereichen nach dem insoweit unverändert geltenden § 6 Abs 1 Nr 1 Buchst b des Gesetzes über die Lohnstatistik die Zahl der Arbeitsstunden der Arbeiter "unter besonderer Angabe der zuschlagspflichtigen Über-, Sonn- und Feiertagsstunden" zu erfassen ist.

Im öffentlichen Dienstrecht verwendet der Gesetzgeber zur Regelung, wann einem Beamten wegen übermäßiger zeitlicher Beanspruchung Dienstbefreiung und wann eine nicht mögliche Dienstbefreiung durch einen Geldbetrag abgegolten werden kann, den Begriff der Mehrarbeit ebenfalls abweichend von der AZO (vgl hierzu § 44 Beamtenrechtsrahmengesetz -BRRG idF der Bekanntmachung vom 27. Februar 1985, BGBl I 462, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 14. November 1985, BGBl I 2090; § 72 Bundesbeamtengesetz -BBG- idF der Bekanntmachung vom 27. Februar 1985, BGBl I 479, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 14. November 1985, BGBl I 2090; § 48 Bundesbesoldungsgesetz -BBesG- idF der Bekanntmachung vom 1. Oktober 1986, BGBl I 1553, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 19. Dezember 1986, BGBl I 2542; Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütungen für Beamte idF der Bekanntmachung vom 1. Juli 1977, BGBl I 1107, zuletzt geändert durch Verordnung vom 24. April 1986, BGBl I 575). So sieht das BBG für Bundesbeamte vor, daß der Beamte verpflichtet ist, ohne Vergütung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Gründe dies erfordern und sich "die Mehrarbeit" auf Ausnahmefälle beschränkt (§ 72 Abs 2 Satz 1 BBG). Wird der Beamte durch eine "dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit" mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht, ist ihm innerhalb von drei Monaten "für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit" entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren (§ 72 Abs 2 Satz 2 BBG). Ist letzteres aus dienstlichen Gründen nicht möglich, können Beamte in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern für bis zu 40 Stunden im Monat eine Vergütung erhalten (§ 72 Abs 2 Satz 3 BBG; vgl für andere Beamte § 44 BRRG). Mehrarbeit ist hiernach die über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehende Dienstzeit. Die regelmäßige Arbeitszeit, die nach § 72 Abs 1 BBG wöchentlich im Durchschnitt 44 Stunden nicht überschreiten darf, richtet sich nach der Verordnung über die Arbeitszeit der Bundesbeamten idF der Bekanntmachung vom 24. September 1974 (BGBl I 2356), zuletzt geändert durch Verordnung vom 6. September 1985 (BGBl I 1903). Sie beträgt zur Zeit im allgemeinen im Durchschnitt 40 Stunden in der Woche (§ 1). Ihre Dauer entspricht damit der in der Wirtschaft jedenfalls bisher üblichen Vierzigstundenwoche und unterschreitet die gesetzliche Arbeitszeit der AZO erheblich. Der Begriff der Mehrarbeit im Beamtenrecht deckt sich mit dem herkömmlichen Begriff der Überarbeit im Arbeitsrecht. Dieses Begriffsverständnis erklärt auch, weshalb die die Mitbestimmung des Personalrats über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit in bestimmten Fällen auf die Grundsätze für die Aufstellung von Dienstplänen, insbesondere auf die Grundsätze für die Anordnung von Dienstbereitschaft, Mehrarbeit und Überstunden beschränkende Vorschrift des § 75 Abs 4 des Bundespersonalvertretungsgesetzes neben (den die Angestellten und Arbeiter betreffenden) Überstunden (die die Beamten betreffende) Mehrarbeit erwähnt.

Nicht einmal in arbeitsrechtlichen Bestimmungen verwendet der Gesetzgeber durchgehend den Begriff der Mehrarbeit im Sinne der AZO. Es ist zwar umstritten, ob die Vorschrift des § 46 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) idF der Bekanntmachung vom 26. August 1986 (BGBl I 1421), nach der Schwerbehinderte auf ihr Verlangen "von Mehrarbeit freizustellen" sind, auf Mehrarbeit im Sinne der AZO beschränkt ist, was zur Folge hätte, daß Schwerbehinderte lediglich Arbeit ablehnen könnten, die über 8 Stunden täglich, 48 Stunden wöchentlich bzw 96 Stunden in der Doppelwoche hinausgeht (so Gröninger, Komm zum SchwbG, Stand Juni 1984, § 43; Jung/Cramer, Komm zum SchwbG, 2. Aufl 1980, § 43 Rdz 2; aA Wilrodt/Neumann, Komm zum SchwbG, 6. Aufl 1984, § 43 Rdz 3). Soweit das Mutterschutzrecht die Beschäftigung werdender und stillender Mütter mit Mehrarbeit verbietet, bestimmt § 8 Abs 2 des Mutterschutzgesetzes idF vom 18. April 1968 (BGBl I 315), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 6. Dezember 1985 (BGBl I 2154), selbst und abweichend von der AZO, was Mehrarbeit ist. Gleiches gilt, soweit § 21 Abs 2 des Jugendarbeitsschutzgesetzes vom 12. April 1976 (BGBl I 965), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. April 1986 (BGBl I 560), den Ausgleich erbrachter Mehrarbeit durch entsprechende Verkürzung der Arbeitszeit innerhalb der folgenden drei Wochen anordnet; Mehrarbeit ist dabei die über die Arbeitszeit des § 8 des Gesetzes (täglich 8 Stunden, ausnahmsweise 8,5 Stunden, wöchentlich 40 Stunden) hinaus geleistete Arbeit. In besonderer Weise verwendet das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vom 15. Januar 1972 (BGBl I 13), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. April 1985 (BGBl I 710), den Begriff der Mehrarbeit. Das BetrVG räumt dem Betriebsratsmitglied zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, einen Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts ein. Ist die Arbeitsbefreiung, die vor Ablauf eines Monats zu gewähren ist, betriebsbedingt nicht möglich, so ist nach § 37 Abs 3 Satz 2 BetrVG die aufgewendete Zeit "wie Mehrarbeit zu vergüten". Die aufgewendete Zeit ist danach stets wie Mehrarbeit zu vergüten, also ohne Rücksicht darauf, ob durch sie die gesetzliche oder nur die regelmäßige Arbeitszeit überschritten worden wäre (Galperin/Löwisch, Komm zum BetrVG, 6. Aufl 1982, § 37 Rdz 52; Fitting/Auffahrt/Kaiser, Komm zum BetrVG, 14. Aufl 1984, § 37 Anm 53; Gnade/Kehrmann/Schneider, Komm zum BetrVG, 1972, § 37 Anm 8; Kammann/Heß/Schlochauer, Komm zum BetrVG, 1979, § 37 Anm 58).

Kann somit entgegen der Ansicht des LSG nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber, wenn er den Begriff der Mehrarbeit verwendet, nur Mehrarbeit im Sinne der AZO meint, muß aus dem Zweck der Vorschrift geschlossen werden, was als Mehrarbeitszuschläge nach § 112 Abs 2 Satz 1 AFG bei der Ermittlung des im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelts unberücksichtigt zu bleiben hat. Das um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, nicht verminderte Arbeitsentgelt des § 112 AFG soll dem Bruttoarbeitsentgelt entsprechen, das der Leistungsempfänger in einer Woche erzielen würde, stünde er in einem Arbeitsverhältnis. Das Gesetz knüpft dabei grundsätzlich an das bisher aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt an, ohne indes die Lohnfaktoren Stundenlohn und Arbeitszeit, die die Höhe des bisher erzielten Arbeitsentgelts bestimmten, in vollem Umfange zu übernehmen. So war schon bisher hinsichtlich der Arbeitszeit nicht die tatsächliche Wochenarbeitszeit im Bemessungszeitraum, sondern die ggf geringere tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (ggf der Durchschnitt mehrerer tariflicher regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeiten) zugrundezulegen (§ 112 Abs 2 Satz 1 AFG). Das ist darauf zurückzuführen, daß nicht unterstellt werden kann, daß der Leistungsempfänger, der im Bemessungszeitraum eine besonders hohe Arbeitszeitleistung erbracht hat, auch in einem künftigen Beschäftigungsverhältnis die Gelegenheit hätte, diese Arbeitszeitleistung zu erbringen (vgl BSGE 51, 64, 66 = SozR 4100 § 112 Nr 15; BSG SozR 4100 § 112 Nr 22). Die Nichtberücksichtigung einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, die die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit übersteigt, gewährleistet im übrigen aus Gründen der Vermittelbarkeit, daß das Alg nicht etwa an das normale tarifliche Entgelt heranreicht (BSG SozR 4100 § 112 Nr 22). Beim Lohnfaktor kam es nach dem bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Recht allein auf das im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Arbeitsstunde erzielte Arbeitsentgelt an. Das Gesetz unterstellte damit gewissermaßen, daß der Leistungsempfänger in einer Arbeitsstunde auch künftig das erzielen könne, was er durchschnittlich im Bemessungszeitraum erzielt hatte. Im Bemessungszeitraum erzielte Überstundenvergütungen hatten somit zur Folge, daß der Alg-Bemessung ein höherer durchschnittlicher Stundenverdienst zugrunde gelegt wurde: Das durchschnittlich in einer Stunde der normalen Arbeitszeit erzielte Arbeitsentgelt erhöhte sich um den Betrag, der sich bei Teilung des in Überstunden über den bisherigen durchschnittlichen Stundenlohn hinaus erzielten Mehrverdienstes durch die Summe der insgesamt zurückgelegten Arbeitsstunden ergab. Wenn nunmehr das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitszuschläge maßgebend ist, wird in ähnlicher Weise wie beim Arbeitszeitfaktor auch beim Lohnfaktor berücksichtigt, daß nicht unterstellt werden kann, daß der Leistungsempfänger auch in einem künftigen Beschäftigungsverhältnis Gelegenheit hätte, sein Arbeitsentgelt durch Zuschläge dieser Art aufzubessern. Schon diese Überlegungen sprechen dafür, daß als Mehrarbeitszuschläge iS des § 112 Abs 2 Satz 1 AFG jedenfalls solche in Überstunden erzielten Zuschläge anzusehen sind, die, wie hier, vom Arbeitgeber allein deshalb gezahlt werden, weil Arbeit über die Arbeitszeit hinaus erbracht worden ist, die die Arbeitsvertragsparteien als die gewöhnliche und regelmäßige ansehen. Für dieses Verständnis des Begriffs Mehrarbeitszuschläge in § 112 Abs 2 Satz 1 AFG spricht ferner, daß die Berücksichtigung jeglicher Überstundenzuschläge beim Alg die Leistung solcher Stunden fördern könnte, in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit arbeitsmarktpolitisch aber gerade der Abbau von Überstunden sinnvoll wäre.

Daß der Gesetzgeber in § 112 Abs 2 Satz 1 AFG den Begriff Mehrarbeitszuschlag im Sinne von Überstundenzuschlag verwandt hat, wird durch die Motive bestätigt, die zur Änderung der Vorschrift durch das AFKG geführt haben. Das allgemeine Ziel des AFKG war es angesichts vorliegender und erwarteter Haushaltsdefizite, die Finanzkraft der Bundesanstalt durch Einnahmeerhöhungen und Ausgabenkürzungen zu sichern. Diesem Ziel diente auch die Änderung des § 112 Abs 2 AFG. Zur Begründung der von ihm vorgeschlagenen Änderung hat der Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung nämlich ausdrücklich ausgeführt, daß er es im Hinblick "auf die veränderten wirtschaftlichen und finanziellen Voraussetzungen" für vertretbar halte, Mehrarbeitszuschläge und aufgelaufene Arbeitsentgelte bei der Bemessung des Alg nicht mehr zu berücksichtigen (Begründung zu Art 1 § 1 Nr 32 AFKG-Entwurf, BT-Drucks 9/966 S 79). Einsparungen maßgeblicher Art würden aber angesichts der Verbreitung der Vierzigstundenwoche nicht erzielt, wenn Zuschläge für die ersten 8 Überstunden in der Woche beim Alg weiterhin zu berücksichtigen wären. Der Effekt der Neuregelung würde, wie die Revision zu Recht geltend macht, auf einen Marginalbereich reduziert. Zur Begründung seines Änderungsvorschlags hat der Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung ferner ausgeführt, daß Mehrarbeitszuschläge und aufgelaufene Arbeitsentgelte, die unter besonderen Voraussetzungen gezahlt würden, nicht zu dem gewöhnlichen laufenden Arbeitsentgelt gehörten, mit dem der Arbeitnehmer bei jeder Lohnabrechnung rechnen könne (BT-Drucks aaO). Dem LSG ist einzuräumen, daß diese Voraussetzungen bei Mehrarbeitszuschlägen im Sinne der AZO gegeben sind. Zutreffend weist indessen die Revision darauf hin, daß auch Überstundenzuschläge im engeren Sinne nur unter besonderen Voraussetzungen gezahlt werden und nicht zu dem gewöhnlichen laufenden Arbeitsentgelt gehören, mit dem ein Arbeitnehmer bei jeder Lohnabrechnung rechnen kann.

Schließlich bestätigt die Entstehungsgeschichte der Änderung die vom Senat geteilte Auffassung der Beklagten. Die Empfehlung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung, die zu der jetzigen Fassung des § 112 Abs 2 AFG geführt hat, beruht zwar unmittelbar auf einem Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP. Dieser Änderungsantrag war indessen, wie es in dem Bericht des Bundestagsausschusses heißt, nahezu inhaltsgleich mit einem von der Ausschußmehrheit abgelehnten Antrag der Fraktion CDU/CSU. Nach diesem Änderungsantrag sollte als Bemessungsgrundlage das im Bemessungszeitraum erzielte regelmäßige Arbeitsentgelt einschließlich tätigkeitsbezogener Zulagen dienen; Überstunden und wiederkehrende sowie einmalige Zuwendungen sollten außer Betracht bleiben, auch wenn sie anteilig gezahlt werden (BT-Drucks 9/966 S 75). Zur Begründung ihres Änderungsantrages hatte die Fraktion der CDU/CSU schriftlich darauf hingewiesen, daß die Berücksichtigung von Überstundenvergütungen beim Alg weder der Vermittlungsbereitschaft der Arbeitslosen förderlich sei noch dem Abbau der Leistung von Überstunden diene, an dem ein ebenso dringendes wie großes arbeitsmarktpolitisches Interesse bestehe. Es sei deshalb sachgerecht, Überstundenvergütungen bei der Bemessung des Alg nicht zu berücksichtigen, sondern allein den Regellohn zugrundezulegen, wobei allerdings alle tätigkeitsbezogenen Zulagen wie Schmutz- oder Schichtzulagen miteinbezogen werden müßten (Ausschuß-Drucks 280). Da in dem Bericht des Bundestagsausschusses der Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP als nahezu inhaltsgleich bezeichnet worden ist und diesem Änderungsvorschlag wohl nur deshalb der Vorzug gegeben wurde, weil er Text und System des § 112 Abs 2 AFG im übrigen unverändert ließ, kommt dem Umstand, daß der Vorschlag der Fraktion der CDU/CSU von Überstunden sprach, der Änderungsantrag der damaligen Koalitionsfraktionen dagegen von Mehrarbeitszuschlägen, keine Bedeutung zu. Dafür, daß entgegen den Vorstellungen der Fraktion der CDU/CSU Überstundenzuschläge beim Bemessungsentgelt weiter berücksichtigt werden sollten, sofern die gesetzliche Arbeitszeit nicht überschritten ist, gibt es keine Anhaltspunkte.

Daß die Überstunden demnach bei der Berechnung des Alg außer Ansatz bleiben, obschon der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung auch auf der Grundlage der Überstundenvergütungen errechnet worden ist, ist von Verfassungs wegen unbedenklich. Die Gesamtleistung an Alg steht im Einzelfall typischerweise nicht in einer Beziehung zur jeweiligen Beitragsleistung. Art 3 Abs 1 Grundgesetz gebietet nicht, daß sich die in ihrer absoluten und relativen Höhe nicht sehr beträchtlichen Beitragsanteile, die auf Überstundenentgelte entfallen, leistungssteigernd auswirken (BVerfGE 51, 115 = SozR 4100 § 112 Nr 10).

Von dem im November 1983 erzielten Lohn sind daher als Mehrarbeitszuschläge 273,-- DM abzusetzen, ein Betrag, der sich ergibt, wenn man den Überstundenzuschlag von 3,-- DM mit den in dieser Zeit angefallenen 91 Überstunden vervielfältigt. Von den im November 1983 insgesamt erzielten 4.029,-- DM verbleiben somit nach Abzug des Weihnachtsgeldes und der Mehrarbeitszuschläge 3.256,-- DM (= 4.029,-- DM - 500,-- DM - 273,-- DM), die - geteilt durch die im November 1983 zurückgelegten 267 Arbeitsstunden - ein im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzieltes Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitszuschläge von 12,19 DM ergeben. Dieser Betrag ist mit der Zahl der Arbeitsstunden zu vervielfältigen, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt. Dabei ist als tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit zugrundezulegen, wenn keine tarifliche Arbeitszeit bestand, die tarifliche Arbeitszeit für gleiche oder ähnliche Beschäftigungen oder, falls auch eine solche tarifliche Regelung nicht bestand, die für gleiche oder ähnliche Beschäftigungen übliche Arbeitszeit (§ 112 Abs 4 Nr 2 AFG). Die 12,19 DM sind hiernach mit 40 zu vervielfältigen; denn nach den den Senat bindenden Feststellungen, die auch der Kläger mit Gegenrügen nicht angegriffen hat, betrug die Arbeitszeit laut Tarifvertrag 40 Stunden in der Woche.

Danach beträgt das Arbeitsentgelt, das der Alg-Bemessung zugrundezulegen ist, nach der durch § 112 Abs 9 AFG gebotenen Rundung auf den nächsten durch 5,-- DM teilbaren Betrag 490,-- DM (12,19 x 40 = 487,60 DM). Infolge der Rundung ist das das gleiche Arbeitsentgelt, das die Beklage ermittelt hat, obwohl sie einen höheren Stundensatz zugrundegelegt hat, nämlich einen Stundenlohn von 12,-- DM zuzüglich des - allerdings nur bis zur Höhe von 52,-- DM im Monat - gewährten Zuschlags von 0,30 DM an vermögenswirksamen Leistungen. Es kann daher im vorliegenden Falle offen bleiben, ob Überstunden und die Überstundenvergütung gänzlich außer Ansatz bleiben, wenn ihre Berücksichtigung nach Abzug der Mehrarbeitszuschläge zur Folge hat, daß das im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Arbeitsstunde erzielte Arbeitsentgelt geringer ist, als wenn nur Normalstunden und das in dieser Zeit erzielte Entgelt berücksichtigt werden.

Da die Beklagte ein wöchentliches Arbeitsentgelt von 490,-- DM ihrer Alg-Gewährung zugrunde gelegt hat, erweist sich die Klage als unbegründet. Der Revision der Beklagten ist infolgedessen zu entsprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1662931

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