Orientierungssatz

An der Rechtsprechung (vergleiche BSG 1969-11-12 4 RJ 245/68 = SozR Nr 5 zu § 1420 RVO), daß ein Vorverfahren und ein Rechtsstreit über die Versicherungspflicht nach dem HwVG die Verjährung von Beitragsrückständen nach dem HVG unterbricht, wird festgehalten.

 

Normenkette

RVO § 1420 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, Abs. 3 Fassung: 1957-02-23, § 29 Abs. 1 Fassung: 1924-12-15; HwVG § 1 Abs. 5 Fassung: 1960-09-08

 

Tenor

Das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Mai 1968 wird aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

Der Kläger ist selbständiger Handwerker und seit 1935 in die Handwerksrolle eingetragen. Er entrichtete keine Beiträge nach dem Gesetz über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk (HVG) vom 21. Dezember 1938. Nach Erlaß des Handwerkerversicherungsgesetzes (HwVG) vom 8. September 1960 schloß er im Dezember 1961 zur Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung einen Lebensversicherungsvertrag ab. Die Beklagte stellte zunächst seine Versicherungspflicht nach dem HwVG fest (Bescheid vom 24. September 1962, Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 1963). Im darauffolgenden Klageverfahren wurde im Mai 1966 eine Übereinstimmung zwischen den Beteiligten dahin erzielt, daß der Kläger vom 1. Januar 1962 an versicherungsfrei sei.

Mit Bescheid vom 21. Juni 1966 (Widerspruchsbescheid vom 31. August 1966) forderte die Beklagte vom Kläger die Nachentrichtung von 23 Monatsbeiträgen nach dem HVG für die Zeit vom 1. Januar 1960 bis 30. November 1961. Dieser machte Verjährung geltend.

Das Sozialgericht Regensburg hat die zuletzt genannten Bescheide aufgehoben: die Beitragsforderung der Beklagten sei verjährt (§ 29 der Reichsversicherungsordnung - RVO -): eine Unterbrechung der Verjährung durch das Beitragsverfahren sei nicht eingetreten (Urteil vom 9. Mai 1967). Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg (Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts - LSG - vom 16. Mai 1968).

Die Beklagte hat Revision eingelegt. Sie beantragt, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist begründet; die Beitragsforderung der Beklagten ist nicht verjährt.

Vorverfahren und Rechtsstreit über die Versicherungspflicht nach dem HwVG - im vorliegenden Fall von 1962 bis 1966 - unterbrechen die Verjährung von Beitragsrückständen nach dem HVG. Dies hat der Senat bereits früher - mit ausführlicher Begründung und Hinweisen auf das Schrifttum - entschieden (BSG SozR Nr. 5 zu § 1420 RVO). An dieser Rechtsprechung wird festgehalten. Die Versicherungspflicht nach dem HwVG stellt praktisch die Fortsetzung der Versicherungspflicht nach dem HVG dar. Deshalb hängen der Rechtsstreit über die Versicherungspflicht nach dem HwVG (von 1962 an) und die Forderung von Beiträgen für die Jahre davor (1960, 1961) innerlich zusammen. Dieser Zusammenhang rechtfertigte es, während des Laufs der genannten Verfahren keinen Rechtsverlust durch Fristablauf eintreten zu lassen, auch wenn die Verfahren andere Zeiten betreffen als die, auf die sich die Beitragsforderung bezieht. Der Senat ist nicht der Meinung, daß die Forderung von Beiträgen mehrere Jahre nach der Fälligkeit und vom Beitragspflichtigen wohl nicht mehr erwartet, weil vom Versicherungsträger nicht mit in den Rechtsstreit einbezogen, mißbräuchlich und deshalb unzulässig war (vgl. Tannen, Deutsche Rentenversicherung 1970 S. 408). Die Beklagte durfte mit der Feststellung der endgültigen Beitragsschuld warten, bis die Meinungsverschiedenheiten zwischen ihr und dem Kläger über dessen Versicherungspflicht durch die anhängigen Verfahren behoben waren. Das Versicherungsverhältnis war in einen Schwebezustand geraten. Die Verfahren konnten Ergebnisse bringen, die auch das Versicherungsverhältnis nach dem HVG berührten. Nach Klärung des Sachverhalts und der Rechtslage (Mai 1966) hat die Beklagte unverzüglich gehandelt (Juni 1966).

Das Berufungsgericht brauchte zu seiner Entscheidung keine Feststellungen darüber, ob der Kläger in den Jahren 1960 und 1961 versicherungspflichtig war und - gegebenenfalls - in welcher Höhe er Beiträge zu entrichten hatte. Es hat sie deshalb auch nicht getroffen. Sie sind aber zur abschließenden Entscheidung erforderlich. Der Rechtsstreit muß daher an das LSG zurückverwiesen werden; diesem Gericht bleibt auch die Kostenentscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670288

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